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Ölwannenschaden – Haftung Vollkaskoversicherung

AG Hamburg

Az.: 54A C 124/08

Urteil vom 27.02.2009


1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.484,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr auf 5.484,33 EUR seit dem 20.02.2008 bis zum 13.10.2008 und auf 3.484,33 EUR ab dem 14.10.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 546,69 EUR zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Versicherungsschutz.

Der Kläger hat seinen Pkw der Marke Volvo C 70 mit dem amtlichen Kennzeichen … bei der Beklagten vollkaskoversichert.

Am 21.01.08 fuhr der Kläger in Dunkelheit auf einer Landstraße mit seinem Fahrzeug von Bad Wilsnak nach Wittenberge mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 km/h. Auf dem Weg schlug ein harter Gegenstand unter sein Fahrzeug und verursachte einen Riss in der Ölwanne, so dass das Öl austrat. Nach einer ungewissen Zeitspanne leuchtete die rote Ölkontrolllampe auf. Nachdem der Kläger die Lampe bemerkt hatte, fuhr er noch eine Wegstrecke von 200 bis 250 Metern, kam dann zum Stehen, stellte fest, dass der Ölmessstab trocken war und ließ das Fahrzeug abschleppen. Der Motor war geschädigt. Nach Aufleuchten der Ölkontrolllampe hätte der Kläger maximal noch 50 Meter zurücklegen dürfen, um den Schaden zu verhindern.

Die Reparaturkosten betrugen 6.725,93 EUR. Die Beklagte leistet hierauf bereits 2.941,60 EUR. Die Selbstbeteiligung des Klägers beträgt 300,00 EUR.

Der Kläger behauptet, weder er noch seine Mitfahrerin hätten einen Schlag unter dem Fahrzeug wahrgenommen. Sie hätten sich unterhalten, es habe stark geregnet und die Fahrbahn sei regennass gewesen. Er habe das Aufleuchten der Ölkontrolllampe kurz vor der Einmündung der Straße K 7008 in die Straße L 11 vor einer Kurve bemerkt, habe aber die Kurve noch durchqueren müssen, um gefahrlos anhalten zu können. Der Anhalteweg bei nasser Fahrbahn betrage ohnehin mindestens 140 Meter.

Er ist der Auffassung, bei dem Motorschaden handele es sich um einen (versicherten) Unfallschaden.

Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.484,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 5.484,33 EUR seit dem 20.02.2008 bis zum 13.10.2008 und Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 3.484,33 EUR ab 14.10.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 546,69 EUR zu zahlen (Nebenforderung), hilfsweise wird die Beklagte verurteilt, den Kläger von Forderungen der Rechtsanwälte … freizustellen.

Die Beklagte ist der Auffassung, bei dem Schaden handele es sich nicht um einen versicherten Unfallschaden, sondern um einen nicht versicherten Betriebsschaden. Im Übrigen beruft sie sich auf Leistungsfreiheit gem. § 62 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. wegen grober Fahrlässigkeit des Klägers. Insofern trägt sie vor, der Kläger habe den Schlag unter seinem Fahrzeug wahrnehmen und anschließend sofort anhalten müssen. Er hätte den Schaden auch dann noch verhindern können, wenn er unmittelbar nach dem Aufleuchten der Ölkontrolllampe angehalten hätte. Der Anhalteweg betrage auch auf nasser Straße bei 70 km/h maximal 60 Meter, wobei die Beklagte den Regen bestreitet.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2009 Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin … Ferner hat es den Kläger persönlich angehört. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 23.1.2009.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch in der geltend gemachten Höhe aus dem Versicherungsvertrag zu.

a. Bei dem Motorschaden handelt es sich um einen versicherten Unfallschaden. Der Schlag des harten Gegenstandes gegen die Ölwanne des klägerischen Fahrzeugs ist ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis i. S. d. § 12 Abs. 2 e) AKB, welches letztlich den Motorschaden adäquat kausal verursacht hat. Ein etwaiges Verschulden des Klägers würde an der rechtlichen Einordnung des Schadens als Unfallschaden nichts ändern (vgl. Prölls/Martin, 27. Aufl., Versicherungsvertragsgesetz, § 12 AKB, Rn. 51; OLG Jena, Urteil vom 24.3.2004, Az. 4 U 812/03)

b. Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei. Legt man zugrunde, dass der Kläger den Schlag gehört hat, stellt der Beklagtenvertreter im Gegensatz zu dem gerichtlichen Hinweis zu Recht nicht auf § 61 VVG a. F., sondern auf § 62 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. ab. Die Darlegungs- und Beweislast bzgl. des Fehlens eines grob fahrlässigen Verhaltens trifft danach den Kläger. Dieser Anforderung ist er allerdings gerecht geworden.

