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Notarhaftung – Belehrungspflicht für Eheleute mit ausländischem Namen über mögliche güterrechtliche Folgen

LG Berlin, Az.: 84 O 19/16, Urteil vom 20.02.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten aufgrund abgetretenen Recht auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Verletzung notarieller Amtspflichten im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Eigentumswohnung in Anspruch.

Der Ehemann der Klägerin, Herr B. B., war Eigentümer einer Wohnung in der … Straße … A in Berlin-Mitte.

Notarhaftung - Belehrungspflicht für Eheleute mit ausländischem Namen über mögliche güterrechtliche Folgen
Symbolfoto: Goodluz/Bigstock

Er beabsichtigte im Jahr 2012, als er sich noch in Trennung von der Klägerin befunden hat, seine Wohnung zu veräußern, um Schulden zu begleichen. Insofern kam es zu einem Kontakt zu einem potentiellen Käufer, Herrn E B. Kurz bevor es zu einem Verkauf der Wohnung kam, beschlossen die Klägerin und ihr Mann, dass sie nun doch nicht die Wohnung verkaufen wollen, weil die Schwester der Klägerin ihnen zur Schuldentilgung ca. 23.000 € gegeben hatte.

Entgegen dem gemeinschaftlichen Entschluss verkaufte der Ehemann der Klägerin am 11. Juni 2012 die Wohnung an den Käufer B zu einem Kaufpreis von 210.000,00 €. Der Beklagte beurkundete diesen Kaufvertrag zu seiner UR-Nr. RN 307/2012 (Anlage K 1). Bei der Beurkundung anwesend waren neben dem Beklagten die Kaufvertragsparteien sowie der Makler Alexander G.. Der Ehemann verpflichtete sich im Rahmen des Kaufvertrags unter anderem, den Kaufgegenstand bis zum 31. Oktober 2012 vollständig zu räumen. Insoweit unterwarf er sich gegenüber dem Käufer auch der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den als Anlage 1 vorgelegten Kaufvertrag.

Dem Beklagten war bekannt, dass der Verkäufer mit der Klägerin seit 1990 verheiratet ist (vgl. türkische Heiratsurkunde mit Übersetzung, Anlage K 14). Bei ihrer Heirat waren beide türkische Staatsangehörige. Der Ehemann hat seit 1997 die deutsche Staatsangehörigkeit. Ob im Zuge der Beurkundung die Rede davon gewesen sei, dass gegebenenfalls ein restlicher Kaufpreisanteil, der nicht für die Herstellung der Lastenfreiheit benötigt werde, auf das Konto der Klägerin überwiesen werden solle, ist streitig. Im Ergebnis ist in § 3 des Vertrags jedoch festgehalten worden, dass die Auszahlungen aus dem Kaufpreis nach Ablösung der Lastengläubiger auf ein noch zu benennendes Konto des Verkäufers vorzunehmen ist. Eine Belehrung bzw. Hinweis auf die Problematik des § 1365 BGB bzw. auf eine mögliche Anwendung ausländischen (Güter-)Rechts durch den Beklagten gegenüber den Kaufvertragsparteien erfolgte anlässlich der Beurkundung nicht.

Die Klägerin als Ehefrau des Verkäufers stimmte in der Folge dem Kaufvertrag nicht zu, sodass der Käufer mit einer am 11. April 2013 beim Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 36 O 133/13 eingegangenen Feststellungs- und Räumungsklage die Klägerin und ihren Ehemann als Verkäufer in Anspruch genommen hat. Im Zuge des Verfahrens haben sämtliche Parteien des Rechtsstreits dem Beklagten den Streit verkündet, der dem indes nicht beigetreten ist. Nachdem das Landgericht Beweis erhoben hat, hat es mit Urteil vom 29. Mai 2015 der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass der zwischen den Kaufvertragsparteien am 11. Juni 2012 geschlossene Kaufvertrag wirksam zustande gekommen sei. Hinsichtlich des geltend gemachten Räumungsbegehrens hat die Kammer die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Urteilsbegründung wird auf das als Anlage K 3 eingereichte Urteil Bezug genommen. Gegen dieses Urteil haben sämtliche Prozessparteien Rechtsmittel eingelegt.

