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Obligatorische Schlichtung im Nachbarrecht: Nutzungsentschädigung für Baustraße

Bevor das Gericht über die unbefugte Nutzung einer Baustraße in Sachsen-Anhalt entschied, musste es die Frage der obligatorischen Schlichtung im Nachbarrecht klären. Das Urteil zeigt nun, dass diese Schlichtungspflicht nur für einen Teil der Forderungen zwingend ist, was den komplexen Fall unerwartet spaltete.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 172/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
  • Datum: 12.06.2023
  • Aktenzeichen: 12 U 172/22
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Nachbarrecht, Eigentumsrecht, Zivilprozessrecht

  • Das Problem: Zwei Nachbarn stritten über Bauarbeiten auf dem Grundstück der Klägerin. Die Klägerin forderte Geld für die Nutzung ihres Landes als Baustraße. Sie verlangte auch die Entfernung von Schutt, Steinen, einem Zaun und die Beseitigung einer Abgrabung.
  • Die Rechtsfrage: Welche nachbarschaftlichen Ansprüche sind zulässig und beweisbar? Muss vor einer Klage stets eine Obligatorische Schlichtung durchgeführt werden?
  • Die Antwort: Das Gericht wies die Berufungen beider Seiten zurück und bestätigte das erstinstanzliche Urteil in Teilen. Die Klägerin erhält 1.500,00 Euro Entschädigung für die Baustraßennutzung. Die Beklagten müssen die Abgrabung auf dem klägerischen Grundstück wieder auffüllen und befestigen.
  • Die Bedeutung: Ansprüche auf Beseitigung von Ablagerungen scheitern oft, wenn der Verursacher nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Ansprüche, die direkt auf landesrechtliche Nachbarschaftsgesetze abzielen (hier: der Zaun), sind in Sachsen-Anhalt unzulässig, wenn das zwingende Schlichtungsverfahren zuvor nicht durchgeführt wurde.

Obligatorische Schlichtung im Nachbarrecht: Warum der Gang zum Richter nicht immer der erste Schritt sein darf

Ein Bauprojekt nebenan, und plötzlich wird Ihr Grundstück zur Zufahrt, zur Ablagefläche für Schutt und zur Baugrube. Ein klassischer Nachbarschaftsstreit? Nicht ganz. Denn bevor die Justiz das letzte Wort spricht, stellt das Gesetz oft eine formale Hürde auf: die obligatorische Streitschlichtung. In einem vielschichtigen Fall musste das Oberlandesgericht Naumburg in seinem Urteil vom 12. Juni 2023 (Az.: 12 U 172/22) genau diese Gemengelage entwirren. Es ging um Findlinge, Abgrabungen, eine ungenehmigte Baustraße und einen falsch platzierten Zaun – ein Lehrstück darüber, wie ein und derselbe Streit je nach Anspruch völlig unterschiedlich bewertet werden kann und warum der direkte Klageweg manchmal eine Sackgasse ist.

Ein Bauprojekt und seine Folgen: Was war genau passiert?

Steile, frisch geschnittene Erdböschung ragt über die Grundstücksgrenze ins Nachbargrundstück; dahinter ein gelber Bagger.
OLG Naumburg klärt Pflicht zur Schlichtung bei Nachbarstreit um Bau und Grundstücksnutzung. | Symbolbild: KI

Die Fronten verliefen entlang einer Grundstücksgrenze in Sachsen-Anhalt. Auf der einen Seite eine Grundstückseigentümerin, auf der anderen Seite ihre Nachbarn, die eine Garagenanlage errichteten. Während der Bauphase von Juni bis Oktober 2019 eskalierte die Situation. Die Eigentümerin warf ihren Nachbarn vor, ihr Grundstück systematisch in Mitleidenschaft gezogen zu haben.

