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Online-Banking-Betrug: Haftung bei TAN-Weitergabe – wer haftet?

Nach einem Online-Banking-Betrug mit Weitergabe einer TAN verlor eine Kundin fast 35.000 Euro. Obwohl ihr juristisch eine Erstattung zustand, forderte die Bank aufgrund grober Fahrlässigkeit den gesamten Schaden zurück.

Zum vorliegenden Urteil Az.: Bm 6 O 103/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Heilbronn
  • Datum: 27.08.2024
  • Aktenzeichen: Bm 6 O 103/24
  • Verfahren: Klageverfahren
  • Rechtsbereiche: Zahlungsdienstrecht, Bankhaftungsrecht

  • Das Problem: Eine Kundin forderte von ihrer Bank die Erstattung von fast 35.000 Euro, die Betrüger mit einer digitalen Karte vom Konto abbuchten. Die Bank lehnte dies ab, weil die Kundin zuvor in einem Telefonat die geheime Freischaltungs-TAN an den Betrüger weitergegeben hatte.
  • Die Rechtsfrage: Muss die Bank den Schaden bei nicht autorisierten Zahlungen ersetzen, wenn der Kunde die missbräuchliche Nutzung durch die grob fahrlässige Weitergabe einer TAN zur Kartenfreischaltung ermöglicht hat?
  • Die Antwort: Die Klage wurde abgewiesen. Zwar waren die Zahlungen der Betrüger nicht autorisiert, aber die Kundin handelte grob fahrlässig und verlor dadurch ihren Erstattungsanspruch vollständig.
  • Die Bedeutung: Kunden müssen Transaktionsnummern (TANs) und andere Zugangsdaten unter allen Umständen schützen. Die Weitergabe einer TAN an angebliche Bankmitarbeiter, um eine digitale Karte freizuschalten, gilt als Grobe Fahrlässigkeit, die zur vollen Haftung für den Schaden führt.

Der Fall vor Gericht


Wie kann ein berechtigter Anspruch auf 35.000 Euro durch einen einzigen Fehler pulverisiert werden?

Auf dem Papier sah es für die Bankkundin zunächst gut aus. Ihr Konto war um fast 35.000 Euro geplündert worden, zweifellos ohne ihre Zustimmung. Das Gesetz ist hier klar: Grundsätzlich muss die Bank für solche nicht autorisierten Zahlungen geradestehen und das Geld erstatten. Das regelt der Paragraph 675u des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Ein Bankkunde übergibt fahrlässig seine SecureGo-TAN für die Aktivierung einer betrügerischen digitalen Karte.
Das Landgericht sah den Erstattungsanspruch über 34.999,76 Euro durch Aufrechnung wegen TAN-Weitergabe als erloschen an. | Symbolbild: KI

Ein klarer Fall, so schien es. Doch die Bank legte dem Gericht eine eigene Rechnung vor. Eine Gegenrechnung, die den Anspruch der Kundin nicht nur schmälern, sondern komplett auslöschen sollte. Der Fall vor dem Landgericht Heilbronn wurde zu einer Lehrstunde darüber, wie ein juristischer Anspruch durch einen einzigen, fatalen Moment der Unachtsamkeit zunichtegemacht werden kann.

Weshalb war die Bank überhaupt in der Pflicht, das Geld zu erstatten?

Die Ausgangslage war unstrittig. Zwischen Juli und September 2023 tauchten auf dem Gemeinschaftskonto eines Ehepaars unzählige Abbuchungen auf. Es waren Zahlungen bei Discountern im Raum Bremen – hunderte Kilometer vom Wohnort der Kontoinhaber entfernt. Insgesamt fehlten 34.999,76 Euro. Das Ehepaar versicherte, diese Zahlungen niemals getätigt oder genehmigt zu haben.

Das Gericht folgte dieser Darstellung ohne Zögern. Die räumliche Distanz, die Art und die schiere Menge der Kleinbetragszahlungen sprachen eine deutliche Sprache. Hier waren Dritte am Werk. Damit lag ein sogenannter Nicht autorisierter Zahlungsvorgang vor. Die Rechtsfolge aus § 675u BGB ist eindeutig: Der Zahlungsdienstleister – also die Bank – muss seinem Kunden den abgebuchten Betrag unverzüglich zurückerstatten. Der Anspruch der Kundin auf Wiederherstellung ihres Kontostandes war dem Grunde nach also vollkommen berechtigt.