Während der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens beim Kammergericht zum Aktenzeichen 24 U 96/15 haben sich die Klägerin, ihr Ehemann und der Käufer, nachdem zuvor ein Mediationsverfahren erfolglos verlaufen ist, außergerichtlich am 29. Juli 2015 verglichen (Anlage K 6). Im Rahmen des Vergleichs hat die Klägerin gegen Zahlung eines Betrages von 39.998,00 € ihre Zustimmung zu dem Verkauf der Wohnung erklärt. Gleichzeitig haben sich die Klägerin und ihr Ehemann verpflichtet, die Wohnung bis zum 31. Oktober 2015 geräumt herauszugeben. Darüber hinaus enthält der Vergleich auch eine Regelung zu den Kosten des Rechtsstreits sowie des Vergleichs.

Die Parteien haben daraufhin ihre jeweils eingelegten Rechtsmittel mit Schriftsätzen vom 14. und 15. Dezember 2015 zurückgenommen, woraufhin das Kammergericht mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 24 U 96/15 – entsprechend der gütlichen Einigung der Parteien einen Kostenbeschluss mit folgendem Inhalt erlassen hat:

„Die Gerichtskosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/2 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 1/2, im Innenverhältnis tragen die Beklagten davon jeweils die Hälfte (also absolut im Innenverhältnis ¼). Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des außergerichtlichen Vergleichs tragen die Parteien jeweils selbst.”

Derzeit lebt die Klägerin mit ihrem Ehemann wieder zusammen in einer gemeinsamen Mietwohnung.

Der Käufer E B und der Ehemann der Klägerin, letzterer mit schriftlicher Abtretungsvereinbarung vom 15. August 2013 (Anlage K 4), haben ihre etwaigen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten an die Klägerin abgetreten.

Mit der Klage begehrt die Klägerin, nunmehr aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns Schadensersatz von dem Beklagten.

Die Klägerin behauptet, dass bei Abschluss des Kaufvertrages besprochen worden sei, dass neben ihrem Ehemann auch sie und die 2 Söhne in der Wohnung leben würden. Auch sei erörtert worden, dass der vom Beklagten auszukehrende Kaufpreisteil, der nicht für die Lastenfreistellung benötigt werde, gegebenenfalls auf ihr Konto überwiesen werden solle. Sie ist der Auffassung, dass aufgrund des Inhalts der Erörterungen bei der Beurkundung hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass es sich bei der verkauften Wohnung um das ganze oder jedenfalls wesentliche Vermögen ihres Ehemanns im Sinne von § 1365 BGB gehandelt habe. Daher sei der Beklagte als Notar verpflichtet gewesen, auf das Zustimmungserfordernis nach § 1365 BGB hinzuweisen, was dieser indes amtspflichtwidrig unterlassen habe. Jedenfalls hätte er die Pflicht gehabt, bei ihrem Ehemann nachzufragen, ob es sich bei der ehelichen Wohnung um sein gesamtes Vermögen gehandelt habe. Hätte der Beklagte auf die Problematik des § 1365 BGB hingewiesen, so hätten sowohl der Käufer als auch ihr Ehemann von der Beurkundung Abstand genommen. Denn ihrem Ehemann sei bewusst gewesen, dass er sich einige Tage zuvor mit ihr gerade darauf geeinigt habe, dass die Wohnung nicht verkauft werden solle, sodass klar gewesen sei, dass sie keine Zustimmung zu dem Verkauf erteilen werde, da sie auch in der Wohnung habe bleiben wollen. Daher wäre es bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten zu einem Vertragsschluss nicht gekommen. Aufgrund der Amtspflichtverletzung des Beklagten sei ihrem Ehemann ein erheblicher Schaden und zwar hinsichtlich der im Rechtsstreit beim Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 36 O 133/13 entstandenen Kosten von 23.305,30 €, sowie im Hinblick darauf, dass der aktuelle Verkehrswert der streitgegenständlichen Wohnung unter Bezugnahme auf einen vorgelegten Marktwertreport der Postbank Immobilien vom 22. Dezember 2015 (als Anlage zur Klageschrift vorgelegt) 345.000,00 € betrage, sodass insoweit ein Schaden von 135.000, d. h. insgesamt ein Gesamtschaden von 158.305,30 € entstanden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Schadensberechnung wird Bezug genommen auf die Klageschrift vom 30. Dezember 2015 – Seiten 9 bis 10 – (Bl. 11/12 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 158.305,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen sowie

