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Nutzloses Beweisverfahren ist zulässig

In einem wegweisenden Beschluss stärkt das Oberlandesgericht Zweibrücken die Rechte von Patienten, indem es den Zugang zu selbständigen Beweisverfahren bei Verdacht auf Behandlungsfehler erleichtert. Auch wenn die Beweiserhebung möglicherweise auf unsicherer Grundlage beruht, dürfen Patienten nun ohne großes Prozessrisiko eine fachliche Einschätzung einholen. Ärzte und Krankenhäuser müssen sich auf eine mögliche Zunahme solcher Verfahren einstellen, tragen aber nicht das Risiko einer nutzlosen Beweiserhebung.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das OLG Zweibrücken hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurücküberwiesen.
  • Das Erstgericht darf den Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens nicht ablehnen, weil spekulative Grundlagen vorliegen.
  • Ein rechtliches Interesse besteht auch, wenn die Beweiserhebung möglicherweise nutzlos sein könnte.
  • Das Risiko, dass ein Gutachten später als nutzlos erscheint, trägt der Antragsteller.
  • Die Zweckmäßigkeit eines Beweisverfahrens muss vom Antragsteller beurteilt werden, nicht vom Gericht.
  • Ein selbstständiges Beweisverfahren ist zulässig, auch wenn eine abschließende Klärung nicht möglich ist.
  • Das Beweisverfahren kann helfen, einen Rechtsstreit zu vermeiden, auch wenn das Gutachten negativ ausfällt.
  • Auch bei Arzthaftungsansprüchen darf das rechtliche Interesse nicht ohne Einzelfallprüfung verneint werden.
  • Die Klärung der Ursache eines Personenschadens ist ein zulässiges Ziel des Beweisverfahrens.
  • Fragen zur Notwendigkeit ärztlicher Aufklärung und möglichen Behandlungsalternativen sind im Beweisverfahren zulässig.

Wann ist ein „nutzloses“ Beweisverfahren im Gerichtsurteil rechtens?

Gerichtsverfahren sind in der Regel darauf ausgerichtet, durch den Beweis von Tatsachen eine Entscheidung zu treffen. Doch was, wenn die Beweisaufnahme zu einem Ergebnis führt, das letztendlich nutzlos ist? Ist dann das gesamte Verfahren unzulässig? Diese Frage stellt sich immer wieder im Kontext von Gerichtsprozessen, die sich als Beweisaufnahmen erweisen, die keine neuen Erkenntnisse liefern.

Ein Beweisverfahren stellt in der Regel einen wichtigen Bestandteil eines Gerichtsstreits dar. Dabei geht es darum, die Behauptungen der Parteien durch Beweismittel zu belegen. Doch nicht jedes Beweisverfahren ist gleich. Manchmal kommt es vor, dass ein Beweisverfahren trotz intensiver Bemühungen keinen neuen Aufschluss über den Sachverhalt bietet. Dennoch ist es in diesen Fällen nicht automatisch so, dass das gesamte Verfahren als unzulässig anzusehen ist. Das Recht sieht in solchen Situationen verschiedene Möglichkeiten vor, um die Effizienz und Kosten des Verfahrens zu gewährleisten.

Ob ein nutzloses Beweisverfahren zulässig ist, hängt von den konkreten Umständen des Falls ab. Im Rahmen einer aktuellen Gerichtsentscheidung wurde dieses Thema neu beleuchtet.

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Der Fall vor Gericht


Streit um Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens bei möglichem Behandlungsfehler

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat sich in einem Beschluss vom 24.01.2023 (Az. 5 W 29/22) mit der Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens im Rahmen eines möglichen Arzthaftungsprozesses befasst. Der Fall dreht sich um die Frage, ob ein solches Verfahren durchgeführt werden darf, auch wenn die Beweiserhebung möglicherweise auf spekulativer Grundlage erfolgt.

Die Antragsteller hatten ein selbständiges Beweisverfahren beantragt, um mögliche Behandlungsfehler bei einer Operation zu klären. Das Landgericht Zweibrücken hatte diesen Antrag zunächst mit der Begründung abgelehnt, es fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da die Beweiserhebung auf spekulativer Grundlage erfolgen würde. Gegen diese Entscheidung legten die Antragsteller Beschwerde ein.

Weites Verständnis des rechtlichen Interesses bei selbständigen Beweisverfahren

Das OLG Zweibrücken hob die Entscheidung des Landgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung zurück. In seiner Begründung betonte das Gericht, dass das rechtliche Interesse an einem selbständigen Beweisverfahren weit zu verstehen sei. Es reiche bereits aus, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könne, auch wenn möglicherweise keine abschließende Klärung durch das einzuholende Sachverständigengutachten möglich sei.

