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Online-Banking – missbräuchliche Verwendung von PIN und TAN

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 5 U 290/18 – Beschluss vom 29.10.2018

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. Juni 2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Berufungsstreitwert wird auf € 28.170,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung zweier von ihm nicht autorisierter Überweisungen von seinem Konto bei der Beklagten.

Online-Banking - missbräuchliche Verwendung von PIN und TAN
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage in der zuletzt geltend gemachten Hauptsache – abgesehen von einer geltend gemachten Verzinsung – stattgegeben und die Beklagte verurteilt, das Konto des Klägers wieder auf den Stand zu bringen, den es ohne die beiden streitgegenständlichen Belastungsbuchungen vom 31. August 2017 gehabt hätte.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Rechtsstreit sei ohne Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakte entscheidungsreif. Eine solche sei nicht vorzunehmen, da die Beklagte sie nicht zum Beweis einer konkreten Tatsache beantragt und im Übrigen ein eigenes Akteneinsichtsrecht habe.

Gemäß § 675u BGB aF könne der Kläger von der Beklagten verlangen, sein Konto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die streitgegenständlichen nicht autorisierten Zahlungsvorgänge vom 31. August 2017 befunden hätte. Das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Norm sei zwischen den Parteien nicht streitig.

Der Beklagten stehe auch kein Schadensersatzanspruch gemäß § 675v BGB aF zu, den sie dem genannten Anspruch des Klägers entgegenhalten könnte.

Die nicht autorisierten Zahlungsvorgänge beruhten nicht auf der Nutzung eines verloren gegangenen, gestohlenen oder sonst abhanden gekommenen Zahlungsauthentifizierungsinstruments (§ 675v Abs. 1 Satz 1 BGB aF). Fraglich sei bereits, ob es sich beim Mobiltelefon im sm-sTAN-Verfahren um ein Zahlungsauthentifizierungsinstrument handele oder nur der Einsatz auf diese Weise erhaltener Transaktionsnummern ein solches sei. Jedenfalls sei dem Kläger weder sein Mobiltelefon noch seine SIM-Karte verloren gegangen, gestohlen worden oder sonst abhandengekommen. Das Nichtfunktionieren der SIM-Karte stelle kein Abhandenkommen dar. Darüber hinaus wäre es für den Nutzer eines Mobiltelefons unzumutbar, jede Funktionsstörung sämtlichen Anbietern der über das Telefon zugänglichen Dienste melden zu müssen. Dem Kläger gemäß § 278 BGB ein Verschulden seines Mobilfunkanbieters zuzurechnen, scheitere schon an § 675m Abs. 2 BGB, welcher die Gefahr der Versendung personalisierter Sicherheitsmerkmale dem Zahlungsdienstleister zuweise. Im Übrigen liege auch in der Person der Streitverkündeten kein Fall des § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB aF vor, da ihr die für die nicht autorisierten Zahlungsvorgänge genutzte SIM-Karte weder verloren gegangen, gestohlen oder sonst abhandengekommen sei.

Auch liege kein Fall vor, in dem der Schaden infolge einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments entstanden sei und der Zahler die personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht sicher aufbewahrt habe (§ 675v Abs. 1 Satz 2 BGB aF). Ein unsicheres Aufbewahren durch den Kläger sei nicht nachgewiesen, vielmehr sei schon nicht dargelegt, dass der Kläger seine Online-Banking-PIN überhaupt (außerhalb seines Gedächtnisses) aufbewahrt habe. Selbst die – vom Kläger bestrittene – vermeintliche Verwendung der korrekten PIN lasse nicht darauf schließen, dass der Kläger sie nicht sicher aufbewahrt habe, da es allgemein bekannt technische Möglichkeiten des Abfangens gebe. Eine Umkehr der Beweislast ergebe sich nicht daraus, dass die Aufbewahrung der Sicherheitsmerkmale ausschließlich in der Sphäre des Zahlers erfolge. Der Beklagten kämen zwar die Grundsätze der sekundären Beweislast zugute, der Kläger habe allerdings in der mündlichen Verhandlung ausreichend zu den von ihm getroffenen Sicherheitsvorkehrungen vorgetragen. Dem Zahlungsdienstleister sei es auch zumutbar, das verbleibende Restrisiko der Unaufklärbarkeit der Schadensursache zu tragen. Eine Zurechnung eines Verschulden des Mobilfunkanbieters des Klägers scheitere schon an § 675m Abs. 2 BGB. Im Übrigen sei der Anbieter nicht Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der Pflicht zur sicheren Aufbewahrung der personalisierten Sicherheitsmerkmale.

