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Offenlegungspflicht Kapitalgesellschaft – Ordnungsgeld und Verschulden

Landgericht Bonn

Az: 35 T 1158/10

Beschluss vom 21.01.2011


Die sofortige Beschwerde vom 23.07.2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 EUR wegen verspäteter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2007 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 17.04.2009, zugestellt am 22.04.2009, angedroht.

Dagegen hat der Beschwerdeführer/die Beschwerdeführerin Einspruch nicht eingelegt. Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 19.07.2010 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.

Gegen die ihr am 22.07.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 26.07.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit der Beschwerdeführerin bekannt gemachter Entscheidung vom 28.07.2010 hat das Bundesamt für Justiz der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Das Bundesamt für Justiz hat das Ordnungsgeld zu Recht festgesetzt, denn die Beschwerdeführerin hat die Rechnungslegungsunterlagen für das Jahr 2007 weder innerhalb der sich aus § 325 HGB ergebenden gesetzlichen Frist noch innerhalb der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist von sechs Wochen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Maßgeblich für die Frage, ob die genannten Fristen eingehalten wurden, ist die fristgemäße Herbeiführung des Handlungserfolgs, also der rechtzeitige Eingang der Unterlagen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Die Jahresabschlussunterlagen für das Jahr 2007 wurden erst am 29.06.2009 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Die mit der Androhungsverfügung gesetzte Nachfrist von 6 Wochen ist bereits am 03.06.2009 abgelaufen.

Die Beschwerdeführerin hat auch schuldhaft gehandelt.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 1 HGB setzt nach allgemeiner Meinung voraus, dass die Gesellschaft die sie nach den §§ 325 ff. HGB treffenden Pflichten schuldhaft verletzt hat. Der Verschuldensvorwurf, der positiv festzustellen ist, muss sich dabei insbesondere auf das fruchtlose Verstreichen der mit der Androhungsverfügung (§ 335 Abs. 3 HGB) gesetzten Nachfrist erstrecken. Die Gründe, die zu der Überschreitung der Fristen geführt haben, sind jedoch zumindest in aller Regel für außenstehende Dritte nicht erkennbar. Deshalb trifft die Beschwerdeführerin insoweit auch im Rahmen eines der Amtsermittlung unterliegenden Verfahrens eine sekundäre Darlegungslast. Es obliegt also zunächst der Beschwerdeführerin, darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Fristen nicht eingehalten wurden.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen des Landgerichts Bonn und des Bundesamtes für Justiz steht die Einlassung der Beschwerdeführerin einem Verschuldensvorwurf nicht entgegen.

Dabei kann dahinstehen, ob der von der Beschwerdeführerin mit der Einreichung der Jahresabschlussunterlagen beauftrage Steuerberater sorgfaltspflichtwidrig gehandelt hat. Auch wenn dies zu bejahen wäre, müsste sich die Beschwerdeführerin ein derartiges Verschulden jedenfalls nicht als eigenes Verschulden zurechnen lassen (wie hier LG Bonn NJW-RR 2010, 698; eine Zurechnung dagegen bejahend LG Bonn DStR 2009, 451; diese Frage ausdrücklich offen lassend BVerfG, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 1 BvR 364/09). Eine Verschuldenszurechnung kommt weder über § 278 BGB (analog) noch über § 152 Abs. 1 S. 3 AO in Betracht. Zwar muss sich der Steuerpflichtige nach § 152 Abs. 1 S. 3 AO ein Verschulden seines Steuerberaters zurechnen lassen (vgl. BFH BStBl 1987, 543; Klein/Gersch, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 152 Rn. 4). Und nach § 278 BGB muss sich jeder, der einen Dritten zur Erfüllung seiner Schuldnerverbindlichkeiten hinzuzieht, dessen Verschulden zurechnen lassen. Das Ordnungsgeld nach § 335 Abs. 1 HGB hat jedoch repressiven Charakter (vgl. BVerfG NZG 2009, 874). Es stellt (auch) eine Sanktion des zurückliegenden Gesetzesverstoßes dar. Wenn aber § 335 Abs. 1 HGB zumindest auch eine strafähnliche Funktion hat, muss Voraussetzung der Festsetzung des Ordnungsgeldes auch ein eigenes Verschulden der betroffenen Gesellschaft sein und die Zurechnung des Verschuldens Dritter ausscheiden (vgl. BVerfG NJW 1967, 195; NJW-RR 2007, 860). Maßgebend ist allein das Verschulden der für die Gesellschaft verantwortlich handelnden Personen im Sinne des § 31 BGB (vgl. BVerfG NJW-RR 2007, 860).