Welchen juristischen Hebel nutzte die Bank, um die Zahlung zu verweigern?

Die Bank bestritt die fehlende Autorisierung der einzelnen Einkäufe nicht. Ihr Argument zielte auf einen viel früheren Zeitpunkt. Sie behauptete, die Kundin habe den gesamten Betrug erst durch einen eigenen schweren Fehler ermöglicht. Die Bank präsentierte dem Gericht eine präzise Kette von Ereignissen. Alles begann mit der Bestellung einer digitalen Debitkarte, die auf einem Smartphone hinterlegt wird. Diese Bestellung erfolgte mit den Online-Banking-Daten des Ehepaars. Um diese digitale Karte zu aktivieren, war ein letzter Schritt nötig: die Eingabe einer Transaktionsnummer, einer TAN.

Genau hier setzte die Falle der Betrüger an. Am 15. Juli rief ein angeblicher Bankmitarbeiter bei der Kundin an. Exakt zu dieser Zeit schickte das Rechenzentrum der Bank die entscheidende Aktivierungs-TAN an die auf dem Smartphone der Kundin installierte Sicherheits-App – die VR-Secure-Go-plus-App. Die Bank argumentierte: Die Kundin muss diese TAN dem Anrufer verraten oder selbst in eine Maske eingegeben haben. Dieses Verhalten sei nicht nur unvorsichtig, sondern grob fahrlässig.

Mit dieser Argumentation baute die Bank einen Gegenanspruch auf. Die Pflichten von Bankkunden im Umgang mit Sicherheitsmerkmalen sind in § 675l BGB geregelt. Ein Verstoß kann zu einem Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Kunden führen, festgeschrieben in § 675v Absatz 3 BGB. Die Bank rechnete ihren Schadensersatzanspruch – der exakt der Schadenssumme von 34.999,76 Euro entsprach – einfach gegen den Erstattungsanspruch der Kundin auf. Juristen nennen diesen Vorgang Aufrechnung (§ 389 BGB). Das Ergebnis ist eine simple Subtraktion: Anspruch minus Gegenanspruch ergibt null. Der Erstattungsanspruch der Kundin erlosch.

Warum glaubte das Gericht der Bank und nicht der Kundin?

Die Kundin bestritt vehement, jemals eine TAN weitergegeben zu haben. Sie und ihr Mann hätten kaum Online-Banking genutzt und von einer digitalen Karte nichts gewusst. Das Gericht stand vor der Aufgabe, die wahrscheinlichere Version der Geschichte zu ermitteln. Es stützte seine Überzeugung auf eine Kette von Indizien, die gegen die Kundin sprachen.

Der entscheidende Punkt war die technische Beweislage. Die Aktivierungs-TAN wurde nicht per SMS verschickt – ein Weg, der als angreifbar gilt. Sie landete direkt in der gesicherten App auf dem Smartphone, das eindeutig der Kundin zugeordnet war. Ein technischer Angriff von außen, der diese TAN ohne Zutun der Kundin abfängt, erschien dem Gericht als fernliegend. Ein teures Sachverständigengutachten war dafür nicht nötig.

Hinzu kam die perfekte zeitliche Übereinstimmung. Der Anruf des Betrügers und die systemseitig protokollierte Freigabe der digitalen Karte passten sekundengenau zusammen. Schließlich verstrickte sich die Klägerin in Widersprüche. Ihre Schilderungen des Telefonats waren vage. Später musste sie einräumen, die Sicherheits-App doch genutzt zu haben. Eine von ihr getätigte Online-Überweisung untermauerte dies. Die Gesamtschau der Beweise ließ für das Gericht nur einen Schluss zu: Die Kundin hatte in jenem Telefonat die Kontrolle über ihre Daten verloren und den Betrügern die Tür zu ihrem Konto selbst geöffnet. Das Gericht wertete dies als grobe Fahrlässigkeit.

Hätte die Bank die verdächtigen Transaktionen nicht erkennen und blockieren müssen?

Die Klägerin versuchte ein letztes Argument. Eine Bank müsse doch auffällige Transaktionsmuster erkennen und einschreiten. Die vielen kleinen Zahlungen in kurzer Zeit an einem fremden Ort hätten die Alarmglocken schrillen lassen müssen. Sie berief sich auf europäische Vorschriften, die Banken zur Überwachung von Transaktionen verpflichten.