aa. Selbst wenn der Kläger den lauten Schlag unter seinem Fahrzeug wahrgenommen hätte, wäre das Weiterfahren zwar möglicherweise fahrlässig, jedoch keinesfalls grob fahrlässig gewesen. Grob fahrlässig handelt nach allgemein anerkannter Rechtsprechung nur derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH VersR 92, 1078; st. Rspr. seit BGH Z 10, 14). Das Verhalten des Versicherungsnehmers muss unentschuldbar sein (Prölls/Martin, a. a. O., § 61 VVG, Rn. 12 m. w. N.).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger hätte auch bei Wahrnehmung eines lauten Schlages nicht damit rechnen müssen, dass seine Ölwanne derart beschädigt worden war und ein Motorschaden unmittelbar bevorstand. Bei Dunkelheit und regennasser Fahrbahn hätte der Kläger überdies selbst bei sofortigen Anhalten und Aussteigen den Schaden an der Ölwanne vermutlich nicht entdeckt und wäre infolgedessen weiter gefahren.

Von den behaupteten Witterungsbedingungen ist das Gericht aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin … überzeugt. Diese hat den klägerischen Vortrag zum Regen bestätigt, wobei das Gericht keinen Anlass sieht, an der Glaubhaftigkeit ihrer diesbezüglichen Angaben zu zweifeln. Für die Wahrheit der klägerischen Behauptung spricht überdies, dass der Kläger sie nicht erst im Prozess eingeführt hat, sondern bereits unmittelbar nach dem Unfall am 23.1.2008 in seiner Schadensmeldung gegenüber der Versicherung geschildert hat, es habe den ganzen Tag geregnet, vgl. Anlage B 2 (Bl. 50 d. A.)

bb. Auch das Weiterfahren des Klägers nach dem Aufleuchten der Ölkontrollleuchte führt nicht zur Leistungsfreiheit der Klägerin gem. § 62 Abs. 2 S. 1 VVG a. F.. Der Bremsweg auf regennasser Fahrbahn beträgt selbst nach Beklagtenvortrag bis zu 60 Metern. Tatsächlich beträgt er bei 70 km/h und einer Reaktionszeit von einer Sekunde 68,37 Meter. Der streitgegenständliche Motorschaden war nach unstreitigem Sachvortrag jedoch spätestens nach 50 Metern eingetreten. Selbst bei sofortigem Abbremsen nach Aufleuchten der Ölkontrollleuchte hätte der Kläger den Schaden daher nicht verhindern können. Sollte man das über 60 Meter (bzw. 68,37 Meter) hinausgehende Weiterfahren des Klägers als grob fahrlässig ansehen – was ebenfalls zweifelhaft ist –, wäre dieses Verhalten jedenfalls nicht mehr schadensursächlich geworden.

b. Zur Schadenshöhe gilt Folgendes: Unstreitig betragen die Reparaturkosten 6.725,93 EUR. Abzüglich der bereits geleisteten 2.941,60 EUR sowie der 300,00 EUR Selbstbeteiligung stehen dem Kläger noch 3.484,33 EUR zu.

2. Der Kläger hat unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zudem Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 8.2.2008 die über 743,36 EUR hinausgehende Zahlung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat.

Die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 EUR stehen dem Kläger berechnet nach einem Gegenstandswert in Höhe von bis zu 6.000 EUR zu (1,3 x 338,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer). Das Gericht legt dabei zugrunde, dass nach neuerer BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH VIII ZR 86/06) die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr nur dazu führt, dass die gerichtliche Verfahrensgebühr gemindert wird. Durch die ernsthafte Erfüllungsverweigerung der Beklagten, die spätestens im Klagabweisungsantrag zu sehen ist, wandelt sich der Freihaltungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um (Palandt, 68. Aufl., § 250 Rn. 2).

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

 

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