Der Kläger habe die nicht autorisierten Zahlungsvorgänge auch nicht durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer oder mehrerer Pflichten gemäß § 675I BGB herbeigeführt (§ 675v Abs. 2 Nr. 1 BGB aF). Ein Unterlassen zumutbarer Vorkehrungen zum Schutz von PIN und TAN seitens des Klägers habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Es gebe auch keinen Erfahrungssatz, wonach bei einem Missbrauch des Online-Bankings bereits eine korrekte Aufzeichnung der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die beanstandungsfreie Prüfung der Authentifizierung für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers sprächen. Eine Umkehr der Beweislast ergebe sich nicht daraus, dass die Aufbewahrung der Sicherheitsmerkmale ausschließlich in der Sphäre des Zahlers erfolge. Der Beklagten kämen zwar die Grundsätze der sekundären Beweislast zugute, der Kläger habe allerdings in der mündlichen Verhandlung ausreichend zu den von ihm getroffenen Sicherheitsvorkehrungen vorgetragen. Eine Zurechnung eines Verschulden des Mobilfunkanbieters des Klägers scheitere schon an § 675m Abs. 2 BGB. Auf ein Vertretenmüssen des Klägers komme es schon nicht mehr an. Allerdings hafte der Kläger auch nicht für einfache Fahrlässigkeit, gemäß den AGB der Beklagten schon nicht mangels Nachweis deren Einbeziehung in den Vertrag. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers hinsichtlich der Benachrichtigung der Beklagten von der missbräuchlichen Verwendung sei nicht nachgewiesen.

Der Kläger habe auch die nicht autorisierten Zahlungsvorgänge nicht durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer oder mehrerer Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments herbeigeführt (§ 675v Abs. 2 Nr. 2 BGB aF). Die Beklagte habe schon nicht nachgewiesen, dass die von ihr angeführten Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil geworden seien.

Einen Anspruch auf Verzinsung habe der Kläger nicht, da der Anspruch aus § 675u Satz 2 BGB auf Rückgängigmachung der Belastungsbuchung nicht verzinslich sei, da er keine Geldschuld im Sinne des § 288 BGB darstelle.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie ausführt, das Landgericht hätte die strafrechtliche Ermittlungsakte beiziehen, jedenfalls auf ein vermeintlich unzureichendes Beweisangebot diesbezüglich hinweisen müssen.

Die Ansprüche des Klägers seien gemäß § 676c Nr. 1 BGB aF ausgeschlossen, da mit den unautorisierten Abverfügungen durch Dritte ein ungewöhnliches Ereignis vorliege. Dies sei auch unvorhersehbar gewesen, da kein Systemfehler bei der Beklagten vorliege. Das Ereignis liege außerhalb des Einflussbereichs der Beklagten und dessen Folgen seien auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen. Die Abweisung der Klage sei auch interessengerecht, da dem Kläger die Inanspruchnahme der Streitverkündeten verbleibe. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Kostenentscheidung des Landgerichts sei ohnehin fehlerhaft, weil sie nicht berücksichtige, dass der Kläger einen auf Zahlung gerichteten Hauptantrag zurückgenommen habe, um sodann seinen bisherigen Hilfsantrag als Hauptantrag zu stellen.

Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel (Az.: 12 O 562/17) – verkündet am 22.06.2018 und zugestellt am 25.06.2018 – aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil der Klage stattgegeben.

Der Senat hat die Parteien mit einstimmigem Beschluss vom 15. August 2018 auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen und dabei folgendes ausgeführt:

„1.

Das Landgericht hat den Rechtsstreit ohne Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakte entscheiden können.

Die Akte war nicht beizuziehen, da die Beklagte dies nicht zum Beweis einer konkreten Tatsache beantragt und im Übrigen ein eigenes Akteneinsichtsrecht hat. Ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß liegt nicht vor.

a)

Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass das Gericht zur Beiziehung einer pauschal in Bezug genommenen Akte mit dem Ziel der Ausforschung des Sachverhalts nicht verpflichtet ist.

Die Parteien eines Zivilprozesses können den Inhalt von Strafakten nicht allein durch deren Beiziehung zum Gegenstand des Rechtsstreits machen. Nach dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz ist es vielmehr Sache der Parteien, im Einzelnen darzulegen, was sie zum Gegenstand ihres Vortrags machen wollen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, Akten anderer Behörden daraufhin zu überprüfen, ob sie Tatsachen enthalten, die einer beweisbelasteten Partei günstig sind (OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 2001 – 9 U 98/94, juris Rn. 2).