Das Gericht stellte klar, dass die Frage der Zweckmäßigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens vom Antragsteller in eigener Verantwortung beurteilt werden müsse und nicht mit der Frage der Zulässigkeit vermengt werden dürfe. Selbst wenn sich das Verfahren später als teilweise oder ganz nutzlos herausstellen sollte, sei dies ein bewusstes Risiko der Antragsteller.

Zulässigkeit von Beweisfragen zu Behandlungsfehlern und Aufklärung

Die vom OLG Zweibrücken als zulässig erachteten Beweisfragen umfassen ein breites Spektrum. Dazu gehören Fragen zur Ursache eines Personenschadens, zur Schwere eines möglichen Behandlungsfehlers, zur Notwendigkeit einer ärztlichen Aufklärung sowie zu möglichen Behandlungsalternativen. Das Gericht sah in der Formulierung dieser Fragen grundsätzlich keine Hindernisse für die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens.

Allerdings wies das OLG darauf hin, dass eine der Beweisfragen zur Kausalität zwischen dem Eingriff und möglichen gesundheitlichen Folgen in ihrer derzeitigen Form zu unbestimmt sei. Es sei unzulässig, Beweisthemen so unbestimmt zu formulieren, dass der Sachverständige zunächst einen Sachverhalt ermitteln müsse, bevor er seine Beurteilung vornehmen könne. Das Gericht regte daher eine klarstellende Formulierung an.

Bedeutung der Entscheidung für Patienten und Ärzte

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken hat weitreichende Bedeutung für Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, aber noch nicht sicher sind, ob sie einen Rechtsstreit anstrengen wollen. Sie erleichtert den Zugang zu selbständigen Beweisverfahren und ermöglicht es Patienten, zunächst ohne großes Prozessrisiko eine fachliche Einschätzung zu erhalten.

Für Ärzte und Krankenhäuser bedeutet die Entscheidung, dass sie sich möglicherweise häufiger mit Anträgen auf selbständige Beweisverfahren konfrontiert sehen könnten. Allerdings betont das Gericht auch, dass das Risiko einer möglicherweise nutzlosen Beweiserhebung bei den Antragstellern liegt.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des OLG Zweibrücken stärkt die Rechte von Patienten bei der Aufklärung möglicher Behandlungsfehler. Das Gericht legt das rechtliche Interesse an selbständigen Beweisverfahren weit aus und ermöglicht deren Durchführung auch auf potenziell spekulativer Grundlage. Dies erleichtert Patienten den Zugang zu fachlichen Einschätzungen ohne großes Prozessrisiko, während das Risiko einer nutzlosen Beweiserhebung bei den Antragstellern verbleibt. Die Entscheidung betont die Trennung zwischen Zweckmäßigkeit und Zulässigkeit solcher Verfahren.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie befürchten, dass eine Beweisaufnahme in Ihrem Verfahren keine neuen Erkenntnisse liefert, gibt Ihnen dieses Urteil mehr Spielraum. Es erlaubt Ihnen, ein selbständiges Beweisverfahren zu beantragen, selbst wenn die Grundlage dafür zunächst spekulativ erscheint. Dies kann Ihnen helfen, ohne großes Kostenrisiko eine fachliche Einschätzung zu erhalten, bevor Sie sich für oder gegen einen Rechtsstreit entscheiden. Allerdings müssen Sie Ihre Beweisfragen konkret formulieren und das Risiko einer möglicherweise nutzlosen Beweiserhebung selbst tragen. Letztendlich ermöglicht Ihnen dieses Urteil, Ihr Verfahren fortzuführen und potenziell Kosten zu sparen, indem Sie frühzeitig Klarheit über die Erfolgsaussichten Ihres Falles gewinnen können.


FAQ – Häufige Fragen

Sie fragen sich, ob und wie Sie selbständig Beweise für einen möglichen Behandlungsfehler sichern können? Unsere FAQ-Rubrik bietet Ihnen wichtige Informationen zu diesem Thema und klärt über Ihre Rechte und Möglichkeiten auf.


Wie kann ich ein selbständiges Beweisverfahren beantragen?

Ein selbständiges Beweisverfahren kann durch einen schriftlichen Antrag beim zuständigen Gericht eingeleitet werden. Dieses Verfahren dient der vorzeitigen Beweissicherung und kann vor oder während eines Hauptsacheverfahrens durchgeführt werden. Der Antrag muss bestimmte formale und inhaltliche Anforderungen erfüllen, um vom Gericht angenommen zu werden.

Zunächst ist es wichtig, das richtige Gericht für den Antrag zu bestimmen. Grundsätzlich ist der Antrag bei dem Gericht zu stellen, das für die Hauptsache zuständig wäre. Ist bereits ein Rechtsstreit anhängig, muss der Antrag beim Prozessgericht eingereicht werden. Bei Streitigkeiten im Baurecht oder bei Werkverträgen ist oft das Landgericht zuständig.

