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Notweg – Anspruch auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit?

Amtsgericht Paderborn

Az.: 54 C 188/00

Urteil vom 28.06.2000


In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Paderborn auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2000 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, zu dulden, dass die Klägerin und die jeweiligen in dem Haus H… Straße 14 in Paderborn wohnenden Mieter sowie deren Besucher und Handwerker den zwischen dem Grundstück H… Straße 14 und dem Grundstück H… Straße 12 in Paderborn verlaufenden Privatweg zumindest zu den folgenden Zwecken mit Kraftfahrzeugen befahren: Zufahrt zum Hauseingang des Hauses H… Straße 14, Zufahrt zur Garage.

Der Beklagte wird verurteilt, in die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung der vorstehenden Verpflichtungen zu Lasten des dienenden Grundstückes eingetragen im Grundbuch von Paderborn Blatt-Nr. … einzuwilligen, wobei die Kosten die Klägerin trägt.

Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000,00 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sicherheit kann auch durch Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit der Klage die Duldung der Zufahrt zu dem Haus H… Straße Nr. 14 sowie die Zufahrt zur Garage auf diesem Grundstück, sowie das Anhalten zum Be- und Entladen und das kurze Parken auf einer zwischen dem Haus H… Straße 14 und H… Straße 12 gelegenen vier Meter breiten Gasse geltend. Diese Verpflichtung soll als Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen werden.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstückes H… Straße Nr. 14 in Paderborn. Ihr Grundstück weist eine rechteckige Form auf, wobei die schmalere Seite der H… Straße zugewandt liegt. Zwischen dem Grundstück H… Straße Nr. 14 und dem Grundstück des Beklagten in der H… Straße Nr. 12 liegt eine vier Meter breite Gasse, die zum erzbischöflichen Leokonvikt führt. Die Eigentumsgrenze der Grundstücke der Klägerin und des Beklagten verläuft ungefähr in der Mitte dieser Gasse. Das erzbischöfliche Leokonvikt besitzt ein Wegerecht, welches in den Grundbüchern der betroffenen Grundstücke eingetragen ist.

Der Eingang des Hauses H… Straße Nr. 14 liegt zu der besagten Gasse. Auf dem Grundstück der Klägerin befindet sich ebenfalls eine Garage, welche nur durch Befahren der Gasse zu erreichen ist. In dem Haus des Beklagten in der H… Straße 12 befinden sich zur Gasse hin drei Etagen mit jeweils drei Fenstern.

Die Gasse wird von dem im Haus der Klägerin wohnenden Mieter benutzt, wobei der Umfang der Nutzung zwischen den Parteien streitig ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie ein Recht auf Benutzung der Gasse zu folgenden Zwecken zustehe: Zufahrt zur Garage und zum Haus, kurzes Halten zum Be- und Entladen und kurzzeitiges Parken.

Sie ist der Ansicht, dass sich ein derartiger Anspruch aus Art. 187 EGBGB i.V.m. einer notariellen Vereinbarung vom 11.11.1865 des Notars … ergebe. In dieser Vereinbarung heißt es unter § 2 wörtlich: „Der durch den genannten Plan gegenwärtig hindurchgehende Privat-, Kultur-Weg wird dem Kläger mit den übrigen Parzellenerwerbern zum gemeinschaftlichen Eigentum überlassen, muss aber, soweit dies erforderlich, zur gemeinschaftlichen Benutzung der Parzellenerwerber als Weg liegen bleiben.

Dabei wird bemerkt, dass das gemeinschaftliche Eigentum den Parzellenerwerbern an dem Wege nur soweit zusteht, als derselbe ihre Grundstücke berührt, im übrigen den Parzellenbesitzern, soweit dies zur Bestellung ihrer Grundstücke notwendig ist, nur die Fahrwerksgerechtigkeit daran zusteht, der Weg aber zu diesem Ende in der jetzigen Breite liegen bleiben muss.“

Ob sich die genannte notarielle Vereinbarung auf die streitgegenständlichen Grundstücke und die Gasse bezieht, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Anspruch ergebe sich ebenfalls aus § 917 Abs. 1 BGB sowie § 921 BGB. Ein Nutzungsanspruch ergebe sich ebenfalls aus den allgemeinen Regeln über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis i.V.m. §§ 242, 226 BGB.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen zu dulden, dass die Klägerin und die jeweiligen in dem Haus H… Straße 14 in Paderborn wohnenden Mieter sowie deren Besucher und Handwerker den zwischen dem Grundstück H… Straße 14 und dem Grundstück H… Straße 12 in Paderborn verlaufenden Privatweg zumindest zu den folgenden Zwecken mit Kraftfahrzeugen befahren: Zufahrt zum Hauseingang des Hauses H… Straße 14, Zufahrt zur Garage, Anhalten zum Be- und entladen sowie kurzes Parken;

2. den Beklagten zu verurteilen, in die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung der vorstehenden Verpflichtungen zu Lasten des dienenden Grundstücks eingetragen im Grundbuch von Paderborn, Blatt-Nr. … einzuwilligen, wobei die Kosten die Klägerin trägt;

3. dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000,00 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird,

