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Kann Parabolantenne verboten werden?

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Az.: 2 ZBR 103/98

Verkündet am 04.08.1998

Vorinstanzen: LG München I  Az.: 1 T 22156/97 – AG München Az.: 482 UR II 596/97


BESCHLUSS

Der 2. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat am 4. August 1998 in der Wohnungseigentumssache wegen Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Entfernung einer Parabolantenne, beschlossen

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 29. Mai 1998 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 DM festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, deren Verwalterin die weitere Beteiligte ist.

Die Gemeinschaftsordnung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 2 Abs. 1.

Die Wohnungen dürfen nur zu Wohnzwecken, nicht zu gewerblichen Zwecken benutzt werden. Nicht gestattet ist zum Beispiel die Einrichtung einer Werkstätte und die gewerbsmäßige Erteilung von Musikunterricht. Ausnahmen bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verwalters.

§ 2 Abs. 3.

Bauliche Änderungen an und in der Wohnung (Um-, An- und Einbauten), soweit dadurch das gemeinschaftliche Eigentum berührt wird, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Das gleiche gilt für die Anbringung von Antennen. Bei Beseitigung baulicher Änderungen hat der Wohnungseigentümer auf seine Kosten den alten Zustand wiederherzustellen.

§ 5 Abs. 5.

Die Wohnungseigentümer dürfen an der äußeren Gestalt der Gebäude keine baulichen Änderungen vornehmen . …

§ 5 Abs. 7.

Für bauliche Veränderungen und Aufwendungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, gelten die Bestimmungen des § 22 WEG. Jedoch gilt folgende Ausnahme: Alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die bestehenden baulichen Anlagen und Einrichtungen des gemeinschaftlichen Eigentums auf dem modernsten Stand der Technik zu erhalten und zu bringen, gehören in Abweichung von § 22 I WEG zu den Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne von § 21 WEG.

Die Wohnanlage ist an das Breitbandkabelnetz angeschlossen über das etwa 30 Fernsehprogramme empfangen werden können. Der Ehemann der Antragstellerin ist Radio- und Fernsehtechnikermeister; er brachte an der Außenwand der Wohnung der Antragstellerin eine grün gestrichene Parabolantenne und eine Holzverblendung an.

Am 11.6.1997 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 6, daß die Antragstellerin die Parabolantenne abzubauen habe.

Die Antragstellerin hat beantragt, unter anderem diesen Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat den Antrag am 18.11.1997 abgewiesen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin durch Beschluß -vom 29.5.1998 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Antragstellerin sei zur Beseitigung der Parabolantenne verpflichtet, weil sie die nach der Gemeinschaftsordnung für die Anbringung erforderliche Zustimmung des Verwalters nicht habe. Auf die Frage, ob durch die Parabolantenne die Wohnanlage nachteilig optisch verändert werde, komme es nicht mehr an. Der Eigentümerbeschluß greife nicht in unzulässiger Weise in das Grundrecht auf Informationsfreiheit ein. Bei der Abwägung des entgegenstehenden Interesses der übrigen Wohnungseigentümer, Beeinträchtigungen des Miteigentums abzuwehren, sei zu berücksichtigen, daß es sich bei der Anbringung der Parabolantenne um einen nicht nur geringfügigen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum handele. Zudem sei zu berücksichtigen, daß durch den Anschluß an das Breitbandkabel etwa 30 Fernsehprogramme empfangen werden könnten. Damit sei die Informationsfreiheit gewährleistet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, daß der Ehemann der Antragstellerin ein berufliches Interesse am Empfang ausschließlich über Satellit abgestrahlter Fernseh- und Hörfunksender habe. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit schütze nicht die Befriedigung eines ausschließlich auf berufliche und geschäftliche Belange bezogenen Informationsinteresses. Wirtschaftliche Interessen hätten hinter den berechtigten Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zurückzutreten.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die von dem Ehemann der Antragstellerin an der Außenseite des Gebäudes angebrachte Parabolantenne stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG dar, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht. Davon geht das Landgericht zutreffend aus. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Frage gestellt und entspricht im übrigen der allgemeinen Meinung in der Rechtsprechung (vgl. z.B. BayObLGZ 1991, 296/298; BayObLG WuM 1995, 224/225; OLG Frankfurt ZMR 1997, 607; OLG Hamm ZMR 1998, 188/190). Zu einer solchen Maßnahme ist grundsätzlich die Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer erforderlich, die dadurch in ihrem Recht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG). Das Landgericht hat hierauf deshalb nicht abgestellt, weil die nach § 2 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinschaftsordnung für die Anbringung einer Antenne erforderliche Zustimmung des Verwalters fehlt.