Der Antrag selbst muss bestimmte Angaben enthalten. Dazu gehören die Bezeichnung der Parteien (Antragsteller und Antragsgegner), eine Darstellung des Sachverhalts und die genaue Formulierung der Beweisfragen. Es ist entscheidend, die Beweisfragen präzise und zielgerichtet zu formulieren, da sie den Umfang der Beweisaufnahme bestimmen. Beispielsweise könnte bei einem Baustreit gefragt werden: „Welche Mängel weist das Bauwerk auf und welche Kosten sind für deren Beseitigung zu veranschlagen?“

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Antrags ist die Darlegung des rechtlichen Interesses an der Beweiserhebung. Dies kann etwa die drohende Verjährung von Ansprüchen, die Gefahr des Verlusts von Beweismitteln oder die Absicht sein, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Das rechtliche Interesse muss substantiiert dargelegt werden, um die Zulässigkeit des Antrags zu begründen.

Der Antrag sollte auch den gewünschten Beweismitteltyp benennen, beispielsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Vernehmung von Zeugen. Zudem ist es ratsam, einen vorläufigen Streitwert anzugeben, da dieser für die Berechnung der Gerichtskosten relevant ist.

Nach Einreichung des Antrags prüft das Gericht dessen Zulässigkeit und Begründetheit. Werden diese bejaht, erlässt das Gericht einen Beweisbeschluss und leitet die Beweisaufnahme ein. Der Antragsgegner wird über das Verfahren informiert und hat die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen oder eigene Beweisanträge zu stellen.

Es ist zu beachten, dass die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mit Kosten verbunden ist, die zunächst vom Antragsteller zu tragen sind. Diese umfassen Gerichtskosten und gegebenenfalls Sachverständigenkosten. Die endgültige Kostentragung hängt vom Ausgang eines möglichen Hauptsacheverfahrens ab.

Abschließend sei erwähnt, dass ein selbständiges Beweisverfahren auch dann zulässig sein kann, wenn es möglicherweise nicht zur Vermeidung eines Rechtsstreits führt. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich in den letzten Jahren erweitert, um die Möglichkeiten der vorprozessualen Beweissicherung zu stärken.

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Welche Risiken bestehen bei einem selbständigen Beweisverfahren?

Ein selbständiges Beweisverfahren bietet zwar einige Vorteile, birgt jedoch auch gewisse Risiken, die sorgfältig abgewogen werden sollten.

Ein wesentliches Risiko besteht in der möglichen Nutzlosigkeit des Verfahrens. Obwohl ein selbständiges Beweisverfahren grundsätzlich zulässig ist, auch wenn es sich später als nutzlos herausstellt, kann dies zu unnötigen Kosten führen. Es besteht die Gefahr, dass die gewonnenen Erkenntnisse für ein eventuelles Hauptsacheverfahren nicht relevant oder verwertbar sind.

Die Kostenverteilung stellt ein weiteres Risiko dar. Grundsätzlich werden die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als Teil der Kosten des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens betrachtet. Sollte jedoch kein Hauptsacheverfahren folgen oder der Streitgegenstand nicht vollständig identisch sein, kann dies zu einer ungünstigen Kostenverteilung führen. In solchen Fällen muss der Antragsteller möglicherweise die gesamten Kosten des Beweisverfahrens tragen.

Ein prozessuales Risiko ergibt sich aus der möglichen Unzuständigkeit des Gerichts. Wird das selbständige Beweisverfahren vor einem unzuständigen Gericht durchgeführt, kann dies dazu führen, dass die Ergebnisse im Hauptsacheverfahren nicht als zulässiges Beweismittel verwendet werden dürfen. Dies kann die gesamte Beweisführung gefährden und den Prozesserfolg beeinträchtigen.

Die lange Verfahrensdauer kann ebenfalls problematisch sein. Obwohl ein selbständiges Beweisverfahren oft schneller ist als ein Klageverfahren, kann es dennoch mehrere Monate in Anspruch nehmen. In dieser Zeit können sich Beweismittel verändern oder verloren gehen, was die Beweisführung erschwert.

Ein weiteres Risiko liegt in der möglichen Vorwegnahme der Hauptsache. Durch die detaillierte Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren können bereits wesentliche Aspekte des Rechtsstreits geklärt werden. Dies kann die Verhandlungsposition in einem späteren Hauptsacheverfahren beeinflussen oder sogar die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens in Frage stellen.

Die Komplexität des Verfahrens birgt zudem das Risiko von Verfahrensfehlern. Sowohl für Anwälte als auch für Sachverständige können die verfahrenstechnischen Besonderheiten des selbständigen Beweisverfahrens eine Herausforderung darstellen. Fehler in der Durchführung oder Begutachtung können die Verwertbarkeit der Ergebnisse gefährden.