Der Beschwerdeführerin ist jedoch eine eigene, den Verschuldensvorwurf begründende Sorgfaltspflichtverletzung zur Last zu legen.

Die Beschwerdeführerin – dies ergibt sich aus der unwiderlegbaren Einlassung des Verfahrensbevollmächtigten – ist zwar nach dem Erhalt der Androhungsverfügung, die Grundlage der angegriffenen Ordnungsgeldentscheidung ist, ohne schuldhaftes Zögern aktiv geworden und hat einen Steuerberater mit der Erfüllung der sich aus § 325 HGB ergebenden Pflichten betraut. Allerdings hat die Beschwerdeführerin die dann noch bei ihr verbliebene Überwachungspflicht verletzt.

Es ist der Gesellschaft unbenommen, zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten – hier der Erstellung und Einreichung der Jahresabschlussunterlagen – Dritte hinzuzuziehen. Hat die Gesellschaft einen unmissverständlichen Auftrag erteilt und handelt es sich bei dem Dritten um eine Person, die regelmäßig beruflich mit der Erfüllung derartiger Pflichten betraut sind – hinsichtlich der Offenlegungspflicht sind dies insbesondere Steuerberater –, darf die Gesellschaft grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Dritte die übertragene Pflicht ordnungsgemäß erfüllt (vgl. FG Nürnberg BeckRS 2007, 26024140; siehe auch BGH NJW 1981, 2815). Die Beauftragung eines derartigen Fachberaters nach dem Erhalt einer Androhungsverfügung ist eine Möglichkeit eines den Sorgfaltsanforderungen – also den Anforderungen, die an einen ordentliche handelnden Kaufmann zu stellen sind – entsprechenden Handelns.

Jedoch führt die Hinzuziehung eines solchen Dritten nicht dazu, dass die Gesellschaft in jeder Hinsicht von der zu erfüllenden gesetzlichen Pflicht befreit würde. Vielmehr aktualisiert sich damit eine andere Pflicht. Die Gesellschaft hat nunmehr zu überwachen, ob der von ihr beauftragte Dritte die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt (vgl. BGH NJW 2001, 969; LG Bonn BeckRS 2010, 20251). Sie muss also organisatorische Maßnahmen dafür treffen, dass Sie auch nach der Beauftragung des Dritten über den Fortgang der Pflichterfüllung und etwaige Probleme dabei unterrichtet bleibt.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Gesellschaft diese weitere Pflicht verletzt und insoweit sorgfaltspflichtwidrig gehandelt hat, ist zwar einerseits zunächst wieder von dem Grundsatz auszugehen, dass die Gesellschaft bei der Beauftragung geeigneter Personen auf eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung vertrauen darf (dazu bereits oben). Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erhalts der Androhungsverfügung bereits die sich aus § 325 Abs. 1 HGB ergebende Offenlegungsfrist hatte verstreichen lassen und nunmehr, da bereits ein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet ist und das weitere Handeln in Ansehung des angedrohten Ordnungsgeldes erfolgt, an die Einhaltung der mit der Androhungsverfügung gesetzten Frist gesteigerte Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind.

