VG Gelsenkirchen – Az.: 3 K 10113/17 – Urteil vom 16.07.2018
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 18. Juli 2017 und vom 26. Juli 2017 verpflichtet, die Zuziehung einer Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären, soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren die Gewährung einer weiteren Beihilfe i.H.v. 18,20 EUR (70 % von 26 EUR) für einen Hausbesuch erstrebt hat.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das Wichtigste zusammengefasst:
In dem vorliegenden Fall geht es um einen Widerspruch im Rahmen eines beihilferechtlichen Verfahrens. Der Kläger hat bei der Beklagten, einer Beihilfestelle, einen Antrag auf Beihilfe gestellt und nach einer Nachberechnung durch die Beklagte einen Widerspruch eingelegt. Der Kläger hatte eine Rechtsanwältin als Bevollmächtigte eingeschaltet, die eine Rechnung für ihre Tätigkeit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gestellt hat. Die Beklagte hat die Erstattung dieser Kosten abgelehnt, da die Zuziehung eines Rechtsbeistandes aus ihrer Sicht nicht erforderlich gewesen sei. Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben.
Das Verwaltungsgericht entschied, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren das Recht auf anwaltliche Vertretung hatte, was von der Beklagten nicht anerkannt wurde. Das Gericht entschied außerdem, dass der Kläger Anspruch auf weitere Unterstützung in Form einer Erstattung von 70 % der Kosten in Höhe von 26 € hat. Die Entscheidungen der Beklagten waren daher rechtswidrig und verletzten die Rechte des Klägers. Das Gericht verwies auf das Gesetz, wonach die Beklagte dem Kläger die notwendigen Kosten für eine angemessene rechtliche Vertretung zu erstatten hat, die vom Einzelfall abhängt. Das Gericht hielt es für erforderlich, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren einen Vertreter hat, da es ihm nicht zugemutet werden kann, das Verfahren allein zu führen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit der Hinzuziehung einer Bevollmächtigten im Rahmen eines beihilferechtlichen Widerspruchsverfahrens.
Am 17. Mai 2017 stellte der Kläger, der im Jahr … geboren wurde und als Verwaltungsamtmann im gehobenen Dienst tätig war, bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung einer Beihilfe. Er reichte unter anderem eine Rechnung des Sanitätshauses M. aus C. für die Anfertigung eines Kompressionsarmstrumpfes nach Maß über insgesamt 246,34 EUR ein. In diesem Betrag waren 26 EUR für einen Hausbesuch enthalten. Daneben reichte er eine Rechnung für einen stationären Krankenhausaufenthalt über 3322,37 EUR ein.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2017 erkannte die Beklagte die Kosten für den Hausbesuch nicht als beihilfefähig an. Zur Begründung gab sie an, Aufwendungen für den Hausbesuch würden nicht zu den Anschaffungskosten zählen und seien nicht beihilfefähig. Die Kosten für den stationären Krankenhausaufenthalt wurden nicht erstattet, da nicht alle notwendigen Unterlagen – insbesondere nicht eine unterschriebene Wahlleistungsvereinbarung – eingereicht worden seien.
Am 24. Mai 2017 legte der Kläger durch seine bevollmächtigte Rechtsanwältin Widerspruch ein. Diese führte aus, dass der Hausbesuch beihilfefähig sei, weil er auf dem Rezept ärztlich verordnet worden sei. Sie übersandte mit dem Widerspruch sowohl die vorgenannte ärztliche Verordnung als auch die Wahlleistungs-vereinbarung.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2017 erfolgte eine Nachberechnung. Die Kosten für den Hausbesuch sowie für die stationäre Krankenhausbehandlung wurden nunmehr als beihilfefähig anerkannt.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 forderte die Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte unter Hinweis auf die Nachberechnung der Kosten für den Hausbesuch auf, über die Kostentragungspflicht zu entscheiden. Nach Aufforderung durch die Beklagte übersandte die Bevollmächtigte des Klägers unter dem 17. Juli 2017 eine Rechnung für das Tätigwerden im Rahmen des Widerspruchsverfahrens über insgesamt 83,54 EUR. Dabei legte sie einen Gegenstandswert von bis zu 500 EUR zu Grunde und brachte eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von 1,3 in Ansatz.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2017 teilte die Beklagte der Bevollmächtigten des Klägers mit, die mit Schreiben vom 24. Mai 2017 vorgetragene Widerspruchsbegründung sei im Widerspruchsverfahren auch ohne Zuziehung eines Rechtsbeistandes möglich gewesen. Es sei lediglich die Zusendung der Verordnung durch den Rechtsbeistand erfolgt. Daher seien die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsbeistandes nicht erstattungsfähig.
