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Rotlichtverstoß: Vergleich Passfoto mit Blitzfoto rechtmäßig?

OLG Stuttgart

Az: 1 Ss 230/02

Beschluss vom 26.08.2002


In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 1. Senat für Bußgeldsachen am 26. August 2002 gemäß § 79 Abs. 5 u. 6 OWiG beschlossen:

Auf die – zugelassene – Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Im – rechtzeitig angefochtenen – Bußgeldbescheid des Ordnungsamts der Landeshauptstadt Stuttgart vom 27 September 2001 wird dem Betroffenen vorgeworfen, er habe als Lenker eines Pkw, der auf eine in Stuttgart ansässige GmbH & Co zugelassen gewesen sei, am 15. Juni 2001 um 16.19 Uhr in S. an der Kreuzung C. Straße/S. Straße das Rotlicht der dort angebrachten Lichtzeichenanlage nicht befolgt (§§ 37 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG). Hierwegen wurde gegen ihn eine Geldbuße von DM 100,00 festgesetzt. Als Beweismittel wurden u.a. ein „Foto“ und ein „Mess-/Frontfoto“ einer Überwachungsanlage aufgeführt. Dem war folgendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen:

Über eine Halteranfrage hatte das Ordnungsamt die Personaldaten des Betroffenen als derjenigen Person, der zur Tatzeit das Fahrzeug überlassen worden war, in Erfahrung gebracht; der Betroffene wurde als solcher mit formularmäßigem Anschreiben vom 02. August 2001 angehört. Nachdem er die Frage, ob der Verstoß zugegeben werde, mit „Nein“ beantwortet hatte, vermerkte die Sachbearbeiterin 27 der Bußgeldbehörde am 24 August 2001 mit einem Stempel „Eschl 222/0, Dialog erfasst“ in der Akte. Eine spätere Nachfrage des Amtsgerichts ergab, dass die Sachbearbeiterin zu diesem Zeitpunkt das Lichtbild mit den Personaldaten des Betroffenen, das beim Passamt (Passregister) der Landeshauptstadt Stuttgart in digitalisierter Form hinterlegt war, dort über ihren mit diesem Register vernetzten PC von ihrem Arbeitsplatz aus abgerufen hatte, um dieses zu den Akten zu nehmen und mit dem Messfoto über den Rotlichtverstoß zu vergleichen. Dieser Umstand wurde bis zur Nachfrage des Amtsgerichts ebenso wenig in den Akten vermerkt wie die Tatsache, dass die Sachbearbeiterin von ihrem Amtsleiter ermächtigt war, Auskunftsersuchen an Pass- bzw. Personalausweisbehörden zu richten und dass sie schriftlich bestätigt hatte, die für eine Datenübermittlung gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen seien ihr bekannt.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen aus Rechtsgründen freigesprochen. Es glaubte, den Nachweis dafür, dass der auf dem Messfoto abgebildete Fahrzeuglenker mit dem – in der Hauptverhandlung nicht anwesenden – Betroffenen identisch sei, durch einen Vergleich mit dem bei den Akten befindlichen Lichtbild aus rechtlichen Gründen nicht führen zu können; das digitalisierte Lichtbild dürfe zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeuglenker nicht verwertet werden, da es entgegen den zwingenden, dem „Schutz von Bürgerdaten dienenden Rechtsvorschriften“ erhoben worden sei. Auch das Messfoto sei nicht verwertbar, da es aus einer polizeilichen Maßnahme stamme, für die eine ausreichende Zuständigkeitsnorm nicht vorliege. Dieses Messfoto lasse im Übrigen keine ausreichenden Individualisierungsmerkmale erkennen, so dass der Betroffene – wäre er in der Hauptverhandlung erschienen – mit großer Wahrscheinlichkeit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen worden wäre.

II.
Der Einzelrichter des Senats hat gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG die von einem Oberamtsanwalt eingelegte und auch gegenüber dem Amtsgericht begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist formgerecht gestellt worden; zwar bestimmen §§ 142 Abs. 1 Nr. 3, 145 Abs. 2 GVG, dass Amtsanwälte das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen dürfen. Der Zulassungsantrag der Staatsanwaltschaft als Prozesserklärung ist indes beim Amtsgericht angebracht und begründet worden; das war zulässig, da die Akten noch nicht dem Oberlandesgericht als Rechtsbeschwerdegericht vorgelegt worden waren (§§ 80 Abs. 3 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 321, 335 Abs. 1 StPO). Gegenüber diesem besitzt ein Amtsanwalt keine Postulationsfähigkeit (vgl. BayObLG MDR 1974, 599). Eine Beschränkung der Zuständigkeit von Amtsanwälten auf Prozesserklärungen i n der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht kennt § 9 bw AGGVG nicht; derart in ihren Befugnissen eingeschränkt sind in Baden-Württemberg nur örtliche Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft (§ 10 Abs. 1 bw AGGVG).

2. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Beweiswürdigung sind rechtlich fehlerhaft, weil ihnen Beweiserhebungsverbote und Beweisverwertungsverbote zugrunde gelegt werden, die nicht existieren. Der Freispruch des Betroffenen beruht daher auf der fehlerhaften Nichtausschöpfung vorhandener und verwertbarer Beweismittel (vgl. Engelhardt in KK, StPO, 4. Aufl., § 261 Rdnr. 49; Kuckein in KK, StPO, 4. Aufl., § 337 Rdnr. 30, jeweils m.w.N.) und kann auf die Sachrüge hin keinen Bestand haben.

a) Das mit einer der – senatsbekannt in Stuttgart eingesetzten – Messanlage der Marke Traffipax aufgenommene Messfoto ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts durch das Ordnungsamt der Landeshauptstadt Stuttgart nicht ohne ausreichende Zuständigkeitsnorm aufgenommen worden. Da die Anlage neben präventiven Zwecken der bloßen Verkehrsüberwachung auch der repressiven Aufgabe der Verfolgung von gerade begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten dient, ist ihr Einsatz durch § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG gedeckt; danach liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemessen Ermessen der Verfolgungsbehörden. Die Herstellung von Frontalfotografien zur Feststellung der Identität der Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist eindeutig rechtmäßig, weil sich das Geschehen in der Öffentlichkeit vollzieht, eine Sachverhaltsfeststellung im nachhinein kaum noch möglich ist und das Anhalten der Pkws im fließenden Verkehr mit schwerwiegenden Gefahren verbunden wäre (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., vor § 59 Rdnr. 145 a).

b) Die Erhebung des dem Betroffenen zugeordneten digitalisierten Lichtbildes aus dem Passregister der Landeshauptstadt Stuttgart begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Für die Datenübermittlung aus dem Passregister der Passbehörde bestimmt § 22 Abs. 1 PaßG, dass die Passbehörden personenbezogene Daten nur nach Maßgabe dieses Gesetzes oder anderer Gesetze oder Rechtsverordnungen erheben, übermitteln, sonst verarbeiten oder nutzen dürfen. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 u. 2 Nrn. 1 bis 3 PaßG, der insoweit § 2 b Abs. 2 Personalausweise entspricht, dürfen die Passbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Passregister übermitteln, wenn die ersuchende Behörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten, die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen, und wenn die Daten beim Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erhoben werden können. Hätte sonach die Bußgeldstelle der Landeshauptstadt Stuttgart das Passregister (oder Personalausweisregister) um die Übermittlung eines Lichtbildes des einer Verkehrsordnungswidrigkeit verdächtigen Betroffenen ersucht, so hätte diese Stelle dem Ersuchen stattgeben müssen. Dabei ist nicht von Bedeutung, dass beide Stellen Teil der Verwaltung der Landeshauptstadt Stuttgart als unterer Verwaltungsbehörde sind; es kann aus Gründen der Gleichheit und der Praktikabilität hier nichts anderes gelten als bei Behördenstellen, die verschiedenen übergeordneten Verwaltungseinheiten zugehören. Entscheidend ist, dass die Bußgeldbehörde nach §§ 46 OWiG, 161 StPO berechtigt ist, von allen Behörden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskunft zu verlangen. Dieses Auskunftsrecht, das auf „anderen Gesetzen“ im Sinne von § 22 Abs. 1 PaßG beruht, umfasst auch die Herausgabe eines beim Passregister hinterlegten Lichtbildes des Betroffenen, das Datencharakter (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 BDSG) hat. § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PaßG (und auch § 2 b Abs. 2 Nr. 1 Personalausweise) beschränkt die Auskunftspflicht der Passbehörde (oder der Personalausweisbehörde) gerade nicht. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wird dem Datenschutz kein Vorrang vor dem staatlichen Aufklärungsinteresse eingeräumt (so schon Senatsbeschluss vom 02. Januar 1998 – 1 Ss 712/97; ebenso AG Schleiden DAR 2001, 232), weil die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten – ähnlich wie die Strafverfolgung – nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) eine zentrale staatliche Aufgabe ist, die zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere der Verkehrsdisziplin, in effektiver Weise wahrgenommen werden muss. Hierfür sind auch Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zulässig, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Die Bußgeldbehörden sind zwar bei weitem nicht in allen Fällen der Beweissicherung durch Messfotos auf einen Abgleich mit Lichtbildern aus dem Pass- oder Personalausweisregister angewiesen; in Fällen wie dem vorliegenden, in denen ein Firmenangehöriger verdächtig ist, eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben, brauchen sie jedoch zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe der Verfolgung solcher Ordnungswidrigkeiten derartige Daten, weil diese sonst mit unverhältnismäßig hohem Aufwand durch einen Behördenbediensteten oder auf bußgeldbehördliches Ersuchen durch die Polizei erhoben werden müssten. Der Bußgeldbehörde oder der Polizei bliebe dann nur die Möglichkeit, den Betroffenen in seiner Wohnung oder an seinem Arbeitsplatz aufzusuchen und ihn zum Vergleich mit dem Messfoto in Augenschein zu nehmen; äußerstenfalls käme auch eine Nachbarschaftsbefragung in Betracht (vgl. Hassemer/Topp NZV 1995, 169, 172). Diese Ermittlungswege wären sowohl für die Behörden als auch für den Betroffenen nicht verhältnismäßig. Angesichts der andauernden personellen Unterbesetzung der Bußgeldbehörden und der Polizei und ihrer Aufgabenüberlastung wäre ein derartig überzogener, in der Sache unnötiger Ermittlungsaufwand nicht vertretbar. Wegen der dadurch verursachten Verzögerung der Ermittlungen träte überdies wegen der in § 26 Abs. 3 StVG bestimmten Verjährungsfrist von nur drei Monaten bis zum Erlass des Bußgeldbescheids häufig Verfolgungsverjährung ein, bevor der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit ermittelt wäre.

