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Ölspuren durch Fahrzeug – Straßenreinigungsgebühren

VG Koblenz

Az: 4 K 122/09.KO

Urteil vom 10.08.2009


Der Bescheid vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2009 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid zur Erstattung von Straßenreinigungskosten und gegen die zugleich festgesetzten Verwaltungsgebühren und Auslagen.

Die Verbandsgemeindeverwaltung Rüdesheim hat der beklagten Ortsgemeinde auf Antrag des Gemeinderats vom 27. Januar 1983 die Unterhaltung der Straßen und Wirtschaftswege gemäß § 68 Abs. 2 Satz 3 GemO überlassen.

Der Kläger wohnt in der Straße „Z. S.“. Als er am 17. November 2007 mit seinem PKW aus der Garage herausfuhr, trat Öl aus dem Behälter für die Servo-Lenkung aus, ohne dass der Kläger dies zunächst bemerkte. Da die Lenkung immer schwergängiger wurde, suchte er in B. eine Autowerkstatt auf, die den Fehler entdeckte und etwas weniger als 1 Liter Öl nachfüllte. Bei seiner Rückkehr stellte der Kläger in der Straße „Z. S.“ eine Ölspur von ca. 60 m Länge fest. Er verständigte sofort den Ortsbürgermeister B., der ihm empfahl, sich an den ortsansässigen stellvertretenden Wehrführer F. zu wenden. Dieser gab dem Kläger den Rat, die Ölspur mit einem Ölbindemittel abzustreuen. Hierzu stellte er ihm 20 kg aus eigenen Mitteln (Typklasse III mit der Zusatzbezeichnung „R“) zur Verfügung. In Gegenwart des Ortsbürgermeisters und des stellvertretenden Wehrführers streute der Kläger die Spur ab. Außerdem wurden 3 Warnschilder gemäß Nr. 101 zu § 40 StVO mit dem Zusatzschild „Ölspur“ aufgestellt. Die Ortsgemeinde hält diese Schilder für Ölunfälle vor. Schließlich wurde vereinbart, dass der Kläger das Bindemittel nach zwei Wochen abkehren und entsorgen sollte.

Am 26. November 2007 erhielt der Ortsbürgermeister einen Anruf von Amtsrat M., Leiter der Ordnungsbehörde der Verbandsgemeinde Rüdesheim. Dieser zeigte sich über den Ölunfall informiert und wies auf das Haftungsrisiko der Ortsgemeinde hin. Das sei auf der letzten Ortsbürgermeisterdienstbesprechung erörtert worden. Obwohl der Ortsbürgermeister an dieser Besprechung nicht teilgenommen hatte und nach eigenen Angaben auch kein Sitzungsprotokoll erhielt, vertraute er den Ausführungen des Amtsleiters und bat ihn, die vom Amtsleiter vorgeschlagene Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH aus O. mit der Reinigung zu beauftragen.

In den Akten befindet sich ein Formblatt der Firma „O.“. Im oberen Drittel hat ein Mitarbeiter der Firma eine „Alarmierung“ durch Herrn M. vom 28. November 2007 um 15.15 Uhr vermerkt. Im weiteren Text ist angegeben, dass in der Straße Z. S., Ecke F.-Straße, in S. auf einer Länge von ca. 100 bis 120 m Hydrauliköl auf Bitumenasphalt ausgelaufen sei. Im mittleren Absatz steht die Unterschrift des Amtsrats M. unter einem schriftlichen Beseitigungsauftrag. Darin ist ausdrücklich angegeben, dass die Ausführung der Leistung durch den zuständigen O. Partnerbetrieb im Auftrag der O. GmbH erfolge. Die Unterschrift enthält kein Datum, jedoch einen Stempel der Verbandsgemeinde Rüdesheim. Im unteren Drittel des Formblatts sind Angaben zum Arbeitsablauf enthalten. Demnach wurden zwei Mitarbeiter eingesetzt. An Arbeitsgeräten ist angekreuzt „O./TG 40″ und „Betriebsmittelfahrzeug“. An eingesetzten Arbeitsmitteln sind 20 Liter O.-Oilex, 1 Liter O.-Clean und 0,5 Liter O.-Defoamer angegeben. In der Rubrik Entsorgungsmengen waren 700 Liter Schmutzwasser, 20 kg Ölbindemittel und 50 kg ölhaltige Feststoffe aufgeführt. Die Zeitangaben lauteten: Abfahrt Betriebshof 9.00 Uhr, Ankunft Baustelle 9.40 Uhr, Abfahrt Baustelle 11.30 Uhr, Ankunft Betriebshof 12.10 Uhr. Daneben stehen die Zahlen 1,0 + 2,17 (womit offenbar 3 Stunden und 10 Minuten gemeint sind). Als ausführender O.-Betrieb gab sich die Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH mit Stempel und Unterschrift zu erkennen. Das Formblatt endet mit dem Hinweis, dass die Reinigung nach dem Merkblatt DWA-M 715 erfolge.

