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Parkscheibe: Muss der Beginn der Kurzparkzeit auf den Zeitpunkt des Parkens eingestellt werden?


THÜRINGER VERFASSUNGSGERICHTSHOF

VerfGH 16/10

Beschluss vom 12.07.2012


In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof am 12. Juli 2012 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

I.

1. Hintergrund der Verfassungsbeschwerde ist ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen eines Parkverstoßes.

a) Das Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers war am 23. Juni 2009 zwischen 7:12 und 7:25 in einer Straße in Arnstadt geparkt, in der von 7:00 bis 18:00 bei Benutzung einer Parkscheibe das Parken bis zu einer Dauer von zwei Stunden erlaubt ist. Die im Fahrzeug befindliche handelsübliche Parkscheibe mit einer Einteilung in zwölf Stunden zeigte als Ankunftszeit 8:00 bzw. 20:00 an. Gegen den Beschwerdeführer wurde daraufhin ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Nachdem er auf eine Verwarnung, die mit einer Anhörung nach § 25 a Straßenverkehrsgesetz (StVG) verbunden war, nicht reagiert hatte, erließ die Stadt Arnstadt am 13. August 2009 einen Bußgeldbescheid. In diesem wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, die Parkscheibe entgegen § 13 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht richtig eingestellt zu haben.

In seinem fristgerecht eingelegten Einspruch bestritt er, das Fahrzeug geführt zu haben. Nachdem er auf schriftliche Anfragen der Behörde zu einem möglichen Fahrzeugführer nicht geantwortet hatte, stellte sie das Verfahren am 28. September 2009 ein und erlegte dem Beschwerdeführer nach § 25 a StVG die Kosten des Verfahrens auf.

b) Gegen diesen Bescheid stellte der Beschwerdeführer fristgemäß einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er sei vor Erlass des Kostenbescheids nicht angehört worden. Zudem sei der Bußgeldbescheid rechtswidrig, da er nur Halter, nicht aber Führer des Fahrzeugs sei.

Am 18. Februar 2010 teilte die Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass dem Antrag nicht abgeholfen werde. Die Voraussetzungen für einen Kostenbescheid nach § 25 a StVG seien erfüllt. Insbesondere habe der Beschwerdeführer vor dessen Erlass Gelegenheit erhalten, zu der beabsichtigten Entscheidung Stellung zu nehmen.

Am 20. April 2010 wies das Amtsgericht Arnstadt den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Zur Begründung bezog es sich auf den „Bescheid der Ordnungsbehörde vom 18. Februar 2000“ [richtig: 2010]. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer am 5. Mai 2010 einen als „Rechtsbeschwerde“ und „Antrag nach § 33 a StPO“ bezeichneten Rechtsbehelf ein. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 20. April 2010 enthalte keine hinreichende Begründung. Das Fahrzeug sei ordnungsgemäß geparkt gewesen. Die Parkscheibe sei entsprechend § 13 Abs. 2 StVO auf die Ankunftszeit am Abend vorher eingestellt gewesen.

Mit Beschluss vom 29. Juni 2010 lehnte das Amtsgericht Arnstadt eine Fortführung des Verfahrens ab. Die Entscheidung vom 20. April 2010 sei unanfechtbar. Ihre Abänderung sei auch nicht möglich, wenn man den Rechtsbehelf des Beschwerdeführers als Anhörungsrüge oder Gegenvorstellung auslege. Die angegriffene Entscheidung sei nicht weiter zu begründen gewesen. Der in einem Parallelverfahren ergangene Beschluss vom 7. April 2010 (OWi 161/10) habe eine ausführliche Begründung enthalten. Die von dem Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig. Schließlich seien die Ausführungen zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt eine Parkscheibe einzustellen sei, nicht nachvollziehbar.

2. Dieser Beschluss ist dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben am 8. August 2010 zugegangen. In seiner am 16. August 2010 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt er in der Sache einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 2 Abs. 1 Thüringer Verfassung (ThürVerf) und eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 88 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf. Des Weiteren ist er der Auffassung, der Kostenbescheid der Stadt Arnstadt sei mit Art. 88 Abs. 2 ThürVerf nicht zu vereinbaren.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen vor dem Amtsgericht. Insbesondere macht er geltend, die gerichtlichen Entscheidungen seien nicht hinreichend begründet. Der Bescheid vom 20. April 2010 nehme Bezug auf die Mitteilung der Stadt Arnstadt vom 18. Februar 2010, die keine Begründung enthalte. Das Gericht habe sich mit seinen Argumenten nicht auseinandergesetzt. Schließlich sei ihm in dem Verfahren keine Akteneinsicht gewährt worden. Diese habe er sowohl mündlich gegenüber der Behörde als auch in seinem Schreiben vom 5. Mai 2010 an das Amtsgericht beantragt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat die Akten aus dem Ausgangsverfahren beigezogen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird durch den nach § 34 Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz (ThürVerfGHG) bestellten Ausschuss verworfen. Die Beschwerdeschrift genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 32 ThürVerfGHG. Den Ausführungen des Beschwerdeführers kann nicht die Möglichkeit entnommen werden, in einem von der Thüringer Verfassung gewährten Recht verletzt zu sein.