Konkret brachte sie vier Hauptvorwürfe vor Gericht:

  1. Die unbefugte Baustraße: Ihre Nachbarn hätten ihr Grundstück über Monate hinweg als Zufahrt für schwere Baufahrzeuge genutzt. Dafür forderte sie eine Nutzungsentschädigung von 1.500 Euro.
  2. Die unerwünschten Ablagerungen: Auf ihrem Grundstück seien plötzlich fünf große Findlinge, ein Betonteil und weiterer Bauschutt aufgetaucht. Sie verlangte die vollständige Beseitigung dieser Gegenstände.
  3. Die folgenschwere Abgrabung: Ihre Nachbarn hätten auf ihrem Grundstück Erde abgetragen, wodurch eine unsichere Böschung entstanden sei. Sie forderte die Wiederauffüllung des Geländes und eine Sicherung gegen Erdrutsche.
  4. Der grenznahe Zaun: Ein von den Nachbarn errichteter Zaun stehe zu nah an der Grundstücksgrenze. Auch dieser sollte entfernt werden.

Die beklagten Nachbarn wiesen die Vorwürfe größtenteils zurück. Sie bestritten, für die Ablagerungen verantwortlich zu sein, stellten die Nutzung des Grundstücks als Baustraße in Abrede und argumentierten, die Böschung befinde sich auf ihrem eigenen Grund und sei für ein behördlich gefordertes Regenwasserbecken notwendig gewesen. Nachdem das Landgericht Halle in erster Instanz ein gemischtes Urteil gefällt hatte – es sprach der Klägerin die Nutzungsentschädigung und die Beseitigung der Abgrabung zu, wies aber die anderen Klagepunkte ab –, legten beide Parteien Berufung ein. Der Fall landete somit vor dem Oberlandesgericht Naumburg.

Das juristische Rüstzeug: Welche Gesetze entscheiden über einen Nachbarschaftsstreit?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie die zentralen rechtlichen Werkzeuge kennen, die hier zum Einsatz kamen.

Der Dreh- und Angelpunkt für die Beseitigungsansprüche war § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Man kann ihn als das juristische Schwert des Eigentümers gegen Störungen bezeichnen. Beeinträchtigt jemand Ihr Eigentum – sei es durch das Abstellen von Gegenständen oder durch eine Veränderung der Bodensubstanz –, können Sie verlangen, dass diese Störung beseitigt wird. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie beweisen können, wer der Störer ist.

Für die Geldforderung und den Zaun spielten die Regelungen des Nachbarschaftsgesetzes von Sachsen-Anhalt (NbG) eine entscheidende Rolle. Dieses Landesgesetz konkretisiert die allgemeinen BGB-Vorschriften für typische Konflikte unter Nachbarn. So regelt § 19 NbG den Anspruch auf eine Entschädigung, wenn ein Nachbar vorübergehend ein Grundstück für Bauarbeiten nutzen muss. § 28 NbG wiederum enthält genaue Vorgaben, welchen Abstand ein Zaun zur Grundstücksgrenze einhalten muss.

Die prozessual wichtigste Norm war jedoch eine unscheinbare Vorschrift: § 15a des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) in Verbindung mit dem Landesschlichtungsgesetz. Diese Regelung schreibt für bestimmte Streitigkeiten – insbesondere viele Nachbarschaftskonflikte – ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vor. Das bedeutet, die streitenden Parteien müssen zunächst versuchen, sich vor einer staatlich anerkannten Schlichtungsstelle zu einigen, bevor sie überhaupt Klage bei einem Gericht einreichen dürfen. Tun sie dies nicht, wird die Klage als unzulässig abgewiesen, ohne dass sich das Gericht überhaupt mit dem Inhalt des Streits befasst.

Vier Klagepunkte, vier verschiedene Urteile: Wie hat das Gericht den Fall seziert?

Das Oberlandesgericht Naumburg zerlegte den Fall akribisch und kam für jeden einzelnen Anspruch zu einer eigenständigen, fein begründeten Entscheidung. Es bestätigte im Wesentlichen das Urteil der Vorinstanz und wies die Berufungen beider Seiten zurück. Die Logik dahinter ist aufschlussreich.

