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Papiermessie – Ordnungsverfügung

Verwaltungsgericht Arnsberg

Az.: 3 L 547/08

Beschluss vom 20.08.2008


1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

1.

Der Antrag der Antragsteller, ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, hat keinen Erfolg. Ihr Eilrechtsschutzbegehren mit dem sinngemäßen Antrag,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 3 K 2454/08 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 3. Juli 2008 wieder herzustellen bzw. anzuordnen,

bietet aus den nachstehenden Gründen nicht die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung).

2.

Der Antragsgegner (die Kammer hat das Rubrum von Amts wegen berichtigt) hat in seiner Ordnungsverfügung vom 3. Juli 2008 die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Er hat sinngemäß ausgeführt, im vorliegenden Fall müsse ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit gerechnet werden, dass in dem Wohnhaus der Antragsteller immer mehr Material – insbesondere Papier – gelagert werde. Das damit einhergehende, stetig ansteigende Brandpotenzial gefährde die Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Antragsteller und deren Familienangehöriger sowie der Nachbarschaft. Damit wird deutlich, dass dem Antragsgegner der Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehung im konkreten Einzelfall vor Augen stand. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse der Antragsteller, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Klageverfahrens 3 K 2454/08 verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer zügigen Durchsetzung der in Ziffer I. der angefochtenen Ordnungsverfügung getroffenen Anordnungen, fällt zu Lasten der Antragsteller aus.

Die an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs orientierte Interessenabwägung führt nicht zu einer Entscheidung zugunsten der Antragsteller. Die angefochtene Verfügung leidet nicht an offensichtlichen Rechtsfehlern, die das öffentliche Interesse an ihrem sofortigen Vollzug von vornherein ausschließen würden. Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung spricht vielmehr alles dafür, dass die angegriffene Ordnungsverfügung im o.g. Klageverfahren Bestand haben wird.

Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 3. Juli 2008 findet ihre Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (- OBG -). Danach können die Ordnungsbehörden – hier der Antragsgegner (vgl. §§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 OBG) – die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr u.a. für die öffentliche Sicherheit, wozu die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit sowie Eigentum zählen, abzuwehren. Eine ordnungsrechtliche Gefahr für ein Schutzgut i.S.v. § 14 Abs. 1 OBG besteht dann, wenn eine Schädigung bei ungehindertem Geschehensablauf hinreichend wahrscheinlich ist. Je gewichtiger das bedrohte Schutzgut und je größer das Ausmaß des möglichen Schadens ist, umso geringere Anforderungen werden an die Schadensnähe gestellt. Für polizeiliche oder ordnungsrechtliche Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit genügt bereits die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts, nicht jedoch die nur rein theoretische, praktisch aber auszuschließende Möglichkeit.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 3. Juni 1997 – 5 A 4/96 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1998, S. 64 ff. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen.

Bei der im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG vorliegen.

Ausweislich des Durchsuchungsberichts des KHK S., Kreispolizeibehörde P., vom 2. Juli 2008 wird offenbar in dem gesamten Wohnhaus der Antragsteller insbesondere eine große Menge an Papier – in (deckenhoch) gestapelten Kartons – gelagert. Nach den Feststellungen des o.g. bei der Wohnungsdurchsuchung auch anwesend gewesenen Polizeibeamten ist das Betreten des Wohnhauses der Antragsteller mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, da bereits entlang der Wände im Hausflur deckenhoch Kartons mit Papier gestapelt gewesen waren.

Zudem hätten dort auch noch größere Stapel Laminatfußbodendielen gestanden.

Die Stapel hätten sich über das Treppenhaus bis in das Obergeschoss fortgesetzt. Auch in den einzelnen Zimmern hätten sich zahlreiche deckenhohe Stapel von Kartons voll Papier befunden; es seien nur noch schmale Wege zu Schränken oder Sesseln frei gewesen. Insbesondere das Kinderzimmer sei derart zugestellt gewesen, dass sich lediglich ein schmaler Gang zum Kinderbett gefunden habe.

Die gleiche Situation habe man auch im Schlafzimmer der Antragsteller vorgefunden, wo ihr Sohn angeblich schlafe. Schließlich hätten sich die deckenhohen Stapel bis in den Keller fortgesetzt. Dort betreiben die Antragsteller einen Feststoffkessel mit ca. 28 KW Leistung. Zusammenfassend ist in dem Durchsuchungsbericht davon die Rede, dass die gesammelte Papiermenge derjenigen eines gewerblichen Papierlagers entspreche. Die vorgenannten Feststellungen werden durch eine Reihe von Fotos bestätigt, die sich im von dem Antragsgegner übersandten Verwaltungsvorgang befinden.

