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Örtliche Zuständigkeit bei unerlaubter Handlung – Rechtsverletzung im Internet

AG Hamburg – Az.: 22a C 100/13 – Urteil vom 30.01.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Hinblick auf die Kosten vorgerichtlicher anwaltlicher Interessenvertretung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der Internetseite der Beklagten „…“.

Auf dieser Internetseite hielt die Beklagte unter der Überschrift „… den Job weg“ einen Artikel zum Abruf bereit, in dem es unter anderem heißt:

„Zuvor hatte der neu gegründete … starkes Interesse an … geäußert, sogar in Düsseldorf mit dem vereinslosen … verhandelt.“

und

„In Leverkusen verdiente der 98-malige Nationalspieler rund 6,5 Mio. Euro pro Jahr. Sydney konnte … nach BILD-Informationen aber nur rund 2.000.000 Jahresgehalt bieten.“

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28. September 2012 unter anderem eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die die Beklagte mit Schreiben vom 2. Oktober 2012 abgab.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2012 nahmen die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Unterlassungserklärung an und überreichten ihre gemäß den §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 W RVG nach einem Gegenstandswert von 30.000 Euro bemessene Honorarnote, die einen Rechnungsbetrag von 1376,83 Euro inklusive Mehrwertsteuer aufwies. Die Beklagte zahlte einen Betrag in Höhe von 775,64 Euro. Jede weitere Zahlung lehnte sie ab. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Erstattung der ihm in Höhe des Differenzbetrages persönlich entstandenen Anwaltskosten.

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, die in Ansatz gebrachte 1,5 Gebühr sei angemessen, da Pressesachen regelmäßig eine schwierige Materie beträfen, deren Bearbeitung bei einem durchschnittlichen Rechtsanwalt nicht vorauszusetzende Spezialkenntnisse erfordere. Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Klägers nebst Anlagen verwiesen.

Durch Hinweisbeschluss vom 19.06.2013 machte das erkennende Gericht darauf aufmerksam, dass es sich für örtlich unzuständig halte. Die von dem Kläger vorgenommene Auslegung des § 32 ZPO führe zu einer Ausweitung der örtlich zuständigen Gerichte auf eine unübersehbare Zahl und damit letztendlich zu einer willkürlichen Auswahl eines Gerichts. Das widerspreche dem Institut des gesetzlichen Richters des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, das eine Wahlfreiheit des Anspruchstellers zwischen einer Vielzahl an zuständigen Gerichten nach Opportunitätsgesichtspunkten ausschließe.

Der Kläger hält seinen Standpunkt zur örtlichen Zuständigkeit aufrecht, unter anderem unter Bezugnahme auf ihn bestätigende Rechtsprechung.

Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Schadensersatzbetrag in Höhe von € 601,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie schließt sich vollumfänglich den durch das Gericht in dem Hinweisbeschluss vom 19.06.2013 gemachten Ausführungen an und erhebt die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Außerdem rügt sie die ihrer Meinung nach nicht ordnungsgemäß erfolgte Klageerhebung, da es an der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift in der Klage fehle. Vielmehr werde lediglich die Anschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers als „c/o-Adresse“ genannt, ohne dass hierfür auch nur irgendein Grund vorgetragen oder ersichtlich wäre.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihren Prozessbevollmächtigten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bereits unzulässig.

Das Amtsgericht Hamburg ist für den vorliegenden Rechtsstreit örtlich nicht zuständig.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Hamburg ergibt sich insbesondere nicht aus § 32 ZPO.

Örtliche Zuständigkeit bei unerlaubter Handlung - Rechtsverletzung im Internet
Symbolfoto: Von Elnur /Shutterstock.com

§ 32 ZPO kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Amtsgericht Hamburg-Mitte für den Streit der nicht in Hamburg ansässigen Klägerseite und die nicht in Hamburg wohnhafte Beklagtenseite allein deswegen zuständig ist, weil die hier geltend gemachte Rechtsverletzung über das Internet auch in Hamburg, wie an jedem anderen Gerichtsstandort der Bundesrepublik, aufgerufen werden könnte. Eine solche Auslegung des § 32 ZPO verletzt drei zentrale Rechtsgrundsätze und ist insbesondere mit höherrangigem Verfassungsrecht nicht zu vereinbaren. Eine solche Auslegung vernachlässigt den Sinn und Zweck von Zuständigkeitsregeln im Allgemeinen, sie vernachlässigt den Sinn und Zweck des § 32 ZPO im Besonderen und sie verletzt insbesondere auch Art. 101 I S. 2 GG, also das Institut des gesetzlichen Richters.

