LG Görlitz, Az: 2 S 159/15
Urteil vom 27.05.2016
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 29. September 2015 (Az. 1 C 298/14) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtstreits beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.236,24 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz geltend, nachdem er – und das ist in zweiter Instanz unstreitig – mit seinem Pkw auf einem Parkplatz der Beklagten gegen einen darauf befindlichen Baum umgrenzenden Bordstein gefahren ist.
Mit Urteil vom 29. September 2015 – auf die dortigen Tatsachenfeststellungen wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) – hat das Amtsgericht Hoyerswerda die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 1.236,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 705,35 € vom 16. August 2013 bis zum 5. September 2014, aus 733,75 € vom 6. September 2014 bis zum 27. August 2015 und aus 1.236,24 € seit dem 28. August 2015 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der von ihm geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagte habe eine sie treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie es unterlassen habe, der Gefahr entgegenzuwirken, die dadurch begründet worden sei, dass die betreffende Bordsteinkante hoch und die Parklücke zu kurz sei und die Pflastersteine unmittelbar vor der Baumfassung angestiegen; die Beklagte hätte jedenfalls vor dadurch begründete Gefahren warnen müssen. Mangels Erkennbarkeit dieser Gefahr für ihn treffe den Kläger auch kein Mitverschulden. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Die Beklagte greift dieses ihr am 2. Oktober 2015 zugestellte Urteil mit ihrer Berufung vom 22. Oktober 2015, die sie mit am 2. Dezember 2015 eingegangenem Schriftsatz unter vertiefender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages begründet hat, an.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 29. September 2015 abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Auf den Akteninhalt wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die amtsgerichtliche Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Die Klage ist nicht schlüssig.
1.
Die Tatsachenbehauptungen des Klägers gilt es als richtig zugrunde zu legen, denn die – umfänglichen – Beweiserhebungen und -wertungen des Amtsgerichts sind fehlerfrei und die Beklagte greift die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen mit ihrer Berufung auch nicht an.
2.
Ein klägerischer Anspruch – aus § 823 Abs. 1 BGB – besteht aber nicht, da die Beklagte die vom Amtsgericht angenommene Verkehrssicherungspflicht (vgl. dazu Palandt-Sprau, 74. Aufl., § 823 BGB, Rn. 45 ff.) nicht trifft. So sind Bordsteine unabhängig davon, ob sie den Rand einer Parkfläche begrenzen oder – wie hier – eine auf dem Parkplatz befindliche Pflanze zu deren Schutz umfassen, nicht zum „Überparken“, also Überfahren mit der vor den Vorderreifen eines Pkw befindlichen Front gedacht (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juli 2014, Az. III ZR 550/13; AG Bremen, Urt. v. 18. Dezember 2006, Az. 1 C 155/06, juris Rn. 15, 17). Eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten – zur Behebung des betreffenden Zustandes – besteht auch nicht unter Berücksichtigung der – zu dem hohen Bordstein – hinzutretenden Umstände, dass die Parkfläche relativ kurz ist und die Pflastersteine ansteigen. Es besteht kein Anspruch auf eine bestimmte Dimensionierung des Parkplatzes; vielmehr müssen Fahrer (besonders) raumfordernder Pkw prüfen, ob die betreffende Parkfläche groß genug ist (OLG Saarbrücken, Urt. v. 9. September 2008, Az. 4 U 114/08, juris Rn. 24). Offenkundig hätte der Kläger erkennen können, dass die betreffende Parkfläche auf Grund des Baumes und des diesen Baum umgrenzenden Kantsteins kürzer ist als andere (nicht bepflanzte) Parkflächen; deshalb fehlt es auch insoweit schon an einem für den Kläger überraschenden Moment, der – kumulativ mit anderen Voraussetzungen – eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu begründen geeignet wäre. Schließlich vermag auch der Umstand der Absenkung der Pflastersteine – in Kumulation mit den anderen vorstehenden Umständen: Kürze des Parkplatzes und Höhe des Kantsteins – keine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten und damit auch keine Verletzung derselben zu begründen. Einerseits steht die Höhe der Bepflasterung selbstredend in unmittelbarem Zusammenhang mit der daran angrenzenden Höhe des Kantsteins. Des Weiteren obliegt es ohnehin schon nicht der Beklagten, den Kläger davor zu schützen oder zu warnen, dass er einen Schaden erleidet, weil er einen dafür nicht vorgesehenen, insbesondere nicht herabgesetzten und bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt doch offensichtlich erkennbar recht hohen Kantstein mit der Front seines Pkw überfährt.
Selbst andernfalls – bei Annahme einer (schuldhaften Verletzung der) Verkehrssicherungspflicht der Beklagten – wäre vor dem Hintergrund des Vorstehenden ein anspruchausschließendes Mitverschulden des Klägers i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB anzunehmen (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O., juris Rn. 25), da das Geschehen – wie vorstehend ausgeführt – zur Überzeugung der Kammer für den Kläger bei einfacher Anstrengung seiner Sorgfaltspflichten vermeidbar, insbesondere die Gefahr erkennbar war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.