Schließlich besteht das Risiko einer unvollständigen oder fehlerhaften Begutachtung. Da das Gericht das Verfahren oft am „langen Zügel“ führt und den Parteien erheblichen Gestaltungsspielraum lässt, kann dies zu Problemen bei der Gutachtenerstellung führen. Unklare Beweisfragen oder mangelnde gerichtliche Anweisungen können die Qualität und Verwertbarkeit des Gutachtens beeinträchtigen.

Diese Risiken verdeutlichen, dass ein selbständiges Beweisverfahren sorgfältig abgewogen werden sollte. Es kann in vielen Fällen eine sinnvolle Option sein, um Beweise zu sichern und Streitigkeiten frühzeitig beizulegen. Allerdings müssen die potenziellen Nachteile und Kosten gegen den erwarteten Nutzen abgewogen werden. Eine gründliche Vorbereitung und fachkundige Begleitung können dazu beitragen, die Risiken zu minimieren und den Erfolg des Verfahrens zu optimieren.

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Wann ist ein selbständiges Beweisverfahren trotz spekulativer Grundlagen zulässig?

Das selbständige Beweisverfahren ist ein wichtiges Instrument im deutschen Zivilprozessrecht, das auch bei unsicheren oder spekulativen Grundlagen zulässig sein kann. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Verfahrens sind in § 485 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.

Grundsätzlich ist ein selbständiges Beweisverfahren zulässig, wenn ein rechtliches Interesse an der Beweiserhebung besteht. Dieses rechtliche Interesse wird vom Gesetzgeber weit ausgelegt und in der Regel bejaht. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass das Verfahren der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Dies wird gemäß § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO sogar gesetzlich vermutet.

Die Rechtsprechung hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen in den letzten Jahren weiter konkretisiert. Dabei wurde deutlich, dass auch ein auf den ersten Blick „nutzloses“ Beweisverfahren zulässig sein kann. Dies gilt selbst dann, wenn die Beweiserhebung auf unsicheren oder spekulativen Annahmen basiert.

Für die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens genügt es, wenn nach dem Sachvortrag des Antragstellers die Beweisaufnahme geeignet erscheint, die Feststellung von Ansprüchen zwischen den Parteien zu ermöglichen. Es reicht aus, wenn ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien behauptet wird. Sogar die drohende Verjährung kann das erforderliche rechtliche Interesse begründen.

Die Gerichte legen bei der Prüfung der Zulässigkeit einen großzügigen Maßstab an. Sie gehen davon aus, dass selbst ein vermeintlich nutzloses Beweisverfahren dazu beitragen kann, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch die Beweiserhebung Klarheit über strittige Tatsachen geschaffen wird und die Parteien dadurch zu einer außergerichtlichen Einigung kommen.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Gericht im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens keine umfassende inhaltliche Prüfung des Sachverhalts vornimmt. Die Prüfung beschränkt sich auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen. Eine detaillierte Bewertung der Erfolgsaussichten oder der Stichhaltigkeit der vorgebrachten Behauptungen findet in diesem Stadium nicht statt.

Das selbständige Beweisverfahren wird nur dann als unzulässig erachtet, wenn offensichtlich kein Anspruch zwischen den Parteien bestehen kann, kein möglicher Prozessgegner existiert oder bereits eine gerichtliche Entscheidung oder ein Vergleich in der Sache vorliegt.

In der Praxis bedeutet dies, dass Gerichte einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens in der Regel großzügig behandeln. Sie gehen davon aus, dass selbst bei unsicheren Grundlagen die Möglichkeit besteht, durch die Beweiserhebung zur Klärung des Sachverhalts beizutragen und möglicherweise einen Rechtsstreit zu vermeiden.

Diese Auslegung dient dem Ziel, den Parteien ein flexibles Instrument zur Verfügung zu stellen, um Streitigkeiten frühzeitig und effizient zu klären. Gleichzeitig wird dadurch die Entlastung der Gerichte gefördert, da potenzielle Hauptsacheverfahren vermieden werden können.

Für Antragsteller bedeutet dies, dass sie auch bei unsicheren oder spekulativen Grundlagen gute Chancen haben, ein selbständiges Beweisverfahren durchzuführen. Sie müssen lediglich plausibel darlegen, dass die Beweiserhebung zur Klärung eines möglichen Anspruchs beitragen könnte. Die Hürde für die Zulässigkeit ist bewusst niedrig angesetzt, um den Zugang zu diesem vorgelagerten Verfahren nicht unnötig zu erschweren.

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Welche Kosten sind mit einem selbständigen Beweisverfahren verbunden?