Wenngleich eine Gesellschaft bei der Hinzuziehung eines Fachberaters grundsätzlich lediglich dafür Sorge tragen muss, dass ihr Unregelmäßigkeiten bei der Pflichterfüllung nicht über einen längeren Zeitraum hinweg verborgen bleiben (vgl. FG Nürnberg BeckRS 2007, 26024140, auch zu Ausnahmen von diesem Grundsatz), lassen es die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen nach dem Erhalt der Androhungsverfügung nicht zu, dass sich die Gesellschaft weiterhin ohne Weiteres auf diesen Vertrauensgrundsatz berufen darf. Es entspricht nicht den Anforderungen, die an einen ordentlich handelnden Kaufmann zu stellen sind, die Sache in Ansehung des Ordnungsgeldes und in Anbetracht der kurzen Frist nach § 335 Abs. 3 S .1 HGB mit der Beauftragung eines Dritten als abgeschlossen zu betrachten. Vielmehr obliegt es der Gesellschaft in dieser Situation, sich selbst eine Wiedervorlagefrist zu setzen und sich noch vor dem Ablauf der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist zu versichern, dass diese Frist eingehalten wurde oder wird. Dabei ist die Wiedervorlagefrist so zu wählen, dass die Gesellschaft dann, wenn der Beauftragte Berater noch nicht tätig geworden sein sollte, weitere, auf die Erfüllung der Offenlegungspflicht gerichtete Maßnahmen ergreifen kann. Erst wenn die Pflichterfüllung für die Gesellschaft zuverlässig von der beauftragten Person bestätigt wird, kann sie die Offenlegungspflicht als erledigt betrachten. Ob die Gesellschaft erst dann von einer zuverlässigen Bestätigung ausgehen darf, wenn ihr Unterlagen vorgelegt werden, die die Einreichung bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers bestätigen, oder ob sie auch auf eine telefonische Auskunft des von ihr beauftragten Beraters vertrauen darf, kann hier dahinstehen.

Die Einlassung der Beschwerdeführerin verhält sich nicht zu einer Rückfrage bei dem beauftragten Steuerberater noch vor Ablauf der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist. Die geschilderten Umstände lassen aber folgenden Schluss zu: Hätte sich die Beschwerdeführerin rechtzeitig bei dem Steuerberater über den Fortgang der Pflichterfüllung informiert, hätte sie spätestens im Mai 2009 erfahren, dass sich die Bearbeitungszeit bei dem beauftragten Steuerberater krankheitsbedingt verzögert. Sie hätte dann weitere Maßnahmen ergreifen, etwa einen anderen Steuerberater beauftragen können, um die Offenlegungspflicht noch zu erfüllen und das Ordnungsgeld abzuwenden.

Das Ordnungsgeld ist auch durch die Veröffentlichung, die nach Ablauf der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist erfolgt ist, nicht entfallen, denn es hat auch Sanktionscharakter, ahndet also die bereits eingetretene Pflichtverletzung (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2009, Az. 1 BvR 3413/08 = NZG 2009, 874). Nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist war das Ordnungsgeld daher unabhängig davon festzusetzen, ob die Offenlegung noch nachgeholt worden ist.

Die Höhe des Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden. Das Ordnungsgeld beträgt nach § 335 Abs. 1 HGB mindestens 2.500,00 Euro und höchstens 25.000,00 Euro. Hier hat sich das Bundesamt darauf beschränkt, den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag von 2.500,00 Euro festzusetzen. Eine weitere Herabsetzung des Ordnungsgeldes ist – abgesehen von dem Fall des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB – ebenso wie ein Erlass aus Billigkeitsgründen nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn das Gericht das im Einzelfall vorliegende Verschulden als gering bewertet. Die Voraussetzungen des § 335 Abs. 3 Satz 5 HGB (geringfügige Fristüberschreitung) liegen nicht vor. Das Landgericht sieht in ständiger Rechtsprechung nur eine Fristüberschreitung von maximal zwei Wochen als geringfügig an.

Die Höhe des Ordnungsgelds erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Das Gericht muss berücksichtigen, dass der Gesetzgeber der Offenlegungspflicht eine hohe Bedeutung zugemessen und einen entsprechend hohen Mindestbetrag verbindlich festgelegt hat. Im Übrigen hätte es die Beschwerdeführerin, der die einschlägigen Vorschriften bekannt sein mussten (vgl. dazu auch Ebenroth/Boujong u.a., HGB, 2. Aufl., § 347 Rn. 29) oder jedenfalls durch die Androhungsverfügung bekannt gemacht wurden, in der Hand gehabt, durch eine rechtzeitige Offenlegung die Festsetzung eines Ordnungsgelds abzuwenden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 335 Abs. 5 S. 7 HGB). Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig (§ 335 Abs. 5 S. 6 HGB).

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 EUR

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