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Nichtigkeit Grundstücksübertragungsvertrag bei Alzheimer-Demenz

OLG Köln – Az.: 12 U 20/13 – Urteil vom 13.09.2018

Die Berufung des Beklagten gegen das das am 8.5.2013 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln (Az. 18 O 192/12) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Beklagte.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000,- EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die am 8.2.1922 geborene Erblasserin und vormalige Klägerin stand aufgrund Beschlusses des AG Bergheim vom 31.8.2011 (71 XVII 135/11) unter Betreuung und ist während des Berufungsverfahrens am 22.8.2013 verstorben – der Kläger wurde zum Nachlasspfleger bestellt (Bestellungsurkunde vom 3.9.2014, Bl. 236).

Die Parteien streiten um die Rückübertragung von Grundbesitz. Die Erblasserin war Eigentümerin eines Hausgrundstücks, dessen Wert der von der Betreuerin beauftragte Privatsachverständige Dipl. Ing. A in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 18.10.2012 (Anlage zum Klägerschriftsatz vom 22.10.2012, Bl. 98-103 d.A.) mit 225.000,- EUR angab. Mit Grundstückskaufvertrag vom 15.3.2011 (Bl. 12 ff. d. A.), über dessen Wirksamkeit die Parteien im Hinblick auf die Frage der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin streiten, verkaufte die Erblasserin dem Beklagten eine im Vertrag als „Gartenland“ bezeichnete Teilfläche des Grundstücks, 664 qm groß, nach dem Bebauungsplan als Bauland ausgewiesen, zum Preis von 10.000,- EUR.

Weiterhin haben die Parteien um die Verpflichtung des Beklagten zur Auskunftserteilung über vom Konto der Erblasserin abgehobene Beträge ab dem 17.3.2011 aufgrund der dem Beklagten durch die Erblasserin am 17.3.2011 erteilten Kontovollmacht gestritten, die der Kläger ebenso wie die am 17.3.2011 ebenfalls erteilte Generalvollmacht (Bl. 19-22 d.A.) ebenfalls wegen Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin als nichtig angesehen hat.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages und der erstinstanzlich gestellten Anträge auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach vorheriger Ankündigung (Protokoll Bl. 109 d.A.) das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. B vom 28.8.2011 (Bl. 25-33 d.A., ergänzende Stellungnahme vom 3.3.2012, Bl. 51 f. d. A.) als Beweismittel verwertet. Es hat den Beklagten antragsgemäß zur Rückübertragung und Auskunftserteilung verurteilt, weil es aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen B für erwiesen erachtet hat, dass die Erblasserin zur Zeit des Vertragsschlusses und der Erteilung der Generalvollmacht geschäftsunfähig war.

Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend, das Gutachten aus dem Betreuungsverfahren habe nicht verwertet werden dürfen. Insoweit habe das Landgericht auch seine Hinweispflichten verletzt. Der Beklagte erhebt zudem Einwendungen gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen und rügt, das Gericht habe sich nicht hinreichend kritisch mit dem Gutachten befasst. Der Beklagte trägt ergänzend zum geistigen und körperlichen Zustand der früheren Klägerin in der Zeit von März bis August 2011 vor. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe das Beweismaß verkannt.

