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Nichterfüllungsschaden – Reparaturkosten und Minderwert

Bundesgerichtshof

Az: V ZR 45/07

Urteil vom 16.11.2007


Leitsatz:

Liegen die Kosten, die erforderlich sind, um die Kaufsache in einen mangelfreien Zustand zu versetzen, erheblich über deren mangelbedingten Minderwert, kann der Käufer als Nichterfüllungsschaden grundsätzlich nur den Minderwert ersetzt verlangen.


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2007 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Februar 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 24. Oktober 2000 erwarb die Klägerin von der Beklagten für 2 Mio. DM ein Grundstück, das mit einem 1959 errichteten Mehrfamilienhaus bebaut ist. Der Vertrag enthält einen Gewährleistungsausschluss sowie als Anlage eine Liste mit sämtlichen Mietverhältnissen und Angaben über Miethöhe, Nebenkosten und Wohnflächen. Diese Liste, so heißt es in dem Vertrag, sei zwischen den Vertragsbeteiligten verbindlich und damit Vertragsinhalt.

In der Liste aufgeführt waren zwei Dachgeschosswohnungen mit Wohnflächen von 48 bzw. 38 qm. Diese waren allerdings ohne baurechtliche Genehmigung und entgegen den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ausgebaut worden.

Die Klägerin verlangt deshalb Schadensersatz wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft der Kaufsache. Durch rechtskräftiges Urteil vom 20. Oktober 2003 ist der Klage dem Grunde nach stattgegeben worden. Im vorliegenden Betragsverfahren berechnet die Klägerin ihren Schaden – unter Hinweis darauf, dass die baurechtliche Genehmigung anders nicht zu erreichen sei – anhand der Kosten eines heutigen Anforderungen entsprechenden Dachausbaus, die sie mit 217.099,78 EUR beziffert.

Der nach der Ertragswertmethode ermittelte Verkehrswert des Grundstücks betrug im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit zwei (genehmigten) Mansardenwohnungen 1.990.000 DM und ohne die Mansardenwohnungen 1.900.000 DM. Den Differenzbetrag (46.016,27 EUR) hat das Oberlandesgericht zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter, soweit ihm nicht entsprochen worden ist. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne die Kosten zur Herstellung genehmigungsfähiger Dachgeschosswohnungen nicht ersetzt verlangen. Der nach § 463 Satz 1 BGB a.F. berechtigte Käufer dürfe seinen Schaden zwar grundsätzlich anhand der zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten berechnen. Dies diene aber nur der Vereinfachung und ändere nichts an dem Grundsatz, dass der Verkäufer nicht die Herstellung eines mangelfreien Zustands, sondern den Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Sache schulde. Hierbei müsse es bleiben, wenn die Herstellungskosten erheblich über dem Minderwert lägen. Zudem habe die Beklagte nicht die Gewähr dafür übernommen, dass das Dachgeschoss zu einer modernen, heutigen Wohnverhältnissen entsprechenden Wohnung ausgebaut werden könne. Sie habe lediglich zugesichert, dass der angegebene Mietertrag aufgrund einer baurechtlich zulässigen Vermietung erzielt werde. Hätten die Parteien gewusst, dass eine Baugenehmigung für die Mansardenwohnungen nicht erteilt und ohne Umbau auch nicht zu erlangen war, hätten sie den Vertrag entweder nicht abgeschlossen oder aber den Kaufpreis um den für die Dachgeschosswohnungen angesetzten Ertrag verringert.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass die Frage, ob die Klägerin ihren Schaden auf der Grundlage der für einen genehmigungsfähigen Dachgeschossausbau entstehenden Kosten berechnen darf, nicht schon durch das Grundurteil vom 20. Oktober 2003 entschieden ist. Zwar heißt es darin, die nach § 463 Abs. 1 BGB a. F. auszugleichende mangelbedingte Wertdifferenz könne nach den Kosten für die Herrichtung des Kaufgegenstands in einen vertragsgerechten Zustand bestimmt werden. Hieran ist das Berufungsgericht jedoch nicht gebunden.