Grundsätzlich genügt ein Antrag auf Beiziehung von Akten nach § 432 ZPO nicht den gesetzlichen Erfordernissen, wenn die Partei nicht näher bezeichnet, welche Urkunden oder Aktenteile sie für erheblich hält (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 – IX ZR 125/93, juris Rn. 21 mwN). Gibt der Richter einem Antrag auf Beiziehung von Akten statt, obwohl dieser den genannten Anforderungen nicht genügt, wird damit nicht ohne weiteres der gesamte Akteninhalt zum Gegenstand des Rechtsstreits; denn das wäre mit dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz nicht vereinbar. Infolgedessen ist der Tatrichter nicht verpflichtet, von sich aus die Akten daraufhin zu überprüfen, ob sie Tatsachen enthalten, die einer Partei günstig sind; andernfalls betriebe er unzulässige Beweisermittlung. Aktenteile, auf die sich keine Partei erkennbar beruft, gehören folglich selbst dann nicht zum Prozessstoff, wenn es in der Terminsniederschrift oder im Urteil heißt, eine Akte sei zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Solche Vermerke sind vielmehr grundsätzlich in dem Sinne zu verstehen, dass sie sich nur auf die Teile der Akte beziehen, die einen von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt betreffen. Der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, dass durch die Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln der gesamte, bis zum Termin angefallene Akteninhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, betrifft die Hauptakten, die in der Regel das gesamte Parteivorbringen enthalten, nicht dagegen Akten anderer Behörden, die nach § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 432 ZPO beigezogen worden sind (BGH, Urteil vom 9. Juni 1994 – IX ZR 125/93, juris Rn. 21).

Die Beklagte hat die Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakte nicht zum Beweis einer konkreten Tatsache (gemäß § 432 Abs. 1 ZPO) im Urkundsbeweis beantragt Sie hat vielmehr im Schriftsatz vom 12. April 2018 (dort Seite 6, Blatt 79 d. A.) die Beiziehung der Akte ohne einen solchen Beweisantrag angeregt, dies unter Hinweis darauf, dass die Beklagte sich keinesfalls unkooperativ verhalten habe und der Kläger durch das Ermittlungsverfahren weitere Erkenntnisse erlangt haben werde. Um den Beweis irgendeiner Tatsache, die der Beklagten günstig ist, ist es dabei nicht gegangen.

b)

Darüber hinaus stand der Beklagten ein eigenes Akteneinsichtsrecht zu, welches eine Verpflichtung zur Beiziehung der Akten gemäß § 432 Abs. 2 ZPO ausschließt.

Die Beklagte hätte gemäß § 406e StPO (i. V. m. Nrn. 182 bis 189 RiStBV) als Verletzte des Computerbetrugs durch nicht autorisierte Zahlungsvorgänge selbst Einsicht in die strafrechtliche Ermittlungsakte nehmen können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 2001 – 9 U 98/94).

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Dass sie ein Akteneinsichtsgesuch auch nur gestellt hätte, trägt sie zudem nicht vor.

c)

Es liegt auch kein Gehörsverstoß vor.

Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das gerichtliche Verfahren. Einzelne sollen nicht bloße Objekte des Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die ihre Rechte betreffen, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfGE 84, 188 <190> mwN; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15, juris Rn. 14). Da dies nicht nur durch tatsächliches Vorbringen, sondern auch durch Rechtsausführungen geschehen kann, gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern (BVerfGE 60, 175 <210>; 86, 133 <144>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15, juris Rn. 14; stRspr). Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht zudem, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 21, 191 <194>; 96, 205 <216>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2016 <216>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15, juris Rn. 14;stRspr). Bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbringen der Beteiligten ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dies geschehen ist. Hierbei ist das Gericht nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG schützt auch nicht davor, dass das Vorbringen von Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt (BVerfGE 69, 145 <148 f>; 70, 288 <294>; 96, 205 <216>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15, juris Rn. 14). Ebenso wenig bietet es Schutz davor, dass das Gericht die Rechtsansicht von Beteiligten nicht teilt (vgl. BVerfGE 64, 1 <12>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15, juris Rn. 14).

Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.

Das Landgericht hätte nicht gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hinweisen müssen, dass es „das Beweisangebot nicht für hinreichend konkret erachte“ schon, da es gar kein Beweisangebot gegeben hat (siehe oben). Die Beklagte hat vielmehr schon keinen konkreten Tatsachenvortrag geliefert, über den hätte Beweis erhoben werden können.