Dagegen erhob die Rechtsanwältin des Klägers am 20. Juli 2017 Widerspruch. Zur Begründung brachte sie vor, sie habe nicht nur die bereits mit Stellung des Beihilfeantrags übermittelte Verordnung erneut übersandt. Sie habe vielmehr die Rechtslage überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Hausbesuch dann beihilfefähig sei, wenn er ärztlich verordnet worden sei. Eine solche juristische Prüfung könne ein Laie nicht durchführen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2017, zugestellt am 16. August 2017, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte wiederholte das Vorbringen, die vorgetragene Widerspruchsbegründung sei auch ohne Zuziehung eines Rechtsbeistandes möglich gewesen. Es sei lediglich die Übersendung des streitigen Rechnungsbelegs sowie eine Erläuterung des Sachverhaltes erfolgt.
Der Kläger hat am 12. September 2017 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei nicht nur erforderlich, wenn juristische Ausführungen gemacht werden müssen, sondern auch dann, wenn der Sachverhalt nicht sogleich einfach zu beantwortende Tat- oder Rechtsfragen aufwerfe. Die Bevollmächtigte des Klägers habe nicht nur erneut den Rechnungsbeleg übersandt sowie den Sachverhalt erläutert, sondern sie habe die Rechtsgrundlage geprüft und festgestellt, dass ein ärztlich verordneter Hausbesuch beihilfefähig sei und dies der Beklagten mitgeteilt. Ein Laie könne diese juristische Prüfung nicht vornehmen. Er müsse nicht wissen, auf welchen Rechtsgrundlagen seiner Ansprüche beruhten. Im Übrigen habe er die ärztliche Verordnung bereits mit Stellung des Beihilfeantrag eingereicht und nicht erst im Widerspruchsverfahren. .
Der Kläger beantragt schriftsätzlich, den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2017 in Form des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2017, zugestellt am 16. August 2017, aufzuheben, die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, dem Kläger sei als früherem Beamten im gehobenen Dienst auch unter Berücksichtigung seines Alters und seiner Schwerbehinderung zuzumuten gewesen, bereits bei der Beantragung der Beihilfe alle dazugehörigen Belege vollständig beizufügen, was nicht geschehen sei. Spätestens nach Zustellung des Bescheides vom 17. Mai 2017 hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, im Widerspruchsverfahren auf die Verordnung des Hausbesuches unter Vorlage eines entsprechenden Attestes hinzuweisen. Zudem könne nur einheitlich beurteilt werden, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig sei. Die Beschwer hinsichtlich des nicht als beihilfefähig anerkannten Hausbesuchs betrage – bezogen auf die Gesamtbeschwer, die maßgeblich durch die Nichterstattung der Aufwendungen für den stationären Krankenhausaufenthalt geprägt sei – nur 0,8 % der Gesamtbeschwer. Bezüglich der Nichterstattung der Aufwendungen für den stationären Krankenhausaufenthalt sei eine Zuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig gewesen, da lediglich die Übersendung von Dokumenten in Rede stand und darauf auch besonders hingewiesen worden sei. Im Übrigen sei auch kein Antrag gestellt worden, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig zu erklären.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zuziehung einer Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren durch Verwaltungsakt für notwendig erklärt, soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren die Gewährung einer weiteren Beihilfe i.H.v. 18,20 EUR (70 % von 26 EUR) für einen Hausbesuch erstrebt hat. Die Bescheide der Beklagten vom 18. Juli 2017 und vom 26. Juli 2017 sind insoweit rechtswidrig und verletzen ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 S. 1 VwGO).