Das Gericht wies diesen Einwand zurück. Es stellte klar, dass diese aufsichtsrechtlichen Regeln die allgemeine Sicherheit des Zahlungsverkehrs gewährleisten sollen. Sie begründen aber keine konkrete zivilrechtliche Pflicht der Bank gegenüber dem einzelnen Kunden, jede Zahlung in Echtzeit zu analysieren und im Verdachtsfall zu blockieren. Eine solche Pflicht würde den Massenzahlungsverkehr lahmlegen. Ein Mitverschulden der Bank, das ihren Gegenanspruch hätte mindern können, lag somit nicht vor. Die volle Verantwortung blieb bei der Kundin. Die Klage wurde abgewiesen.

Die Urteilslogik

Der gesetzliche Anspruch auf Erstattung nicht autorisierter Zahlungen erlischt augenblicklich, sobald der Kunde durch grobe Fahrlässigkeit den Betrug kausal erst ermöglicht.

  • Kundenfehler eliminiert Erstattungsanspruch: Wenn Kunden Sicherheitscodes oder Transaktionsnummern (TANs) unbefugt an Dritte weitergeben, handeln sie grob fahrlässig und verlieren dadurch ihren gesetzlichen Anspruch auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Kontostandes vollständig.
  • Technische Indizien beweisen Fahrlässigkeit: Ein Gericht folgert die grobe Fahrlässigkeit des Kunden aus der technischen Beweislage, da die systemseitig protokollierte Freigabe über eine hochgesicherte App das aktive Zutun des Kontoinhabers unwiderlegbar impliziert.
  • Keine individuelle Warnpflicht bei Massenzahlungen: Die allgemeine aufsichtsrechtliche Pflicht der Banken, verdächtige Transaktionen zu überwachen, begründet keine konkrete zivilrechtliche Pflicht, jede einzelne Zahlung in Echtzeit zu analysieren und zugunsten des Kunden zu blockieren.

Die Sorgfaltspflicht des Kunden im Umgang mit seinen digitalen Zugangsdaten bleibt somit die unüberwindbare erste Verteidigungslinie gegen jeden Kontomissbrauch.


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Verweigert Ihre Bank die Erstattung wegen angeblich grober Fahrlässigkeit bei der TAN-Weitergabe? Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche rechtliche Ersteinschätzung Ihres Falls.


Experten Kommentar

Klar, 35.000 Euro sind weg und die Bank muss das Geld nach Gesetz eigentlich erstatten. Das Urteil demonstriert knallhart, dass technische Protokolle von Aktivierungs-TANs heute die entscheidende Waffe der Bank sind, um die Haftung abzuwehren. Passen die Logdaten der SecureGo App sekundengenau zum Zeitpunkt des Phishing-Anrufs, gilt die grobe Fahrlässigkeit des Kunden als bewiesen. Damit verliert man den gesetzlichen Anspruch auf Erstattung nicht nur teilweise, sondern die Bank rechnet den gesamten Schaden durch ihren eigenen Schadensersatzanspruch vollständig gegen null auf.


Symbolbild für Rechtsfragen (FAQ): Allegorische Justitia mit Waage und Richterhammer.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer haftet bei Online-Banking-Betrug, wenn ich unabsichtlich eine TAN weitergegeben habe?

Geben Sie eine Transaktionsnummer (TAN) an Betrüger weiter, auch wenn dies unabsichtlich geschieht, verlieren Sie in der Regel Ihren gesetzlichen Erstattungsanspruch gegen die Bank vollständig. Die Bank muss zunächst für nicht autorisierte Zahlungen aufkommen, wie es § 675u BGB vorschreibt. Diese Pflicht entfällt aber sofort, sobald Ihnen bei dem Vorfall eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird. Die unautorisierte Weitergabe elementarer Sicherheitsmerkmale gilt als massiver Verstoß gegen Ihre Sorgfaltspflichten als Kontoinhaber.

Die Bank kann in solchen Fällen einen eigenen Anspruch auf Schadensersatz gegen Sie geltend machen, der in § 675v BGB verankert ist. Dieser Schadensersatzanspruch ist meistens genauso hoch wie die gesamte Schadenssumme, die den Kontostand betrifft. Die Bank nutzt dann den juristischen Hebel der Aufrechnung (§ 389 BGB). Sie rechnen den eigenen Anspruch wegen Ihrer Fahrlässigkeit gegen Ihren ursprünglichen Erstattungsanspruch auf, sodass dieser faktisch erlischt.

