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Nötigung durch dichtes Auffahren auf Autobahn

OLG Hamm

Az: 3 Ss 304/05

Beschluss vom 18.08.2005


Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe

I. Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 11. Mai 2005 wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,- € verurteilt worden; im Übrigen ist er freigesprochen worden. Gegen ihn ist außerdem ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats festgesetzt worden.

Das Amtsgericht hat zur Sache folgende Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte befuhr am 19.6.2004 in C2 gegen 17.15 Uhr mit seinem Pkw BMW (Kennzeichen: …) hinter dem Pkw des Zeugen Q den linken der drei Fahrstreifen der BAB 2 in Fahrtrichtung I. Um den Zeugen Q dazu zu bewegen, daß er auf die mittlere Spur wechselt, betätigte er seine Lichthupe und fuhr dicht auf den Pkw auf. Einige Zeit gab der Zeuge Q die linke Fahrbahn frei, indem er auf die mittlere Spur wechselte. Nun überholte der Angeklagte den Pkw des Zeugen Q jedoch nicht, sondern fuhr mit gleicher Geschwindigkeit neben dem Pkw des Zeugen Q her. Er beabsichtigte mit dieser Fahrweise, dem Zeugen Q ein Ausscheren auf die linke Seite zu verwehren beziehungsweise diesen aufgrund vor ihm fahrender Pkw zu einer starken Reduzierung seiner Geschwindigkeit zu zwingen. Tatsächlich fuhr auch ein Pkw mit deutlich geringerer Geschwindigkeit vor dem Zeugen Q auf der mittleren Spur. Da der Angeklagte weiterhin auf der linken Spur neben ihm fuhr, bremste der Zeuge Q stark ab, um eine Kollision zu verhindern. Durch diese starke Bremsung wurde die Beifahrerin des Zeugen Q, die Zeugin G in den Gurt gedrückt und der Pkw des Zeugen Q geriet leicht ins Schleudern. Der Angeklagte und der Zeuge Q setzten ihre Fahrt fort. Der Angeklagte verließ die Autobahn an der Anschlußstelle I2/C und der Zeuge Q folgte ihm, obwohl er ursprünglich nicht vorhatte, die Autobahn an dieser Anschlußstelle zu verlassen. An der nächsten Lichtzeichenanlage kam es zu einem Wortwechsel zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen Q.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

II. Die Revision hat mit der erhobenen Sachrüge zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Der Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Urteilsfeststellungen stellen keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme einer Nötigung gemäß § 240 StGB dar.

Zwar kann im dichten Auffahren auf der Autobahn auf ein voranfahrendes Fahrzeug unter Betätigung der Lichthupe sowie in dem „Blockieren“ der Überholspur durch die Einhaltung eines gleichbleibenden Tempos mit dem Überholten, um diesen zur Aufgabe eines eigenen Überholvorhabens oder zur Reduzierung seiner Geschwindigkeit durch vorausfahrende Fahrzeuge zu zwingen, eine verwerfliche Zwangsausübung im Sinne einer Nötigung liegen. Maßgebend sind hierbei jedoch immer Streckenlänge, Intensität und Dauer solchen Verhaltens (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdnr. 72 zu § 5 StVO; Randziffer 16 zu § 4 StVO, jeweils m.w.N.). Kurzes Bedrängen des Aufschließenden in offensichtlicher Überholabsicht oder andere kurzfristige Behinderungen, selbst wenn diese verkehrswidrig und aus „demonstrativen“ Gründen erfolgen, stellen jedoch noch keine Nötigung im Sinne des Gesetzes dar (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., Randziffer 15 zu § 240; Düsseldorf, NZV 2000, 301). Nähere Angaben über die Dauer der Einwirkung und die dabei zurückgelegte Wegstrecke lassen sich den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen. Kurzzeitiges dichtes Auffahren – auch unter Betätigung der Lichthupe – erfüllt den Nötigungstatbestand regelmäßig noch nicht, ebenso wenig wie kurzes Bedrängen des Aufschließenden in offensichtlicher Überholabsicht bei Zurücklegung einer Strecke von nur wenigen 100 Metern. Erforderlich ist vielmehr – insbesondere für die Verwirklichung des Merkmals der Verwerflichkeit -, dass sich das Handeln massiv und ohne vernünftigen Grund darstellt, etwa bei Schikane, Mutwillen, Erziehungsabsicht oder beharrlicher Reglementierung aus Ärger und eigensüchtigen Motiven. Dabei müssen die Urteilsfeststellungen die als Nötigung zu beurteilenden Umstände im Einzelnen nachprüfbar schildern.

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht, denn es kann ihm nicht entnommen werden, dass das Verhalten des Angeklagten länger als nur kurzzeitig war und über eine erhebliche Streckenlänge erfolgt ist. Soweit das angefochtene Urteil in der Beweiswürdigung darauf abhebt, dass der Angeklagte „über eine längere Strecke auf gleicher Höhe neben dem Zeugen Q gefahren ist“ (Absatz III der Urteilsgründe a.E., Bl. 6 Mitte), lässt sich diesen Ausführungen ebenfalls nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen, über welche Dauer oder welche Entfernung im Einzelnen sich das Verhalten des Angeklagten als Zwangsausübung dargestellt haben soll. Hinzu kommt, dass den Urteilsfeststellungen ebenfalls nicht die besondere Verwerflichkeit des Handelns entnommen werden kann. Aufgrund des Umstandes, dass die erforderliche Intensität der Einwirkung mangels Angaben zu Dauer und Streckenlänge nicht nachvollzogen werden kann, folgt aus dem bloßen dichten Auffahren unter offenbar einmaliger Betätigung der Lichthupe und der parallelen Fahrweise auf Höhe des Überholten die besondere Verwerflichkeit noch nicht. Dies gilt umso mehr, als das „Parallelverfahren“ des Angeklagten mit dem Fahrzeug des Zeugen Q zur Durchführung des beabsichtigten Überholvorganges jedenfalls für einen kurzen Zeitraum erforderlich war und der Zeuge Q die Geschwindigkeit auf der mittleren Fahrbahn derjenigen des vorausfahrenden Fahrzeugs nach der Straßenverkehrsordnung anzupassen hatte, bevor er selbst erneut einen Überholvorgang und ein Überwechseln auf die linke Fahrbahn einleiten durfte. Dass der von dem Zeugen Q durchgeführte Bremsvorgang auf einer intensiven Einwirkung des Angeklagten beruht hat, kann den Urteilsfeststellungen nicht mit der nötigen Klarheit entnommen werden.

Die Feststellungen tragen die Verurteilung der Nötigung weder im objektiven noch im subjektiven Tatbestand. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils war daher aufzuheben; auf die erhobenen Verfahrensrügen kam es deshalb nicht mehr an. Das Verfahren war an eine andere Abteilung des Amtsgerichts – Strafrichter – Bielefeld zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird.

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