§ 80 Abs. 1 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) bestimmt, dass der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen erstatten muss, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind nach § 80 Abs. 2 VwVfG erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren hängt von der Prüfung im Einzelfall ab. Sie ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 80 Abs. 2 VwVfG dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen. Einerseits erlaubt die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse sowie der Schwierigkeit der Sache eine Einzelfallprüfung. Das Abstellen auf den Bildungs- und Erfahrungsstand des Widerspruchsführers beinhaltet sogar eine gewisse Subjektivierung des Beurteilungsmaßstabs. Diese wird jedoch zugleich begrenzt durch den objektiven Maßstab des „vernünftigen Bürgers“. Diese Begrenzung ist erforderlich, weil eine vollständige Subjektivierung die Entscheidung des Gesetzgebers, die Erstattung von Anwaltskosten im Vorverfahren an die Voraussetzung der Notwendigkeit zu knüpfen, konterkarieren und zudem die Berechenbarkeit behördlicher und gerichtlicher Kostenentscheidungen beseitigen würde.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 2003 – 6 B 26/03 -, Rn. 6 m.w.N., juris.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig, soweit der Kläger die Gewährung einer weiteren Beihilfe i.H.v. 18,20 EUR für einen Hausbesuch erstrebt hat.
Diesbezüglich war sein Widerspruch, wie § 80 Abs. 1 S. 1 VwVfG zunächst fordert, erfolgreich.
In der Sache ging es im maßgeblichen ex-ante-Zeitpunkt – nach Zugang des Beihilfebescheides und im Moment der Mandatierung – nicht nur um die Übersendung einer ärztlichen Verordnung, die der Kläger auch selbst hätte vornehmen können, sondern vielmehr die Klärung einer Rechtsfrage, nämlich der Beihilfefähigkeit des von der Fa. M. in Rechnung gestellten Hausbesuchs. Den Hinweis zu Beleg Nr. 2 musste der Kläger – auch in Zusammenschau mit den Hinweisen zu den Belegen Nr. 3 und 5 – nach objektivem Empfängerhorizont so verstehen, dass der Beklagten nicht lediglich Unterlagen fehlen. Denn fehlende Unterlagen hat sie in Ansehung der Belege Nr. 3 und 5 ausdrücklich angefordert, während sie sich zu Beleg Nr. 2 in rechtlicher Weise geäußert hat, dergestalt, dass Aufwendungen für einen Hausbesuch nicht zu den Anschaffungskosten zählen würden. Dem Kläger war damit nicht erkennbar, dass es nur einer Übersendung der ärztlichen Verordnung bedurfte. Für die Beurteilung der hier in Rede stehenden Rechtsfrage der Beihilfefähigkeit eines Hausbesuchs im Rahmen der Anpassung eines Hilfsmittels ist die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für einen 87-Jährigen ehemaligen Verwaltungsamtmann notwendig.