Der Zaun: Warum eine formale Hürde den Anspruch zu Fall brachte

Beim Streit um den Zaun scheiterte die Klägerin nicht an der Sache selbst, sondern an einer formalen Hürde. Das Gericht erklärte ihre Klage in diesem Punkt für unzulässig. Der Grund: Sie hatte kein Schlichtungsverfahren durchgeführt. Da sie ihren Anspruch ausdrücklich auf § 28 des Nachbarschaftsgesetzes stützte – eine klassische nachbarrechtliche Regelung –, griff die Pflicht zur außergerichtlichen Schlichtung.

Das Gericht stellte klar, dass diese Pflicht auch dann besteht, wenn man den Anspruch hilfsweise auf den allgemeinen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB stützt, solange der Sachverhalt inhaltlich durch das Landesnachbarrecht geregelt ist. Die Klägerin hatte argumentiert, dass der gewerbliche Betrieb der Garagenanlage sie von der Schlichtungspflicht befreie. Dem folgte das Gericht nicht. Es müsse ein direkter Zusammenhang zwischen dem Gewerbe und der Störung bestehen, was bei der reinen Position eines Zauns nicht der Fall sei. Ohne Schlichtungsversuch war der Weg zum Gericht hier also versperrt.

Die Findlinge und der Bauschutt: Woran scheiterte der Beseitigungsanspruch?

Auch die Forderung, die Nachbarn müssten die Findlinge und Betonreste entfernen, wurde abgewiesen. Hier war der Grund jedoch kein formeller, sondern ein Mangel an Beweisen. Zwar stand nach einer Besichtigung durch das Gericht fest, dass die Gegenstände auf dem Grundstück der Klägerin lagen. Doch der entscheidende Punkt im Rahmen des § 1004 BGB ist die Frage: Wer hat sie dorthin gebracht?

Die Klägerin trug die Beweislast dafür, dass die beklagten Nachbarn oder deren Baufirmen die Verursacher waren. Nach Ansicht des Gerichts gelang ihr dieser Beweis nicht. Die vorgelegten Fotos zeigten zwar, dass die Steine irgendwann auftauchten, bewiesen aber nicht, wer sie abgeladen hatte. Auch die Zeugenaussagen und vorgelegten Rechnungen reichten nicht aus, um die richterliche Überzeugung zu begründen. Ein von den Beklagten benannter Zeuge verneinte sogar, dass die Beklagten dort etwas abgeladen hätten. Da die Verursachung nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, scheiterte der Beseitigungsanspruch.

Die Baustraße: Wann ein pauschales Bestreiten nicht ausreicht

Beim Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.500 Euro war die Klägerin erfolgreich. Das Gericht stützte ihre Forderung auf § 19 des Nachbarschaftsgesetzes. Entscheidend war hier die prozessuale Haltung der beklagten Nachbarn. Sie hatten die Nutzung des Grundstücks durch ihre Baufirmen nur pauschal und teilweise „mit Nichtwissen“ bestritten.

Das Gericht wertete dies als unzureichend. Bei einem eigenen Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück hätten die Beklagten Kenntnis von den Abläufen haben oder sich diese zumindest verschaffen müssen. Ein einfaches „wissen wir nicht“ genügt dann nicht mehr, um den schlüssigen Vortrag der Klägerin zu entkräften. Da die Nutzung als erwiesen galt, schätzte das Gericht die angemessene Entschädigung gemäß § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO). Es orientierte sich dabei pragmatisch an einer früheren Mietvereinbarung zwischen den Parteien und setzte die Entschädigung auf 300 Euro pro Monat fest, was in der Summe die geforderten 1.500 Euro ergab.