Wenn die Beklagte nunmehr vorträgt, sie hätte auf einen Hinweis „vorgetragen, dass sich aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte tatsächliche Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen des Klägers im Zusammenhang mit der Verwahrung seiner personalisierten Sicherungsmerkmaie und des Zahlungsauthentifizierungsinstruments ergeben“, wird auch hieraus nur deutlich, dass es ihr auf eine bloße Ausforschung angekommen ist. Denn in der Berufungsbegründung teilt sie auch mit, dass sich „Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Klägers […] aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte [hätten] ergeben können“. Welche Anhaltspunkte das konkret sein sollen, teilt die Beklagte dagegen nach wie vor nicht mit.

Dass das erstinstanzliche Gericht gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Akten hätte beiziehen können, besagt noch nichts über eine entsprechende Pflicht. Maßnahmen nach § 273 ZPO stellen darüber hinaus keine Beweisaufnahme dar, sondern bereiten sie allenfalls vor (Greger in: Zoller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 273 Rn. 1).

2.

Es besteht ein Anspruch des Klägers aus § 675u BGB aF in der bis zum 12. Januar 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) gegen die Beklagte, sein Konto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastungen durch die streitgegenständlichen Zahlungsvorgänge befunden hätte.

Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat danach der Zahlungsdienstleister (hier die Beklagte) des Zahlers (hier der Kläger) gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

a)

Dass es sich vorliegend um einen nicht durch den Kläger autorisierten Zahlungsvorgang handelt, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Damit besteht grundsätzlich der geltend gemachte Anspruch.

b)

Die Ansprüche des Klägers sind nicht gemäß § 676c Nr. 1 BGB aF ausgeschlossen.

Danach sind Ansprüche nach diesem Kapitel (solche gemäß §§ 675j bis 676a BGB) ausgeschlossen, wenn die einen Anspruch begründenden Umstände auf einem ungewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignis beruhen, auf das diejenige Partei, die sich auf dieses Ereignis beruft, keinen Einfluss hat, und dessen Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können.

Sowohl Ansprüche des Zahlungsdienstleisters als auch des Zahlungsdienstnutzers unterfallen der Regelung (Omlor in: Staudinger, BGB (2012), § 676c, Rn. 1).

Die Beklagte meint, dies sei der Fall, da mit den unautorisierten Abverfügungen durch Dritte ein ungewöhnliches Ereignis vorliege. Dies sei auch unvorhersehbar gewesen, da kein Systemfehler bei der Beklagten vorliege. Das Ereignis liege außerhalb des Einflussbereichs der Beklagten und dessen Folgen seien auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen.

aa)

Es mag sich bei dem vorliegenden Fall zweier nicht autorisierter Überweisungen im Online-Banking um ein ungewöhnliches Ereignis gehandelt haben, dass in seiner konkreten Ausgestaltung für die Beklagte unvorhersehbar war. Hierzu liefert die Beklagte als für die Ausschlussvorschrift darlegungs- und beweisbelastete Partei (Sprau in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 676c Rn. 1) aber bereits keinen Vortrag. Es handelt sich vielmehr um einen auch nach ihren Angaben unaufgeklärten Sachverhalt.

bb)

Die Beklagte hat überdies nicht dargelegt und bewiesen, dass es sich um ein außerhalb ihres Einflussbereichs liegendes und auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbares Ereignis handelte, welches zu der Durchführung der nicht autorisierten Überweisung führte.

Im Wesentlichen sind hier Fälle höherer Gewalt gemeint. Unter § 676c Nr 1 BGB fallen typischerweise: Konstellationen höherer Gewalt, Kriegs- und Naturereignisse sowie willkürliche staatliche Beschlagnahmeverfügungen außerhalb der Europäischen Union. (Omlor in: Staudinger, BGB (2012), § 676c, Rn. 3). Ob der Begriff der höheren Gewalt (vgl. § 206 BGB) enger ist als der hier verwandte könnte zweifelhaft sein, weil auch nach § 206 BGB schon geringste Fahrlässigkeit ausreicht, den Tatbestand auszuschließen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 – VIII ZR 253/96, juris Rn. 14). Wird also dem Schuldner, der sich auf den Haftungsausschluss beruft, Fahrlässigkeit unter Verwendung dieser beiden Begriffe nachgewiesen, fehlt es im Sinne von § 676c Nr 1 BGB an dem Merkmal der Nichtvorhersehbarkeit bzw. der Ungewöhnlichkeit des jeweiligen Ereignisses. Diese Testfrage ist im Blick auf die zu vermeidenden Folgen immer dann in diesem Sinn zu beantworten, wenn es sich – wie durchgängig im Haftungskonzept der Zahlungsdiensterichtlinie – um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt, weil es – gemessen an eben diesen Fahrlässigkeitsmerkmalen – um die Begründung des Haftungsausschlusses geht (Graf v. Westphalen in: Erman, BGB, 15. Auf!. 2017, § 676c BGB, Rn. 3). Wenn die Folgen des eingetretenen Schadensereignisses bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten vermieden werden können, fehlt es an der in § 676c Nr 1 vorausgesetzten Unvermeidbarkeit. § 676 BGB greift dann nicht ein. Das ist etwa dann der Fall, wenn es sich um eine Fälschung handelt (Graf v. Westphalen in: Erman, BGB, 15. Auf,1. 2017, § 676c, Rn. 3).

