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Nießbrauchrecht – Rechtsfolgen der Pfändung

OLG Düsseldorf – Az.: I-9 U 73/16 – Urteil vom 18.04.2016

Auf die Berufung beider Parteien wird das am 15. Oktober 2014 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, gesamtschuldnerisch mit den gesondert in Anspruch genommenen Erben des am 21. Januar 2015 verstorbenen Herrn H … . an den Kläger 4.021,92 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz aus 2.234,40 Euro seit dem 8. Oktober 2011 sowie aus jeweils 446,88 Euro seit dem 5. November 2011, 4. Dezember 2011, 5. Januar 2012 und 4. Februar 2012 zu zahlen.

II. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 2.372,67 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz aus 1.318,15 Euro seit dem 8. Oktober 2011 sowie aus jeweils 263,63 Euro seit dem 5. November 2011, 4. Dezember 2011, 5. Januar 2012 und 4. Februar 2012 zu zahlen.

III. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 661,16 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 3. Juli 2012 zu zahlen.

IV. Im Übrigen werden die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten zu 2. zurückgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger ist ausweislich einer Bestallungsurkunde des Amtsgerichts N … vom 16. Mai 2011 zum Zwangsverwalter über die im Grundbuch von U … . auf Blatt 812 sowie auf Blatt 814 eingetragenen Miteigentumsanteile an dem Grundstück Flur 6 Flurstück 1562 bestellt worden. Eigentümer dieser Anteile, die mit dem Sondereigentum an einem Ladenlokal im Erdgeschoss und einer Wohnung im 1. Obergeschoss des Objekts R … .straße 117 in U … . verbunden sind, ist der Sohn der Beklagten zu 2.. Er hat seinen Eltern, der Beklagten zu 2. und dem Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens, mit notariellem Vertrag vom 24. März 1997 an diesen Miteigentumsanteilen einen lebenslangen Nießbrauch als Gesamtberechtigten gemäß § 428 BGB eingeräumt, der nach dem Tode des Erstversterbenden dem Längstlebenden allein zustehen sollte.

Im Zuge der Insolvenz der H … GmbH verzichtete der Beklagte zu 1. des Ursprungsverfahrens mit Zustimmung der Beklagten zu 2. am 4. Juli 2005 gegenüber seinem Sohn auf den Nießbrauch, welcher daraufhin am 14. Juni 2006 im Grundbuch gelöscht worden ist. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der H … GmbH erwirkte daraufhin gegenüber dem Sohn zunächst mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Juni 2006 ein Verfügungsverbot zur Sicherung seines Anspruchs aus §§ 4, 11 AnfG auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die Miteigentumsanteile durch Zwangsverwaltung und sodann ein Versäumnisurteil vom 12. Januar 2007 auf Duldung der Zwangsvollstreckung. Durch Beschluss des Amtsgerichts N … . vom 6. Juli 2010, 64 M 1465/10, wurde der dem Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens zustehende Nießbrauch gepfändet und durch weiteren Beschluss vom 29. Dezember 2010 dem Insolvenzverwalter die Befugnis zur Ausübung des gepfändeten Nießbrauchs, zur Einziehung überwiesen. Mit Beschluss vom 16. Mai 2011 bestellte das Amtsgericht sodann den Kläger zum Zwecke der Ausübung der gepfändeten Nießbrauchrechte zum Zwangsverwalter über die im Grundbuch von U … . auf Blatt 812 sowie auf Blatt 814 eingetragenen Miteigentumsanteile.

Der Kläger forderte mit Schreiben vom 12. September 2011 den Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens und die Beklagte zu 2. unter Verweis auf die Pfändung und Einziehung der Ansprüche aus dem Nießbrauch zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Wohnung in Höhe von monatlich 646,00 Euro rückwirkend ab dem 1. Juni 2011 bis zum 7. Oktober 2011 und zukünftig ab dem Ersten des Monats auf, wobei die Kaltmiete 532,00 Euro betragen sollte; die Beklagte zu 2. forderte er zusätzlich zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für das Ladenlokal in Höhe von monatlich 379,50 Euro rückwirkend ab dem 1. Juni 2011 auf, wobei die Kaltmiete 330,00 Euro betragen sollte. Dieser Aufforderung sind die Beklagten nicht nachgekommen. Mit Anwaltsschreiben vom 1. März 2012 ließ der Kläger die Beklagten zur Zahlung der bis Februar 2012 aufgelaufenen Beträge in Höhe von insgesamt 9.229,50 Euro auffordern. Auch dieser Aufforderung war kein Erfolg beschieden.

