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Nummernschild mit TÜV-HU-Plakette – zusammengesetzte Urkunde

Oberlandesgericht Celle

Az: 31 Ss 30/11

Beschluss vom 25.07.2011


Beschluss In der Strafsache wegen Urkundenfälschung hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten: gegen das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen vom 21. April 2011 auf Antrag und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 25. Juli 2011 einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Tagessatzhöhe mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stadthagen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Stadthagen hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen ä 30 € verurteilt.

Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte die bei seinem Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ……..bereits im Oktober 2009 nach der StVZO vorgeschriebene Hauptuntersuchung nicht vor. Um das Fahrzeug dennoch im Straßenverkehr nutzen zu können, brachte er am hinteren Kennzeichen eine HU-Plakette auf, die eine Gültigkeitsdauer bis Oktober 1993 aufwies. Diese hatte denselben Farbton, wie die HU-Plaketten, deren Gültigkeit erst 2011 ablief. Um den Anschein zu erwecken, dass die nächste Hauptuntersuchung erst im Oktober 2011 erforderlich sein würde, überzeichnete der Angeklagte die Zahl „93″ mit der Ziffer „11″. Mit dem Lkw befuhr der Angeklagte am 14. August 2010 in …. die Hauptstraße. Dort wurde er im Rahmen einer VerkehrskontroIle durch die Polizei angehalten und die Manipulation am Kennzeichen bemerkt.

Zu den Einkommensverhältnissen des Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Angeklagte als selbständiger Gas- und Wasserinstallateurmeister einen Nettoverdienst von lediglich 500 € monatlich, seine Ehefrau einen monatlichen Nettoverdienst von ca. 1300 € erzielt. Zur Berechnung der Tagessatzhöhe hat das Amtsgericht die Einkommen gemeinsam veranschlagt und den Tagessatz auf 30 € festgesetzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Die Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Hinsichtlich des Schuldspruchs deckt die Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Senat hat diese gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Nur ergänzend ist anzumerken, dass die getroffenen Feststellungen die Annahme des Amtsgerichts, der Angeklagte habe eine Urkunde verfälscht, tragen. Insbesondere stellt die vom Angeklagten inhaltlich abgeänderte HU-Plakette aufgrund ihrer festen Verbindung zum Kfz-Kennzeichen eine (zusammengesetzte) Urkunde dar. Mit den sich aus der Plakette ergebenden Symbolen und Farben liegt zumindest die verkörperte Gedankenerklärung vor, dass das Fahrzeug bis zum Ablauf des Oktober 2009 zur Hauptuntersuchung vorzuführen wäre, wenn das Fahrzeug auch danach am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen soll. Die HU-Plakette war wegen ihrer sich aus § 29 StVZO – insb. dessen Abs. 7 Satz 4 – ergebenden Bedeutung auch zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt. Dass mit Ablauf. des Oktobers 2009 die HU-Plakette gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVZO ihre Gültigkeit verloren hat, ändert weder etwas an der sich aus der Plakette ergebenden Gedankenerklärung, dass das Kraftfahrzeug bis Oktober 2009 hätte vorgeführt werden müssen, noch an der Beweisgeeignetheit. Entgegen der Revision lässt sich auch der Aussteller der Urkunde erkennen. Zwar muss sich die Erkennbarkeit nach herrschender Lehre aus der. Urkunde selbst ergeben (vgl. BGH NJW – 1960, 444 (445); Radtke, ZStW 115, ’26 (57); Lackner/Kühl, 27. Aufl., § 267 StGB Rn. 14; LK-Zieschang, 12. Aufl., § 267 StGB Rn. 44 ff). Es genügt aber, wenn die Herkunft der Erklärung aus der Gestalt der verwendeten Symbole oder durch deren Verbindung mit Gegenständen, die eine entsprechende Zuordnung ermöglichen, erkennbar ist (vgl. MK-Erb, § 267 StGB Rn. 24; Puppe, JZ 1997, 490 (491)). Dies ist nach den getroffenen Feststellungen aufgrund des Kfz-Scheins der Fall. Aus diesem lässt sich die DEKRA als Aussteller der Urkunde erkennen. Indem der Angeklagte deren Gedankenerklärung mittels einer anderen HU-Plakette überklebt und diese überzeichnet hat, hat er den Inhalt der Urkunde abgeändert und somit eine echte Urkunde verfälscht (vgl. auch OLG Karlsruhe, DAR 2002, 229; BayObLG NJW 1966, 748; AG Waldbröl, NJW 2005, 2870).