Nehmen wir an, die Betrüger nutzten die TAN, um eine neue digitale Karte zu aktivieren, die dann das Konto plünderte. Ein solcher einzelner Fehler, wie im Fall vor dem Landgericht Heilbronn, kann eine berechtigte Forderung von fast 35.000 Euro vollständig auf null reduzieren. Die Gerichte sehen die Weitergabe einer TAN als elementaren Pflichtverstoß an, selbst wenn der Anrufer hochprofessionell die Bank imitierte.

Überprüfen Sie sofort die Sicherheitsbestimmungen Ihrer Bank, um genau zu wissen, welche Pflichten Sie im Umgang mit TANs und der Zwei-Faktor-Authentifizierung tragen.


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Wann verliere ich meinen Erstattungsanspruch gegen die Bank wegen grober Fahrlässigkeit?

Der Erstattungsanspruch erlischt, sobald ein Gericht Ihnen grobe Fahrlässigkeit nachweisen kann. Banken nutzen dafür die technische Beweislage, um eine schlüssige Kette von Indizien aufzubauen. Entscheidend ist der Beweis, dass Sie die Transaktionsnummer (TAN) aktiv freigegeben haben, wodurch elementare Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Die perfekte zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Betrügeranruf und der technischen Freigabe ist oft das schlagendste Beweismittel.

Gerichte bewerten die technische Machbarkeit eines Betrugs sehr streng. Kam die TAN in einer gesicherten App an, halten die Richter ein externes, technisches Abfangen für äußerst unwahrscheinlich und fernliegend. Die Bank muss lediglich belegen, dass die Aktivierung auf Ihrem eigenen, gesicherten Gerät stattfand. Da diese Verfahren hochgradig geschützt sind, wird die Weitergabe der TAN durch Sie selbst zur plausibelsten Erklärung für den entstandenen Schaden.

Betrüger nutzen häufig die zeitliche Übereinstimmung ihres Anrufs mit der Freigabe der TAN durch das Bankensystem. Wenn die Aktivierungs-TAN sekundengenau während des Telefonats autorisiert wird, gilt dies als unüberwindliches Indiz für Ihr Zutun. Zudem können widersprüchliche Aussagen über die Nutzung der Sicherheits-Apps oder den Inhalt des Telefonats die richterliche Überzeugung von der groben Fahrlässigkeit zusätzlich erhärten.

Erstellen Sie bei einem Vorfall sofort ein detailliertes, chronologisches Gedächtnisprotokoll des Anrufs und der Freigabe.


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Reichen technische Protokolle der Bank aus, um meine grobe Fahrlässigkeit zu beweisen?

Ja, die technischen Protokolle moderner Online-Banking-Verfahren besitzen eine sehr hohe Beweiskraft. Wenn Sie ein gesichertes App-basiertes TAN-Verfahren nutzen, belegt das Protokoll meist eindeutig die Freigabe auf Ihrem eigenen Gerät. Gerichte sehen in der Kombination dieser Daten und dem zeitlichen Ablauf oft einen hinreichenden Beweis für grobe Fahrlässigkeit des Kunden.

Die Art des TAN-Versands spielt hier eine entscheidende Rolle. Wurde die Transaktionsnummer in eine gesicherte App geschickt, die nur auf Ihrem Smartphone läuft, betrachten Gerichte die Möglichkeit eines technischen Angriffs von außen als fernliegend. Die Bank muss in solchen Fällen keinen aufwendigen Sachverständigen beauftragen, um eine Manipulation zu widerlegen. Vielmehr dienen die technischen Protokolle als primärer Beleg dafür, dass die Aktivierungs-TAN ordnungsgemäß ausgelöst und auf dem kundeneigenen Gerät autorisiert wurde.

Konkret: Belegen die Protokolle die Freigabe einer Aktivierungs-TAN, liegt die Beweislast faktisch beim Kunden. Sie müssen schlüssig darlegen, wie die TAN ohne Ihr Zutun aus der gesicherten App zu den Betrügern gelangte. Die perfekte zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Anruf des Betrügers und der technischen Freigabe der Zahlungsmittel wird von den Gerichten als unüberwindliches Indiz gewertet. Dies reduziert die Beweiskraft Ihrer Argumentation und macht eine Widerlegung in der Praxis extrem schwierig.