Bei dieser Sachlage ist die in der angegriffenen Ordnungsverfügung getroffene Prognose nicht zu beanstanden, dass insbesondere das in sehr großer Menge gesammelte Papier ein erhebliches Brandpotenzial darstelle und hieraus eine – nicht hinzunehmende – Gefahr für die öffentliche Sicherheit resultiere, auch weil im Falle eines Brandes die Fluchtwege sowie das gesamte Treppenhaus versperrt wären und Rettungskräfte (Feuerwehr) so keine Möglichkeit hätten, unter Einsatzbedingungen Gefahren abzuwehren. Wie sich § 17 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) entnehmen lässt, müssen bauliche Anlagen zum Zwecke des Brandschutzes unter Berücksichtigung der Anordnung von Rettungswegen u.a. so beschaffen sein, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Wenn aber schon die Beschaffenheit der baulichen Anlage diesen Voraussetzungen genügen muss bzw. genügt, kann es zum Schutz der öffentlichen Sicherheit – insbesondere von Menschen – vor Gefahren nicht hingenommen werden, dass die konkrete Nutzung der baulichen Anlage (hier: Lagerung hoher Stapel von Kartons derart, dass die Brandgefahr erhöht ist und das Betreten des Hauses oder die Zugänglichkeit von Treppen und Aufenthaltsräumen zumindest erheblich erschwert ist) dazu führt, dass die Brandgefahr durch Lagerung leicht entzündlicher Materialien in großer Menge erhöht wird und die an sich vorgesehenen Flucht- und Rettungswege im Brandfall tatsächlich nicht (oder nur sehr eingeschränkt) nutzbar wären und ihre vorgesehene Funktion nicht (oder kaum) erfüllen könnten. Bei summarischer Prüfung ist auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner im Brandfall auch eine Gefahr für Leib und Leben (oder Eigentum) der Nachbarn der Antragsteller angenommen hat. Es ist plausibel, dass bei Ausbruch eines Feuers dieses aufgrund des vorhandenen brennbaren Materials im Haus der Antragsteller auf ein Nachbargebäude übergreifen könnte.

Die in Ziffer I. der angegriffenen Ordnungsverfügung angeordneten und hinreichend bestimmten Maßnahmen lassen bei summarischer Prüfung auch keinen Ermessensfehler erkennen. Insbesondere sind die getroffenen Anordnungen zum Zwecke der Abwehr der dargestellten Gefahr geeignet und erforderlich; sie beschränken sich darauf, dass in dem Haus eine hinreichende Bewegungsfreiheit gewährleistet ist und die bereits genannten Flucht- und Rettungswege einschließlich des Zimmers des siebenjährigen Sohnes der Antragsteller in dieser Hinsicht sicher nutzbar sind. Letzteres erscheint gerade auf Grund des Alters des Kindes ohne weiteres sachgerecht, weil der Sohn der Antragsteller im Brand- oder sonstigen Rettungsfall auf eine tatsächlich vorhandene und rasche Fluchtmöglichkeit oder Hilfe angewiesen wäre. Dagegen muss das namentlich von dem Antragsteller zu 1. – der nach dem Kenntnisstand der Kammer bislang nicht in hinreichender Weise der Ordnungsverfügung nachgekommen ist – zum Ausdruck gebrachte Interesse an einer offenbar angedachten künftigen kommerziellen Nutzung der gelagerten Gegenstände zurückstehen, zumal ihm deren Besitz nicht verboten worden ist, sondern nur die Lagerung in seinem Wohnhaus in der bisherigen Art und Weise.

Soweit die Antragsteller sinngemäß vortragen, der Schornsteinfeger habe sich mit weniger zufrieden gegeben als der Antragsgegner, kann dies dem Antrag aus den genannten Gründen nicht zum Erfolg verhelfen. Überdies hat auch der Bezirksschornsteinfegermeister unter dem 2. Juli 2008 festgestellt, dass die Flucht- und Rettungswege die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten nicht zulassen. Für eine durchgreifende Änderung der Situation ist nichts ersichtlich.

Die in dem Bescheid vom 3. Juli 2008 angedrohte Ersatzvornahme begegnet bei summarischer Prüfung ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

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