2. den Beklagten weiterhin zu verurteilen, sie gegenüber dem Rechtsanwalt …, …, … Berlin, von deren Inanspruchnahme vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 2.874,92 € freizustellen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Akten des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 36 O 133/13 sind informationshalber beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht gemäß § 19 Abs. 1 BNotO i. V. m. § 398 BGB kein Anspruch aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf Schadensersatz gegenüber dem Beklagten zu, da dieser seine ihm als Notar obliegenden Pflichten nicht verletzt hat. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus eigenem Recht bzw. abgetretenen Recht des Käufers E B steht ihr bereits aufgrund ihres eigenen Vortrages – da weder sie noch der Käufer einen Schaden erlitten haben soll – zu.

a. Der Beklagte hat seine notariellen Pflichten nicht dadurch verletzt, dass er anlässlich der Beurkundung nicht auf § 1365 BGB (aa.) bzw. auf die Möglichkeit der Anwendung ausländischen Rechts – namentlich türkischen Rechts – (bb.) hingewiesen hat.

aa. Eine Pflichtverletzung im Hinblick auf § 1365 BGB ist bereits deshalb nicht gegeben, da diese güterrechtliche Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches vorliegend nicht anwendbar ist, worauf der Beklagte zutreffend unter Vorlage des Rechtsgutachtens des Deutschen Notariatsinstituts vom 28. Januar 2009 (Anlage B 3) hingewiesen hat. Daher bedurfte es insoweit auch keiner Belehrung. Für die Klägerin und ihrem Ehemann galt zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages türkisches Güterrecht. Gemäß Art. 15 Abs. 1 EGBGB unterliegen die güterrechtlichen Wirkungen einer Ehe dem bei der Eheschließung für die allgemeine Wirkung der Ehe maßgeblichen Recht. Nach Art. 14 Abs. Nr. 1 EGBGB ist für die allgemeinen Wirkungen einer Ehe das Recht des Staates maßgeblich, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört. Da die Klägerin und ihr Ehegatte bei Eheschließung unstreitig türkische Staatsangehörige gewesen sind und nur der Ehemann inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, ist zum Zeitpunkt der Beurkundung ausschließlich türkisches Güterrecht anzuwenden. Lediglich wenn beide Ehegatten nach der Eheschließung eine neue gemeinsame Staatsangehörigkeit erworben hätten, könnten sie diese dem neuen Recht unterstellen, vgl. Art. 15 türkisches IPRG, was vorliegend allerdings nicht der Fall ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert sich auch nichts im Hinblick darauf, dass das Statut der allgemeinen Ehewirkungen grundsätzlich wandelbar ist. Insoweit sieht Art. 13 Abs. 3 Satz 2 des türkischen IPRG (vgl. Anlage K 15 mit Übersetzung) vor, dass, falls die Eheleute verschiedener Staatsangehörigkeit sind, das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts und bei Fehlen eines solchen türkisches Recht anzuwenden ist. Für das güterrechtliche Statut sind aber allein die Verhältnisse zur Zeit der Eheschließung maßgeblich (vgl. auch: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3411 f zu Art. 15 EGBGB). Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren indes die Klägerin und ihr Ehemann, wie bereits ausgeführt, beide türkische Staatsangehörige.