Der Senat hat nach vorherigem Hinweis mit Beschluss vom 27.1.2015 die Berufung zurückgewiesen und dies maßgeblich auf die Ansicht gestützt, eine Verwertung des Gutachtens aus dem Betreuungsverfahren sei zutreffend auf § 411a ZPO gestützt worden. Da der Beklagte von der Möglichkeit, gestützt auf § 139 Abs. 5 ZPO einen Schriftsatznachlass zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht, sondern stattdessen rügelos seinen Sachantrag wiederholt habe, sei er mit der Rüge eines Verstoßes gegen das nach § 411 a ZPO zu beachtende Verfahren, mit der Rüge mangelnder Verwertbarkeit sowie eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ausgeschlossen. Inwieweit die im Krankenhaus im Juli 2011 behandelnden Ärzte oder der Notar die Beklagte für geschäftsfähig hielten, könne dahinstehen, da es für die Frage der Geschäftsfähigkeit nicht auf die Einschätzung der Mitmenschen der betroffenen Person ankomme, seien sie auch medizinisch oder/und juristisch qualifiziert, sondern auf das Ergebnis einer nach fachwissenschaftlichen Vorgaben durchzuführenden Exploration durch einen für gerade diese Fragen qualifizierten Facharzt.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde vom 18.02.2015 (Bl. 328f. d.A.) hat der Beklagte die Zurückweisung der Berufung lediglich im Hinblick auf die bestätigte Verurteilung zur Zustimmung zur Grundbuchberichtigung angegriffen (Begründungsschriftsatz vom 11.06.2015, Bl. 357 ff. d.A.). Mit Beschluss vom 12.11.2015 (Az. V ZR 66/15, Bl. 394-397 d.A.) hat der Bundesgerichtshof den Senatsbeschluss vom 27.01.2015 insoweit und im Kostenpunkt aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dem zweitinstanzlichen Beweisangebot auf Vernehmung der seinerzeit behandelnden Ärzte und des Notars als Zeugen sei nachzugehen.

Der Beklagte macht bezugnehmend auf Stellungnahmen der Privatgutachter Dr. C vom 14.04.2015 (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 24.05.2016, Bl. 434-439 d.A.) und Dr. D vom 30.11.2015 (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 24.06.2016, Bl. 428-433 d.A.), vom 10.01.2017 (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 16.01.2017, Bl. 546-554 d.A., bezugnehmend auf Auszüge aus der Krankenakte Bl. 543-545, 555-557) und vom 26.09.2017 (Anlage B 7 zum Beklagtenschriftsatz vom 30.09.2017, Bl. 638-655 d.A.) Einwendungen gegenüber den Feststellungen und Wertungen des Sachverständigen Dr. B geltend.

Der Beklagte rügt insbesondere, der Sachverständige habe keine Alzheimer-Demenz diagnostizieren können und habe unzureichend differenziert im Hinblick auf Beeinträchtigungen durch die Gabe von Oxycodon, einen Infekt oder/und ein infolge der vorangegangenen Operation aufgetretenes posttraumatisches Geschehen. Angesichts dessen könne der Rückschluss auf den Zustand zu einem Monate zurückliegenden Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Gewissheit erfolgen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Köln vom 8.5.2013 zum Az. 18 O 192/12 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Nichtigkeit Grundstücksübertragungsvertrag bei Alzheimer-Demenz
(Symbolfoto: Von Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Zwischenzeitlich hat der Beklagte bei dem Landgericht Köln zu Az. 3 O 259/14 mit Klageschrift vom 7.10.2014 gegen den hiesigen Kläger auf Feststellung angetragen, dass er Alleinerbe der früheren Klägerin des hiesigen Verfahrens sei. Der Beklagte stützt sich dabei auf ein Testament vom 20.3.2011 (Anl. B 3, Bl. 255 d.A.) und trägt in der Klageschrift ausführlich zum Gesundheitszustand der früheren Klägerin bei Errichtung des Testaments vor. Er vertritt die Ansicht, die frühere Klägerin sei testierfähig gewesen und das Testament sei demgemäß wirksam.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. E, Dr. F und Dr. G, allesamt in Anwesenheit des Sachverständigen Dr. B. Insoweit wird wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 07.07.2016 (Bl. 441-459; Berichtigung vom 06.10.2016, Bl. 459a d.A.) Bezug genommen. Ferner hat der Senat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 07.07.2016 (Seite 18 der Sitzungsniederschrift, Bl. 458 d.A.) nebst Ergänzung durch Beschluss vom 09.03.2017 (Bl. 566 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit Bezug genommen auf die fachärztlichen Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. B vom 06.11.2016 (Bl. 497-506 d.A.) und 10.06.2017 (Bl. 573-590 d.A.).