Es kann – bezogen auf § 80 Abs. 1 S. 4 VwVfG – dahinstehen, ob der Kläger die ärztliche Verordnung des Dr. bereits mit dem Beihilfeantrag eingereicht hat oder nicht. Da den Beihilfeberechtigten nämlich keine Obliegenheit trifft, neben der Rechnung auch die ärztliche Verordnung einzureichen, kann dem Kläger ein etwaiges Nichteinreichen nicht zum Nachteil gereichen. § 51 Abs. 3 S. 2 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) in der anwendbaren, ab dem 1. November 2016 geltenden Fassung spricht nur allgemein von im Rahmen der Antragstellung einzureichenden „Belegen“. Satz 3 der Vorschrift, wonach bei Aufwendungen nach § 26 BBhV zusätzlich die Entlassungsanzeige und die Wahlleistungsvereinbarung vorzulegen sind, spricht – in einem Gegenschluss – eher dafür, dass der Beihilfeberechtigte in allen anderen Fällen – all jenen, die nicht Satz 3 unterfallen – grundsätzlich nur die Rechnungen einreichen muss, aus denen sich seine Aufwendungen ergeben. Dafür sprechen auch die Hinweise auf dem Vordruck der Beklagten zur Beantragung einer Beihilfe. Soweit ersichtlich wird dort nirgends auf das Erfordernis der Einreichung ärztlicher Verordnungen hingewiesen. Am Ende des Vordrucks, oberhalb des Feldes für die Unterschrift des Beihilfeberechtigten, heißt es vielmehr: „Die erforderlichen Belege über die entstandenen Aufwendungen sind beigefügt“. Die Formulierung inkludiert ärztliche Verordnungen offensichtlich nicht. Der vorstehende Befund berührt freilich nicht das Recht der Beklagten, im Einzelfall weitere Nachweise anzufordern, um die Notwendigkeit der Aufwendungen zu überprüfen. Dieses Recht der Behörde verdichtet sich aber nur zur Vorlagepflicht des Beihilfeberechtigten, wenn die Behörde die ärztliche Verordnung anfordert oder besondere Umstände vorliegen, aus denen sich eine entsprechende Vorlagepflicht ergibt. Diese fehlen hier.
Unabhängig davon und für sich bereits tragend ist daneben die Erwägung, dass die Beklagte die Aufwendungen für die Anfertigung des Kompressionsarmstrumpfes bereits im Ausgangsbescheid für beihilfefähig erklärt hat. Es leuchtet nicht ein, warum diese Rechnungsposition nach dem Vorbringen der Beklagten ohne Einreichung einer ärztlichen Verordnung als beihilfefähig anerkannt wurde, der Hausbesuch aber nicht. Nach Anlage 11, Abschnitt 1 der BBhV sind bestimmte Hilfsmittel beihilfefähig, wenn sie ärztlich verordnet wurden. Entweder die ärztliche Verordnung des Dr. S. war bereits dem Beihilfeantrag beigefügt, dann ergab sich daraus auch die Verordnung des Hausbesuchs. Oder die ärztliche Verordnung fehlte, dann hätte die Beklagte – ihr Vorbringen zu Grunde gelegt – auch die Aufwendungen für den Kompressionsarmstrumpf ohne Einreichung einer ärztlichen Verordnung nicht für beihilfefähig erklären dürfen. Die de facto vorgenommene Differenzierung ist aber ohne rechtlichen Ansatzpunkt.
Unschädlich für den klägerischen Anspruch ist ferner, dass die Bevollmächtigte keine eingehenden rechtlichen Ausführungen im Widerspruch gemacht hat. Dies wird von § 80 Abs. 1, 2 VwVfG nicht gefordert.
Auch ein an die Beklagte gerichteter Antrag des Klägers, festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig gewesen sei, war – jenseits der Frage, ob und wann dieser hier erfolgte – nicht erforderlich. Nach §§ 72, 73 Abs. 3 VwGO muss die Behörde im Falle der Abhilfe auch über die Kosten des Widerspruchsverfahrens entscheiden. Die Entscheidung über die Kostenlast ist notwendiger Bestandteil des Abhilfebescheides, ein Antrag ist diesbezüglich nicht erforderlich. Nach § 80 Abs. 3 S. 2 VwVfG bestimmt die Kostenentscheidung (nach §§ 72, 73 Abs. 3 VwGO) auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war. Der Ausspruch, die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei notwendig gewesen, muss demgemäß ebenfalls von Amts wegen erfolgen. Dafür spricht auch, dass die Kostenfestsetzung nach § 80 Abs. 3 VwVfG ausweislich des Wortlauts der Norm auf Antrag erfolgt; ein entsprechendes Antragserfordernis enthält § 80 Abs. 1, 2 VwVfG für die Kosten(grund)entscheidung gerade nicht.
