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Nichtraucherschutz – rauchfreie Gaststätte

VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

Az.: 5 L 412/08.KO

Beschluss vom 22.04.2008


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Gesundheitsrechts (Nichtraucherschutz) hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 22. April 2008 beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ist rechtskräftig!

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Antragstellerin vom 10. April 2008 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des am gleichen Tag eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. April 2008, mit dem angeordnet worden ist, deren Gaststätte als rauchfreie Gaststätte zu führen, ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Vorab ist festzuhalten, dass die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt. Gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheides schriftlich zu begründen. Diese Begründung muss auf den konkreten Fall abgestellt und darf nicht lediglich formelhaft sein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80, Rn. 84 ff.). Denn dieses Erfordernis zielt zum einen darauf ab, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen und sie zu veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert; es verfolgt zum anderen den Zweck, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis dieser behördlichen Erwägungen seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abschätzen zu können. Allerdings ist es im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unerheblich, ob die Begründung der Behörde für die Anordnung der sofortigen Vollziehung diese auch inhaltlich rechtfertigen kann. Gemessen hieran begegnet es keine Bedenken, dass die Antragsgegnerin die Anordnung des Sofortvollzuges mit der Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes der Gesundheit der Bevölkerung (ausführlich) begründet hat.

Scheidet somit eine Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen formeller Mängel aus, bedarf es zur Entscheidung über die vorläufige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren einer gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. Dabei ist entscheidend, ob das private Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides überwiegt. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt regelmäßig dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, ein hiergegen eingelegter Rechtsbehelf mithin erkennbar aussichtslos ist. Denn die Antragstellerin hat kein schützenswertes Interesse, den Vollzug eines ersichtlich zu Unrecht angegriffenen Verwaltungsaktes bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern. Ein überwiegendes Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren offensichtlich zum Erfolg führen wird, da an der sofortigen Vollziehung erkennbar rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse besteht. Sind schließlich die Erfolgsaussichten in der Sache „offen“, sind die sonstigen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dann wiederherzustellen, wenn das öffentliche Vollzugsinteresse das Aufschiebungsinteresse des Betroffenen nicht überwiegt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze muss die Interessenabwägung hier zugunsten der Antragsgegnerin ausfallen. Der Vorrang der öffentlichen Interessen kann nach Auffassung der Kammer bereits mit den offensichtlich fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache begründet werden.

Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. April 2008 hält aller Voraussicht nach der rechtlichen Überprüfung im Verfahren zur Hauptsache stand.

Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz – LNichtrSchG – vom 5. Oktober 2007.

Das Nichtraucherschutzgesetz sieht vorbehaltlich der in § 7 Abs. 2 und 3 angeordneten Ausnahmen in § 7 Abs. 1 ein Rauchverbot für alle Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes – GastG – vor. Dass die Antragstellerin eine jedermann zugängliche Gaststätte betreibt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Erörterung.

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 LNichtrSchG kann der Betreiber einer Gaststätte mit mehreren, durch ortsfeste Trennwände voneinander getrennten Räumen in einzelnen entsprechend gekennzeichneten Nebenräumen das Rauchen erlauben.

Das grundsätzliche Rauchverbot für Gaststätten mit lediglich der Option für die Betreiber, in gesonderten Räumen das Rauchen zu gestatten, ist auch erforderlich.

Nach der von der Antragstellerin beschriebenen und von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellten Raumsituation verfügt ihre Gaststätte über einen Nebenraum, der rund 1/3 der Gesamtfläche der Gaststätte ausmacht und von dem Hauptraum durch zwei ortsfeste Wände getrennt ist. Beide Räume sind rund 4,5 m hoch. Der Nebenraum ist von dem Hauptraum durch einen etwa 3 m langen 1,40 m breiten und 2 m hohen und nicht mit Sitzmöglichkeiten versehenen Durchgang erreichbar und von dem Hauptraum durch einen Vorhang getrennt. Die Antragsgegnerin hält indessen nur eine Abtrennung durch eine geschlossen zu haltende Tür für ausreichend. Nach dem Gesetzeswortlaut werden nur ortsfeste Trennwände verlangt.

Sinn des Gesetzes ist der Schutz von Nichtrauchern, denn nach der Begründung des Gesetzes bezweckt der Gesetzgeber den Schutz der Bevölkerung und insbesondere auch der im Gastronomiegewerbe Beschäftigten vor den Gesundheitsgefahren des Passivrauchens. Die Gesundheit ist ein verfassungsrechtlich geschütztes Gut (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), der Schutz der Gesundheit Dritter ist daher zweifellos ein legitimer Gesetzeszweck.

Aktuelle Untersuchungen belegen, dass durch Passivrauchen in Deutschland jährlich rund 3.300 Todesfälle zu verzeichnen sind (s. Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums vom 7. Dezember 2005, http://www.dkfz.de/de/presse/ pressemitteilungen/2005/dkfz_pm_05_71.php). Menschen, die Passivrauch ausgesetzt sind, müssen ebenso mit schweren Erkrankungsbildern wie Raucher selbst rechnen (s. z.B. die Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums vom 28. Januar 2008, http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2008/dkfz_pm_08_04.php: „Passivrauchen macht Kinder krank; vgl. auch die Gesetzesbegründung, Landtagsdrucksache 15/1105 Seite 7). Die Verminderung von Passivrauchbelastung in Gaststätten ist zum Schutz der Gesundheit der Gäste und des Personals auch geeignet.