Ein selbständiges Beweisverfahren ist mit verschiedenen Kostenarten verbunden, die sich im Wesentlichen in Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten unterteilen lassen.

Die Gerichtskosten setzen sich aus einer 1,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 1610 GKG-Kostenverzeichnis sowie den gerichtlichen Auslagen zusammen. Die Höhe der Gerichtsgebühr richtet sich nach dem Streitwert des Verfahrens. Dieser orientiert sich am Interesse des Antragstellers und entspricht in der Regel dem Wert des behaupteten Schadens oder Mangels. Bei einem Streitwert von beispielsweise 25.000 Euro würde die Gerichtsgebühr 933 Euro betragen.

Zu den gerichtlichen Auslagen zählen insbesondere die Kosten für Sachverständige, die oft den größten Kostenfaktor darstellen. Die Höhe der Sachverständigenkosten variiert je nach Umfang und Komplexität des Gutachtens erheblich. In Bausachen können diese Kosten schnell mehrere tausend Euro erreichen.

Die außergerichtlichen Kosten umfassen vor allem die Rechtsanwaltsgebühren. Für die anwaltliche Vertretung im selbständigen Beweisverfahren fällt eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG an. Bei einem Streitwert von 25.000 Euro würde diese 1.024,40 Euro betragen. Nimmt der Anwalt an einem Termin teil, etwa bei der Begutachtung durch den Sachverständigen, kommt eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG hinzu.

Wichtig ist, dass zunächst der Antragsteller für sämtliche Kosten in Vorleistung treten muss. Das Gericht fordert in der Regel einen Kostenvorschuss an, der die Gerichtsgebühr und die voraussichtlichen Sachverständigenkosten abdeckt. Wird dieser Vorschuss nicht eingezahlt, findet keine Beweiserhebung statt.

Die Frage der endgültigen Kostentragung hängt vom Ausgang eines möglichen Hauptsacheverfahrens ab. Im selbständigen Beweisverfahren selbst ergeht grundsätzlich keine Kostenentscheidung. Kommt es zu einem Hauptsacheprozess, werden die Kosten des Beweisverfahrens als Teil der Prozesskosten behandelt. Die unterliegende Partei muss dann auch die Kosten des vorherigen Beweisverfahrens tragen.

Besondere Konstellationen können zu abweichenden Kostenfolgen führen. Wird etwa der Antrag auf Durchführung des Beweisverfahrens zurückgenommen oder der geforderte Kostenvorschuss nicht eingezahlt, kann das Gericht dem Antragsteller die Kosten auferlegen. Ebenso kann bei teilweisem Erfolg im Hauptsacheverfahren eine anteilige Kostenverteilung erfolgen.

Der Nutzen eines selbständigen Beweisverfahrens liegt primär in der frühzeitigen Beweissicherung. Dies kann helfen, einen kostspieligen Hauptsacheprozess zu vermeiden, wenn sich die Behauptungen des Antragstellers als unbegründet erweisen. Andererseits besteht das Risiko, dass bei negativem Ausgang des Beweisverfahrens zusätzliche Kosten entstehen, ohne dass ein Prozesserfolg wahrscheinlicher wird.

Für die Entscheidung, ob ein selbständiges Beweisverfahren sinnvoll ist, sollten daher die potenziellen Kosten gegen den erwarteten Nutzen abgewogen werden. Dabei sind neben den unmittelbaren finanziellen Aspekten auch Faktoren wie Zeitersparnis und die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung zu berücksichtigen.

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Kann ein selbständiges Beweisverfahren helfen, einen Rechtsstreit zu vermeiden?

Das selbständige Beweisverfahren kann in vielen Fällen tatsächlich dazu beitragen, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Es handelt sich um ein gerichtliches Verfahren, das eine vorweggenommene Beweisaufnahme ermöglicht, ohne dass zuvor eine Klage eingereicht werden muss.

Der Hauptzweck dieses Verfahrens liegt in seiner streitschlichtenden Funktion. Indem es eine neutrale und fachkundige Beurteilung des Sachverhalts durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen ermöglicht, kann es dazu beitragen, Konflikte frühzeitig zu entschärfen. Dies ist besonders nützlich bei Streitigkeiten, die auf unterschiedlichen Einschätzungen technischer oder fachlicher Fragen beruhen.

Ein typisches Anwendungsgebiet sind Baumängel. Hier kann ein Sachverständiger im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens klären, ob tatsächlich Mängel vorliegen, worin diese bestehen und wie sie behoben werden können. Diese objektive Einschätzung bildet oft eine solide Grundlage für Verhandlungen zwischen den Parteien.