Unter dem 23. Januar 2008 erteilte die Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH der Verbandsgemeinde Rüdesheim eine Rechnung über die am 28. November 2007 durchgeführte Reinigung der Straße „Z. S.“ in S. über 1.058,05 € inklusive Mehrwertsteuer. Dabei wurde die Zeit vom Verlassen des Betriebshofs bis zur Rückkehr (3,17 Stunden) in der Weise berechnet, dass die erste Stunde mit 300 € und die weiteren 2,17 Stunden mit je 200 €/Std berücksichtigt wurden. Hinzu kamen die eingesetzten Reinigungsmittel, für die jeweils 10 % Rabatt gewährt wurde.

Die Verbandsgemeinde leitete die Rechnung dem Ortsbürgermeister zu. Dieser erhob zunächst Bedenken, bestätigte aber am 21. April 2008 die sachliche Richtigkeit. Die Auszahlungsanordnung der Verbandsgemeinde datierte vom 23. April 2008. Die Buchung erfolgte unter der Haushaltsstelle 630.510 zu Lasten der Ortsgemeinde Sommerloch.

Eine von der Verbandsgemeinde an den Kläger gerichtete formlose Zahlungsaufforderung wurde von diesem ausdrücklich abgelehnt. Er regte an, gegebenenfalls einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen.

Daraufhin stellte die Verbandsgemeinde Rüdesheim (Amt Ordnungsverwaltung) dem Kläger unter dem 23. Juni 2008 einen Leistungsbescheid über insgesamt 1.151,73 € zu. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem Rechnungsbetrag von 1.058,05 €, Verwaltungsgebühren von 90,70 € und Portoauslagen von 2,98 €. Das Erstattungsbegehren wurde auf § 40 Abs. 1 Halbsatz 2 LStrG gestützt. Die Ortsgemeinde habe die vom Kläger verursachte, aber nicht beseitigte Verunreinigung nach Abwägung aller Möglichkeiten durch Beauftragung der Fachfirma auf Kosten des Klägers so beseitigen lassen, dass davon keine Gefahr mehr habe ausgehen können. Dies sei trotz der Ölbindemittel erforderlich gewesen, weil bei Regen Restölmengen aus tiefer liegenden Fahrbahnporen an die Oberflächen dringen und zu einer erhöhten Unfallgefahr führen könnten. Eine Ausschreibung sei entbehrlich gewesen, weil die Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH die einzige Fachfirma im Landkreis sei und die nächste andere Firma in Alzey sitze. Die Gebühren- und Kostenfestsetzung beruhe auf § 1 Abs. 1 und 4, § 2 Abs. 1 und 2, §§ 3, 9, 11, 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 Ziffer 1 und § 14 Abs. 1 LGebG in Verbindung mit dem Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 31.08.2007. Im Text hieß es: „Wir setzen folgende Kosten gegen Sie fest“ und: „Leider können wir Ihre Rechtsauffassung nicht teilen und machen die Kosten auf diesem Wege gegen Sie geltend“.