Die Abgrabung: Wie Fakten eine klare Grenze zogen

Auch im Punkt der Abgrabung bekamen die Nachbarn Unrecht. Sie wurden verurteilt, die Böschung auf dem Grundstück der Klägerin wieder aufzufüllen und gegen Abrutschen zu sichern. Anders als bei den Findlingen war die Beweislage hier erdrückend. Ein vom Gericht beauftragter Vermessungssachverständiger, Fotos und Zeugenaussagen belegten eindeutig, dass die Abgrabung auf dem klägerischen Grund und Boden stattgefunden hatte.

Die Argumente der Beklagten konnten das Gericht nicht überzeugen. Ihre Behauptung, die Böschung sei für ein behördlich angeordnetes Regenwasserbecken notwendig, ließ das Gericht nicht gelten. Die Richter stellten klar: Eine öffentlich-rechtliche Pflicht auf dem eigenen Grundstück rechtfertigt keinen eigenmächtigen Eingriff in das Eigentum des Nachbarn. Die Beklagten hätten stattdessen andere technische Lösungen, wie etwa eine Stützmauer auf ihrem eigenen Grund, wählen müssen. Ihr verspätetes Angebot im Berufungsverfahren, ein neues Gutachten einzuholen, wurde zudem als unzulässig zurückgewiesen, da dies bereits in der ersten Instanz hätte geschehen müssen.

Was bedeutet dieses Urteil für Grundstückseigentümer?

Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg liefert über den Einzelfall hinaus wertvolle Erkenntnisse für jeden, der in einen Nachbarschaftsstreit verwickelt ist oder diesen vermeiden will. Es destilliert drei zentrale Prinzipien, die im Umgang mit solchen Konflikten entscheidend sind.

Das erste Prinzip ist die zwingende Beachtung formeller Hürden. Der Fall des Zauns zeigt eindrücklich, dass ein materiell vielleicht berechtigter Anspruch an prozessualen Vorschriften wie der obligatorischen Schlichtung scheitern kann. Bevor Sie den Klageweg beschreiten, müssen Sie prüfen, ob Ihr Bundesland für diese Art von Streit eine außergerichtliche Einigung vorschreibt. Ignorieren Sie diesen Schritt, riskieren Sie, dass Ihre Klage abgew

Die Urteilslogik

Der Erfolg im Nachbarrecht hängt nicht nur von der materiellen Rechtslage ab, sondern zwingend von der präzisen Einhaltung formaler prozessualer Vorgaben.

  • Formale Hürden bestimmen die Zulässigkeit: Die Klage muss scheitern, wenn das anwendbare Landesrecht die obligatorische Streitschlichtung vorschreibt und diese vor der Anrufung des Gerichts nicht erfolgreich durchgeführt wurde.
  • Der Anspruchsteller trägt die volle Beweislast: Wer die Beseitigung einer Störung nach § 1004 BGB verlangt, muss lückenlos beweisen, dass der beklagte Nachbar oder dessen Beauftragte der alleinige Verursacher der Eigentumsbeeinträchtigung waren.
  • Pauschale Behauptungen entkräften keine Fakten: Der Bauherr muss sich die Kenntnis über die tatsächlichen Abläufe auf der Baustelle – wie etwa die unbefugte Nutzung des Nachbargrundstücks – zurechnen lassen und darf schlüssige Forderungen des Nachbarn nicht pauschal mit Nichtwissen bestreiten.

Nachbarschaftskonflikte verlangen daher stets eine minutiöse Trennung der Ansprüche und eine präzise Einhaltung des Prozessrechts, bevor der Richter über die tatsächliche Sachlage entscheidet.


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Sind Ihre nachbarrechtlichen Ansprüche wegen fehlender Schlichtung gefährdet? Fordern Sie eine spezifische und unverbindliche rechtliche Ersteinschätzung an.