Die Akten des Rechtsstreits umgekehrten Rubrums, in dem um die Wirksamkeit der Einsetzung des Beklagten zum Alleinerben der Erblasserin gestritten wird (LG Köln 3 O 259/14; OLG Köln 12 U 3/16), sind zu Informations- und Beweiszwecken beigezogen worden. Die Akten des die Erblasserin betreffenden Betreuungsverfahrens AG Bergheim XVII 135/11 sind zu Beweiszwecken beigezogen worden. Die beigezogenen Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung, soweit sie nach Teilrechtskraft des Senatsbeschlusses vom 27.01.2015 noch zur Entscheidung ansteht, ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat ist übereinstimmend mit dem Landgericht der Ansicht, dass ein Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB besteht, weil die dingliche Einigung zwischen dem Beklagten und der Erblasserin, der vormaligen Klägerin, wegen deren Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB nichtig war, da sich die Erblasserin zum Zeitpunkt der Beurkundung des Grundstückskaufvertrages mit dem Beklagten am 15.03.2011 in einem nicht lediglich vorübergehenden Zustand krankhafter Störung ihrer Geistestätigkeit befand, der ihre freie Willensbildung ausschloss.

Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 BGB ist gegeben, wenn jemand außerstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung seiner Geistestätigkeit zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Es ist dabei darauf abzustellen, ob eine freie Entscheidung bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nach Abwägung des Für und Wider möglich ist, oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung äußere Einflüsse beispielsweise dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BGH, Urteil vom 05.12.1995, XI ZR 70/95, NJW 1996, 918, zitiert nach juris, Rn. 11, Beschluss vom 14.03.2017, VI ZR 225/16, zitiert nach juris, Rn. 13).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass die Erblasserin im März 2011 nicht mehr zur freien Bildung ihres Willens im Bereich geschäftlicher Angelegenheiten imstande war. Sie litt im August 2011 an einer fortgeschrittenen Demenz im Senium mit schwerer körperlicher Hinfälligkeit. Diese Demenzerkrankung bestand bereits zum Jahresende 2010 und hatte spätestens im März 2011 ein Stadium erreicht, in dem die Schwere der Symptome ihr die freie Willensbildung im Bereich geschäftlicher Angelegenheiten nicht mehr ermöglichte.

Dies steht fest aufgrund der überzeugenden und für den Senat nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. B in seinen Gutachten vom 28.08.2011 (Anl. z. Klageschrift, Bl. 25-33 d.A., Bl. 29-37 der Betreuungsakte) , vom 06.11.2016 (Bl. 497-506 d.A.) und 10.06.2017 (Bl. 573-590 d.A.), denen der Senat folgt, und auf die zur Meidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Insbesondere wird Bezug genommen, auf die Bewertung auf den Seiten 7 und 8 des Gutachtens vom 28.08.2011 (Bl. 31 f. d.A.), auf den Seiten 5 – 9 der Stellungnahme vom 06.11.2016 (Bl. 501 – 505 d.A.) und auf den Seiten 3 – 10 der Stellungnahme vom 10.06.2017 (Bl. 575 – 582 d.A.).

Der Sachverständige hat unter Heranziehung des Inhaltes der Akten und Beiakten, der Krankenunterlagen sowie des Ergebnisses der Zeugenvernehmungen, welchen er beiwohnte, die Tatsachengrundlage zutreffend dargestellt und sodann überzeugend bewertet.

1.

Das Bestehen einer fortgeschrittenen Demenz im Senium mit schwerer körperlicher Hinfälligkeit im August 2011, die auf eine Geschäftsunfähigkeit bereits im März 2011 schließen lässt, hat der Sachverständige bereits im Rahmen des im Betreuungsverfahren erstellten Gutachtens überzeugend dargestellt.

a)

Die Verwertung des Gutachtens aus dem Betreuungsverfahren ist zutreffend auf § 411a ZPO gestützt worden und begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. Dabei wird nicht übersehen, dass es zur Verwertung eines Gutachtens aus einem anderen Verfahren regelmäßig zunächst erforderlich ist, den Parteien Kopien des Gutachtens mit einer Stellungnahmefrist zuzuleiten (vgl. Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Auflage, § 411a ZPO, Rn. 4). Vorliegend war indes beiden Parteien das Gutachten bereits hinlänglich bekannt. Die damalige Klägerin hatte es nämlich zur Substantiierung ihres Vortrages bereits der Klageschrift vom 20.6.2012 beigefügt, weswegen zu einer Stellungnahme des Beklagten im Rahmen seines Sachvortrages (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinlänglich Gelegenheit bestand. Auf dieser Grundlage reichte es aus, die Parteien zur beabsichtigten Verwertung des beiden Parteien bereits bekannten Gutachtens im Termin vom 19.12.2012 anzuhören (Protokoll Bl. 109 d.A.). Mit der Bekanntgabe der beabsichtigten Verwertung wurden die Parteien zugleich mit hinreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass mit der Möglichkeit zu rechnen sein würde, das Gericht würde aufgrund des Gutachtens von Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin seit Anfang 2011 ausgehen. Von der Möglichkeit, hierdurch veranlasst gestützt auf § 139 Abs. 5 ZPO einen Schriftsatznachlass zu beantragen, hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht und stattdessen rügelos seinen Sachantrag wiederholt.