Der hiergegen am 30. Juni 2008 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Bad Kreuznach vom 9. Januar 2009 zurück gewiesen. Der Widerspruchsbescheid erging zwischen dem Kläger und der Ortsgemeinde Sommerloch, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rüdesheim. In den Gründen ist ausgeführt, „die Widerspruchsgegnerin“ habe mit Bescheid vom 23.06.2008 die Kosten festgesetzt. Der Kläger sei Verursacher einer mehr als verkehrsüblichen Verschmutzung. Nach § 40 LStrG sei er zur unverzüglichen Beseitigung verpflichtet. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen. Das Abstreuen mit Ölbindemitteln und das beabsichtigte Kehren seien nicht ausreichend gewesen. Nach dem Regelwerk der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. – DWA-M 715 – diene der Einsatz von Ölbindemitteln nur der akuten Gefahrenabwehr, eine spätere maschinelle Reinigung könne dadurch nicht ersetzt werden. Außerdem handele es sich bei Ölspuren niemals um Minimalverunreinigungen, da von Ölspuren jeder Größenordnung erhebliche Gefahren für den öffentlichen Straßenverkehr und die Umwelt ausgingen. Daher sei auch bei Kleinstmengen eine vollständige Beseitigung der Ölrückstände zwingend notwendig. Da der Kläger seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, habe die Ortsgemeinde die Beseitigung durch eine Fachfirma durchführen lassen müssen. Dies sei im Wege der freihändigen Vergabe zulässig gewesen, da von der verunreinigten Fläche eine unmittelbare Gefahr ausgegangen sei und die Leistung somit besonders dringlich bzw. eilbedürftig gewesen sei. Die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruchs entspreche der Rechnung vom 23. Januar 2008. Diese Rechnung sei von der Ortsgemeinde bezahlt worden. Zu den Gebühren und Auslagen enthält der Widerspruchsbescheid keine Ausführungen.

Am 6. Februar 2009 hat der Kläger Klage gegen die „Verbandsgemeindeverwaltung Rüdesheim“ erhoben. Später hat er klargestellt, dass sich die Klage gegen die Ortsgemeinde Sommerloch, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rüdesheim, richte.