Experten Kommentar

Ein Bauzaun hier, ein paar Findlinge dort – der Zivilprozess sieht in einem Nachbarschaftsstreit jedoch keine Gesamtbetrachtung, sondern betrachtet jeden Anspruch einzeln. Dieses Urteil ist eine klare Ansage, dass jeder nachbarrechtliche Anspruch separat steht und fällt, entweder an der Form oder am Inhalt. Gerade beim Zaun zeigt sich die zentrale Falle: Wer die obligatorische Schlichtung ignoriert, verliert den Prozess, bevor dieser überhaupt inhaltlich beginnt. Für die Nutzungsentschädigung bei der Baustraße genügt es den Bauherren zudem nicht, die Kenntnis von den eigenen Subunternehmern pauschal abzustreiten; hier gilt die strenge Pflicht zur Aufklärung der Fakten. Wer Nachbarschaftsstreitigkeiten führen muss, sollte zuerst die prozessualen Hürden meistern.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss ich bei einem Nachbarschaftsstreit zuerst zum Schlichter, bevor ich meinen Nachbarn verklagen kann?

Ja, in vielen deutschen Bundesländern ist für typische Nachbarschaftskonflikte die obligatorische Schlichtung gesetzlich vorgeschrieben. Diese prozessuale Hürde dient dazu, Gerichte zu entlasten und eine außergerichtliche Einigung zu fördern. Ignorieren Sie diesen zwingenden Schritt, weist das Gericht Ihre Klage als unzulässig ab – selbst wenn Ihr Anspruch materiell vollkommen berechtigt ist.

Diese formelle Anforderung ergibt sich aus § 15a EGZPO in Verbindung mit den spezifischen Landesschlichtungsgesetzen. Die Schlichtungspflicht greift immer dann, wenn der Streitgegenstand inhaltlich durch das Landesnachbarschaftsgesetz geregelt ist, beispielsweise bei Klagen wegen Zaunabständen, Überwuchs oder anderen Beseitigungsansprüchen. Diese Regelung bleibt bestehen, auch wenn Sie Ihren Anspruch hilfsweise auf den allgemeinen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB stützen. Hierbei soll sichergestellt werden, dass typische Nachbarschaftsstreitigkeiten primär deeskalierend gelöst werden.

Nehmen wir an, Sie fordern die Entfernung eines Zauns, der nicht den Abstandsregeln entspricht. Die oft diskutierte Ausnahme der gewerblichen Nutzung befreit nur selten von der Pflicht. Gerichte, wie das OLG Naumburg, verlangen, dass die Störung einen direkten kausalen Zusammenhang zum Gewerbebetrieb aufweisen muss. Die bloße Tatsache, dass auf dem Nachbargrundstück eine Gewerbeanlage (wie eine Garagenanlage) betrieben wird, reicht nicht aus, um die obligatorische Schlichtung zu umgehen, wenn der konkrete Streitpunkt (der Zaun) nicht direkt durch diesen Betrieb verursacht wurde.

Prüfen Sie dringend das Landesschlichtungsgesetz Ihres Bundeslandes, um festzustellen, welche spezifischen Paragraphen Ihres Nachbarschaftsstreits zwingend schlichtungspflichtig sind.


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Wann erhalte ich eine Nutzungsentschädigung, wenn mein Nachbar mein Grundstück als Baustraße nutzt?

Wenn Ihr Nachbar Ihr Grundstück unbefugt als Baustraße nutzt, steht Ihnen nach dem jeweiligen Landesnachbarschaftsgesetz eine Entschädigung zu. Entscheidend ist der Nachweis der tatsächlichen Nutzung. Sie erhalten die Entschädigung, wenn Sie die Nutzung schlüssig darlegen und der Bauherr sie nicht substantiiert bestreiten kann. Bauherren müssen die Abläufe auf ihrer Baustelle kennen und tragen die Verantwortung für ihre Auftragnehmer.