Die hier von der Klägerseite und auch durchaus zahlreichen Gerichten vertretene Auslegung des § 32 ZPO führt im Ergebnis dazu, dass sämtliche Amtsgerichte der Bundesrepublik örtlich für den hiesigen Rechtsstreit zuständig sind, denn die offenkundig angestellte Erwägung, die im Internet begangene Rechtsverletzung sei auch in Hamburg abrufbar und damit erfolgt, greift für jeden Amtsgerichtsbezirk der Republik. Damit wäre eine örtliche Zuständigkeit von ca. 800 oder – unter Berücksichtigung von Spezialzuständigkeiten in einigen Regionen – einer anderen dreistelligen Zahl von Amtsgerichten in der Bundesrepublik eröffnet, Dem jeweiligen Kläger bietet sich auf diese Weise die Möglichkeit, aus 800 bzw. einer sonstigen dreistelligen Zahl von Amtsgerichten und den dazugehörigen Landgerichtsbezirken dasjenige Gericht und den Landgerichtsbezirk auszuwählen, von dem er sich die ihm günstigste Rechtsprechung erhofft, ob materiell-rechtlich oder im Hinblick auf Streitwertbestimmungen. Ein solche Option verletzt den Sinn- und Zweck von Zuständigkeitsnormen im Allgemeinen, den Sinn- und Zweck des § 32 ZPO im Besonderen und den Sinn und Zweck des Institutes vom gesetzlichen Richter aus Art. 101 I S. 2 GG. Eine Auslegung, die zu einem solchen Ergebnis führt, ist auch nicht erforderlich, um dem potentiell in seinen Rechten verletzten Bürger effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Schließlich verstößt eine solche Auslegung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, denn es gibt im deutschen Rechtssystem im Übrigen keine Gerichtsstandsregel, nach der ein Kläger unter sämtlichen Gerichten der Republik das ihm genehme Gericht aussuchen könnte, ohne dass es einen triftigen Grund für eine solche Ungleichbehandlung gäbe. Rechtsverletzungen in anderen Kontexten, bei denen sich Kläger mit ein bis zwei Gerichtsständen begnügen müssen, sind nicht strukturell weniger schwerwiegend als diejenigen, die im Rahmen internetbezogener Rechtsverletzungen geltend gemacht werden. Schließlich geht es bei der Klärung der hier anstehenden Rechtsfragen nicht darum, materiell-rechtlich zu bewerten, wo die Rechte von Klägern der hier vorliegenden Art verletzt wurden. Es geht allein darum zu bewerten, welches das prozessrechtlich örtlich zuständige Gericht ist. Da materiell-rechtliche Normen und prozessrechtliche Normen unterschiedliche Funktionen haben, müssen beide Fragen nicht zu gleichen Antworten führen.

Im Einzelnen gilt folgendes: Zuständigkeitsnormen haben die Aufgabe, in einem rationellen und effektiven Gerichtssystem Gerichtsstandorte für Rechtsstreitigkeiten im Rahmen der Bestimmung des gesetzlichen Richters festzulegen (Vgl. BVerfGE 29,49; 63, 79; 95, 327; BGHZ 85, 118; Zöller, a.a.O., § 1 Rz. 2). Aus Art. 101 I 2 GG und der in Art. 20 GG verankerten Rechtsstaatlichkeit folgt die Notwendigkeit der gesetzlichen Regelung des sachlich und örtlich zuständigen Richters (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Auflage, Übersicht § 12 Rz. 1). Die Zuständigkeitsnormen sind so auszulegen, dass die Möglichkeit der Manipulation bei der Bestimmung des Gerichtes unterbleibt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., Rz. 2). Bereits aus diesem allgemeinen Sinn- und Zweck von Zuständigkeitsnormen verbietet sich eine Auslegung von Gerichtsstandsregelungen, die dazu führen, dass ein spezifisches Gericht und damit ein spezifischer gesetzlicher Richter nicht mehr festgelegt wird, sondern seine Zuständigkeit voll und ganz der Wahlfreiheit des Klägers überlassen wird. Das Prozessrecht wird im Hinblick auf die Festlegung des gesetzlichen Richters seiner grundsätzlichen Aufgabe nicht mehr gerecht, wenn es in der Weise ausgelegt wird, dass alle Amtsgerichte der Republik örtlich zuständig sind und damit kein einzelnes Gericht mehr im Gegensatz zu anderen. Eine solche Auslegung unterbindet nicht Manipulationen bei der Bestimmung des zuständigen Gerichtes sondern sie eröffnet Manipulationsmöglichkeiten. Es gibt keine größere Option der Manipulation bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters, wenn der Kläger aus allen Amtsgerichten der Republik, wenn der Kläger aus allen Landgerichtsbezirken der Republik sich dasjenige Gericht und denjenigen Landgerichtsbezirk aussuchen kann, von dem er sich die ihm günstigste Rechtsprechung erhoffen kann, ob in Zuständigkeitsfragen, in materiell-rechtlichen Fragen oder bei Streitwertbemessungen usw. usf., weil ihm bekannt ist, dass jenes Gericht in dieser Weise und ein anderes Gericht in anderer Weise entscheidet.