Er trägt vor, die Verbandsgemeinde sei infolge der „Rückübertragung“ der Unterhaltungslast auf die Ortsgemeinde nicht mehr zuständig gewesen. Die Beauftragung der Fachfirma sei ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Es sei weniger als 1 Liter Hydrauliköl ausgelaufen. Dies sei in der ATU-Werkstatt festgestellt worden. Bei der Ölspur habe es sich um eine etwa 60 m lange Tröpfchenspur gehandelt. Das Abstreuen mit geeigneten Bindemitteln, das Aufstellen von entsprechenden Verkehrsschildern und das beabsichtigte Abkehren der Bindemittel nach zwei Wochen hätten genügt, um die Gefahr für den Kraftfahrzeugverkehr in der wenig befahrenen Anliegerstraße abzuwenden. Eine maschinelle Nachreinigung durch eine Spezialfirma sei selbst nach dem Regelwerk DWA-M 715 nicht in jedem Falle notwendig. Die Beauftragung der Fachfirma sei „vom grünen Tisch“ aus erfolgt. Außerdem hätte die Verbandsgemeinde in dem abgelaufenen Zeitraum von 12 Tagen weitere Kostenvoranschläge einholen können und müssen. Am 28. November 2007 habe jedenfalls keine besondere Dringlichkeit mehr vorgelegen. – Im Mai 2008 habe es in der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße „Z.“ in S. ebenfalls eine Ölspur gegeben, die mit Ölbindemitteln abgestreut und mit Warnschildern versehen worden sei. Dort sei keine maschinelle Reinigung erfolgt, obwohl Herr M. in S., Z., wohne und obwohl er die Ölspur unmittelbar vor seinem Haus gesehen haben müsse. Nach dem Abkehren und Entfernen des Ölbindemittels sei die Angelegenheit erledigt gewesen.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 23. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, es treffe zu, dass die Unterhaltungslast bei der Ortsgemeinde liege. Die Verbandsgemeinde habe die Fachfirma jedoch im Auftrag des Ortsbürgermeisters eingeschaltet. Die Ortsgemeinde habe keine eigenen Gemeindearbeiter und kein für Ölschäden ausgebildetes Fachpersonal. Der stellvertretende Wehrleiter F. sei nach eigenen Angaben nicht für Ölunfälle ausgebildet. Er habe gegenüber dem Kläger auch nicht in seiner Eigenschaft als Feuerwehrmann gehandelt. Im Übrigen sei die Feuerwehr für die Beseitigung von Ölspuren nicht zuständig. Bei Ölschäden könne nicht auf eine fachgerechte Straßenreinigung verzichtet werden, da bei Regen die Gefahr des Aufschwemmens von nicht vollständig abgebundenen Ölresten bestehe. Dies sei insbesondere für Zweiradfahrer gefährlich, zumal es sich im Bereich des ausgelaufenen Öls um eine Gefällstrecke und einen Kurvenbereich handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Es ist bereits zweifelhaft, ob die Kosten für die Straßenreinigung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden durften oder ob insoweit eine Leistungsklage gegen den Verursacher geboten wäre. Aus dem Umstand, dass § 40 LStrG die Behörde ermächtigt, eine Verunreinigung unter bestimmten Voraussetzungen „auf Kosten“ des Verursachers zu beseitigen, folgt noch nichts über die Art und Weise der Geltendmachung der Kosten. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es sich um eine spezialgesetzliche Form der Vollstreckung (Sofortvollzug einer Ersatzvornahme) oder um eine unmittelbaren Ausführung im Sinne des Polizeirechts handelte, bei denen die Kosten herkömmlicherweise durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Dies kann jedoch dahinstehen, denn der Kläger hat mit Schreiben vom 23. Mai 2008 selbst den Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids angeregt. Wenn die Beteiligten mit dem Erlass eines „streitentscheidenden“ Bescheids einverstanden waren, kann das Gericht den Bescheid nicht wegen fehlender Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes aufheben, ohne dabei das eigentliche Klageziel aus den Augen zu verlieren.

In formeller Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass die Verbandsgemeinde für den Leistungsbescheid vom 23. Juni 2008 nicht zuständig war. Zwar hat die Verbandsgemeinde nach § 68 Abs. 2 Satz 1 GemO bei Gemeindestraßen grundsätzlich die der Ortsgemeinde obliegenden Aufgaben der Straßenbaubehörde zu erfüllen. Sie handelt dabei wie in § 68 Abs. 1 GemO in Vertretung der Ortsgemeinde. Allerdings hatte die Verbandsgemeinde hier nach § 68 Abs. 2 Satz 3 GemO der Ortsgemeinde auf deren Antrag die Unterhaltung der Gemeindestraßen überlassen. Dies bedeutet, dass die Ortsgemeinde insoweit im eigenen Namen zuständig geworden ist. Die Straße „Z. S.“ ist eine Gemeindestraße. Die Beseitigung von Verunreinigungen im Sinne des § 40 LStrG gehört zur Unterhaltung der Gemeindestraße. Die Unterhaltung umfasst auch die Annexkompetenz, etwa notwendig gewordene Reinigungskosten gegen den Verursacher geltend zu machen. Insoweit hätte die Ortsgemeinde die Verbandsgemeinde zwar mit der Vertretung zur Kostenfestsetzung beauftragen können. Die Formulierungen im Leistungsbescheid lassen jedoch nicht erkennen, dass die Verbandsgemeinde in Vertretung der Ortsgemeinde tätig wurde. Ein etwa vorhandener Vertretungswille, der nach außen nicht hervortritt, ist unbeachtlich (§ 164 Abs. 2 BGB analog).