Infolgedessen ist der Beklagte mit der Rüge eines Verstoßes gegen das nach § 411 a ZPO zu beachtende Verfahren, mit der Rüge mangelnder Verwertbarkeit sowie eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ausgeschlossen. Die rügelose Antragstellung führt nach § 295 Abs. 1 ZPO zum Verlust des Rügerechts, soweit disponible Verfahrensmängel betroffen sind. Zu den hiernach verzichtbaren Verfahrensmängeln zählen Verstöße gegen die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ebenso wie die Verwertung unzulässiger Beweismittel (Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 32. Auflage, § 295 ZPO, Rn. 3).

Ungeachtet dessen besteht für die Annahme eines Verwertungsverbotes auch schon im Ansatz keine Grundlage (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.8.2016, L 6 VG 3508/12, juris Rn. 61; auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird die Verwertung von in einem Betreuungsverfahren eingeholten Gutachten in anderen Verfahren für grundsätzlich zulässig erachtet (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.2013, V ZR 8/13, juris Rn. 6 ff.); auch mit seinem im vorliegenden Verfahren ergangenen Beschluss vom 12.11.2015 hat der Bundesgerichtshof die Verwertung des Gutachtens aus dem Betreuungsverfahren als solche nicht beanstandet. Weshalb es Bedenken unterliegen sollte, denselben Gutachter wie im Betreuungsverfahren mit der Klärung gegebenenfalls weiter gehender Fragen zu betrauen, erschließt sich schon im Ansatz nicht.

b)

Die Frage der Verwertbarkeit des Ausgangsgutachtens würde indes auch dahinstehen können. Das ergibt sich daraus, dass der Senat dem Sachverständigen im Rahmen des Berufungsverfahrens einen eigenständigen Begutachtungsauftrag erteilt hat, und er sodann im Rahmen dieses Auftrages unter Berücksichtigung des Akteninhalts sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Zeugenvernehmung dargestellt hat, dass und warum auch unter Würdigung der sich im hiesigen Verfahren darstellenden Tatsachengrundlage bezogen auf März 2011 von unzureichender Willensentschließungsfreiheit der Erblasserin auszugehen ist.

2.

Die Vernehmung der beklagtenseits benannten Zeugen Dr. E, Dr. F und Dr. G hat zur Feststellung von Tatsachen, die der Annahme einer fortgeschrittenen Demenz entgegenstehen könnten, nicht geführt.

a)

Der Zeuge Dr. E hat detailreich und überzeugend dargestellt, die Erblasserin nach ihrem Geburtsort und ihrer Herkunft gefragt zu haben, woraufhin diese klar und deutlich geantwortet habe, sie sei in H aufgewachsen und sei ein „echt kölsch Mädsche“. Auch die Schilderung, er habe nach Verlesung des Urkundenentwurfs dessen Inhalt noch einmal zusammengefasst und die Erblasserin gefragt, ob das so in Ordnung sei, was diese bestätigt habe, war durchaus authentisch. Insoweit hat indes der Sachverständige B in seiner Stellungnahme vom 06.11.2016 (dort Seite 6 f., Bl. 502 f. d.A.) überzeugend ausgeführt, dass es sich bei Geburtsort und Herkunft um auch bei fortgeschrittenen kognitiven Einbußen noch lange abrufbare Gedächtnisengramme handelt und der Erblasserin mit der Frage, ob das vom Notar Zusammengefasste so in Ordnung gehe, keine eigene Gedächtnisleistung abverlangt worden ist. Dieser Wertung ist im Übrigen auch der beklagtenseits beauftragte Privatgutachter Dr. D ausdrücklich beigetreten (S. 6 des Gutachtens vom 10.01.2017, Bl. 551 d.A.). Da die von dem Notar an die Erblasserin gerichteten Fragen zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin im Hinblick auf eine mögliche Demenz ungeeignet waren, kann der auf der Beantwortung der Fragen beruhenden Wertung des Notars, die Erblasserin sei geschäftsfähig gewesen, eine relevante Indizwirkung nicht beigemessen werden. Bei einer Demenzerkrankung wie hier kann der Betroffene für einen medizinischen Laien oft noch geistig klar und orientiert wirken und nach außen noch eine intakte Fassade aufweisen und damit unauffällig erscheinen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 13.7.2017, 10 U 76/16, juris Rn. 85). Die vom Zeugen E bekundeten Tatsachen werden demgemäß dem Sachverständigen folgend vom Senat als der Annahme von Geschäftsunfähigkeit nicht entgegenstehend bewertet.