b) Der auf die Beseitigung der Parabolantenne gerichtete und auf § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gegründete Eigentümerbeschluß vom 11.6.1997 steht aber nur dann in Einklang mit der Gemeinschaftsordnung und der gesetzlichen Regelung des § 22 WEG, wenn ihm nicht Grundrechte der Antragstellerin oder ihres Ehemannes entgegenstehen. (1) Wird einem Wohnungseigentümer von den anderen Wohnungseigentümern die Anbringung einer Parabolantenne untersagt oder deren Beseitigung verlangt, kann das auf das grundrechtlich geschützte Eigentum der übrigen Wohnungseigentümer (vgl. Art. 14 GG) gestützte Verlangen mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Recht auf Informationsfreiheit des betroffenen Wohnungseigentümers (vgl. Art. 5 GG) in Widerstreit stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die zunächst im Bereich des Mietrechts ergangen ist (BVerfGE 90, 27 = NJW 1994, 1147), aber auch auf das Wohnungseigentumsrecht anzuwenden ist (BVerfG NJW 1995, 1665 f.; BayObLG WuM 1995, 224/226), muß eine fallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen, also einerseits des Interesses der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer am Schutz des Miteigentums und andererseits des Informationsinteresses des einzelnen Wohnungseigentümers, vorgenommen werden (vgl. dazu die grundlegende Entscheidung BVerfGE 90, 27 = NJW 1994, 1147 und die Kammerbeschlüsse des BVerfG NJW 1993, 1252; 1994, 2143; 1995, 1665). Die Rechtsprechung der Fachgerichte ist dem gefolgt (BayObLG WuM 1995, 224; OLG Stuttgart WuM 1996, 177; OLG Frankfurt ZMR 1997, 607; OLG Hamm ZMR 1998, 188). Die danach gebotene Interessenabwägung ist grundsätzlich und insbesondere bei Beteiligung eines Ausländers auch dann vorzunehmen, wenn ein Anschluß an das Breitbandkabel vorhanden ist (OLG Stuttgart aa0). Andererseits wird bei einem solchen Anschluß das Informationsinteresse des einzelnen Wohnungseigentümers in der Regel hinter den Interessen der übrigen Wohnungseigentümer am Schutz ihres Miteigentums zurückzutreten haben (OLG Frankfurt aa0). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn im Einzelfall eine nennenswerte Beeinträchtigung des Eigentums mit der Anbringung einer Parabolantenne nicht verbunden ist, insbesondere eine im Vordergrund stehende optische Beeinträchtigung ausscheidet. Bei der gebotenen Interessenabwägung ist daher von Bedeutung, ob und in welchem Umfang das Eigentum beeinträchtigt wird.

Die unterbliebenen Feststellungen hierzu hätte das Landgericht im Zusammenhang mit der erforderlichen Interessenabwägung wegen der widerstreitenden Grundrechte vornehmen müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Antragsgegner behaupten eine optische Beeinträchtigung, während die Antragstellerin dies bestreitet und sich zum Beweis dafür auf die Einnahme eines Augenscheins beruft (Schriftsatz vom 6.1.1998). Das Landgericht hätte sich mit diesem Sachvortrag auseinandersetzen müssen. Daß dies nicht geschehen ist, stellt einen Rechtsfehler dar, der zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt. Denn der Senat ist nicht in der Lage, die dem Tatrichter obliegenden erforderlichen Feststellungen dazu zu treffen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die angebrachte Parabolantenne eine Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer darstellt. Anhand der vorliegenden Lichtbilder können solche Feststellungen nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit getroffen werden.

(2) Die Antragstellerin beruft sich auch darauf, daß der angefochtene Eigentümerbeschluß das Grundrecht ihres Ehemanns auf ungehinderte Berufsausübung (vgl. Art. 12 GG) in unzulässiger Weise einschränkte. Das Landgericht hat sich mit diesem Sachvortrag nur im Zusammenhang mit der behaupteten Beeinträchtigung des Grundrechts auf Informationsfreiheit befaßt und darauf hingewiesen, daß das Grundrecht aus Art. 5 GG grundsätzlich nicht ein ausschließlich beruflich bedingtes Informationsinteresse schütze (Staudinger/Bub BGB 12. Aufl. § 21 WEG Rn. 219; vgl. LG Hamburg WuM 1994, 391). Mit der behaupteten Einschränkung des Grundrechts aus Art. 12 GG hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Auch dies wird es nachzuholen haben. Dabei kann von entscheidender Bedeutung sein, daß es sich bei dem Wohnungseigentum der Antragstellerin nach der Zweckbestimmung (vgl. § 2 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung) um eine Wohnung handelt, die eine Nutzung zu anderen Zwecken als zum Wohnen, insbesondere zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufs, nicht gestattet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die übrigen Wohnungseigentümer dadurch nicht mehr als durch eine zweckbestimmungsgemäße Nutzung als Wohnung beeinträchtigt würden (allgemeine Meinung, BayObLG NJW-RR 1996, 464 m.w.N.).

c) Sollte das Landgericht den Eigentümerbeschluß für ungültig erklären, dann ergäbe sich aus dieser Entscheidung unmittelbar, daß die Antragstellerin die Parabolantenne beibehalten darf; einer Zustimmung des Verwalters gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinschaftsordnung bedarf es dann nicht.

3. Über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird das Landgericht zu entscheiden haben.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

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