Andererseits enthält der Widerspruchsbescheid die ausdrückliche Feststellung, der Leistungsbescheid sei von der (im Rubrum des Widerspruchsbescheids genannten) Widerspruchsbehörde, d.h. von der Ortsgemeinde, vertreten durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde, erlassen worden. Auch wenn dies sachlich falsch ist, führt die gestaltbildende Wirkung des Widerspruchsbescheids (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) im Ergebnis dazu, dass sich die Ortsgemeinde, die dagegen keine Klage erhoben hat, den Leistungsbescheid als eigenen Bescheid zurechnen lassen muss.

In materieller Hinsicht ist der Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aber deshalb rechtswidrig, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 LStrG nicht vorliegen. Selbst wenn sie vorlägen, würde eine ordnungs-gemäße Ermessensausübung fehlen.

Nach § 40 Abs. 1 LStrG hat derjenige, der eine Straße mehr als verkehrsüblich verunreinigt, die Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen; andernfalls kann die Straßenbaubehörde, in Ortsdurchfahrten auch die Gemeinde, die Verunreinigung auf Kosten des Verursachers beseitigen. Das Gericht geht zunächst mit den Beteiligten davon aus, dass die Straße „Z. S.“ durch den Kläger mehr als verkehrsüblich verunreinigt wurde, denn eine 60 m lange Ölspur ist eindeutig nicht verkehrsüblich. Allerdings hat der Kläger nach Auffassung des Gerichts unverzüglich reagiert und nach Absprache mit dem Ortsbürgermeister der allein zuständigen Ortsgemeinde zulässige und wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der Ölspur getroffen. Deshalb war eine zusätzliche Reinigung nach 12 Tagen und ohne vorherige Aufforderung gegenüber dem Kläger nicht mehr von § 40 LStrG gedeckt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der von der Verbandsgemeinde im Auftrag der Ortsgemeinde – jedoch im eigenen Namen – abgeschlossene Vertrag mit der Reinigungsfirma bezog sich ausdrücklich auf das Regelwerk DWA-M 715. Nach Abschnitt 5.1 des Regelwerks sind die Anforderungen zur Beseitigung von ausgetretenem Öl erfüllt, wenn nach den Abschnitten 5.2 „Einsatz von Ölbindemitteln“ oder 5.3 „Maschinelle Ölspurbeseitigung“ verfahren wird.

Bei dem Einsatz von Ölbindemitteln müssen gemäß Abschnitt 5.2.1 und 5.2.3 geeignete Ölbindemittel der Typklassen I bis IV verwendet werden. Die Typklassen I bis III können verwendet werden, wenn sie die Zusatzbezeichnung „R“ haben. Die Einwirkungszeit ist abhängig von der Witterung und der Art des Ölbindemittels. Nach Abschnitt 5.2.5 ist die Verwendung eines Ölbindemittels mit der Kennzeichnung „R“ nicht immer ausreichend. Wenn Restölmengen aus tiefer liegenden Poren bei Regen zur Fahrbahnoberfläche gelangen und die Rutschfestigkeit erneut herabsetzen, ist in diesen Fällen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit die Nassreinigung der Verkehrsfläche durch Aufsprühen einer stark verdünnten Tensidlösung (Nachreinigung) notwendig. Nach dem Einsatz von Ölbindemitteln ist eine noch mit Öl kontaminierte Fläche gegebenenfalls zeitnah nass zu reinigen. Bei Minimalverunreinigungen (Ölspuren) ist eine Nassreinigung erforderlich, wenn auf ein Ölbindemittel verzichtet wurde. Die Reinigungsleistung muss vor der Verkehrsfreigabe durch den zuständigen Straßenbaulastträger überprüft werden.

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Alternativ zu dem Verfahren mit Ölbindemitteln sind nach Abschnitt 5.3.1 auch maschinelle Verfahren ohne den vorherigen Einsatz von Ölbindemitteln möglich. Die in Abschnitt 5.2.5 beschriebenen Nachreinigungsverfahren werden dann zum alleinigen Reinigungsvorgang. Dabei müssen die verwendeten Reinigungsmaschinen den Anforderungen des Abschnitts 5.3.3 entsprechen. Auch diese Reinigung muss gemäß Abschnitt 5.3.4 von dem zuständigen Straßenbaulastträger vor der Verkehrsfreigabe überprüft werden.