Das Vorbringen der Beklagten, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren könne nur einheitlich beurteilt werden, ist unzutreffend. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten kann auch in Ansehung (nur) einzelner Positionen des Widerspruchs notwendig sein. Eine Differenzierung bezüglich der notwendigen Auslagen des Widerspruchsführers enthält bereits § 80 Abs. 1 VwVfG („soweit“). Im Übrigen würde andernfalls ein Widerspruchsführer, der mehrere Regelungen eines Bescheides angreift, im Rahmen derer bei einem größeren Teil die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig ist, schlechter stehen als jemand, der in einem gleichgelagerten Fall nur jene Reglungen angreift, im Rahmen derer die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig ist. Bei wertender Betrachtung ist es aber geboten, beide Fallgestaltungen gleich zu beurteilen. Ein Widerspruchsführer, der mehrere Regelungen eines Bescheides insgesamt erfolgreich angreift, im Rahmen derer jedoch bei einem größeren Teil die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig ist, würde andernfalls schlechter stehen als jemand, dessen Widerspruch nur teilweise erfolgreich ist und in Ansehung des obsiegenden Teils die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Denn diese Auslagen werden nach § 80 Abs. 1 VwVfG („soweit … erfolgreich“) i.V.m. Abs. 2 ersetzt.
Vor diesem Hintergrund kann auch dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Bevollmächtigte bezüglich des Widerspruchs in Ansehung der Belege 3 und 5 tätig geworden ist (fehlende Unterlagen zur Wahlleistungsvereinbarung). Denn nach den vorstehenden Ausführungen kann zwischen einzelnen Positionen eines Widerspruchs differenziert werden. Dass die Bevollmächtigung der Anwältin zur Übermittlung der Wahlleistungsvereinbarung nicht notwendig war, schließt nicht aus, ihre Hinzuziehung bezüglich der Nichtgewährung einer Beihilfe für den Hausbesuch für notwendig zu erklären. Da die Bevollmächtigte lediglich den Gegenstandswert von bis zu 500 EUR in Ansatz brachte, war klar, dass sich dies nur auf die Nichtgewährung einer Beihilfe für den Hausbesuch bezog (und nicht auf die Rechnung des stationären Krankenhausaufenthalts i.H.v. 3322,37 EUR).
Schließlich steht dem aus dem Tenor ersichtlichen Anspruch nicht entgegen, dass lediglich die Gewährung einer weiteren Beihilfe i.H.v. 18,20 EUR (70 % von 26 EUR für den Hausbesuch) erstrebt war. Nach Einschätzung des Berichterstatters hätte nicht jeder Beihilfeberechtigte ohne Weiteres für einen Betrag in der vorgenannten Höhe anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Das bedeutet indes nicht, dass ein „vernünftiger Bürger“ bei wirtschaftlicher Betrachtung davon abgesehen hätte, 18,20 EUR im Widerspruchsverfahren anwaltlich zu erstreiten. In Ansehung der dadurch tatsächlich ausgelösten Kosten i.H.v. 83,54 EUR liegt jedenfalls kein krasses Missverhältnis im Vergleich zur erstrebten Summe vor. Dabei muss der Berichterstatter nicht entscheiden, ob die Bevollmächtigte eine Geschäftsgebühr von 1,3 in Ansatz bringen konnte. Der Rahmen von Nr. 2300 VV RVG erstreckt sich von 0,5 bis 2,5, sodass die Bevollmächtigte nicht – wie vorgebracht – die geringstmögliche Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt hat. Die Entscheidung über die zu erstattenden Aufwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwVfG ist aber nicht streitgegenständlich. Streitgegenständlich ist eine Kostenentscheidung, nicht eine (noch zu treffende) Kostenfestsetzungs-entscheidung. Mehr als die bereits eingeforderte Geschäftsgebühr von 1,3 kann die Bevollmächtigte zumindest nicht fordern, und in Ansehung der daraus resultierenden Summe im Verhältnis zu 18,20 EUR besteht jedenfalls kein krasses Missverhältnis.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.