Fordern Sie von Ihrer Bank das Protokoll über die TAN-Generierung an und gleichen Sie die genauen Zeitstempel mit den Aufzeichnungen Ihres Telefons ab.


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Muss meine Bank verdächtige Abbuchungen blockieren oder einen Schaden verhindern?

Obwohl Banken regulatorisch verpflichtet sind, verdächtige Zahlungsmuster zu erkennen, begründen diese Vorgaben keine direkte zivilrechtliche Haftung gegenüber dem einzelnen Kunden. Das Landgericht Heilbronn stellte klar, dass die Nichterfüllung dieser allgemeinen, aufsichtsrechtlichen Pflichten nicht automatisch zu einer Teilschuld der Bank führt. Die Gerichte sehen in der Regel keine Pflicht zur Echtzeit-Blockierung jeder einzelnen Transaktion, wenn die ursprüngliche Transaktion autorisiert wurde.

Banken müssen europäische Vorschriften zur Sicherstellung des Massenzahlungsverkehrs einhalten und haben allgemeine Überwachungspflichten, etwa zur Geldwäscheprävention. Diese Pflichten dienen dem Schutz des gesamten Finanzsystems, nicht der spezifischen Absicherung des einzelnen Kontoinhabers gegen seine eigene grobe Fahrlässigkeit. Wäre die Bank gezwungen, jede potenziell verdächtige Zahlung sofort zu prüfen und zu stoppen, würde der moderne, schnelle Zahlungsverkehr massiv verlangsamt und unnötig behindert.

Im Fall vor dem Landgericht Heilbronn versuchte die Kundin, die Bank wegen der vielen kleinen, weit entfernten Zahlungen in die Haftung zu nehmen. Das Gericht lehnte dies ab. Es entschied, dass die Nichterkennung dieser auffälligen Muster keinen Pflichtverstoß darstellt, der ein Mitverschulden der Bank begründen würde. War die grobe Fahrlässigkeit des Kunden (die Freigabe des Zugangs) die Hauptursache für den Betrug, bleibt die volle Verantwortung für den entstandenen Schaden beim Kontoinhaber.

Prüfen Sie Ihre Kommunikationshistorie auf Warnhinweise Ihrer Bank zu ungewöhnlichen Kontobewegungen, die möglicherweise nach der betrügerischen Aktivierung, aber vor den meisten Abbuchungen gesendet wurden.


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Darf ich eine Aktivierungs-TAN am Telefon freigeben, auch wenn der Anrufer sich als Bank ausgibt?

Die Antwort ist ein klares Nein, unter keinen Umständen. Selbst wenn ein Anrufer extrem glaubwürdig klingt und spezifische Bankdaten nennen kann, dürfen Sie niemals eine Transaktionsnummer weitergeben. Die Weitergabe einer Aktivierungs-TAN gilt als elementarster Verstoß gegen Ihre Geheimhaltungspflicht als Kontoinhaber. Das perfekte Timing der Betrüger entschuldigt Ihr Handeln juristisch nicht.

Ihre Bank wird Sie niemals telefonisch zur Herausgabe oder Eingabe von TANs auffordern. Aktivierungs-TANs sind kryptische Schlüssel, die Betrügern den dauerhaften Zugang zu Ihrem Konto oder zur Freischaltung neuer digitaler Zahlungsmittel ermöglichen. Juristisch spielt es keine Rolle, wie perfide die Methode der Betrüger (Social Engineering) war. Die Verantwortung für die Sicherheit der TAN liegt immer beim Kunden, festgelegt in § 675l BGB.

Werden Aktivierungs-TANs am Telefon freigegeben, stufen Gerichte dies fast immer als grob fahrlässig ein. Die Bank ist in diesem Fall berechtigt, die Erstattung des Schadens vollständig zu verweigern. Sie argumentiert dann, dass der Schaden erst durch den schwerwiegenden Fehler bei der Freigabe des Zugangsschlüssels entstanden ist. Dieses Verhalten wertete beispielsweise das Landgericht Heilbronn in einem Fall zu Phishing-Betrug als unvorsichtig und grob fahrlässig.