Aber auch der Sinn und Zweck der hier einschlägigen speziellen Gerichtsstandsregelung des § 32 ZPO steht der Theorie von der Allzuständigkeit sämtlicher Gerichte der Republik in Fällen der hier vorliegenden Art eindeutig entgegen. Sinn und Zweck des § 32 ZPO ist es, dem Anspruchsteller unter dem Aspekt der Sachnähe einen weiteren Gerichtsstand zu gewähren (Vgl. Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 32 Rz. 1). Die Vorschrift dient der Sachnähe und damit der Prozesswirtschaftlichkeit (Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, a.a.O, § 32 Rz. 5). Es geht im Rahmen des § 32 ZPO um die Sach- und Beweisnähe (Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, 3 32 Rz. 1). § 32 ZPO beruht auf dem Gedanken der Sachnähe (Saenger, ZPO, 5. Auflage, § 32 Rz. 1). Dem § 32 ZPO liegt die Erwägung zugrunde, im Gerichtsbezirk des Begehungsortes die Aufklärung sachnäher und kostengünstiger durchführen zu können (Münchner Kommentar, ZPO, 4. Auflage, § 32 Rz. 1). Es geht um Ortsnähe und Beweisnähe und insofern sachkundigere Gerichte, um kostengünstigere Entscheidungen und insoweit um Prozessökonomie (Musielak, ZPO, 10. Auflage, § 32 Rz. 1). Diese offenkundig eindeutigen Ziele des Gesetzes werden ad absurdum geführt durch eine Auslegung, in deren Folge jedes Gerichte der Republik örtlich zuständig sein soll im Rahmen des § 32 ZPO. Wenn jedes Gericht der Republik örtlich zuständig ist, dann weist keines mehr eine größere Sachnähe auf. Vielmehr sind in einem solchen Fall sogar sämtliche Gerichte, die keinen Bezug zum Sitz/Wohnsitz des eventuell in seinen Rechten verletzten Bürgers und keinen Bezug zum Sitz/Wohnsitz des eventuellen Täters haben, sachlich ferner. Des Weiteren können auch sämtliche dieser Gerichte weniger prozesswirtschaftlich arbeiten, denn es ist weder die Tat am Ort eines dieser Gerichte näher aufzuklären, so dass auch keine Kosten für potentielle Zeugen sinken, noch wären die Kosten für die beteiligten Parteien im Fall des Erscheinens vor Gericht geringer. Im Gegenteil, diese wäre sogar definitiv höher als bei Verhandlung am Ort des potentiellen Opfers oder am Ort des potentiellen Täters. Eine Auslegung, die sämtliche Zwecke eines Gesetzes in ihr Gegenteil verkehrt, ist zumindest keine vorzugswürdige Auslegung und letzten Endes auch keine vertretbare.

Die Zuständigkeit eines willkürlich gewählten Gerichts lässt sich auch nicht überzeugend aus § 32 ZPO ableiten, wenn die beauftragte Anwaltskanzlei am gewählten Gerichtsort ihren Sitz hat und damit insoweit prozessökonomisch agieren kann. Das Gesetz kennt keinen Gerichtsstand der beauftragten Kanzlei. Im Übrigen bliebe der diesbezügliche prozessökonomische Effekt auch einseitig, weil die Kanzlei des Beklagten verkehrstypischerweise an seinem Wohnort oder Sitz belegen ist, so dass sich der Effekt wieder relativieren würde und zumindest insgesamt ebenso gegeben wäre bei einer Klage am Ort der potentiellen Tat, also dem Wohnsitz/Sitz des potentiellen Täters. Letzten Endes greifen derartige Überlegungen aber bereits ohnehin nicht, weil es beim Sinn und Zweck des § 32 ZPO nicht um die Reduzierung von Aufwand für die Klägeranwälte geht.