b)

Der Zeuge Dr. F hat bekundet, die Erblasserin sei bei Einlieferung ins Krankenhaus nur zeitweise orientiert gewesen und habe mehrfach gefragt, wo sie sei. Bei dem Gespräch mit ihr habe er den Eindruck gewonnen, die Tragweite der Entscheidung – Einwilligung in die Operation zur Amputation des Fußes – habe sich ihr nicht erschlossen. An sich habe man daher auch nicht von einer wirksamen Einwilligung ausgehen können, allerdings habe eine lebensgefährliche Situation bestanden. Aus seiner Sicht habe sich der Zustand nach den Operationen gegenüber demjenigen davor nicht wesentlich verändert. Die Bekundungen waren detailreich und plausibel. Dass der Zeuge auch auf intensive Nachfrage hin klar differenzieren konnte, woran er sich noch erinnerte und woran nicht, unterstützt die Authentizität der geschilderten Erinnerung. Belastungs- oder Begünstigungstendenzen haben sich ebensowenig ergeben wie Anhaltspunkte für ein über die Kollegialität hinausgehendes Näheverhältnis zum gerichtlichen Sachverständigen oder eine in Vorbereitung des Termins getroffene Absprache zwischen Zeugen und Sachverständigem. Dass der Zeuge sich aufgrund seiner Schilderung dem Risiko von Nachfragen im Hinblick auf die Frage der erteilten Einwilligung sowie der Einwilligungsfähigkeit ausgesetzt hat, was ihm durch Belehrung über ein Auskunftsverweigerungsrecht auch vor Augen geführt worden ist, spricht für seine Glaubwürdigkeit. Gegen die Annahme von Geschäftsunfähigkeit sprechende Umstände haben sich aus den Bekundungen des Zeugen Dr. F nicht ergeben, insbesondere auch nicht für eine depressive Erkrankung als Ursache für die festgestellten kognitiven Beeinträchtigungen – auf die Ausführungen des Sachverständigen auf den Seiten 7-9 der Stellungnahme vom 06.11.2016 (Bl. 503-505 d.A.) wird insoweit Bezug genommen.

c)

Der Zeuge Dr. G hat schon zu Beginn seiner Vernehmung auf seine eingeschränkte Erinnerung hingewiesen und sodann mehrfach zu konkreten Einzelheiten bekundet, sich an solche nicht mehr erinnern zu können. Die Bekundungen waren daher nur sehr eingeschränkt ergiebig. Immerhin hat der Zeuge bestätigt, bei Anhaltspunkten für eine dauerhafte Einwilligungsunfähigkeit grundsätzlich ein neurologisches Konsil einzuholen. Da ein solches nicht eingeholt wurde, besteht ein Indiz dafür, dass der Zeuge die Erblasserin nicht als dauerhaft einwilligungsunfähig angesehen hat. Diese Wertung für sich genommen erlaubt jedoch nicht in relevantem Maße Rückschlüsse im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit. Hierfür wären Einzelheiten des Gesprächsverlaufs vonnöten, an die der Zeuge sich aber gerade nicht erinnern kann. Nur anhand solcher Einzelheiten könnte gegenüber den Wahrnehmungen des Zeugen F abgegrenzt werden und eine sinnvolle Zuordnung der Wahrnehmungen zu den Kriterien der Einwilligungsfähigkeit einerseits sowie der Geschäftsfähigkeit andererseits erfolgen.

