AG Zeitz – Az.: 4 C 164/17 – Urteil vom 14.08.2018
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 221,05 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2017 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ¾, die Beklagten als Gesamtschuldner tragen ¼ der Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss: Der Streitwert beträgt € 855,34.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 21.11.2016 auf dem K-Betriebsparkplatz in M ereignete.
Die Klägerin befuhr den Parkplatz mit ihrem PKW Renault …… Der Beklagte zu 2., dessen Ehefrau auf dem Beifahrersitz saß, parkte mit dem bei der Beklagten zu 1. haftpflichtversicherten PKW …. vorwärts aus einer Parkbucht aus. Es kam zum Zusammenstoß mit dem von links kommenden PKW der Klägerin. Die Beklagte zu 1. regulierte den Schaden der Klägerin unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 %.
Die Klägerin begehrt Ersatz von 75 % ihres Schadens unter Zugrundelegung des von ihr eingeholten Gutachtens M:
€ 2.066,82 Reparaturkosten netto
€ 25,00 Kostenpauschale
€ 445,35 Sachverständigenkosten
€ 2.537,17 Zwischensumme
x 75 % € 1.902,88 Zwischensumme
– € 1.047,54 abzgl. gezahlter
€ 855,34 Summe
Sie begehrt unter Berücksichtigung einer Zahlung von € 201,71 weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von € 1.902,88.
Sie behauptet, der Beklagte zu 2. sei so ausgefahren, dass sie keine Reaktionsmöglichkeit mehr gehabt habe.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 855,34 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2017 zu bezahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 54,14 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.06.2017 zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 2. sei ein kleines Stück aus der Parklücke herausgefahren und habe gehalten. Die Klägerin habe nur nach links gesehen. Bevor der Beklagte zu 2. es geschafft hätte, den Rückwärtsgang einzulegen, hätte die Klägerin schon sein Fahrzeug gerammt.
Die Beklagten bestreiten die Höhe der Nettoreparaturkosten. Sie betrügen lediglich € 1.626,77. Lackierkosten seien überhöht, UPE und Verbringungskosten könnten bei fiktiver Abrechnung nicht verlangt werden. Der vordere Querträger sei nicht beschädigt worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung die Klägerin und den Beklagten zu 2. informatorisch angehört und die Zeugin C vernommen; insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 07.12.2017 verwiesen. Im Übrigen hat das Gericht ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen P eingeholt (Bl.126-153 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur zu einem Teil begründet.
Der Berechnung des noch zu ersetzenden Schadens liegt zugrunde, dass die Beklagten nur mit der von ihnen anerkannten Quote von 50 % haften.
Beim Herausfahren aus einer Parkbucht eines Parkplatzes trifft beide Verkehrsteilnehmer die Pflicht zu gesteigerter Rücksichtnahme, die bei einem Zusammenstoß von beiden verletzt worden sein dürfte (vgl. Grüneberg Haftungsquoten, A. Unfälle zwischen Kfz und Kfz Rn. 272, beck-online). Die Pflicht zu gesteigerter Rücksichtnahme ist auf einem Betriebsparkplatz maßgeblich.
Diejenige, der auf einem öffentlichen Parkplatz eine Fahrspur benutzt, muss mit ständigem Ein- und Ausparken rechnen (OLG Oldenburg, Urteil vom 12. Dezember 1991 – 14 U 57/91 –, juris); das gilt ebenso für Betriebsparkplätze. Derjenige, der ausparkt, muss sich entsprechend § 10 StVO wiederum so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Beide Fahrer haben im vorliegenden Fall ihrer Pflicht nicht hinreichend genügt, wobei das Gericht den Verschuldens- und Verursachungsbeitrag der Klägerin sowie die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs für ebenso hoch wie den beklagtenseits anerkannten Haftungsanteil erachtet. Beide Fahrer hatten die Möglichkeit, den jeweils anderen wahrzunehmen und den Unfall zu vermeiden. Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass das vom Beklagten zu 2. geführte Fahrzeug stand, als es zum Zusammenstoß kam. Unergiebig war insoweit die Vernehmung der Zeugin M, die den Unfall nur vom Hörensagen kannte und ein Gespräch mit der Klägerin im Sinne ihres Sohnes, des Beklagten zu 2., verstanden hat. Das insoweit ebenso eindeutige wie nachvollziehbare Sachverständigengutachten hat indes ergeben, dass das vom Beklagten zu 2. geführte Fahrzeug stand, als es zum Zusammenstoß kam. Ob das Fahrzeug nur ganz kurz oder schon eine gewisse Zeit vor der Kollision stand, konnte nicht aufgeklärt werden; darauf kommt es aber auch nicht an, weil auch so bereits feststeht, dass die Klägerin es an der nötigen Rücksichtnahme hat fehlen lassen. Hätte sie hinreichend auf ausfahrende Fahrzeuge geachtet und die Geschwindigkeit so heruntergesetzt, dass sie jederzeit hätte halten können, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Eine Haftung zu gleichen Teilen, wie sie die Beklagte zu 1. ihrer Regulierung zugrunde gelegt hat, erscheint als sachgerecht.