Eine Auslegung, die zur Option der willkürlichen Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Kläger bei Auswahl aus allen Gerichten der Republik führt, ist nicht nur abzulehnen, weil der Sinn und Zweck der Zuständigkeitsregeln im Allgemeinen und der Sinn und Zweck des § 32 ZPO im Besonderen verletzt wird, sondern weil sie unmittelbar auch nicht verfassungskonform ist, und zwar wegen des verfassungsrechtlich sowohl in Art. 20 als auch in Art. 101 I S. 2 GG geschützten Instituts des gesetzlichen Richters und damit des gesetzlich bestimmten Richters. Wenn eine gesetzliche Bestimmung, hier der § 32 ZPO, derart ausgelegt wird, dass sämtliche Amtsgerichte der Republik und sämtliche Landgerichtsbezirke der Republik örtlich zuständig sind unter denen der Kläger auswählen kann, dann ist der Richter am Ende nicht mehr gesetzlich bestimmt, sondern gesetzlich unbestimmt. Die Bestimmung des Richters ist auf eine Partei übergegangen. Das verletzt eindeutig das Gebot, das niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art. 101 I S. 2 GG). Es gibt keinen gesetzlichen Richter mehr, wenn der Kläger die freie Wahl hat.

Art. 101 I S. 2 GG soll gewährleisten, dass richterlicher Entscheidungen willkürfrei durch eine nach objektiven Kriterien bestimmte Instanz ergehen (BVerfGE 107, 403; Hömig, GG, 10. Auflage, Art. 101 Rz. 3). Die entscheidende Instanz in diesem Sinne wird nicht mehr nach objektiven Kriterien bestimmt, wenn der Kläger sie sich aussuchen darf aus allen Gerichten der Republik. Aus Art. 101 S. 2 GG ergibt sich, dass der gesetzliche Richter sich im Einzelfall möglichst eindeutig aus einer allg. Norm ergibt (BVerfGE 63, 79; BVerfGK 7, 379; BGHSt 38, 65; BAGE 84, 193; Hömig, a.a.O., Rz. 5). Der gesetzliche Richter ergibt sich nicht mehr im Einzelfall eindeutig aus einer allgemeinem Norm, wenn § 32 ZPO dahingehend ausgelegt wird, dass an allen Gerichten der Republik geklagt werden kann. Bestimmt sein, und zwar von vornherein generell-abstrakt so eindeutig wie möglich bestimmt sein müssen nicht müder Rechtsweg und das Gericht als organisatorische Einheit, sondern auch das erkennende Gericht als Spruchkörper (BVerfGE 95, 328 ff; BVerfG NJW 2004, 3482; BGH NJW 2009, 1351; Hömig, a.a.O., Rz. 5). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird nicht Rechnung getragen durch eine Auslegung, die das örtlich zuständige Gericht überhaupt nicht mehr bestimmt, sondern es der absoluten Wahlfreiheit des Klägers überlässt, weil er nach Maßgabe dieser Auslegung unter allen Gerichten der Republik frei wählen darf. Dem Gesetzgeber obliegt es, das Recht auf den gesetzlichen Richter durch möglichst klare eindeutige abstrakt generelle verfahrensrechtliche Regelungen so auszugestalten, dass das Wesentliche des Instituts gewahrt wird (BVerfGK 15,104; Hömig, a.a.O, Rz. 7). Die Rechtsprechung kann dieses Bemühen des Gesetzgebers, u.a. mit dem § 32 ZPO, nicht dadurch konterkarieren, dass es § 32 ZPO nun bei Auftreten neuer technischer Entwicklungen derart auslegt, dass ein gesetzlicher Richter nicht mehr eindeutig festgelegt ist. Vielmehr ist es Aufgabe der Rechtsprechung, auch unter Berücksichtigung neuerer technischer Entwicklungen, § 32 ZPO so auszulegen, dass Art. 101 I S. 2 GG und das Rechtsstaatsprinzip gewahrt bleiben. Die Verfahrensregeln und ihre Auslegung müssen Gewähr dafür bieten, dass die konkrete gerichtliche Entscheidung nicht durch gezielte Auswahl der Richter beeinfluss werden kann (Hömig, a.a.O, Rz. 7). Dies leistet die hier abgelehnte Auslegung des § 32 ZPO nicht. Art. 101 I S. 2 GG hat die Aufgabe sachwidrige Eingriffe in die Rechtsprechung von außen abzuwehren, gleichgültig von wem (Sachs, GG, 6. Auflage, Art. 101 Rz. 5). Dem wird nur Genüge getan, wenn auch der Kläger nicht die Option hat, das für ihn und den Beklagten zuständige Gericht zu bestimmten. Entscheidend ist auch nicht die Manipulation im Einzelfall, sondern bereits die Möglichkeit der Manipulation (BVerfGE 95, 322, 330; Sachs, a.a.O., Rz. 5). Die Möglichkeit der Manipulation ist eröffnet, wenn der Kläger das Gericht selbst bestimmen kann. Art. 101 I S. 2 GG enthält das Gebot, den gesetzlichen Richter zu bestimmen, ihn im Voraus durch generelle, jeden möglichen Einfluss erfassende Regelungen so eindeutig wie möglich festzulegen, jeden vermeidbaren Spielraum auszuschließen (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, u.a. BVerfGE 17, 294, 298 ff; 95, 322, 328 ff; Sachs, a.a.O., Rz. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Offenkundig wird auch diesem Gebot nicht Rechnung getragen durch eine Auslegung, die es dem Kläger überlässt, aus ca. 800 Gerichten sich das ihm genehme Gericht auszusuchen.