Ihr Anspruch basiert auf den Regelungen zur Überfahrt in den Nachbarschaftsgesetzen der Bundesländer, wie beispielsweise in § 19 NbG LSA. Der beklagte Bauherr kann die Nutzung nicht einfach mit dem Hinweis auf „Nichtwissen“ abwehren. Gerichte erwarten, dass der Bauherr sich über die Aktivitäten seiner Baufirmen informiert oder zumindest hätte informieren müssen. Gelingt dem Nachbarn nur ein pauschales Bestreiten, gilt Ihre detaillierte Darlegung der unbefugten Nutzung in der Regel als ausreichend.

Ist die Nutzung durch Ihre Dokumentation belegt, schätzt das Gericht die Höhe der Nutzungsentschädigung pragmatisch. Diese Schätzung erfolgt gemäß § 287 ZPO. Das Gericht zieht dann realistische Mietwerte für vergleichbare Flächen oder frühere Vereinbarungen als Berechnungsgrundlage heran. Nehmen wir an, die unbefugte Nutzung dauerte fünf Monate. Das Gericht kann auf Basis dieser Schätzvorschrift einen Betrag von 300 Euro pro Monat festsetzen und die Gesamtsumme bestimmen.

Erstellen Sie sofort ein detailliertes Protokoll mit Uhrzeiten, Fahrzeugtypen und Kennzeichen, um die gerichtliche Schätzungsgrundlage zu sichern.


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Wie beweise ich die Verursachung von Bauschutt oder Findlingen für einen erfolgreichen Beseitigungsanspruch?

Wenn Ihr Grundstück mit Schutt oder Findlingen zugemüllt ist, müssen Sie vor Gericht zweifelsfrei nachweisen, wer der Verursacher war. Der Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB scheitert, wenn Sie nur belegen, dass die Gegenstände auf Ihrem Grund liegen. Die juristische Beweislast liegt vollständig bei Ihnen, den sogenannten Störer, also den Nachbarn oder seine beauftragte Firma, zu identifizieren und dessen Kausalität zu beweisen.

Der Grund für diese strenge Anforderung ist die Kausalität der Störung. Sie müssen nicht nur die Beeinträchtigung Ihres Eigentums zeigen, sondern auch, dass der beklagte Nachbar die Gegenstände aktiv dorthin transportiert und abgeladen hat. Allein die Tatsache, dass der Nachbar nebenan eine Baustelle betreibt, wird von Gerichten oft nur als reiner Indizienbeweis gewertet. Bestreitet der Nachbar die Ablagerung dezidiert, reicht die räumliche oder zeitliche Nähe meist nicht aus, um die richterliche Überzeugung zu begründen.

Nehmen wir an, Sie legen Fotos vor, die nur die Findlinge und den Bauschutt auf Ihrem Grundstück zeigen. Solche Beweismittel sind unzureichend, weil sie nicht den Akt des Ablassens dokumentieren. Wenn Zeugenaussagen widersprüchlich sind oder nur die Anwesenheit der Steine bestätigen, führt dies zur Abweisung der Klage. Das Gericht muss überzeugt sein, dass die Störung kausal durch die Handlungen des Nachbarn oder seiner Hilfspersonen gesetzt wurde, um einen Beseitigungsanspruch durchzusetzen.

Sichern Sie sofort Beweise durch eine Videodokumentation oder Fotos, die idealerweise den Akt des Ablassens durch die Baufahrzeuge oder Personen des Nachbarn mitsamt Kennzeichen und Firmenlogos festhalten.


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Was tun, wenn der Nachbar mein Grundstück unbefugt abgräbt oder meine Böschung beschädigt?

Wenn Ihr Nachbar unbefugt Erde auf Ihrem Grund entfernt oder eine Böschung beschädigt, liegt eine erhebliche Eigentumsstörung vor. Sie haben einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, der auf die sofortige Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichtet ist. Dies gilt selbst dann, wenn Ihr Nachbar behauptet, die Abgrabung sei für sein Bauvorhaben behördlich notwendig gewesen. Diese Substanzverletzung Ihres Bodens ist ein direkter Eingriff in Ihr Eigentumsrecht.