Die Unterstreichungen hat das Gericht angebracht. Sie machen hinreichend deutlich, dass sowohl der Ausgangsbescheid als auch der Widerspruchsbescheid von falschen Voraussetzungen ausgegangen sind. Nach dem Regelwerk gibt es zwei gleichwertige Verfahren zur Beseitigung von Ölspuren. Die Auswahlentscheidung hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Menge des ausgelaufenen Öls, von der Beschaffenheit der Straßenoberflächenbefestigung und von der Verkehrsbedeutung der Straße ab. Der Einsatz von Ölbindemitteln ist keineswegs immer ungeeignet und eine Nassreinigung ist keineswegs immer erforderlich. Bei Minimalverunreinigungen ist eine anschließende Nassreinigung sogar nur dann erforderlich, wenn keine Ölbindemittel verwendet wurden. Auch bei größeren Verunreinigungen ist eine maschinelle Reinigung nur dann erforderlich, wenn zuvor keine Ölbindemittel eingesetzt wurden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger – in Absprache mit dem zuständigen Ortsbürgermeister – Ölbindemittel der Typklasse III mit der Zusatzbezeichnung „R“ verwendet. Dies ist nach dem Regelwerk zulässig. Denn bei einer Ölmenge von knapp 1 Liter, die auf einer reinen Anliegerstraße eine Tröpfchenspur von 60 m erzeugt, handelt es sich wohl eher um eine Minimalverunreinigung. Diese relativ geringe Menge durfte und konnte mit dem eingesetzten Ölbindemittel wirksam bekämpft werden. Eine anschließende maschinelle Nassreinigung war deshalb nicht unbedingt erforderlich. Dass sie ausnahmsweise doch notwendig gewesen sein könnte, weil „Restölmengen“ in tiefer gelegen Poren vorhanden waren, die bei Regen zur Fahrbahnoberfläche gelangen und dort die Rutschfestigkeit erneut herabsetzen konnten, wurde nicht positiv festgestellt und kann auch heute nicht mehr festgestellt werden. Bei einer Tröpfchenspur wäre das – im Gegensatz zu einer kompakten Ölpfütze – auch sehr unwahrscheinlich. Entscheidend ist jedoch, dass eine Nachreinigung/Nassreinigung von dem zuständigen Ortsbürgermeister nicht für erforderlich gehalten wurde. Darauf konnte der Kläger vertrauen. Da die Ölbindemittel nach einer Einwirkungszeit von zwei Wochen abgekehrt und entsorgt werden sollten, hat der Kläger somit den Anforderungen des Regelwerks genüge getan. Es ist deshalb rechtwidrig, wenn die Beklagte 12 Tage nach dem Einsatz der Ölbindemittel, 2 Tage vor Ablauf der vereinbarten Einwirkungsfrist und ohne Wissen des Klägers die Verbandsgemeinde beauftragt, mit einer Fachfirma einen Werkvertrag zur maschinellen Nachreinigung abzuschließen.

An die Rechtsauffassung der Verbandsgemeinde war die Ortsgemeinde nicht gebunden, denn die Wahrnehmungskompetenz liegt allein bei der zuständigen Behörde, d.h. hier bei der Ortsgemeinde. Die Verbandsgemeinde hätte in ihrer Eigenschaft als örtliche Ordnungsbehörde (§ 89 Abs. 1 POG) im eigenen Namen versuchen können, eine polizeiliche Verfügung nach § 9 POG wegen eines etwaigen Verstoßes gegen § 32 Satz 2 StVO zu erlassen und/oder den Sofortvollzug nach § 61 Abs. 2 LVvVG oder eine unmittelbare Ausführung nach § 6 POG anzuordnen, wenn sie glaubte, nach 12 Tagen und trotz des Einsatzes von Ölbindemitteln und Warnschildern immer noch eine gegenwärtige bzw. unmittelbare Gefahr begründen zu können.