Auch wenn es im presserechtlichen Kontext einen Senat des BGH geben mag, der die These von der Allzuständigkeit sämtlicher Gerichte der Republik in Fällen der hier vorliegenden Art teilt, so wird doch aus anderer Rechtsprechung des BGH hinreichend deutlich, dass es auch BGH-Senate gibt, die den teleologischen Erwägungen und den Folgerungen aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des gesetzlichen Richters maßgebliche Bedeutung beimessen. Eine gefestigte Rechtsprechung erscheint insoweit noch nicht gegeben. Auch eine einschlägige Entscheidung des BVerfG ist noch nicht ersichtlich. So hat der BGH für die vergleichbare Problematik bei der Begründung internationaler Zuständigkeit deutscher Gericht im Rahmen von Urheberrechtsverletzungen angemerkt, dass „viel für die Begrenzung einer ansonsten bestehenden Vielzahl von Gerichtsständen auf diejenigen, in deren Zuständigkeitsbereich eine Interessenkollision tatsächlich eingetreten sein kann“ spreche (BGH MMR 2005, 239, 240). Die Begrenzung einer ansonsten bestehenden Vielzahl von Gerichtsständen ist auch im nationalen Kontext geboten. Zudem hat der BGH festgestellt, dass die bloße Abrufbarkeit eines rechtsverletzenden Inhalts noch nicht die Zuständigkeit nach § 32 ZPO begründen könne, da dies dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechen würde (BGH, Urt. v. 2. 3. 2010 – VI ZR 23/09). Die uferlose Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten, so der BGH in jener Entscheidung, würde „den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien der Vermeidung beziehungsarmer Gerichtsstände, der Reduzierung konkurrierender Zuständigkeiten und der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit der potenziellen Gerichtspflichtigkeit eklatant [zuwiderlaufen]“. Damit ist deutlich, dass auch seitens des BGH die verfassungsrechtlichen Hürden den Fällen der hier vorliegenden Art gesehen werden.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 22.1.14 noch einmal um eine Überprüfung der bisherigen rechtlichen Beurteilung gebeten hat, ist dazu folgendes anzumerken. Weder der Sinn und Zweck prozessrechtlicher Zuständigkeitsnormen im Allgemeinen, noch der Sinn und Zweck des § 32 ZPO im Besonderen, noch die verfassungsrechtlichen Auslegungsrahmenbedingungen durch die notwendige Beachtung des Art. 101 I S. 2 GG haben sich in der Zwischenzeit geändert. Eine Entscheidung des LG Hamburg, die sich mit den hiesigen Erwägungen auseinander gesetzt hätte und dahingehend überzeugt, dass weder teleologische Erwägungen noch das Gebot der verfassungskonformen Auslegung gesetzlicher Normen der Bejahung einer Zuständigkeit sämtlicher Gerichte der Republik entgegen stünden, liegt hier bislang nicht vor. Das hier zuständige Gericht wird ohne eine insoweit überzeugende obergerichtliche Entscheidung seinen bisherigen Standpunkt nicht aufgeben. Jedes Gericht muss seine rechtliche Bewertung verantworten. Einer Abänderung der Entscheidung durch das Landgericht und Zurückverweisung würde selbstverständlich Rechnung getragen werden. So ist es gesetzlich vorgesehen. Eine vorauseilende Aufgabe eines als richtig bewertenden rechtlichen Standpunktes erfolgt nicht. Es kommt auch vor, dass sich landgerichtliche oder oberlandesgerichtliche rechtliche Bewertungen am Ende nicht durchsetzen, weil der BGH, der EuGH oder das BVerfG zu anderen Erkenntnissen gelangt.

Das Gericht verneint nach alledem seine örtliche Zuständigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708Ziff. 11, 711 ZPO.

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