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Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises – Bußgeld bei Weiterbeschäftigung.

Amtsgericht verurteilt Chirurg wegen Nichtvorlage von Impfnachweis

Ein Chirurg wurde vom Amtsgericht zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt, da er keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegte. Der Betroffene legte daraufhin eine Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG ein, die von der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Fall wurde an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, da es sich um die erste Senatsentscheidung im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht handelt.

Der Senat ergänzte die Ausführungen und wies darauf hin, dass die entsprechende Regelung nicht nur die Vorlage vorhandener Nachweise sanktionieren sollte, sondern auch eine bußgeldbewehrte Nachweisanforderung für Ungeimpfte vorsah. Der Betroffene könne sich nicht darauf berufen, dass er keinen entsprechenden Nachweis habe. Der Hinweis auf ein Betretungsverbot führe nicht dazu, dass die vorherige Weigerung, einen Nachweis vorzulegen, nicht mit einem Bußgeld sanktioniert werden könne. Auch ein Festhalten am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sei gerechtfertigt, da keine Impfpflicht bestand und somit die Vorlage eines Impfnachweises nicht mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Obwohl die entsprechende Vorschrift mittlerweile nicht mehr in Kraft ist, werden bei den Amtsgerichten noch zahlreiche Verfahren anhängig sein, weshalb eine Klärung geboten ist. Der Text weist darauf hin, dass die Rechtslage für den durchschnittlichen Zeitungsleser komplex sein kann, und gibt eine einfache und verständliche Zusammenfassung des Falls.


OLG Oldenburg – Az.: 2 ORbs 17/23 (210 Js 31415/22) – Beschluss vom 13.03.2023

Die Sache wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 16.12.2022 wird auf seine Kosten als offensichtlich unbegründet verworfen.

Gründe

Impfnachweis
(Symbolfoto: Ralf Liebhold/Shutterstock.com)

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen, der als Chirurg arbeitet, wegen vorsätzlicher Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG statthaften Rechtsbeschwerde, die er mit der Verfahrens- und Sachrüge begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Der rechts unterzeichnende Einzelrichter hat die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, da es sich um die erste Senatsentscheidung im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht handelt. Zwar ist die entsprechende Vorschrift mittlerweile nicht mehr in Kraft; es ist aber davon auszugehen, dass bei den Amtsgerichten noch zahlreiche Verfahren anhängig sind, so dass eine Klärung geboten ist.

Die Rechtsbeschwerde lässt aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.

Der Senat ergänzt diese Ausführungen allerdings wie folgt:

Soweit der Betroffene geltend macht, ein Verstoß gegen § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG a. F., wonach die in Abs. 1 Satz 1 genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befand, auf Anforderung einen Nachweis nach Abs. 2 Satz 1 vorzulegen hatten, habe für ihn nicht gegolten, da er mangels Impfung über einen derartigen Nachweis nicht verfügt habe, verfängt dieser Einwand ersichtlich nicht. Die entsprechende Regelung sollte nicht nur die Vorlage vorhandener Nachweise sanktionieren. Vielmehr musste (auch) derjenige, der ungeimpft bleiben wollte, bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung rechnen (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, 1 BvR 2649/21, juris, Rn. 114). Dass der Betroffene geglaubt haben könnte, er könne der Vorlagepflicht mit dem Argument, er habe keinen entsprechenden Nachweis, entgehen, ist vor dem Hintergrund der vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht geführten Diskussion – wie die Generalstaatsanwaltschaft schon zutreffend angemerkt hat – abwegig.

Der Hinweis des Betroffenen, gegen ihn sei ein Betretungsverbot nicht verhängt worden,

führt nicht dazu, dass die vorherige Weigerung, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen, nicht mit einem Bußgeld sanktioniert werden könnte. Die Möglichkeit des Gesundheitsamtes, trotz Nichtvorlage durch den Beschäftigten, diesen weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen zu lassen, ist vom Bundesverfassungsgericht vielmehr lediglich als ein Gesichtspunkt zur Abmilderung des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit, den die zur Erfüllung der Nachweispflicht veranlasste Impfung darstellt, angesehen worden (BVerfG, a. a. O., Randnummer 207, 212, 215).

Insofern hat der Gesetzgeber den vom Betroffenen angeführten Gesichtspunkt, die Aufgabe seiner Tätigkeit als Arzt wäre im Hinblick auf die Patientenversorgung kontraproduktiv gewesen, bereits berücksichtigt und das Gesundheitsamt hier von der genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Auch wenn – wie der Betroffene geltend macht- in anderen Bundesländern Bußgeldbescheide wegen Nichtvorlage von Nachweisen nicht verhängt worden sein sollten, würde dieses nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG führen: Der Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Verwaltungsträger; dieser hat in seinem Zuständigkeitsbereich die Gleichbehandlung zu sichern (BVerwGE 70. Bd., 127,132; BVerfGE 21. Bd., 54, 68).

Soweit der Betroffene meint, bei der Aufforderung zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, der mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig geworden sei, sodass hierauf ein Bußgeld nicht habe gestützt werden können, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Er schließt sich vielmehr den ausführlich begründeten Beschlüssen des OVG Lüneburg vom 22.06.2022 (14 ME 258/22) und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 13.6.2022 (1 B 28/22), jeweils juris, an, wonach es sich um eine unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a VwGO gehandelt hat. Auf die jeweiligen Begründungen wird insoweit verwiesen.