Auch vorliegend handelt es sich bei § 675u BGB aF um eine verschuldensunabhängige Haftung. Damit wäre es an der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass es sich um ein außerhalb ihres Einflussbereichs Hegendes und auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbares Ereignis handelte, welches zu der Durchführung der nicht autorisierten Überweisung führte.

Allein die Vorlage der Transaktionsprotokolle, nach denen für die beiden streitgegenständlichen Transaktionen die mit dem Kläger vereinbarten personalisierten Sicherheitsmerkmale und Authentifizierungsinstrumente eingesetzt wurden, reicht hierfür nicht aus.

Dass eine Schadensursache im Verantwortungsbereich der Beklagten nicht feststeht, worauf diese sich mit ihrer Berufung bezieht, hilft ihr aufgrund der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht weiter. Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte nicht nachgekommen.

c)

Gegenansprüche der Beklagten gemäß § 675v BGB aF (hier entgegengehalten als dolo-agit-Einwendung) bestehen nicht.

aa)

Ansprüche gemäß § 675v Abs. 1 Satz 1 BGB aF macht die Beklagte ausdrücklich aufgrund der dortigen Haftungsgrenze von € 150,00 nicht (mehr) geltend. Im Übrigen kann hierzu auf die angegriffene Entscheidung verwiesen werden.

bb)

Ein Anspruch der Beklagten besteht auch nicht nach § 675v Abs. 2 BGB als Schadensersatzanspruch.

Der Zahler ist seinem Zahlungsdienstleister danach zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn er ihn in betrügerischer Absicht ermöglicht hat oder durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung (1.) einer oder mehrerer Pflichten gemäß § 675I oder (2.) einer oder mehrerer vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsauthentifizierungsinstruments herbeigeführt hat.

(1)

Tatsachen, die eine betrügerische Absicht oder ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers belegen würden, sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden und werden es auch mit der Berufung nicht.

Eine betrügerische Absicht behauptet die Beklagte nicht.

Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht schlechthin unentschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der konkret erforderlichen Sorgfalt. Selbst ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich noch keinen zwingenden Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – III ZR 345/12, Rn. 28; BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 66 ff.).

Welche Pflichtverletzung des Mobilfunkanbieters des Klägers vorliegen soll, die dieser gegebenenfalls über § 278 Abs. 1 BGB zugerechnet werden könnte, erklärt die Beklagte in der Berufung nicht. Überdies ist der Anbieter – wie das Landgericht zu Recht ausführt – nicht Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der Pflicht zur sicheren Aufbewahrung der personalisierten Sicherheitsmerkmale. Ein Unterlassen zumutbarer Vorkehrungen zum Schutz von PIN und TAN oder ein einen Verstoß gegen die Anzeigepflicht hinsichtlich Verlust, Diebstahl, missbräuchlicher Verwendung oder sonst nicht autorisierter Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments seitens des Klägers im Sinne des § 6751 BGB trägt die Beklagte schon nicht hinreichend vor, geschweige denn bietet sie entsprechenden Beweis an.

(2)

Hinsichtlich eines vermeintlichen grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers ist die Berufungsbegründung der Beklagten bereits unzureichend.

(a)

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht der die Berufung führenden Partei die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben.

Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungspartei bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe sie ihnen im Einzelnen entgegensetzt (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – XI ZB 41/06, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 – XI ZB 21/08, Rn. 13; BGH, Beschluss vom 1. März 2011 – XI ZB 26/08, Rn. 11, jeweils mwN; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IX ZB 88/15, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 – XI ZB 32/15, Rn. 9). Besondere formale Anforderungen bestehen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Auch unter Geltung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 – XI ZB 25/11, Rn. 10 mwN; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2015 – IX ZB 35/15, Rn. 7; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2016 – IV ZB 39/15, Rn. 10; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IX ZB 88/15, Rn. 5; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2016 -XI ZB 32/15, Rn. 11; BGH, Urteil vom 25. Januar 2017 – IV ZR 206/15, Rn. 12 mwN). Dabei muss die Berufung die tragenden Erwägungen des Erstgerichts angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht der Berufungspartei nicht zutreffen; die Begründung muss also – ihre Richtigkeit unterstellt – geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2015 – IX ZB 35/15, Rn. 7 mwN; BGH, Beschluss vom 21. Juli 2016 – IX ZB 88/15, Rn. 5). Entsprechendes gilt für die Bezeichnung der konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO; BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2015 – VI ZB 18/15, Rn. 8).

(b)

Diesen höchstrichterlichen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung hinsichtlich einer grob fahrlässigen Verhaltensweise des Klägers nicht. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in dem Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen. Welche tragenden Erwägungen des Landgerichts tatsächlich diesbezüglich angegriffen und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe ihnen im Einzelnen entgegensetzt werden sollen, erschließt sich aus der Berufungsbegründung nicht.

(3)

Es gibt auch keinen Erfahrungssatz, wonach bei einem Missbrauch des Online-Bankings bereits die korrekte Aufzeichnung der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die beanstandungsfreie Prüfung der Authentifizierung für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers sprechen, sodass sich der Zahlungsdienstleister für den ihm im Rahmen von § 675v Abs. 2 BGB obliegenden Nachweis auch nicht auf den Beweis des ersten Anscheins stützen kann (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 68).

Bei missbräuchlicher Verwendung von PIN und TAN im Online-Banking rechtfertigen allein die Aufzeichnung der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die Prüfung der Authentifizierung im Sinne von § 675w Satz 3 Nr. 4 BGB die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlers nicht. Auch ein Anscheinsbeweis auf alternativer Grundlage, der Zahlungsdienstnutzer habe entweder den Zahlungsvorgang autorisiert oder aber grob fahrlässig gegen seine Pflichten aus § 6751 BGB verstoßen, kommt deswegen nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 70).

(aa)

Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht schlechthin unentschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der konkret erforderlichen Sorgfalt. Selbst ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich noch keinen zwingenden Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 – III ZR 345/12, Rn. 28; BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 71).

(bb)

Es gibt keine die Grundsätze des Anscheinsbeweises stützende Erfahrungssätze, dass bei Aufzeichnung der fehlerfreien Nutzung eines Authentifizierungsinstruments ein Missbrauch des Online-Bankings auf einer solchen subjektiv unentschuldbaren Verletzung von Sorgfaltspflichten in besonders schwerem Maße durch den Zahlungsdienstnutzer beruhen würde oder dass in einem solchen Fall jedenfalls ein tatsächliches Verhalten des Zahlungsdienstnutzers belegt wäre, das als grob fahrlässig bewertet werden könnte (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 72).

(aaa)

Die Regeln des Anscheinsbeweises sind auf den Nachweis der subjektiven Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit grundsätzlich dann nicht anwendbar, wenn es sich – wie hier – um ein individuelles Versagen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1970 – VI ZR 226/68, VersR 1970, 568; BGH, Urteil vom 7. Mai 1974 – VI ZR 138/72, VersR 1974, 853; BGH, Urteil vom 29. Januar 2003 – IV ZR 173/01, NJW 2003, 1118, 1119; BGH, Urteil vom 21. März 2007 – I ZR 166/04, Rn. 20; Bacher in: BeckOK ZPO, Stand: 1. September 2015, § 284 ZPO Rn. 96; Georg Caspers in: Staudinger, BGB (2014), § 276 Rn. 97; Grüneberg in: Palandt, BGB, 77, Aufl. 2018, § 277 Rn. 7). Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Missbrauch des Online-Bankings auf einem Umstand aus der Sphäre des Zahlungsdienstnutzers beruht. Denn ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein gesteigertes personales Fehlverhalten, selbst wenn dieses in vergleichbaren Fällen häufig vorliegen sollte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Januar 1988 – VI ZR 158/87, NJW 1988, 1265, 1266; BGH, Urteil vom 30. Januar 2001 – VI ZR 49/00, NJW 2001, 2092, 2093; BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 73).