Die unbefugte Abgrabung stellt eine direkte Verletzung Ihres Eigentums dar, welche den Verursacher zur Wiederherstellung verpflichtet. Das Gesetz schützt Sie davor, dass andere die Topografie oder Substanz Ihres Bodens verändern. Eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die Ihren Nachbarn etwa zum Bau eines Regenwasserbeckens zwingt, berechtigt ihn niemals, dafür auf Ihrem Grundstück Hand anzulegen. Er muss stattdessen technische Alternativen wählen, wie den Bau einer Stützmauer auf seinem eigenen Grund, um sein Bauvorhaben umzusetzen.

Um Ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen zu können, ist die genaue Beweislage entscheidend. Nehmen wir an, der Nachbar gräbt ab und bestreitet, dass dies auf Ihrer Seite geschah. Gerichte stützen sich in solchen Fällen auf das Gutachten eines öffentlich bestellten Vermessungssachverständigen. Dieses amtliche Gutachten über die exakte Lage der Grundstücksgrenze und das Ausmaß der Abgrabung ist in der Regel gerichtsbindend. Zögern Sie nicht mit der Beweissicherung, da Sie die Gefahr laufen, dass ein später eingereichtes Gutachten als verspätet abgewiesen wird.

Beauftragen Sie umgehend einen öffentlich bestellten Vermessungssachverständigen, um die exakte Grundstücksgrenze und den Zustand der unbefugten Abgrabung schnellstmöglich festzustellen und zu sichern.


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Welche Klagepunkte im Nachbarrecht sind von der obligatorischen Schlichtung ausgenommen?

Die obligatorische Schlichtung konzentriert sich auf die typischen Streitpunkte zwischen Nachbarn, die auf die Beseitigung oder Unterlassung einer Störung abzielen. Reine Zahlungsansprüche, wie die Geltendmachung von Schadensersatz oder einer Nutzungsentschädigung, sind von dieser Prozessvoraussetzung in der Regel ausgenommen. Eine weitere Ausnahme besteht bei Störungen, die im direkten kausalen Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb stehen.

Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass alltägliche Konflikte um Zäune, Heckenabstände oder Überwuchs sofort die Gerichte belasten. Die Schlichtungspflicht nach § 15a EGZPO gilt primär für Nachbarschaftsklagen, die auf die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes gerichtet sind. Fordern Sie hingegen ausschließlich eine finanzielle Kompensation für erlittene Beeinträchtigungen, entfällt der Zwang zur Schlichtung. Hierbei steht nicht die Beendigung der Störung, sondern die Vergütung der Nutzung oder des Schadens im Vordergrund.

Dies führt zur klaren Unterscheidung zwischen Beseitigungsansprüchen und reinen Geldforderungen. Ein Beispiel: Der Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung, weil Ihr Nachbar Ihr Grundstück als Baustraße nutzt, kann direkt eingeklagt werden. Die Ausnahme der gewerblichen Störung legen Gerichte eng aus. Wenn die Störung nicht direkt durch den Betrieb, sondern nur zufällig auf einem gewerblich genutzten Grundstück entsteht – etwa ein falsch gesetzter Zaun –, greift die Schlichtungspflicht weiterhin. Diese prozessuale Trennung ist entscheidend für die Zulässigkeit der Klage.

Um formelle Fehler zu vermeiden, trennen Sie Ihre Ansprüche klar: Führen Sie für Beseitigungsforderungen die obligatorische Schlichtung durch und reichen Sie Geldforderungen separat bei Gericht ein.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB)

Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB ist das zentrale Werkzeug des Eigentümers, um die sofortige Beseitigung einer andauernden Eigentumsstörung zu fordern, die nicht auf einer Duldungspflicht beruht. Dieses grundlegende Recht schützt das Eigentum umfassend vor unbefugten Eingriffen durch Dritte, indem es dem Störer die Pflicht auferlegt, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Beispiel: Im aktuellen Fall nutzte die Grundstückseigentümerin den Beseitigungsanspruch, um die Wiederauffüllung der unbefugten Abgrabung auf ihrem Grund und Boden zu verlangen.