Selbst wenn § 40 LStrG – entgegen der hier vertretenen Auffassung – auf Fälle der vorliegenden Art anwendbar wäre, wäre die Beklagte lediglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Verunreinigung auf Kosten des Verursachers beseitigen zu lassen und Kostenerstattung zu verlangen. Das insoweit vorhandene Ermessen wurde nicht bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Soweit der Leistungsbescheid vom 23. Juni 2008 die Aussage enthält, die Ortsgemeinde habe „nach Abwägung aller Möglichkeiten“ die Firma K. Verkehrsflächenreinigungs GmbH beauftragt, kann dies nach Lage der Dinge nur die Auswahl der Firma betreffen, da keine andere Fachfirma im Landkreis verfügbar war. Die materielle Kernfrage nach der Notwendigkeit einer maschinellen Nachreinigung wurde weder in Bezug auf das konkrete Ausmaß des Schadens noch an Hand der Kriterien des DWA-Regelwerks geprüft. Stattdessen ging es nur darum, eine etwaige Haftung der Gemeinde wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit Sicherheit ausschließen zu können. Hierfür ist die Kostentragungspflicht des Verursachers nicht geschaffen worden.

Hinzu kommt, dass der maßgebende Widerspruchsbescheid (gestaltbildende Wirkung) die ohnehin unzureichenden Ermessensüberlegungen des Ausgangsbescheids vollends beseitigt hat. Die Formulierungen lassen keine andere Auslegung zu. Sie sind mit dem Regelwerk DWA-M 715 nicht zu vereinbaren. So trifft es insbesondere nicht zu, dass der Einsatz von Ölbindemitteln nach diesem Regelwerk stets nur eine vorläufige Maßnahme zur akuten Gefahrenabwehr darstellt und dass die Ölbindemittel eine spätere maschinelle Reinigung nicht ersetzen können. Es trifft ferner nicht zu, dass Ölspuren nach diesem Regelwerk niemals Minimalverunreinigungen sind und dass auch bei Kleinstmengen eine Nachreinigung zwingend notwendig ist. Insoweit hat der Kreisrechtsausschuss auch nicht ausgeführt, woher er seine – über das Regelwerk hinausgehenden – Fachkenntnisse hat. Schließlich trifft es auch nicht zu, dass die Gemeinde nach § 40 LStrG die Beseitigung der Verunreinigung durch eine Fachfirma vornehmen lassen „muss“, wenn der Verursacher seiner Verpflichtung nicht nachkommt.

Die im Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 3. März 2009 erstmals vorgetragenen Ermessensgründe sind wegen § 114 Satz 2 VwGO unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift können zwar ursprünglich vorhandene Ermessenserwägungen noch im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Wenn aber Ermessenserwägungen im Verwaltungsverfahren fehlen (oder wenn der Widerspruchsbescheid die gesetzlich vorgesehene Ermessensentscheidung in eine gebundene Entscheidung umdeutet), können sie nicht im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden.

Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kann sich der Kläger im Zusammenhang mit den Ermessensfehlern nur dann berufen, wenn der (zeitlich nachfolgende) Einsatz von Ölbindemitteln in der Kreisstraße „Z.“ der Beklagten zuzurechnen ist und wenn er einer allgemeinen Praxis der Beklagten entspricht. Anders als in der mündlichen Verhandlung weist das Gericht zur Klarstellung darauf hin, dass nach § 40 Abs. 1 LStrG für Ortsdurchfahrten nicht nur der Landesbetrieb Mobilität (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 LStrG) sondern „auch die Gemeinde“ zuständig ist.

Da der streitgegenständliche Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig ist, ist auch die damit verbundene Festsetzung der Gebühren und Portokosten aufzuheben. Denn Verwaltungsgebühren und Auslagen dürfen nur für rechtmäßige Verwaltungsmaßnahmen erhoben werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.151,73 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

 

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