Das Landgericht hat über die angemessene Nutzungsentschädigung Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17. Juli 2013 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf das Gutachten, Bl. 126 ff d. GA., wird Bezug genommen. Sodann hat es den Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens und die Beklagte zu 2. unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 3.343,05 Euro für die Nutzung der Wohnung als Gesamtschuldner und die Beklagte zu 2. zusätzlich zur Zahlung von 2.074,77 Euro für die Nutzung des Ladenlokals sowie zur Erstattung der hierauf bezogenen Kosten der anwaltlichen Mahnung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch den Beschluss vom 22. Juni 2006 sei die Situation vor der Löschung des Nießbrauchs wiederhergestellt worden. Auch eine wirksame Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei gegeben; in entsprechender Anwendung von § 569 Abs. 1 ZPO könnten Einwände gegen die wirksame Zustellung im vorliegenden Verfahren nicht mehr erhoben werden. Die vom Sachverständigen ermittelten Beträge von 462,00 Euro im Monat für die Wohnung und 280,00 Euro für das Ladenlokal seien allerdings wegen der ausdrücklich nicht berücksichtigten Mängel der Wärmebrücke und des fehlenden WC im Ladenlokal auf 371,45 Euro für die Wohnung und 230,53 Euro für den Laden zu mindern; eine Nebenkostenvorauszahlung für 2011 und 2012 könne im September 2014 nicht mehr verlangt werden.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen. Der Kläger trägt vor, weder die vom Sachverständigen wegen Fehlens eines zur Wohnung gehörenden und der Feuchtigkeit des zum Ladenlokal gehörenden Kellerraums vorgenommenen Abzüge noch die weiteren Abzüge wegen der Wärmebrücke und des fehlenden WC seien berechtigt. Auftrag des Gutachters sei die Ermittlung der objektiv gerechtfertigten Mieten gewesen, deren Minderung scheitere bereits an einer auf die Rüge dieser Mängel gestützten Ankündigung der Beklagten. Jedenfalls aber seien die Quoten falsch berechnet; der pauschale Betriebskostenaufschlag von 50 Prozent auf die Nettomiete sei nicht nachvollziehbar. Zudem müsse die prozentuale Minderung von der Miete, nicht von der fiktiven Miete berechnet werden. Bei den Mahnkosten dürften die Nebenkosten nicht abgezogen werden, weil sich die Beklagten damals mit deren Zahlung in Verzug befunden hätten.

Der Beklagte zu 1. des Ursprungsverfahrens ist am 21. Januar 2015 verstorben. Auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten hat der Senat das Verfahren, soweit es ihn betrifft, mit Beschluss vom 2. März 2015 ausgesetzt

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15.10.2014, AZ 11 O 315/12, die Beklagte zu 2. gesamtschuldnerisch mit den gesondert in Anspruch genommenen Erben des am 21. Januar 2015 verstorbenen Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens zu verurteilen, an den Kläger 5.814,00 EUR zuzüglich jeweils 5 % Punkten über dem Basiszins liegender Zinsen aus je 646,00 EUR seit dem 01.06.2011, 01.07.2011, 01.08.2011, 01.09.2011, 01.10.2011, 01.11.2011, 01.12.2011, 01.01.2012 sowie 01.02.2012 zu zahlen;

2. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15.10.2014, AZ 11 O 315/12, die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 3.415,50 EUR zuzüglich jeweils 5 % Punkten über dem Basiszins liegender Zinsen aus je 379,50 EUR seit dem 01.06.2011, 01.07.2011, 01.08.2011, 01.09.2011, 01.10.2011, 01.11.2011, 01.12.2011, 01.01.2012 sowie 01.02.2012 zu zahlen;

3. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15.10.2014, AZ 11 O 315/12, die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an den Kläger 775,46 EUR zuzüglich 5 % Punkten über dem Basiszins liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte zu 2. beantragt, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15.10.2014 zu dem Aktz. 11 O 315/2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen; die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2. trägt vor, es fehle an der Prozessführungsbefugnis des Klägers. Es handele sich um eine Sequestration im Sinne des § 848 Abs. 3 ZPO, bei der der Sequester als Vertreter des Schuldners fungiere; ein Recht zum Tätigwerden im eigenen Namen habe er nicht. In der Sache sei die landgerichtliche Auffassung nicht zu beanstanden; die seitens der Kammer vorgenommenen Abzüge seien berechtigt.

Das Amtsgericht N … . hat die angeordnete Zwangsverwaltung mit Beschluss vom 9. Oktober 2015 aufgehoben, wobei der Kläger als Verwalter zur Durchführung der Prozesse für die zur Masse geschuldeten Rückstände aus der Zeit vor dem 21. Januar 2015 zuständig bleibt. Auf die Beschwerde des Insolvenzverwalters hat es im Rahmen des Nichtabhilfebeschlusses vom 4. November 2015 insoweit klargestellt, dass die Masse vor dem Ende der Verwaltung noch von der Beschlagnahme erfasst wird; eine Entscheidung des Landgerichts steht noch aus.

Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Der Kläger sei prozessführungsbefugt, auf die zur Zwangsvollstreckung in ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück angeordnete Verwaltung seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Vorschriften zur Zwangsverwaltung von Grundstücken entsprechend anzuwenden. Der Nießbrauch habe auch gepfändet werden können, aufgrund der Anfechtung werde er dem Gläubiger gegenüber als existent behandelt. Hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung sei die Methodik des Sachverständigen nachvollziehbar, die von ihm und vom Landgericht vorgenommenen Abzüge vernünftig. Es gehe nicht um eine Mietminderung, sondern um die Ermittlung des objektiven Mietwerts eines defizitär ausgestatteten Objekts. Nicht übertragbar sei allerdings die aus der Mietminderung stammende Berücksichtigung der Nebenkosten. Es ergebe sich folglich ein mit 6.394,59 Euro etwas höherer Gesamtbetrag. Bei der Ermittlung des Verzugsbeginns müsse die Fristsetzung bis zum 7. Oktober 2011 berücksichtigt werden, wobei der Verzug generell mit dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag beginne.

Nach der Erörterung im Verhältnis zur Beklagten zu 2. hat der Senat die gegen sie gerichtete Klage durch Beschluss vom 4. April 2016 abgetrennt, da eine Aufnahme durch die Erben nicht absehbar ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 224 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg, während sich der Erfolg der Berufung der Beklagten zu 2. auf den Beginn der Verzinsung beschränkt.

Der Kläger ist zur Führung des Prozesses im eigenen Namen befugt. Die bei der Zwangsvollstreckung in ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück angeordnete Verwaltung des Grundstücks ist an die Vorschriften zur Zwangsverwaltung in §§ 146 ff. ZVG anzulehnen (BGH, NJW 2011, 1009, 1010, Rn. 7), wobei die Anordnung zweckmäßigerweise den Vorschriften der §§ 150 Abs. 2, 152 Abs. 1 und 154 ZVG entsprechende Regelungen beinhaltet (BGH, NJW 2006, 1124, 1125, Rn. 16). Der Zwangsverwalter ist folglich im Rahmen seiner Befugnisse aus § 152 Abs. 1 ZVG berechtigt, als gesetzlicher Prozessstandschafter des Schuldners im eigenen Namen die materiellen Rechte des Schuldners geltend zu machen und im Interesse des von ihm verwalteten Teils des Schuldnervermögens Prozesse zu führen (BGH, NJW-RR 2006, 138). Aus seiner Aufgabe, für eine ordnungsmäßige Nutzung des Grundstücks zu sorgen, folgt die Befugnis, auch solche Ansprüche zu verfolgen, die sich aus einer rechtsgrundlosen Benutzung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Sache sowie der Verletzung von Besitzrechten ergeben, wozu die Durchsetzung des erhobenen Anspruchs auf Nutzungsentschädigung gegenüber dem Schuldner gehört, der das Recht zur Benutzung des Grundstücks verloren hat (BGH, NJW 1992, 2487).