Dagegen folgt das Gericht der Rechtsverteidigung zur Schadenshöhe nicht. Auch die von den Beklagten beanstandeten Positionen sind in vollem Umfang entsprechend der Haftungsquote zu ersetzen:
€ 2.066,82 Reparaturkosten netto
€ 25,00 Kostenpauschale
€ 445,35 Sachverständigenkosten
€ 2.537,17 Zwischensumme
x 50 % € 1.268,59 Zwischensumme
– € 1.047,54 abzgl .gezahlter
€ 221,05 Summe
Die von den Beklagten bestrittene Beschädigung des vorderen Querträgers ist durch das vom Gericht eingeholte Gutachten bewiesen. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine Schädigung bzw. Deformation des Querträgers sei in Auswertung der weiteren Schadensintensitäten an beiden Fahrzeugen plausibel nachvollziehbar. Auch bei fehlender Dokumentation dieser Beschädigungen sei aufgrund der Beurteilung im undemontierten Zustand hier davon auszugehen, dass aufgrund der nachvollziehbaren Beaufschlagung des Querträgers und damit verbundenen zu erwartenden Deformation eine Erneuerung dieses Bauteils notwendig sei.
Im Übrigen hat die Klägerin ebenfalls Anspruch auf Schadensersatz gemäß Quote. Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Doch genügt im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGH, Urteil vom 29.04.2003, Az.: VI ZR 398/02, juris-Rz. 9, zit.nach LG Münster Urt. v. 8.5.2018 – 03 S 139/17, BeckRS 2018, 15391, beck-online).
Soweit die Beklagten die Höhe der Lackierkosten beanstanden, kann ihnen nicht gefolgt werden. Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, der angesetzte Korrekturfaktor von 135 %, bezogen auf das Lackmaterial, werde durch die im Gutachten genannte Reparaturwerkstatt angesetzt. Entgegen der Darstellung der Beklagten entspreche dieser Faktor nicht einer Ermittlung der Materialkosten aus den Lack-/Lohnkosten. Vielmehr würden hier die von Seiten des AZT aufgeführten durchschnittlichen Materialkosten um den genannten Faktor auf die individuellen Gegebenheiten in der konkreten Werkstatt korrigiert. Eine derartige Anpassung der von Seiten des AZT vorgegebenen Materialkosten durch einzelne Werkstätten werde unter Ansatz der dort vorliegenden individuellen Gegebenheiten entsprechend vorgenommen. Da im vorliegenden Schadensgutachten die konkrete Werkstatt Autohaus B sowohl als Besichtigungsort als auch als Reparaturfirma angegeben worden sei, sei damit korrekterweise der dort anfallende Materialindex zugrunde zu legen. Diesen überzeugenden Ausführungen folgt das Gericht. Die Kosten sind auch bei fiktiver Abrechnung zu berücksichtigen.
Bei der fiktiven Schadensabrechnung steht dem Geschädigten auch der Betrag der UPE-Aufschläge bzw. der von dem Sachverständigen angeführten Kleinteile netto zu. Denn auch insoweit gehören diese Beträge zu dem gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Geldbetrag (vgl. LG Münster Urt. v. 8.5.2018 – 03 S 139/17, BeckRS 2018, 15391, beck-online). Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, die UPE-Aufschläge fielen in der der Kalkulation zugrunde gelegten Werkstatt an. Sie sind demnach auch bei fiktiver Abrechnung zu berücksichtigen.
Verbringungskosten sind auch dann zu erstatten, wenn der Geschädigte sich entschlossen hat, auf die erforderliche Reparatur zu verzichten. Die Kosten für die Verbringung zu einer Fremdlackiererei gehören wie die Kosten des Lackierens selbst zu dem zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 S. 2 BGB (OLG Hamm, Urteil v. 21.01.1998, Az.: 13 U 135/97, zit. nach LG Münster Urt. v. 8.5.2018 – 03 S 139/17, BeckRS 2018, 15391, beck-online). Der gerichtliche Sachverständige hat ausgeführt, die Verbringungskosten fielen in der der Kalkulation zugrunde gelegten Werkstatt mangels hauseigener Fahrzeuglackiererei van. Sie sind demnach auch bei fiktiver Abrechnung zu berücksichtigen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs.1, 288 BGB.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Auch weitere Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin nicht zu, denn mit der erfolgten Zahlung von 201,71 € sind die vorgerichtlichen Kosten der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalt mit dem Gegenstandswert der begründet geltend gemachten Forderungen in Höhe von insgesamt € 1.268,59 abgedeckt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1 S.1, 708 Nr.11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf dem zuletzt gestellten Antrag zu 1.; der Antrag zu 2. ist nicht streitwertrelevant.