1. Die Ausführungen zu Art. 88 Abs. 2 ThürVerf liegen neben der Sache. Der Erlass eines Kostenbescheides nach § 25 a StVG berührt nicht das dort verankerte Prinzip der Gesetzesbestimmtheit strafrechtlicher Normen. Die Inanspruchnahme eines Fahrzeughalters für die Kosten eines Bußgeldverfahrens bezweckt weder die Ahndung rechtswidrigen Verhaltens noch kommt sie in tatsächlicher Hinsicht einer solchen Sanktion gleich (BVerfG, Beschluss vom 1. Juni 1989 -2 BvR 239/88, juris Rn. 32).

2. Eine Verletzung des Willkürverbots ist nicht zu erkennen.

a) Rügt ein Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 ThürVerf hat er darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht nur fehlerhaft, sondern willkürlich im Sinne der Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ist. Er hat die Möglichkeit aufzuzeigen, dass die Entscheidung keinesfalls vertretbar, schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig und eindeutig unangemessen ist (st. Rspr. des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, vgl. Beschluss vom 29. November 2011 -VerfGH 3/10; Beschluss vom 6. Januar 2009 -VerfGH 19/08 und VerfGH 20/08).

b) Der Vortrag des Beschwerdeführers genügt diesen Anforderungen nicht. Sein Fahrzeug war in einer Zone geparkt, in der die Benutzung einer Parkscheibe nur für einen bestimmten Zeitraum vorgeschrieben ist. Die Behörde wie das Amtsgericht legten § 13 Abs. 2 StVO in dem Sinn aus, dass die Parkscheibe in diesem Fall auf den Zeitpunkt einzustellen ist, zu dem die Parkbeschränkung beginnt. Diese Auffassung wird sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur vertreten (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. Mai 1977 -2 OB OWi 61/77, NJW 1978, 1276 f.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, § 13 StVO, Rn. 12). Für die Behauptung einer „heute wohl einhelligen“ gegenteiligen Auffassung bleibt der Beschwerdeführer jeden Nachweis schuldig.

Ebenso wenig erläutert der Beschwerdeführer, warum diese Auslegung des § 13 Abs. 2 StVO zu einem sachwidrigen Ergebnis führe. Sein Vortrag ist bereits in tatsächlicher Hinsicht unvollständig. Er verschweigt den Umstand, dass auf der von ihm verwendeten handelsüblichen Parkscheibe nicht zu erkennen ist, ob das Fahrzeug am Abend (20:00) oder am Morgen (8:00) abgestellt wurde. Des Weiteren geht er nicht darauf ein, dass sein Verständnis der Norm einen sanktionslosen Verstoß gegen die zulässige Parkdauer erheblich erleichtern würde. In seinem Fall könnte ein Überschreiten der Höchstparkdauer von zwei Stunden durch eine Kontrolle zwischen 9:00 und 10:00 nicht festgestellt werden.

3. Der Beschwerdeführer hat nicht die Möglichkeit eines Gehörsverstoßes dargelegt (vgl. hierzu Thüringer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 12. Oktober 2011 -VerfGH 7/11; Beschluss vom 14. September 2009 -VerfGH 14/08).

a) Die Rüge, er habe vor Erlass des Kostenbescheids keine Stellung nehmen können, geht offensichtlich fehl. Zum einen wurde er bereits in dem Schreiben der Behörde vom 24. Juni 2009, das ausdrücklich auch als Anhörungsschreiben bezeichnet ist, zu einer möglichen Kostenlast angehört. Er selbst trägt vor, dass er dieses Schreiben erhalten hat (Schriftsatz vom 5. Mai 2010, S. 3 oben). Zudem wäre eine fehlende Anhörung unschädlich, da der Beschwerdeführer im gerichtlichen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, § 25 a StVG, Rn. 12).

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b) Der Beschwerdeführer lässt außer Acht, dass die Pflicht eines Gerichts, seine Entscheidung zu begründen, nicht abstrakt bestimmt werden kann, sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. November 1995 -2 BvR 1806/95, juris Rn. 6; Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Entscheidung vom 21. Juni 2010 -Vf.-69-VI-08, juris Rn. 32). Hier handelte es sich um eine Entscheidung über die Kosten eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens im Bagatellbereich. Warum unter Berücksichtigung dieses Umstands eine weiterreichende Begründung erforderlich gewesen sein sollte, legt der Beschwerdeführer nicht dar.

Des Weiteren geht er nicht auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 29. Juni 2010 ein. In diesem besserte das Gericht seine Begründung nach und nahm Bezug auf eine Entscheidung in einem Parallelverfahren. Warum dieser Verweis auf eine andere Entscheidung nach den konkreten Umständen des Falles ungenügend sein könnte, wird in der Beschwerdeschrift nicht erläutert.

c) Soweit der Beschwerdeführer die fehlende Gewährung von Akteneinsicht rügt, fehlen jegliche Darlegungen zu den Voraussetzungen des § 147 Abs. 7 Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 46 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Warum zu einer angemessenen Wahrnehmung seiner Rechte Auskünfte und Abschriften aus der Akte erforderlich waren, ist nicht zu erkennen. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Kostenbescheid. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang das von ihm angeführte Protokoll einer Vernehmung vor der Bußgeldbehörde haben könnte, ist nicht ersichtlich.

III.

Von der Auferlegung einer Gebühr nach § 28 ThürVerfGHG wird trotz der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde abgesehen.

Die Entscheidung ist nach dem Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz nicht rechtsmittelfähig.

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