Rufen Sie bei jedem unerwarteten Anruf, der Sicherheitsdaten abfragt oder eine sofortige Aktion verlangt, die Nummer Ihrer Bank sofort über eine Ihnen bekannte, offizielle Telefonnummer zurück.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Juristisches Glossar: Symbolbild der Justitia mit Waage und Richterhammer.

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Aufrechnung

Aufrechnung ist das juristische Instrument, mit dem eine Partei ihre eigene, gleichartige Forderung gegen die Forderung des Gegners geltend macht, um beide Ansprüche zum Erlöschen zu bringen. Dieses Verfahren schafft Rechtssicherheit und vereinfacht die Abwicklung von Schulden, indem es einen doppelten Geldfluss unnötig macht. Der Gesetzgeber erlaubt die Aufrechnung, wenn sich die Forderungen in Art und Höhe decken können.

Beispiel: Die Bank nutzte die Aufrechnung, indem sie ihren Schadensersatzanspruch wegen grober Fahrlässigkeit der Kundin gegen deren ursprünglichen Erstattungsanspruch über fast 35.000 Euro rechnete, wodurch der Anspruch der Kundin auf null reduziert wurde.

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Beweiskraft

Die Beweiskraft beschreibt den Grad der Überzeugung, den ein Gericht aus einem bestimmten Beweismittel, etwa einem technischen Protokoll oder einer Zeugenaussage, für die Feststellung eines Sachverhalts zieht. Hohe Beweiskraft führt dazu, dass das Gericht einen Sachverhalt als erwiesen ansieht, ohne dass dafür ein teures Sachverständigengutachten erforderlich wäre. Moderne Gerichte messen insbesondere gesicherten digitalen Protokollen eine hohe Beweiskraft bei.

Beispiel: Im vorliegenden Betrugsfall maß das Landgericht Heilbronn der technischen Protokollierung der Aktivierungs-TAN innerhalb der gesicherten App eine so hohe Beweiskraft bei, dass die Darstellung der Bank als die wahrscheinlichere Version der Geschichte gewertet wurde.

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Grobe Fahrlässigkeit

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und dabei nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen. Wer durch ein so elementares Fehlverhalten einen Schaden verursacht, verliert in der Regel den Schutz des Gesetzes, dies gilt im Zahlungsverkehr insbesondere bei der unachtsamen Weitergabe von sensiblen Sicherheitsmerkmalen.

Beispiel: Das Gericht sah die Freigabe der Aktivierungs-TAN durch die Bankkundin an den Anrufer, die zur Aktivierung der digitalen Karte führte, als grobe Fahrlässigkeit an, wodurch die Bank von ihrer gesetzlichen Erstattungspflicht entbunden war.

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Nicht autorisierter Zahlungsvorgang

Ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang ist eine Abbuchung vom Konto des Kunden, die ohne seine Zustimmung oder Genehmigung erfolgt ist und meist durch betrügerische Dritte ausgelöst wird. Nach § 675u BGB soll diese Regel den Verbraucherschutz im elektronischen Zahlungsverkehr stärken und legt die sofortige Erstattungspflicht primär beim Zahlungsdienstleister, also der Bank, an.

Beispiel: Als die Betrüger Hunderte Kleinbetragszahlungen von dem Gemeinschaftskonto vornahmen, lag zunächst ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vor, der dem Grunde nach einen berechtigten Erstattungsanspruch der Kundin begründete.

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Zivilrechtliche Haftung

Die zivilrechtliche Haftung bestimmt die direkten finanziellen und rechtlichen Pflichten einer Partei gegenüber einer anderen Partei, die sich aus einem Vertragsverhältnis oder einem konkreten Schaden ergeben. Dieses Rechtsgebiet regelt den Ausgleich privater Interessen und Schäden und ist strikt zu unterscheiden von öffentlich-rechtlichen aufsichtsrechtlichen Pflichten der Banken.

Beispiel: Das Landgericht Heilbronn stellte klar, dass die aufsichtsrechtlichen Pflichten der Bank zur Überwachung des Massenzahlungsverkehrs keine unmittelbare zivilrechtliche Haftung gegenüber der einzelnen Kundin begründen, wenn diese selbst grob fahrlässig handelte.

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Das vorliegende Urteil


LG Heilbronn – Az.: Bm 6 O 103/24 – Urteil vom 27.08.2024


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