d)

Einer Vernehmung der Zeugin I zu den in der Betreuungsakte dokumentierten Äußerungen der Erblasserin in einem Gespräch vom 15.8.2011 (S. 7 des Schriftsatzes vom 19.1.2015, Bl. 292 d.A., Bl. 20 der Betreuungsakte) bedurfte es nicht, weil der Kläger die mit dem Inhalt der Betreuungsakte übereinstimmende Schilderung des Beklagten in diesem Punkt schon nicht bestritten hat. Ergänzend ist allerdings klarzustellen, dass die Zeugin I den weiteren Inhalt des Gesprächs dahin dokumentiert hat (Bl. 20 der Betreuungsakte), die Erblasserin auch auf die Vorsorgevollmacht angesprochen zu haben, wozu die Erblasserin sich erinnert habe, etwas unterschrieben zu haben, aber nicht habe erläutern können, worum es sich gehandelt habe. Auch habe sie die Frage nach weiteren Bekannten verneint, obwohl die Krankenschwester ihr von Besuch am Vortag berichtet habe. Ihre Adresse habe sie erst nach einiger Zeit angeben können, zum aktuellen Datum habe sie weder Zeit, Monat noch Jahr angeben können. Entgegen der Ansicht des Beklagten lässt sich hieraus ein Widerspruch gegenüber der Bewertung des Sachverständigen zu massiven Leistungseinbußen im Alt- und Kurzzeitgedächtnis nicht herleiten. So muss die Tatsache, dass die Erblasserin sich nicht mehr daran erinnern konnte, dass ihr Ehemann bereits vor 10 Jahren verstorben ist, als massive Leistungseinbuße im Langzeitgedächtnis bewertet werden, was nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass länger zurückliegende Daten auch bei fortgeschrittenen Leistungseinbußen als Gedächtnisengramme noch lange abrufbar sein können, wie der Sachverständige bezogen auf die Angaben gegenüber dem Zeugen Dr. E überzeugend dargestellt hat.

3.

Ausgehend von einer Alzheimer-Demenz im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. B kann auf das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit in dem im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages am 15.3.2011 mit hinreichender Sicherheit zurückgeschlossen werden. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B, wobei auch der Privatsachverständige Dr. D einen solchen Rückschluss unter besonderen Umständen für möglich hält (vgl. S.19 des Gutachtens vom 30.11.2015, Bl. 432 d.A.). Die gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände des Beklagten, der Sachverständige habe unzureichend gegenüber kognitiven Beeinträchtigungen infolge einer Oxycodon-Medikation abgegrenzt (S. 7 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 175 f. d.A., S. 8 f. des Schriftsatzes vom 19.01.2015, Bl. 293 f. d.A., S. 18 des Privatgutachtens Dr. D vom 30.11.2015, Bl. 431 d.A., S. 2 des Schriftsatzes vom 24.04.2016, Bl. 426 d.A., S. 4, 6 des Schriftsatzes vom 16.01.2017, Bl. 532, 534 d.A., S. 5 f. des Schriftsatzes vom 30.09.2017, Bl. 627 f. d.A., S. 6-10 des Privatgutachtens Dr. D vom 26.09.2017, Bl. 643-647 d.A.; hierzu unten a), grenze unzureichend gegenüber einem akuten Infektgeschehen oder postoperativen Beeinträchtigungen ab, dies in Zusammenhang mit unzureichender Berücksichtigung der festzustellenden Leukozytose und der CRP-Werte (S. 5, 7 des Schriftsatzes vom 16.01.2017, Bl. 533, 535 d.A., S. 2-4 des Schriftsatzes vom 30.09.2017, Bl. 624-626 d.A., S. 17 des Privatgutachtens Dr. D vom 30.11.2015, Bl. 430 d.A., S. 6-10 des Privatgutachtens Dr. D vom 26.09.2017, Bl. 643-647 d.A.; hierzu unten c) und prüfe unzureichend die Begleitsymptomatik bei Demenzerkrankungen (S. 13 des Schriftsatzes vom 16.01.2017, Bl. 541 d.A.; hierzu unten b), greifen nicht durch.