(bbb)

Die Regeln des Anscheinsbeweises können aber auch nicht zum Nachweis der objektiven Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers im Online-Banking herangezogen werden. Zwar ist der Anscheinsbeweis zum Nachweis grober Fahrlässigkeit grundsätzlich zulässig, wenn damit lediglich die Annahme eines bestimmten tatsächlichen Verhaltens gestützt werden soll und dieses erst in einem weiteren Schritt rechtlich als grob fahrlässig bewertet wird (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03, juris Rn. 34; BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 74).

Im Falle eines Missbrauchs des Online-Bankings gibt es aber keine Erfahrungssätze, die auf ein bestimmtes typisches Fehlverhalten des Zahlungsdienstnutzers hinweisen würden. Die Vielzahl von Authentifizierungsverfahren, die sich zum Teil erheblich im Sicherungskonzept und in dessen Ausgestaltung unterscheiden (vgl. Hoeren/Kairies, ZBB 2015, 35; Maihold in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 55 Rn. 7 ff.), können jeweils auf unterschiedliche Weise angegriffen werden, wozu wiederum verschiedene Pflichtverletzungen des Zahlungsdienstnutzers beitragen können, sodass – anders als bei Nutzung von Zahlungskarten an Geldautomaten (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03 BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – XI ZR 224/09, Rn. 10; BGH, Urteil vom 29. November 2011 – XI ZR 370/10, Rn. 16) – ein Missbrauch des Online-Bankings nicht auf ein bestimmtes Verhalten des Zahlungsdienstnutzers hinweist, das sodann als grob fahrlässig eingeordnet werden könnte (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 75).

3.

Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

Das Gericht kann der einen Partei insbesondere gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat.

Wird der Hauptantrag des Klägers abgewiesen, seinem Hilfsantrag aber stattgegeben, dann ist zwar grundsätzlich Kostenteilung geboten, anders ist es aber, wenn die Anträge wirtschaftlich identisch sind (Herget in: Zoller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 92 ZPO, Rn. 8). Vorliegend hat der Kläger zwar im Rahmen der mündlichen Verhandlung den ursprünglich gestellten Hilfsantrag zu 2) aus der Klageschrift zum Hauptantrag gemacht und die Klage hinsichtlich des ursprünglichen Zahlungsantrages zu 1) zurückgenommen. Allerdings haben sich beide Anträge auf dieselben Zahlungsvorgänge gestützt und sind wirtschaftlich identisch gewesen. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG ist eine Veränderung des Streitwertes durch die Klagerücknahme ebenfalls nicht bedingt.“

Die ergänzenden Ausführungen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 28. September 2018 rechtfertigen keine andere Entscheidung. Hierin werden im Wesentlichen bereits vorgebrachte Argumente vertiefend wiederholt, welche der Senat bei seinem Hinweisbeschluss bereits berücksichtigt hat. Im Einzelnen:

1.

Es ist bereits im Beschluss des Senats vom 15. August 2018 darauf hingewiesen worden, dass ^ eine Hinweispflicht des Landgerichts darauf, dass es das Beweisangebot der Beklagten nicht für hinreichend konkret erachte, schon mangels Beweisangebot nicht gegeben gewesen ist.

Konkrete Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Klägers im Zusammenhang mit der Verwahrung seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale und des Zahlungsauthentifizierungsinstruments hat die Beklagte gerade nicht vorgetragen. Wenn sie nunmehr angibt, in der Berufungsbegründung auf deren Seite 4 konkreten Vortrag hierzu gehalten zu haben, ist dies nicht richtig. Vielmehr wird dort lediglich ausgeführt, dass sich Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Klägers aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte hätten ergeben können. Insofern liegt eine Pflichtverletzung des Klägers keinesfalls „nach dem unstreitigen Sachverhalt auf der Hand“.

Zwar trägt die Beklagte nunmehr vor, dass sich aus dem Vortrag des Klägers unter Vorlage der Anlage K 3 (Blatt 13 d. A.) die maßgeblichen Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung ergäben. Welche Anhaltspunkte es sein sollen, die sich vermeintlich aus der Ermittlungsakte ergeben, teilt die Beklagte jedoch immer noch nicht mit.

2.

Im genannten Beschluss ist ebenfalls bereits auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers hingewiesen worden.