Der Nichtanwendbarkeit des § 1365 BGB steht auch nicht durchgreifend die gegenteilige Annahme des Landgerichts Berlin im Rahmen des Urteils vom 19. Mai 2015 – 36 O 133/13 – (vgl. Seite 7/8 des Urteils) entgegen. Das vorgenannte Urteil entfaltet im Hinblick auf die gegenüber dem Beklagten erfolgte Streitverkündung gemäß §§ 74, 68 ZPO nur insoweit Bindungswirkungen als es die tragenden Feststellungen des Urteils betrifft (Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 68 Rn. 9). Dazu gehört die Feststellung zur Anwendbarkeit des § 1365 BGB, die im Rahmen des dortigen Urteils erörtert worden ist, deshalb nicht, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Das Landgericht hatte nämlich nach einer im dortigen Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 1365 BGB nicht erfüllt seien, so dass es auf dessen Anwendbarkeit nicht ankam.

bb. Der Beklagte hatte auch keinen Anlass, im Hinblick auf § 17 Abs. 3 BeurkG die Kaufvertragsparteien über die Möglichkeit zu belehren, dass gegebenenfalls ausländisches Recht – nämlich das türkische Güterrecht – zur Anwendung kommen könnte.

Bei Beurkundung des Kaufvertrages bestanden für den Beklagten keine Anhaltspunkte dafür, dass ausländisches Recht maßgeblich sein könnte. Beide Kaufvertragsparteien haben sich ausweislich der Vertragsurkunde mit (deutschen) Personalausweis ausgewiesen. Allein der Umstand, dass der Verkäufer einen türkischen Namen trägt, reicht nicht dafür aus, dass deshalb angenommen werden müsste, er sei auch einmal türkischer Staatsangehöriger gewesen und deshalb ausländisches Recht anzuwenden. Es ist gerichtsbekannt, dass eine Vielzahl von Personen mit türkischen Wurzeln und Namen bereits über Generationen in Deutschland leben und auch Angehörige dieses Staats sind.

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Eine Belehrung über das mögliche Eingreifen von Art. 194 des türkischen ZGB war schon deshalb nicht veranlasst, weil diese Vorschrift tatsächlich nicht anwendbar war. Die Beschränkung der Verfügung über die Familienwohnung gemäß dieser Vorschrift gehört nach türkischem Recht zu den allgemeinen Wirkungen der Ehe. Das nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB anzuwendende türkische Kollisionsrecht verweist für die allgemeinen Wirkungen der Ehe in Art. 13 Abs. 3 des türkischen IPRG auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, wenn die Ehegatten wie hier verschiedener Staatsangehörigkeit sind, hier also auf das deutsche Recht.

b. Darüber hinaus bestünden auch – unterstellt, der Beklagte hätte nicht hinreichend im Hinblick auf § 1365 BGB aufgeklärt – erhebliche Bedenken, ob eine dahingehende Pflichtverletzung überhaupt für den geltend gemachten Schaden kausal geworden wäre bzw. der Schaden von dem Schutzzweck dieser Pflicht umfasst wäre.

Selbst wenn vorliegend im Hinblick auf den Kaufvertrag § 1365 BGB grundsätzlich anwendbar gewesen wäre, hätte der Beklagte nur über die Vorschrift selbst und das möglicherweise aus ihr folgende Zustimmungserfordernis belehren müssen. Ein Anlass zu einer weitergehenden Belehrung hätte insoweit nicht bestanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 22. April 1975 – VI ZR 90/74 -, DNotZ 1975, 628) muss der eine Grundstücksveräußerung beurkundende Notar die Beteiligten grundsätzlich nur über das Bestehen und die Rechtswirkungen der Vorschrift des § 1365 BGB aufklären. Nachforschungen darüber, ob das veräußerte Grundstück das nahezu ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, muss er nicht anstellen. Er ist insbesondere nicht gehalten, den Käufer durch solche Nachforschungen hinsichtlich der Vermögensverhältnisse des Verkäufers bösgläubig zu machen und so die subjektiven Voraussetzungen für das Zustimmungserfordernis erst zu schaffen (vgl. BGH, a.a.O.). Hier hat die Klägerin nicht einmal hinreichend aufgezeigt, dass der Beklagte davon hat ausgehen müssen, dass mit dem von ihm beurkundeten Kaufvertrag das ganze oder nahezu das ganze Vermögen durch den Ehegatten der Klägerin veräußert werden soll. Zwar war dem Beklagten bereits vor der Beurkundung bewusst gewesen, dass der Verkäufer mit der Klägerin verheiratet war, aber gleichzeitig ist ihm auch unstreitig von dem Käufer mitgeteilt worden, dass der Verkäufer mehrere Bäckereien betreibe, was erhebliches Vermögen darstellt. Unstreitig hat der Ehemann der Klägerin dem Beklagten auch weder vor noch anlässlich der Beurkundung den Zweck der Veräußerung – nämlich die beabsichtige Tilgung von Schulden – offenbart. Die Absicht der Schuldentilgung wäre bei einem selbständig Tätigen allein auch noch kein Grund, auf bedrängte Vermögensverhältnisse zu schließen. Auch der Umstand, dass gegebenenfalls der Klägerin ein Kaufpreisanteil zukommen sollte, indizierte nicht die Annahme, dass deshalb der Ehemann sein gesamtes Vermögen verkaufe. Die Gründe hierfür konnten vielfältiger Natur sein. Auch der weitere Umstand, dass in der Wohnung zu dieser Zeit die Klägerin und die beiden Söhne wohnten und dass in dem Kaufvertrag eine Räumungsverpflichtung aufgenommen wurde, rechtfertigte nicht eine solche Annahme.