a)

Zur Frage des Einflusses der Oxycodon-Medikation auf den bei Untersuchung festgestellten Befund verweist der Sachverständige überzeugend darauf, dass das Medikament bereits seit 16 Tagen verabreicht wurde, dies in geringer Dosierung ohne Anhaltspunkte für eine Anreicherung. Der Senat folgt dieser Wertung des Sachverständigen und nimmt auf die diesbezüglichen Ausführungen Bezug (S. 8 der Stellungnahme vom 10.06.2017, Bl. 580 d.A., vgl. auch S. 3 f. des Protokolls vom 13.10.2015, Bl. 232 R f. der Beiakte LG Köln 3 O 259/14).

b)

Zur Gesamtsymptomatik stellt der Sachverständige überzeugend die Anzeichen für eine Alzheimer-Demenz dar, weist auf die Verschiedenartigkeit der Verlaufsformen hin und setzt diese allgemeinen Erkenntnisse in Bezug zu dem von ihm bei Untersuchung vorgefundenen Befund. Überzeugend ist in dem Zusammenhang auch die Berücksichtigung der u.a. auch vom Beklagten bestätigten Schwierigkeiten der Erblasserin bei der Regelung ihrer persönlichen Angelegenheiten Ende 2010/Anfang 2011. Dies stimmt im Übrigen auch mit der Wertung des beklagtenseits beauftragten Privatgutachters Dr. D überein, der ausdrücklich bestätigt, dass die Vorkommnisse als Hinweise auf eine fortgeschrittene Demenz bewertet werden können (S. 5 des Gutachtens vom 10.01.2017, Bl. 550 d.A.). Dass der Privatgutachter Dr. D abstrakt ausführt, derartige Schwierigkeiten könnten für sich genommen auch bei einer beginnenden Demenz auftreten, begründet keinen Widerspruch zu der vom Sachverständigen Dr. B vorgenommenen Gesamtbewertung im konkreten Fall. Diese erachtet der Privatgutachter Dr. D lediglich mit dem Argument als unzutreffend, dass der Sachverständige eine akute Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit in Zusammenhang mit dem operativen Eingriff im Juli 2011 nicht habe ausschließen können (S. 11 des Gutachtens vom 26.09.2017, Bl. 648 d.A.) – dieser Wertung folgt der Senat indes nicht (s.u. c).

c)

Der Sachverständige legt unter Auswertung des gesamten klinischen Befundes einschließlich der Leukozyten- und CRP-Werte überzeugend dar, warum eine akute Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit der Erblasserin im Zuge des Krankenhausaufenthaltes im Juli/August 2011 und in den Tagen vor Krankenhauseinlieferung ausgeschlossen werden kann. Er berücksichtigt neben den CRP- und Leukozytenwerten auch die Entwicklung der Körpertemperatur, die Krankengeschichte der Erblasserin und die gemessenen CRP-Werte bei einem weiteren Krankenhausaufenthalt im Dezember 2011/ Januar 2012. Auch unter Würdigung der Ausführungen des Privatgutachters Dr. D in seinem Gutachten vom 26.09.2017 zur Bewertung von CRP-Werten (dort vor allem S. 6-10, Bl. 643-647 d.A.) folgt der Senat der Wertung des Sachverständigen B insbesondere deshalb, weil er die Entwicklung der CRP-Werte überzeugend in den Gesamtkontext des klinischen Befundes und die Besonderheiten der konkreten Krankengeschichte der Erblasserin einordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Sachverständigen auf den Seiten 3-7 des Gutachtens vom 10.06.2017 (Bl. 575-579 d.A.) Bezug genommen, denen der Senat sich anschließt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO.

Da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO), war die Revision nicht zuzulassen. Eine Abweichung von den im Beschluss des OLG München vom 13.12.2016, 31 Wx 144/15, formulierten Grundsätzen liegt nicht vor; hier wie dort geht es um die Feststellung der Voraussetzungen der Testier- bzw. Geschäftsunfähigkeit im Einzelfall, ohne dass dem abweichende Beweislastgrundsätze oder unterschiedliche rechtliche Obersätze zugrunde lägen.

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