Es gibt hiernach keinen Erfahrungssatz, wonach bei einem Missbrauch des Online-Bankings bereits die korrekte Aufzeichnung der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die beanstandungsfreie Prüfung der Authentifizierung für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlungsdienstnutzers sprechen, sodass sich der Zählungsdienstleister für den ihm im Rahmen von § 675v Abs. 2 BGB obliegenden Nachweis auch nicht auf den Beweis des ersten Anscheins stützen kann (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 68). Bei missbräuchlicher Verwendung von PIN und TAN im Online-Banking rechtfertigen allein die Aufzeichnung der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die Prüfung der Authentifizierung im Sinne von § 675w Satz 3 Nr. 4 BGB die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlers nicht. Auch ein Anscheinsbeweis auf alternativer Grundlage, der Zahlungsdienstnutzer habe entweder den Zahlungsvorgang autorisiert oder aber grob fahrlässig gegen seine Pflichten aus § 675I BGB verstoßen, kommt deswegen nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 70).

Soweit die Beklagte nunmehr darauf hinweist, dass diese Ansicht in der Literatur umstritten sei, ist dem Bundesgerichtshof dies bei seiner Entscheidung bewusst gewesen. Er hat den Streit aufgeworfen (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 69) und wie dargestellt entschieden (BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 70). Dabei ist keinesfalls tragend davon ausgegangen worden, dass ein Systemfehler beim Kreditinstitut vorgelegen habe. Dass ein solcher Fehler bei der Beklagten im hiesigen Fall nicht vorgelegen hätte, bestreitet der Kläger im Übrigen.

3.

Zur Nichtanwendbarkeit der Haftungsausschlussregelung in § 676 c Nr. 1 BGB aF hat der Senat im genannten Hinweisbeschluss ebenfalls bereits ausführlich Stellung bezogen.

Insbesondere ist nicht erklärt worden, dass es sich um höhere Gewalt handeln müsse, wenn ein Haftungsausschluss in Betracht gezogen wird, sondern es sind dessen Voraussetzungen im Einzelnen dargelegt worden. Dabei ist zwar ausgeführt worden, dass es sich bei Fällen des genannten Haftungsausschlusses im Wesentlichen um Fälle höherer Gewalt handelt, nicht aber, dass allein diese Fälle hierunter fallen.

4.

Auch ist der Hinweis des Senats im genannten Beschluss richtig, dass in der Berufungsschrift nicht erklärt wird, welche Pflichtverletzung des Mobilfunkanbieters des Klägers vorliegen soll, die sich der Kläger zurechnen lassen müsste. Solcher Vortrag findet sich insbesondere auch nicht auf Seite 9 der Berufungsschrift im dritten Absatz Mitte. Dort steht zwar, dass sich der Kläger das schuldhafte Verhalten der Streitverkündeten zurechnen lassen müsse, welches schuldhafte Verhalten dies sein soll, findet sich dort aber nicht.

Es ist im Übrigen keinesfalls unstreitig, dass ein Fehler des Mobilfunkanbieters des Klägers den Schaden vorliegend verursachte.

5.

Der Mobilfunkanbieter ist nicht Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der Pflicht zur sicheren Aufbewahrung der personalisierten Sicherheitsmerkmale im Sinne des § 278 BGB.

Erfüllungsgehilfe Ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (BGH, Urteil vom 25, Januar 2017 – VIII ZR 249/15, Rn. 43 mwN; st. Rspr.). Der Grund dafür, dass der Schuldner für das Verschulden eines Dritten einzustehen hat, liegt in der Erweiterung seines Geschäfts- und Risikobereichs; die Hilfsperson übernimmt eine Aufgabe, die im Verhältnis zum Gläubiger dem Schuldner selbst obliegt (BGH, Urteil vom 25. Januar 2017 – VIII ZR 249/15, Rn. 43 mwN).

Der Kläger hat vorliegend nicht willentlich seinen Mobilfunkanbieter zur sicheren Aufbewahrung seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale im Sinne des § 675 I Abs. 1 Satz 1 BGB aF (PIN und TAN; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. Januar 2016 – XI ZR 91/14, Rn. 14) tätig werden lassen.

Da dem Nutzer der Zahlungsdienste diese Pflicht zur sicheren Aufbewahrung der personalisierten Sicherheitsmerkmale verbleibt, reduziert sich dessen Verantwortungsbereich auch keinesfalls auf null, wie die Beklagte ausführt.

6.

Außerdem hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch dient sie der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Insbesondere hat der Bundesgerichtshof die Frage eines möglichen Anscheinsbeweises für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Zahlers allein durch die Aufzeichnung der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die Prüfung der Authentifizierung im Sinne von § 675w Satz 3 Nr. 4 BGB bereits entschieden (siehe oben).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG erfolgt.

 

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