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2. einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 Satz 2, 1030 BGB in Verbindung mit § 152 Abs. 1 ZVG.

Die Pfändung und Überweisung des Nießbrauchs sind wirksam. Der vom Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens erklärte Verzicht auf den Nießbrauch ist dem Gläubiger gegenüber unwirksam. Der Nießbrauch unterliegt der Pfändung; gepfändet wird das Recht selbst, nicht lediglich der obligatorische Anspruch auf seine Ausübung (BGH, NJW 1974, 796 f.). Die Aufhebung des Nießbrauchs durch den Nießbraucher als Vollstreckungsschuldner unterliegt daher – anders als der Verzicht auf das unpfändbare Nutznießungsrecht nach § 14 HöfeO – der Gläubigeranfechtung (BGH, NJW 1974, 796, 797). Der Insolvenzverwalter hat den unentgeltlich erfolgten Verzicht des Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens innerhalb der Frist von vier Jahren nach § 4 Abs. 1 AnfG gegenüber dem Empfänger der Leistung, dem Sohn der Beklagten, angefochten; in der Erhebung und Zustellung der Klage, die die Grundlage des Versäumnisurteils vom 12. Januar 2007 bildet, ist eine zumindest konkludente Anfechtung des Verzichts zu sehen. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Insolvenzverwalter folglich das zur Verfügung gestellt werden, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners aufgegeben worden ist, weshalb der Nießbrauch im Verhältnis zu ihm als existent zu behandeln ist.

Zur Pfändung dieses Nießbrauchs genügte der gegen den Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens gerichtete Pfändungsbeschluss. Der Nießbrauch ist den Beklagten als Gesamtberechtigten gemäß § 428 BGB eingeräumt worden; ein Gesamtgläubigern zustehendes Recht kann bei jedem Gesamtgläubiger gepfändet und an den Pfändungsgläubiger überwiesen werden (BGH, Beschl. v. 6. Juni 2002, IX ZR 169/01, BeckRS 2002, 06284).

Es fehlt auch nicht an der Wirksamkeitsvoraussetzung einer Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Die Beklagte zu 2. hat die Wirksamkeit der Zustellung an den Beklagten zu 1. des Ursprungsverfahrens und den Drittschuldner nur mit abweichenden Wohnsitzen begründet, jedoch nicht behauptet, der Beklagte zu 1. des Ursprungsverfahrens und der Drittschuldner hätten den Pfändungs- und den Überweisungsbeschluss nie erhalten. Eventuelle Mängel der Zustellung werden aber nach § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang geheilt, wobei im Falle der Zustellung als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zwangsvollstreckung der Zeitpunkt des Zugangs offenbleiben kann (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 189 Rn. 14 a. E.).

Mit der Pfändung und Überweisung des Nießbrauchs an den Insolvenzverwalter hat die Beklagte zu 2. ihr Recht zum Besitz der Wohnung und des Ladenlokals verloren. Die Bestimmung des § 149 Abs. 1 ZVG, wonach dem Schuldner die ihm für seinen Hausstand unentbehrlichen Räume zu belassen sind, wirkt allein zugunsten des Schuldners als Eigentümer; der Nießbraucher kann sich hierauf nicht berufen (BGH, NJW 2006, 1124, 1125).

Die Beklagte zu 2. ist dem Kläger daher gemäß § 987 Abs. 1 in Verbindung mit § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Herausgabe der seit dem 1. Juni 2011 gezogenen Nutzungen verpflichtet; eine Kenntniserlangung von der ihr Besitzrecht beseitigenden Pfändung des Nießbrauchs erst nach diesem Termin hat sie nicht behauptet. Beim Eigengebrauch vermietbarer Sachen bemisst sich die Höhe des Wertersatzes für Gebrauchsvorteile nach deren objektivem Mietwert (BGH, NJW-RR 1998, 803, 805). Auf eine abweichende Vereinbarung mit ihrem Sohn, wonach sie die Objekte unentgeltlich nutzen dürfe, kann sich die Beklagte zu 2. nicht berufen, da ihr Sohn als Eigentümer, dessen Eigentum mit einem – als fortbestehend fingierten – Nießbrauch belastet ist, zu einer solchen Vereinbarung nicht berechtigt war.