Dieser Betrachtungsweise steht auch nicht die Entscheidung des OLG Celle in NdsRPfl 1991, 182 entgegen. Im dortigen Fall lag ein Kfz-Schein überhaupt nicht vor, weshalb die HU-Plakette nur scheinbar auf die Möglichkeit verwiesen hat, den Aussteller der Erklärung zu ermitteln. Es handelte sich daher nur scheinbar um eine Urkunde, hingegen nicht um eine unechte Urkunde (vgl. Puppe a.a.O.). Entgegen der Revision ist der Entscheidung aber auch nicht zu entnehmen, dass nur derjenige eine Urkundenfälschung begeht, der neben dem unbefugten Anbringen einer HU-Plakette auch eine damit korrespondierende Eintragung im Kfz-Schein vornimmt. Für die Annahme einer unechten Urkunde genügt es, dass die Möglichkeit einer korrekten Zuordnung zu einem bestimmten Aussteller vorgespiegelt wird (vgl. MK-Erb, a.a.O., Fn. 46).

2. Die Revision ist hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs zum Teil begründet.

Die Feststellungen, die das Amtsgericht hinsichtlich der Festsetzung der Tagessatzzahl getroffen hat, sind rechtsfehlerfrei erfolgt. Auch insoweit verwirft der Senat die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO.

Hinsichtlich der festgesetzten Tagessatzhöhe weist das angefochtene Urteil indessen einen durchgreifenden Rechtsmangel auf. Die auf der Grundlage der Feststellungen vorgenommene Festsetzung der Tagessatzhöhe wird den Anforderungen des § 40 Abs. 2 StGB nicht gerecht. Danach bestimmt das Gericht die Höhe des Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei wird in der Regel eine Beurteilung nach dem Nettoeinkommensprinzip vorgenommen. Es wird in diesem Fall von einem Nettoeinkommen ausgegangen, welches der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Weiterhin dürfen zur Berechnung insbesondere auch Einkommen Dritter — hier der Ehefrau – berücksichtigt werden, vorausgesetzt diese Einkünfte fließen dem Täter unmittelbar oder mittelbar zu oder kommen ihm sonst zugute. Bei einem Täter mit geringem eigenen Arbeitseinkommen — wie der Angeklagte, der 500 EUR netto monatlich verdient, — kann zwar unter Umständen ein wesentlich höheres Einkommen des Ehepartners mitberücksichtigt werden, wenn dem Täter hieraus tatsächlich geldwerte Vorteile zufließen, die als (dauerhaftes) „Einkommen“ angesehen werden können. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass eine strafrechtliche „Gesamthaftung“ des Familieneinkommens angenommen wird (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 40 Rn. 9). Vorliegend hat das Amtsgericht lediglich ausgeführt, dass es das Einkommen des Angeklagten und seiner Ehefrau zusammen veranschlagt hat, um die Tagessatzhöhe festzusetzen. Offenbar ist dazu das Nettoeinkommen beider Ehegatten addiert und der rechnerische Hälftebetrag als Beurteilungsgrundlage für die Tagessatzhöhe genommen worden. Soll jedoch bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe das deutlich höhere Einkommen des Ehegatten berücksichtigt werden, so muss der Frage nachgegangen werden, ob und wie sich das höhere Nettoeinkommen des Ehegatten auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten konkret auswirkt. Dazu gehört vor allem die Frage, zu welchen Teilen die Ehegatten für gemeinsame Lasten aufkommen und ob der Ahgeklagte über das Einkommen seiner Ehefrau ganz oder teilweise (mit-)verfügen kann (vgl. OLG Zweibrücken, wistra 2000, 152). Es hätte daher einer näheren Darlegung bedurft, welche Umstände für die Abweichung vom rechnerisch festzustellenden Nettotagessatz maßgebend waren. Hieran fehlt es.

Da der Senat die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

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