Das Verfahren bietet den Vorteil, dass es wesentlich schneller durchgeführt werden kann als ein regulärer Zivilprozess. Während ein Klageverfahren sich über Jahre hinziehen kann, ist es im selbständigen Beweisverfahren möglich, innerhalb weniger Monate ein Sachverständigengutachten zu erhalten. Diese Zeitersparnis kann entscheidend sein, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das geringere Kostenrisiko. Die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens sind in der Regel deutlich niedriger als die eines umfassenden Gerichtsverfahrens. Dies senkt die Hemmschwelle für Parteien, eine neutrale Beurteilung einzuholen, ohne gleich den Weg einer Klage beschreiten zu müssen.

Das selbständige Beweisverfahren hat zudem eine verjährungshemmende Wirkung. Mit der Zustellung des Antrags wird die Verjährung der betroffenen Ansprüche gehemmt. Dies verschafft den Parteien Zeit, ohne dass sie Gefahr laufen, ihre Rechte durch Zeitablauf zu verlieren.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens für ein eventuell nachfolgendes Gerichtsverfahren nicht bindend ist. Dennoch hat es in der Praxis oft eine starke faktische Wirkung. Erfahrungsgemäß orientieren sich Gerichte in einem späteren Hauptsacheverfahren häufig an den Feststellungen aus dem selbständigen Beweisverfahren.

Die streitschlichtende Wirkung entfaltet sich besonders dann, wenn beide Parteien bereit sind, die Ergebnisse des Gutachtens als Grundlage für eine einvernehmliche Lösung zu akzeptieren. In vielen Fällen führt die neutrale Beurteilung dazu, dass unrealistische Erwartungen oder überzogene Forderungen korrigiert werden.

Allerdings ist zu beachten, dass ein selbständiges Beweisverfahren nicht in allen Fällen sinnvoll ist. Wenn beispielsweise rein rechtliche Fragen im Vordergrund stehen oder wenn eine Partei von vornherein nicht zu Verhandlungen bereit ist, kann es seine streitschlichtende Wirkung nicht entfalten.

Trotz dieser Einschränkungen bleibt das selbständige Beweisverfahren ein wertvolles Instrument zur Konfliktvermeidung. Es ermöglicht eine frühzeitige, objektive Klärung strittiger Sachfragen und kann so den Weg für eine außergerichtliche Einigung ebnen. Indem es eine sachliche Grundlage für Verhandlungen schafft, trägt es dazu bei, emotionale Verhärtungen abzubauen und eine lösungsorientierte Herangehensweise zu fördern.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Rechtsschutzbedürfnis: Das Rechtsschutzbedürfnis ist die Voraussetzung, dass ein Kläger ein rechtlich schützenswertes Interesse daran hat, dass ein Gericht sich mit seinem Anliegen befasst. Im Kontext des selbständigen Beweisverfahrens bedeutet dies, dass der Antragsteller darlegen muss, warum die Beweiserhebung für die Vermeidung eines Rechtsstreits notwendig ist.
  • Selbständiges Beweisverfahren: Ein selbständiges Beweisverfahren dient dazu, bestimmte Tatsachen unabhängig von einem Hauptsacheverfahren festzustellen. Es wird oft genutzt, um vor einer möglichen Klage Beweise zu sichern, etwa zur Klärung von Sachverhalten bei Behandlungsfehlern.
  • Spekulative Grundlage: Eine spekulative Grundlage liegt vor, wenn die Beweiserhebung auf Annahmen basiert, die nicht hinreichend gesichert sind. Im Kontext des selbständigen Beweisverfahrens kann dies bedeuten, dass die beantragte Beweiserhebung möglicherweise keine klaren oder nützlichen Erkenntnisse bringt.
  • Beschwerde: Eine Beschwerde ist ein Rechtsmittel, das gegen Entscheidungen eines Gerichts eingelegt werden kann. Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eingelegt.
  • Zulässigkeit: Die Zulässigkeit bezieht sich auf die rechtlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Gericht einen Antrag oder eine Klage annimmt. Bei einem selbständigen Beweisverfahren prüft das Gericht, ob die formalen und materiellen Voraussetzungen gegeben sind.
  • Gutachten: Ein Gutachten ist eine schriftliche Stellungnahme eines Sachverständigen, der aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse Tatsachen beurteilt oder bewertet. Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens wird ein Gutachten eingeholt, um bestimmte Sachverhalte zu klären, die für einen möglichen Rechtsstreit von Bedeutung sind.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 485 Abs. 2 ZPO (Rechtliches Interesse am selbstständigen Beweisverfahren): Das Gesetz verlangt ein rechtliches Interesse für ein selbstständiges Beweisverfahren. Es reicht aus, wenn die Feststellung eines Gutachtens zur Vermeidung eines Rechtsstreits beitragen kann. Im vorliegenden Fall könnte das Gutachten die Antragsteller dazu bewegen, von einer Klage abzusehen oder zu einer Einigung mit der Gegenseite zu führen.
  • § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO (Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens): Das selbstständige Beweisverfahren dient der Feststellung von Tatsachen, die für einen möglichen späteren Rechtsstreit relevant sein könnten. Im vorliegenden Fall geht es um die Klärung möglicher Behandlungsfehler, die Grundlage für eine spätere Klage wegen Arzthaftung sein könnten.
  • § 572 Abs. 3 ZPO (Zurückverweisung an das Erstgericht): Das Oberlandesgericht kann eine Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, wenn es die Entscheidung aufhebt. Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung des Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zurückverwiesen.
  • §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 490 Abs. 1 ZPO (Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde): Gegen bestimmte Entscheidungen des Landgerichts, wie die Ablehnung eines Antrags auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, ist die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht zulässig. Im vorliegenden Fall haben die Antragsteller erfolgreich sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegt.
  • § 96 ZPO (Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens): Grundsätzlich trägt der Antragsteller die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens. Im vorliegenden Fall wurde darauf hingewiesen, dass die Antragsteller das Risiko tragen, dass sich das Beweisverfahren als nutzlos erweisen könnte und sie dennoch die Kosten tragen müssten.

Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 5 W 29/22 – Beschluss vom 24.01.2023


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Landgerichts Zweibrücken vom 07.08.2022 einschließlich des Ergänzungsbeschlusses vom 30.09.2022 aufgehoben und das weitere Verfahren gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Erstgericht übertragen. Das Erstgericht soll dabei den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht mit der Begründung zurückweisen, es fehle hierfür das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beweiserhebung auf spekulativer Grundlage erfolgen würde.

Gründe

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 490 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers, zu deren Entscheidung der Senat in der Besetzung des § 122 Abs. 1 GVG berufen ist, weil die angefochtene Entscheidung nicht durch einen Einzelrichter getroffen wurde (§§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 6 Satz 1 GKG), führt in der Sache zum Erfolg, wobei die erneute Entscheidung über den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vom 07.04.2022 gemäß § 572 Abs. 3 ZPO dem Erstgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats übertragen wird.

Entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts fehlt es für die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht deswegen an einem erforderlichen rechtlichen Interesse i.S.d. § 485 Abs. 2 ZPO, weil die Beweiserhebung auf spekulativer Grundlage erfolgen würde.

Es trifft zwar zu, dass die von den Antragstellern formulierten Beweisfragen (mit Ausnahme von Ziff. 1.d)) sämtlich ausdrücklich oder stillschweigend von der – streitigen – Prämisse ausgehen, Behandlungsindikation und -ziel sei aufgrund entsprechender, zuvor erhobener Befunde die Behandlung eines Ovarialkarzinoms gewesen und dass der Sachvortrag der Antragsgegnerin mangels Gegenanträgen nicht zu berücksichtigen ist (OLG Karlsruhe Beschl. v. 3.11.2010 – 7 W 25/10, BeckRS 2011, 24134, beck-online). Vor diesem Hintergrund ist der Kammer zuzugestehen, dass die beantragte Beweiserhebung, sollte sich später herausstellen, dass die Operation (auch oder alleine) aufgrund eines kurzfristig drohenden absoluten Darmverschlusses medizinisch indiziert gewesen ist, sich in einem späteren Hauptsacheverfahren als ganz oder teilweise nutzlos herausstellen könnte. Dies zu beurteilen ist im selbstständigen Beweisverfahrens jedoch grundsätzlich – solange sich das Beweisverfahren, wie hier nicht, von vornherein offensichtlich und ohne jeden Zweifel als völlig nutzlos darstellt – nicht Aufgabe des Gerichts, vielmehr handelt es sich hierbei um ein bewusstes Risiko der Antragsteller, ebenso wie dasjenige, sich später möglicherweise der Kostenfolge aus § 96 ZPO ausgesetzt zu sehen (vgl. zu den Anforderungen an ein rechtliches Interesse des Antragstellers etwa BGH, Beschluss vom 16. September 2004 – III ZB 33/04 -). Die Gefahr, dass ein Sachverständiger auf ungesicherter tatsächlicher Grundlage ein Gutachten erstattet, besteht nicht nur in Arzthaftungssachen, sie kann vielmehr auch in anderen Rechtsstreitigkeiten, wie beispielsweise in Bausachen, bestehen (vgl. etwa OLG Karlsruhe, VersR 2003, 374, m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Januar 2000 – 8 W 53/99 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Oktober 1998 – 14 W 7/98 -). Insoweit darf die Frage der Zweckmäßigkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens, die im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein mag, aber vom Antragsteller in eigener Verantwortung beurteilt werden muss, nicht mit der Frage seiner Zulässigkeit, über die das Gericht zu entscheiden hat, vermengt werden (BGH, NJW 2020, 2273 Rn. 18, beck-online).