Das Landgericht hat sich bei der Bestimmung des objektiven Mietwertes auf das eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen I … . gestützt. Gegen den von diesem bestimmten Ausgangswert von 7,84 Euro pro Quadratmeter bei 76 Quadratmetern Wohnfläche für die Wohnung und 8,04 Euro pro Quadratmeter bei 41 Quadratmetern Gesamtfläche für das Ladenlokal erinnern die Berufungen nichts. Der Kläger beanstandet allein die vom Sachverständigen und dem Gericht vorgenommenen Abzüge und deren Berechnung, während die Beklagte die ermittelten Endwerte für angemessen erachtet.

Entgegen der Auffassung des Klägers gehörte die Ermittlung der Abzüge zum Auftrag des Sachverständigen. Der Kläger hält sich am Begriff der „Minderung“ fest, die er als eine Mietminderung im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB verstanden wissen will. Tatsächlich gemeint ist hingegen die im Zuge der Ermittlung der objektiven Miete für die konkreten Objekte erforderliche Bewertung der Abweichung vom Durchschnitt vergleichbarer Objekte, wie sie der vom Sachverständigen angenommenen ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde liegen. Anfänglich vorhandene Unzulänglichkeiten, die nicht beseitigt, sondern vom Mieter hingenommen werden sollen, vermindern die objektiv angemessene Miete für das Objekt gegenüber einem vergleichbaren, durchschnittlichen und folglich diese Defizite nicht aufweisenden Objekt. Wer zur Anmietung einer Wohnung in Kenntnis bestehender Unzulänglichkeiten, die ihre Tauglichkeit zum gewöhnlichen Gebrauch erheblich vermindern, gewillt ist, wird hierzu nur zu einem gegenüber der ortsüblichen Vergleichsmiete reduzierten Betrag bereit sein. Dass den Ausführungen des Sachverständigen dieses Verständnis von „Minderung“ zugrunde liegt, ergibt sich eindeutig aus der zusammenfassenden Einleitung des Gutachtens, wo er erklärt, dass er die „geminderte“ Miete von 462,00 Euro für die Wohnung und von 280,00 Euro für den Laden als die angemessene ansieht.

Bei der Bewertung der vom Sachverständigen festgestellten Abweichungen vom Üblichen kann allerdings auf die Rechtsprechung zur Mietminderung zurückgegriffen werden, da die Herabsetzung nach § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB angemessen sein muss; für ein von Anfang an bei der Mietzinsbemessung zu berücksichtigendes Defizit kann insoweit nichts anderes gelten. Der Sachverständige hat das Fehlen eines zur Wohnung gehörenden Abstellraums vor dem Hintergrund, dass sich auch in der Wohnung selbst keine Abstellfläche befindet, als gravierende Unzulänglichkeit mit 15 Prozent Abzug bewertet. Dies begegnet ebenso wenig Bedenken wie die Bewertung der Feuchtigkeit bei dem zum Ladenlokal gehörenden Kellerraum mit 10 Prozent. Als weitere negative Abweichungen vom Üblichen hat der Sachverständige die als massive Wärmebrücke wirkende Öffnung der Wohnung zu dem darunter liegenden Ladenlokal, das Fehlen eines Geländers bei der beide verbindenden Treppe und das Fehlen eines zum Ladenlokal gehörenden WC bezeichnet, weshalb beide Objekte nur gemeinsam genutzt werden könnten. Deren Bewertung hat er in Ermangelung von Vergleichswerten dem Landgericht überlassen. Das Landgericht hat insoweit eine weitere Minderung von jeweils 10 Prozent für angemessen erachtet. Auch dies begegnet keinen Bedenken; einen anderen Bewertungsansatz vertritt auch der Kläger nicht.