Auch der Einwand des Betroffenen, ein Festhalten am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.2022 sei in keiner Weise mehr zu rechtfertigen, greift nicht durch. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens des Landkreises vom 13.07.2022. Am 27.04.2022 hatte das Bundesverfassungsgericht noch ausgeführt, dass nicht erkennbar sei, dass die Nachweispflicht mittlerweile in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen wäre. Bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt waren lediglich zweieinhalb Monate verstrichen. Aber selbst am 08.09.2022 hat das OVG Lüneburg (14 ME 297/22, juris) diesen Zeitpunkt noch nicht als erreicht angesehen (vergleiche auch OVG NRW, Beschluss vom 23.12.2022, 13 B 1256/22, juris, das auch für diesen Zeitpunkt § 20a IfSG noch als verhältnismäßig angesehen hat).

Die Gegenerklärung gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung:

Dass die Vorlage eines Impfnachweises nicht mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden konnte, weil keine Impfpflicht bestand, ändert an der Rechtmäßigkeit einer Bußgeldbewehrung nichts (vgl. BVerfG a.a.O., RN 267 ff.).

Im Hinblick auf § 4 Abs. 3 OWiG (Meistbegünstigungsprinzip) ist es zwar zutreffend, dass die Ausnahme hiervon durch § 4 Abs. 4 OWiG (Zeitgesetz) dann nicht zum Tragen kommt, wenn „sich der Gesetzgeber zu der getroffenen Regelung aufgrund eines Wandels der Rechtsüberzeugung nicht mehr bekennt.“ (OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2021 – 4 RBs 387/21 –, Rn. 50, juris).

Dies gilt aber für Zeitgesetze im weiteren Sinne, also solche, die ihrem Inhalt nach für sich ändernde zeitbedingte Verhältnisse gedacht sind (vgl. Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG, 18. Auflage, § 4 RN 10 und 10a).

Hier lag aber bereits ein Zeitgesetz im engeren Sinne vor:

Ein derartiges Zeitgesetz (im engeren Sinne) ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits bei seiner Verkündung oder später ein nach dem Kalender festgelegter Zeitpunkt oder ein sonstiges in der Zukunft liegendes Ereignis, an dem das Gesetz außer Kraft treten soll, ausdrücklich bestimmt wird (KK-OWiG/Rogall, § 4 Rn. 37; Göhler/Gürtler, § 4 Rn. 10).

(Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 2 RB 69/20 –, Rn. 20, juris).

Nach Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 vom 10.12.2021 wurden §§ 20a und 20b IfSchG bereits zukünftig aufgehoben, denn Art. 23 des Gesetzes sah das Inkrafttreten von Art. 2 für den 1.1.2023 vor. Tatsächlich hat es eine Verlängerung auch nicht gegeben.

Dass dies auf einem Wandel der Rechtsüberzeugung (was gegen ein Zeitgesetz i.w.S. sprechen würde) und nicht auf einer Änderung des Pandemiegeschehens beruht hätte, ist ohnehin nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind in diesem Urteil betroffen:

  • Infektionsschutzgesetz (IfSG): Das Urteil bezieht sich auf die Verletzung der Vorschriften des IfSG durch den Betroffenen, der einen Impf- oder Genesenennachweis nicht vorgelegt hat. Insbesondere wird auf § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG a. F. Bezug genommen.
  • Verwaltungsrecht: Der Betroffene behauptet, dass bei der Aufforderung zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises ein Verwaltungsakt vorliegt, der mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig geworden sei. Das Gericht schließt sich dieser Auffassung nicht an.
  • Verfassungsrecht: Der Betroffene macht geltend, dass das Urteil gegen Art. 3 GG verstoße, da in anderen Bundesländern keine Bußgeldbescheide wegen Nichtvorlage von Nachweisen verhängt worden seien. Das Gericht weist darauf hin, dass der Anspruch auf Gleichbehandlung nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Verwaltungsträger besteht.
  • Zeitgesetz: Das Gericht stellt fest, dass es sich bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht um ein Zeitgesetz im engeren Sinne handelt, da bereits bei seiner Verkündung ein nach dem Kalender festgelegter Zeitpunkt oder ein sonstiges in der Zukunft liegendes Ereignis, an dem das Gesetz außer Kraft treten soll, ausdrücklich bestimmt wurde. Das Urteil bezieht sich auf die Aufhebung von §§ 20a und 20b IfSchG durch das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 vom 10.12.2021, das am 1.1.2023 in Kraft trat.
  • Ordnungswidrigkeitenrecht: Das Urteil betrifft die Verurteilung des Betroffenen zu einer Geldbuße aufgrund einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG. Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG und § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Die 5 wichtigsten Aussagen in diesem Urteil und ihre Bedeutung sind:

  1. Das Nichtvorliegen eines Impf- oder Genesenennachweises kann mit einer Geldbuße sanktioniert werden, auch wenn der Betroffene glaubt, er könne sich mit dem Argument der Nichtverfügbarkeit eines Nachweises der Vorlagepflicht entziehen. Die Regelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sollte nicht nur die Vorlage vorhandener Nachweise sanktionieren.
  2. Ein Betretungsverbot stellt keine Voraussetzung für die Sanktionierung einer vorherigen Weigerung dar, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen. Das Festhalten am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.2022 ist auch zum Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens des Landkreises vom 13.07.2022 noch gerechtfertigt.
  3. Die Bußgeldbewehrung der Vorlagepflicht eines Impf- oder Genesenennachweises bleibt trotz Nichtvorhandensein einer Impfpflicht rechtmäßig.
  4. Eine Ausnahme vom Meistbegünstigungsprinzip aufgrund eines Zeitgesetzes tritt nicht ein, wenn der Gesetzgeber die Regelung aufgrund eines Wandels der Rechtsüberzeugung nicht mehr befürwortet. Hier handelte es sich jedoch um ein Zeitgesetz im engeren Sinne, da bereits bei Verkündung ein Zeitpunkt bestimmt wurde, an dem das Gesetz außer Kraft treten sollte.
  5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG und § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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