Die Anbringung eines Vorhangs wie im vorliegenden Fall entspricht nicht dem Zweck des Gesetzes. In der Gesetzesbegründung ist insoweit ausgeführt (vgl. Landtagsdrucksache 15/1105 Seite 12): „Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die Teilung eines Raums durch Vorhänge oder bewegliche Faltwände, da hierdurch kein dauerhafter Nichtraucherschutz gewährleistet werden kann“. Hier ist zwar nicht der Nebenraum an sich durch einen Vorhang von dem Hauptraum getrennt, sondern nur der Eingang zu dem Nebenraum. Der Zweck des Nichtraucherschutzgesetzes würde jedoch konterkariert, würde man zwar ortsfeste Trennwände verlangen, aber die Zugangsabtrennung durch einen Vorhang ausreichen lassen. Dies gilt auch in Ansehung der Angabe der Antragstellerin in der dem Gericht zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers, dass der Nebenraum über eine separate Zu- und Abluftanlage verfüge, sie drei spezielle Luftreiniger angeschafft sowie zwei Ventilatoren in dem Durchgang angebracht habe, die auf den vor dem Durchgang befindlichen Vorhang gerichtet seien. Es ist der Antragstellerin insoweit zuzugestehen, dass sie erhebliche Anstrengungen unternommen hat, die Belästigung der sich im Hauptraum der Gaststätte aufhaltenden Gaststättenbesucher auf ein Minimum zu reduzieren. Dies ist indessen nicht ausreichend und nicht mit dem Sinn des Gesetzes in Einklang zu bringen. Der Gesetzgeber hat sich für eine einfach überprüfbare Regelung entschieden, um ohne Abnahme in jedem Einzelfall auszukommen, ob durch andere Maßnahmen als feste Trennwände ein gleichwertiger Nichtraucherschutz erreicht werden kann. Andernfalls hätte er beispielsweise eine Regelung dergestalt getroffen, dass der Gastwirt durch geeignete Maßnahmen verpflichtet wird sicherzustellen, dass die Besucher der Hauptraums nicht durch Tabakrauch belästigt (und gefährdet) werden. Gerade dies hat er aber nicht getan, was nach Ansicht der Kammer den Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers zulässt, eine vollständige Abtrennung des Nichtraucherbereichs von dem Rauchernebenraum zu erwarten. Bei einem Vorhang handelt es sich jedenfalls nicht um eine angemessene Abtrennung des Nebenraums von dem Hauptraum.

Letztlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass das Gericht aus eigener Kenntnis der Örtlichkeiten weiß, dass es sich bei dem von der Antragstellerin angebrachten Vorhang einerseits um einen recht dünnen handelt und nicht etwa einen von der Qualität und Dicke wie sie beispielsweise als Abtrennung zu einem Windfang Verwendung finden. Aber auch durch einen Vorhang wie den letztgenannten könnte Tabakrauch diffundieren. Andererseits wird dieser Vorhang – entgegen den Angaben der Antragstellerin – eben nicht permanent geschlossen, sondern vielmehr zur Hälfte offen gehalten, augenscheinlich, um den Bedienungen mit vollen Händen das Betreten des Nebenraumes zu erleichtern.

Es spielen im vorliegenden Verfahren letztlich auch die gegensätzlichen Äußerungen keine entscheidungserhebliche Rolle, ob und welche Aussagen der zuständige Lebensmittelkontrolleur im Vorfeld des Erlasses der Verfügung von sich gegeben hat. Entscheidend ist der Gesetzeswortlaut, der nach Ansicht der Kammer und entsprechender Auslegung eindeutig ist.

Soweit Ermessenserwägungen in der strittigen Verfügung nicht erkennbar sind, ist dies unschädlich, da die Antragsgegnerin solche bis im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachholen kann. Im Übrigen hat sie in ihrer Antragserwiderung bereits Ermessenserwägungen angestellt.

Erweist sich der Bescheid voraussichtlich also als rechtmäßig, so muss das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig vom Vollzug der Anordnung verschont zu bleiben, hinter dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der streitigen Verfügung zurücktreten. Das überwiegende öffentliche Interesse ergibt sich hier daraus, dass – wie dargelegt – eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die von der Antragstellerin vorgenommene Raumabtrennung, was den Eingang zu dem Nebenraum betrifft, dem Zweck des Gesetzes nicht entspricht und von daher ungeeignet sein dürfte. Es besteht daher die konkrete Gefahr, dass bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens Leben und Gesundheit anderer Gaststättenbesucher gefährden werden könnten. Die vorläufige sofortige Anordnung dient damit dem Schutz der genannten hochrangigen Rechtsgüter Dritter, mit der Folge, dass das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter wie bisher verfahren zu dürfen, zurücktreten muss.

Auch die hilfsweise gestellten Anträge haben keinen Erfolg. Angesichts der Tatsache, dass das Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz bereits am 5. Oktober 2007 verabschiedet worden und auch schon vor über zwei Monaten in Kraft getreten ist, hält es die Kammer nicht für vertretbar, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen eine geeignete, binnen angemessener Frist erfüllbare Auflage wiederherzustellen. Die nach Auffassung der Kammer einzig in Betracht kommende Maßnahme wäre der Einbau einer Türe, was relativ problemlos und schnell bewerkstelligt werden könnte. Hierzu hätte innerhalb des vergangenen halben Jahres ausreichend Gelegenheit bestanden, so dass nunmehr eine weitere Fristgewährung durch das Gericht nicht angezeigt erscheint.

Noch weniger berechtigt ist der weitere Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs – offenbar ohne Auflage – befristet wiederherzustellen, zumal nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, wozu diese Frist dienen soll, abgesehen von dem – entsprechend obigen Ausführungen nicht zulässigen – weiteren Betrieb des Nebenraums als Raucherzimmer.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

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