Hätte der Beklagte die Vertragsparteien amtspflichtgemäß darüber belehrt, dass der Kaufvertrag nach § 1365 BGB allenfalls dann zustimmungsbedürftig sei, wenn der Käufer positiv wisse, dass der Verkäufer nahezu über sein gesamtes Vermögen verfüge, wäre der Kaufvertrag am 11. Juni 2012 ebenso geschlossen worden. Das steht nach Würdigung des Sachverhalts gemäß § 287 Abs. 1 ZPO fest. Für den Käufer hätte kein Anlass bestanden, vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen, weil nichts dafür spricht, dass er die Vermögensverhältnisse des Verkäufers kannte. Der Ehemann der Klägerin hätte ebenfalls keinen Grund gehabt, den Vertrag nicht abzuschließen. Er hatte unstreitig bereits beschlossen, seine Ehefrau zu hintergehen, indem er trotz einer anderen Absprache mit ihr seine Wohnung verkaufen wollte. Eine rechtlich zutreffende Belehrung über § 1365 BGB hätte ihm lediglich vor Augen geführt, dass er unter der – ersichtlich nicht gegebenen – Voraussetzung, dass der Käufer seine Vermögensverhältnisse kannte, die Wohnung nur mit Zustimmung der Klägerin veräußern könne. Dagegen hätte die Belehrung nicht ergeben, dass er den Kaufvertrag ohne Zustimmung der Klägerin aus Rechtsgründen nicht abschließen dürfe; denn § 1365 BGB enthält kein an den Ehegatten gerichtetes Verfügungsverbot. Ein Grund, von seinem Verkaufsentschluss abzurücken, hätte sich somit nicht ergeben.

Überdies dürfte zumindest der im hiesigen Verfahren als Schaden geltend gemachte Wertzuwachs der Wohnung nicht vom Schutzzweck der Pflicht zur Belehrung über § 1365 BGB umfasst sein. Wie allgemein im Schadensersatzrecht kann auch im Notarhaftungsrecht nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzzwecks der verletzten Norm liegen (vgl. KG, Beschluss vom 14. August 2015 – 9 U 74/14 – m. w. N.). Deshalb muss zwischen der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage und dem Schaden ein innerer Zusammenhang bestehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Die notarielle Pflicht zur Belehrung über § 1365 BGB soll nur sicherstellen, dass der beurkundete Vertrag durchführbar ist und nicht etwa von einer Zustimmung des Ehegatten abhängig ist und hat damit im Wesentlichen den Käufer im Blick. Das bedeutet, dass damit nur Schäden umfasst sind, die durch eine Nichtdurchführbarkeit des Vertrages entstanden sind, nicht aber ein Schaden, der darauf beruht, dass dem Verkäufer bei Abstandnahme von Vertrag die spätere Wertsteigerung des Kaufgegenstandes zugute gekommen wäre.

Da der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nicht zusteht, kann sie insoweit auch keine Zinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB verlangen.

2. Der Klägerin steht daher auch nicht ein Anspruch auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten (Antrag zu Ziffer 2.) gegenüber dem Beklagten zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zu der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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