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist mit einer Nutzung der Gasse zum Befahren zur Garage auf dem Grundstück H… Straße Nr. 14 einverstanden. Im übrigen ergebe sich ein Anspruch der Klägerin auf Nutzung der Gasse jedoch nicht. Im übrigen sei das Fahrrecht der Klägerin aus dem notariellen Vertrag von 1865 verjährt, weil sie die Zuwegung zeitweise nicht befahren konnte. Der Beklagte behauptet, dass die Zuwegung bis zum Jahre 1928 nur 70 cm breit gewesen sei und durch ein Drehkreuz an der H… Straße begrenzt gewesen sei. Die Gasse sei daher nur für Fußgänger zu nutzen gewesen. Der Beklagte ist der Ansicht, dass sich ein Notwegerecht nicht auf die Nutzung der Gasse zum Halten und Parken erstrecke.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Duldung der Zufahrt zum Haus Nr. 14 und zur Garage auf dem Grundstück H… Straße Nr. 14 sowie die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit und die Androhung eines Ordnungsgeldes im Falle der Zuwiderhandlung. Einen weitergehenden Anspruch in Bezug auf kurzzeitiges Halten zum Be- und Entladen und kurzzeitiges Parken hat die Klägerin jedoch nicht.

Der Anspruch der Klägerin auf die Nutzung der Gasse als Zufahrt zum Haus H… Straße Nr. 14 und zu der auf dem Grundstück befindlichen Garage ergibt sich auf § 917 Abs. 1 BGB. Das Grundstück der Klägerin hat den Gebäudeeingang zur Gasse. Ebenso lässt sich die Garage auf dem Grundstück nur erreichen, indem die Gasse zwischen den Häusern befahren wird. Aus diesem Grunde fehlt dem Grundstück zur ordnungsgemäßen Nutzung die notwendige Verbindung zur H… Straße als öffentlichem Weg. Aus diesem Grunde muss der Beklagte die Nutzung für die benannten Zwecke dulden.

Der Anspruch auf Eintragung einer Grunddienstbarkeit ergibt sich aus §§ 1018, 894 BGB. Der Anspruch auf Androhung eines Ordnungsgeldes bzw. einer Ordnungshaft ergibt sich aus § 888 ZPO.

Ein weitergehender Anspruch der Klägerin besteht nicht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Duldung von Halten zum Be- und Entladen und kurzzeitigem Parken auf dem Grundstück des Beklagten.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 187 EGBGB i.V.m. der notariellen Vereinbarung von 1865. Unabhängig davon, ob sich die genannte notarielle Vereinbarung tatsächlich auf die diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Grundstücke bezieht, ergibt sich auch aus dem Vertrag selber eine derartige Duldungsverpflichtung des Beklagten nicht. Aus der notariellen Vereinbarung ergibt sich in § 2, dass den Erwerbern der fraglichen Parzellen der Weg zur gemeinschaftlichen Benutzung zur Verfügung stehen muss. Diese gemeinschaftliche Benutzung wird im zweiten Teil des § 2 dahin konkretisiert, dass eine Fahrwerksgerechtigkeit den jeweiligen Nutzern zusteht. Überträgt man den Begriff der Fahrwerksgerechtigkeit auf die heutige Zeit, so lässt sich daraus ableiten, dass die fragliche Gasse von den jeweiligen Berechtigten befahren werden darf und zwar nicht nur mit Pferdefuhrwerken oder Handkarren wie zu damaligen Zeiten, sondern auch mit motorbetriebenen Fahrzeugen der heutigen Zeit. Dem Vertrag lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass den Berechtigten weitergehende Nutzungen wie das Halten und Parken in der Gasse gestattet werden soll. Diese Nutzungen sind von der Fahrwerksgerechtigkeit nicht umfasst. Diese Auslegung des Vertrages wird auch dadurch gestützt, dass die Fahrwerksgerechtigkeit soweit besteht, als zur Bestellung der Grundstücke notwendig ist. Der Begriff der Notwendigkeit deutet darauf hin, dass die Nutzung des Grundstückes nicht uneingeschränkt möglich ist, sondern dass sie auf notwendige Nutzungen beschränkt sein soll.

Der Anspruch der Klägerin auf die Nutzung in Form des Parkens und Haltens ergibt sich auch nicht aus § 917 BGB. Das Notwegerecht der Klägerin beinhaltet lediglich die zum Erreichen des Grundstückes notwendige Nutzungen in Form des Befahrens. Eine Ausdehnung des Notwegerechtes auf anderweitige Nutzungen ist nicht möglich.

Auch § 921 BGB gewährt der Klägerin kein Recht auf begehrte Nutzung der Gasse. § 921 BGB ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil keine Grenzeinrichtung besteht. Hier existiert lediglich eine Gasse über deren Mitte eine Eigentumsgrenze verläuft. Grenzeinrichtungen sind nicht vorhanden.

Ein Anspruch der Klägerin kann sich ebenfalls nicht aus dem Nachbarschaftsverhältnissen und den daraus folgenden Rücksichtsgebot ergeben. Ein Anspruch nach den allgemeinen Regeln des Nachbarschaftsverhältnisses findet lediglich subsidiär Anwendung. Infolgedessen kann der Anspruch keinesfalls weitergehen als die durch ein Notwegerecht gewährte Nutzungen. Dies würde dem Charakter der Regeln des Nachbarschaftsverhältnisses als nachrangige Regelungen widersprechen. Im übrigen würde es dem Nachbarn eine größere Duldungspflicht abverlangen, als in den gesetzlichen Regelungen vorgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zugrunde.

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