Zu Recht wendet sich der Kläger allerdings gegen die Verwendung der Bruttomiete als Bemessungsgrundlage und die anschließende Anrechnung eines Abzugs von 25 beziehungsweise 20 Prozent der Bruttomiete auf die Nettomiete. Zwar ist im Bereich der Mietminderung nach § 536 BGB anerkannt, dass Bemessungsgrundlage die Miete einschließlich aller Nebenkosten ist (BGH, NJW 2005, 1713, 1714). Dieser Rechtsprechung liegt allerdings die Annahme zugrunde, dass der Mieter bei einer berechtigten Mietminderung auch nur geminderte Nebenkosten, im Falle einer 100-prozentigen Nutzungsbeeinträchtigung gar keine Nebenkosten zu zahlen hat (BGH, a. a. O.). Im Falle einer berechtigten Minderung kann der Vermieter folglich die tatsächlich entstandenen und ohne die Minderung vollständig vom Mieter zu tragenden Nebenkosten nur zum Teil vom Mieter erstattet verlangen. Dies ist auf den vorliegenden Fall einer im Hinblick auf von Anfang an bekannte Unzulänglichkeiten gegenüber einem vergleichbaren durchschnittlichen Objekt reduzierten Miete nicht zu übertragen, da in einem solchen Fall der Mieter des unterdurchschnittlich ausgestatteten Objekts gleichwohl die Nebenkosten vollständig zu tragen hat.

Ausgehend von der Vergleichsnettomiete von 7,84 Euro errechnet sich unter Berücksichtigung eines Abzugs von 25 Prozent ein Nettomietzins von 5,88 Euro pro Quadratmeter und damit bei 76 Quadratmetern Wohnfläche von 446,88 Euro pro Monat für die Wohnung. Für das Ladenlokal errechnet sich ausgehend von der Vergleichsnettomiete von 8,04 Euro unter Berücksichtigung eines Abzugs von 20 Prozent ein Nettomietzins von 6,43 Euro und damit bei 41 Quadratmetern Gesamtfläche von 263,63 Euro pro Monat. Für die vorliegend geltend gemachten neun Monate ergibt sich somit eine Gesamtforderung von 4.021,92 Euro für die Wohnung und von 2.372,67 Euro für das Ladenlokal.

Einen Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlung hat das Landgericht zu Recht verneint. Schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 24. September 2014 hätte der Kläger die Nebenkosten abgerechnet haben können. Der Anspruch des Vermieters auf Zahlung von Betriebskostenvorauszahlungen geht mit der Betriebskostenabrechnung für die entsprechende Periode, spätestens aber mit dem Ablauf einer angemessenen Abrechnungsfrist unter (BGH, NJW 2013, 41, 43 f., Rn. 29).

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, beginnend mit dem auf den dritten Werktag des Monats folgenden Tag. Da sich der Gebrauchsvorteil nach dem objektiven Mietwert richtet, ist die für Mietzahlungen geltende Vorschrift des § 556b Abs. 1 BGB, wonach die Miete spätestens bis zum dritten Werktag des Zeitabschnitts zu entrichten ist, nach dem sie bemessen ist, entsprechend anzuwenden. Mit der Zahlung der Nutzungsentschädigung für die Monate Juni bis Oktober 2011 befindet sich die Beklagte zu 2. allerdings erst seit dem 8. Oktober 2011 in Verzug, da ihr insoweit in den Aufforderungsschreiben Anlagen K 4 und K 5 eine Frist bis zum 7. Oktober 2011 gesetzt worden war.

Daneben hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 1. März 2012 aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Zum damaligen Zeitpunkt bestand der klägerische Anspruch auf eine Nebenkostenvorauszahlung auch noch. Gegenstandswert ist folglich die um die geforderten – ausgesprochen maßvollen – Nebenkostenvorauszahlungen erhöhte Gesamtmietforderung, also 7.866,09 Euro, woraus sich auf der Basis der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Gebührentabelle unter Inansatzbringung einer 1,3 Mittelgebühr eine Gebührenforderung von 661,16 Euro errechnet. Der diesbezügliche Zinsanspruch resultiert aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Deren Anwendung ist Sache des Tatrichters. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.229,50 Euro festgesetzt.

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