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Beweislast

Die Beweislast regelt im Zivilprozess, welche Partei die tatsächlichen Voraussetzungen einer Rechtsnorm vor Gericht beweisen muss; gelingt dies nicht, verliert diese Partei den Prozesspunkt. Das Gesetz muss festlegen, wer das Risiko des „Non Liquet“ (der Unaufklärbarkeit) trägt, um Gerichtsverfahren zu einem Abschluss zu bringen und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Beispiel: Bei den Findlingen und dem Bauschutt lag die Beweislast vollständig bei der Klägerin, weshalb ihre Klage scheiterte, da sie die Kausalität der Nachbarn nicht nachweisen konnte.

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Obligatorische Schlichtung

Juristen bezeichnen die obligatorische Schlichtung als die zwingend vorgeschriebene außergerichtliche Einigung bei bestimmten Nachbarschaftsstreitigkeiten, die vor dem eigentlichen Gang zum Zivilgericht absolviert werden muss. Diese Prozessvoraussetzung, verankert in § 15a EGZPO und Landesgesetzen, soll die Gerichte entlasten und Nachbarn dazu anhalten, Konflikte primär deeskalierend und schnell zu lösen.

Beispiel: Weil die Klägerin im Streit um den Zaun keine obligatorische Schlichtung durchgeführt hatte, erklärte das Oberlandesgericht Naumburg diesen Klagepunkt gemäß den prozessualen Vorschriften als unzulässig.

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Pauschales Bestreiten

Beim pauschalen Bestreiten erhebt eine beklagte Partei einen generellen, unspezifischen Widerspruch gegen die Behauptungen der Gegenseite, ohne konkrete Gegenargumente oder eigene Fakten vorzulegen. Prozessual gilt dies oft als unzureichend, weil das Gericht substantiierten Sachvortrag erwartet; wer selbst Kenntnis haben müsste, kann sich nicht einfach auf „Nichtwissen“ berufen.

Beispiel: Die beklagten Nachbarn konnten die Nutzung als Baustraße nur pauschal bestreiten, was das Gericht nicht akzeptierte, da sie als Bauherren Kenntnis von den Abläufen ihrer Baufirmen haben mussten.

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Schätzung gemäß § 287 ZPO

Die Schätzung gemäß § 287 ZPO erlaubt es dem Richter, die Höhe eines Schadens oder einer Entschädigung festzulegen, wenn der genaue Betrag schwierig zu beweisen ist, die Haftung dem Grunde nach aber feststeht. Diese pragmatische Regelung verhindert, dass berechtigte Ansprüche scheitern, nur weil eine exakte rechnerische Bezifferung praktisch unmöglich ist; das Gericht orientiert sich dabei an vernünftigen Maßstäben.

Beispiel: Da die tatsächliche Nutzung des Grundstücks als Baustraße feststand, nutzte das Gericht die Schätzung gemäß § 287 ZPO, um die Höhe der Nutzungsentschädigung auf 300 Euro pro Monat festzusetzen.

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Unzulässigkeit (der Klage)

Eine Klage ist unzulässig, wenn prozessuale Voraussetzungen für das Verfahren fehlen, weshalb das Gericht die Klage formal abweisen muss, ohne sich mit dem eigentlichen Inhalt des Streits (der Materie) zu befassen. Jede Klage muss bestimmte formelle Hürden erfüllen (z. B. Zuständigkeit oder Schlichtungspflicht), damit die Justiz effizient arbeiten kann und der Beklagte vor sinnlosen Verfahren geschützt wird.

Beispiel: Aufgrund der fehlenden obligatorischen Schlichtung war die Klage bezüglich des Zauns unzulässig, da die Klägerin eine zwingende prozessuale Hürde nicht beachtet hatte.

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Das vorliegende Urteil


OLG Naumburg – Az.: 12 U 172/22 – Urteil vom 12.06.2023


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