Rechtskraft und innerprozessuale Bindungswirkung eines Grundurteils (§ 304 ZPO) beziehen sich nur auf den Grund des Anspruchs. Ausführungen zu einem dem Betragsverfahren vorbehaltenen Punkt, insbesondere zur Höhe einer Forderung oder eines Schadens, nehmen an der Rechtskraft des Grundurteils dagegen nicht teil und entfalten für das weitere Verfahren auch keine Bindungswirkung nach § 318 ZPO (vgl. BGHZ 10, 361, 362; BGH, Urt. v. 4. Mai 2005, VIII ZR 123/04, NJW-RR 2005, 1157, 1158; Urt. v. 12. Juli 1963, IV ZR 314/62, MDR 1964, 214, 215; Urt. v. 29. Oktober 1959, III ZR 150/58, VersR 1960, 248, 251). So liegt es hier. Die von der Revision angeführte Passage in dem Grundurteil vom 20. Oktober 2003 betrifft die richtige Art der Schadensberechnung und damit die Höhe des Klageanspruchs. Daher ist die Klärung, welchen Schaden die Klägerin ersetzt verlangen kann – da hiervon nicht ausnahmsweise die für den Erlass eines Grundurteils notwendige Feststellung abhängt, dass der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht (vgl. dazu Senat, Urt. v. 7. Mai 2004, V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2527) -, dem Betragsverfahren vorbehalten.

Im Übrigen reicht die Bindungswirkung eines Grundurteils nur so weit, wie das erkennende Gericht einen Streitpunkt tatsächlich entscheiden wollte (vgl. Senat, Urt. v. 7. Mai 2004, V ZR 77/03, aaO). Das Berufungsgericht hat in seinem Grundurteil lediglich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berechnung des Nichterfüllungsschadens bei Wahl des sog. kleinen Schadensersatzes wiedergegeben. Eine abschließende Entscheidung darüber, ob es der Klägerin auch dann möglich ist, ihren Schaden nach den für den Dachgeschossausbau erforderlichen Kosten zu berechnen, wenn der durch das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft begründete Minderwert des Hauses deutlich geringer ist, war ersichtlich nicht beabsichtigt.

2. a) In der Sache legt das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde, wonach der Anspruch aus § 463 BGB a.F. auf Ausgleich des Wertunterschieds zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache gerichtet ist, wenn der Gläubiger, wie hier, den sog. kleinen Schadensersatz wählt. Dabei ist es zwar grundsätzlich zulässig, diese Differenz nach den Kosten für eine Herrichtung des verkauften Gegenstands in einen mangelfreien Zustand zu berechnen (vgl. Senat, BGHZ 108, 156, 160; Urt. v. 7. Mai 2004, V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2528; Urt. v. 10. Juni 1998, V ZR 324/97, NJW 1998, 2905; Urt. v. 14. Juni 1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332, 1333; Urt. v. 9. Oktober 1964, V ZR 109/62, NJW 1965, 34 f.; BGH, Urt. v. 26. Januar 1983, VIII ZR 227/81, NJW 1983, 1424, 1425).

Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine vereinfachte Form der Berechnung des auszugleichenden Minderwerts. Ihr liegt die Erwägung zugrunde, dass die zur Beseitigung des Mangels bzw. zur Herstellung der zugesicherten Eigenschaft erforderlichen Kosten meist einfacher zu ermitteln sind und im Regelfall dem mangelbedingten Minderwert der Sache entsprechen oder doch nahe kommen. Diese Berechnungsmöglichkeit ändert aber nichts daran, dass der Verkäufer – auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung – nicht zur Beseitigung des Mangels bzw. zur Herstellung der zugesicherten Eigenschaft der Sache verpflichtet ist, sondern den Wertunterschied zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache auszugleichen hat (vgl. Senat, BGHZ 108, 156, 160; Urt. v. 10. Juni 1998, V ZR 324/97, NJW 1998, 2905). Ein eigenständiger, unmittelbar auf Ersatz der Herstellungskosten gerichteter Schadensersatzanspruch steht dem Käufer mangels entsprechenden Primäranspruchs hingegen nicht zu. Bleibt die mangelbedingte Wertminderung der Sache – wie hier – deutlich hinter den Kosten für die Herstellung der zugesicherten Eigenschaft zurück und ist diese Abweichung, was zugunsten der Klägerin zu unterstellen ist, nicht nur mit einem fehlenden Abzug „neu für alt“ bei den Herstellungskosten zu erklären (vgl. hierzu Senat, Urt. v. 7. Mai 2004, V ZR 77/03, NJW 2004, 2526, 2528), kann der Käufer daher nur Ersatz des Minderwerts der Sache verlangen.

b) Ein weitergehender, auf Ersatz der Herstellungskosten gerichteter Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus dem Inhalt der Zusicherung. Dem steht bereits die rechtsfehlerfreie und von der Revision nicht angegriffene Auslegung des Berufungsgerichts entgegen, wonach Gegenstand der Zusicherung nur ein bestimmter, auf baurechtlich unbedenklicher Grundlage erzielbarer Mietertrag des Hauses ist. Zudem enthält die Zusicherung keine Anhaltspunkte für den Willen der Beklagten, eine über die Rechtsfolgen des § 463 Satz 1 BGB a.F. hinausgehende Haftung zu übernehmen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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