Ein fehlendes rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens folgt hieraus nicht. Dieses Interesse ist weit zu verstehen und ist bereits dann nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, auch wenn möglicherweise eine abschließende Klärung durch das einzuholende Sachverständigengutachten nicht möglich ist und weitere Aufklärungen erforderlich erscheinen (BGH Beschl. v. 24.9.2013 – VI ZB 12/13, BeckRS 2013, 17808 Rn. 18, beck-online). So reicht insbesondere die Möglichkeit aus, dass der Antragsteller nach einem negativen Ausgang der Begutachtung von einer Klageerhebung absieht (KG, Beschluss vom 11. September 2006 – 20 W 35/06 -). Vorliegend ist bereits nicht auszuschließen, dass die Antragsteller etwa bei einem für sie nachteiligen Gutachtenergebnis von einer Klageerhebung absehen. Auch die ernstliche Weigerung der Antragsgegnerin, sich – wie auch immer die Begutachtung ausgehen mag – mit dem Antragsteller zu einigen, steht der Zulässigkeit des Verfahrens nicht entgegen (BGH Beschl. v. 24.9.2013 – VI ZB 12/13, BeckRS 2013, 17808 Rn. 19, beck-online). Ein rechtliches Interesse an der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO kann bei Arzthaftungsansprüchen schließlich nicht aus grundsätzlichen Erwägungen ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls verneint werden (BGH, NJW 2003, 1741, beck-online).

Die Beantwortung der unter Ziffer 1. a) bis g) sowie j) formulierten Fragen betreffen im Kern die Klärung der Ursache eines Personenschadens. Zu diesem Schaden haben die Antragsteller konkrete Behauptungen aufgestellt (Seite 10 unten und 11 oben der Antragsschrift vom 7. April 2022).

Ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich ferner nicht daraus, dass als mögliche Allein- oder Mitursachen der beschriebenen Gesundheitsbeeinträchtigungen bzw. des Versterbens der multimorbiden Patientin deren schwere Grunderkrankungen, insbesondere die fortgeschrittene Tumorerkrankung im Endstadium, in Betracht kommen. Der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens dient ausweislich der Frage i) auch der Feststellung einer möglichen Kausalität zwischen dem durchgeführten Eingriff und den in der Antragsschrift beschriebenen Folgen.

Auch die Beweisfrage h), die auf die Feststellung der Schwere eines möglichen Behandlungsfehlers abzielt, ist im selbständigen Beweisverfahren nicht ausgeschlossen (BGH Beschl. v. 24.9.2013 – VI ZB 12/13, BeckRS 2013, 17808 Rn. 22, beck-online).

Soweit die Beweisfragen a), b) und f) auf die Frage nach der Notwendigkeit einer ärztlichen Aufklärung abzielen, begegnet dies ebenfalls keinen grundlegenden Bedenken (BGH, NJW 2020, 2273 Rn. 10, beck-online), ebenso wenig wie die unter j) gestellte Frage nach etwaigen gleichwertigen Behandlungsalternativen zu dem tatsächlich erfolgten Eingriff (vgl. etwa OLG Köln Beschl. v. 16.8.2019 – 5 W 24/19, BeckRS 2019, 20969 Rn. 4-7, beck-online).

Schließlich scheitert die Beweisfrage i) damit ebenfalls zwar nicht an einer unzureichenden tatsächlichen Begutachtungsgrundlage. Allerdings stellt sie sich in ihrem derzeitigen Wortlaut mangels Bezeichnung etwaiger konkreter gesundheitlicher Folgen als zu unbestimmt dar. Es ist unstatthaft, Beweisthemen ausforschend zu formulieren, die so unbestimmt sind, dass der Sachverständige zunächst einen Sachverhalt ermitteln muss, um auf dieser Grundlage seine Beurteilung vornehmen zu können (OLG Hamm, ErbbauZ 2022, 107 Rn. 12, beck-online, m.w.N.). Da die Antragsteller aber einen konkreten Personenschaden behauptet (vgl. Seite 10 und 11 der Antragsschrift) haben, ist insoweit eine klarstellende Formulierung in Betracht zu ziehen.

2. Ist die sofortige Beschwerde erfolgreich, bedarf es keiner Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und dessen Geschäftswert, denn die Kosten des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens sind Kosten der Hauptsache und werden von deren Kostenentscheidung erfasst.


Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung, die die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt, nicht ersetzen. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch neue Urteile und Gesetze geändert haben. Teile dieses Beitrags könnten mithilfe von KI-Unterstützung erstellt worden sein, um eine effiziente und präzise Darstellung der Informationen zu gewährleisten. Trotz umfassender Kontrolle können Irrtümer enthalten sein. Für eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung kontaktieren Sie uns bitte.

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