Aus der Sicht des Betroffenen würden die hergebrachten Ermittlungswege wesentlich stärker in seine Persönlichkeitsphäre eingreifen als die Erhebung seines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister. Denn jede Befragung Dritter wäre notwendigerweise mit Informationen über die Ordnungswidrigkeit verbunden, die im privaten Umfeld des Betroffenen zu weiteren Spekulationen über ein etwaiges Fehlverhalten Anlass gäben. Demgegenüber ist die Erhebung eines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister für die Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit der geringstmögliche Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Tatverdächtigen. Der Senat sieht unter diesen Umständen keinen Anlass, ein generelles Beweiserhebungsverbot anzunehmen. Er weicht damit von der in Beschlüssen des OLG Frankfurt (NJW 1997, 2369) und des BayObLG (NJW 1998, 3656) vertretenen Rechtsmeinung ab; die Vorlagepflicht nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 121 Abs. 2 GVG wird dadurch jedoch nicht ausgelöst, weil diese beiden Entscheidungen nicht auf der abweichenden Rechtsauffassung beruhen, sondern auf der Verneinung eines Beweisverwertungsverbotes.

Indes hat auch die Beweiserhebung in Bußgeldverfahren ihre rechtlichen Grenzen. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 02. Januar 1998 – 1 Ss 712/97 – ausgeführt, dass die Auskunftspflicht der ersuchten Behörde dort ihre Grenze findet, wo die Erfüllung der Auskunftspflicht den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit des Betroffenen berühren würde (vgl. BVerfG NStZ 1996, 45; BVerfG NJW 1990, 563; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., Einleitung Rdnrn. 56 a, 57). Ein solcher Fall läge beispielsweise vor, wenn bei Ermittlungen im Bereich des Rechts der Ordnungswidrigkeiten Daten über den Gesundheitszustand des Betroffenen oder über seine genetische Struktur beim Gesundheitsamt erhoben würden. Auch die Auskunftserteilung durch Herausgabe eines Lichtbildes an einen privaten Gläubiger des Betroffenen wäre aus Gründen des Datenschutzes rechtswidrig.

c) Da ein derartiges Beweiserhebungsverbot hier offensichtlich nicht vorlag, hätte die Bußgeldstelle durch ein schriftliches Auskunftsersuchen an das Passregister, das gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 PaßG durch einen hierzu ermächtigten Bediensteten zu stellen gewesen wäre, das dort gespeicherte Lichtbild des Betroffenen erheben und dieses als Beweismittel gegen ihn verwerten dürfen. Stattdessen hat die Bußgeldstelle sich des Automatisierten Abrufverfahrens nach § 8 bw LDSG i.d.F. vom 18. September 2000 bedient und selbst ein beim Passregister gespeichertes digitalisiertes Lichtbild des Betroffenen erhoben, das das Amtsgericht nicht verwerten zu dürfen glaubte. Nach der genannten Vorschrift darf ein automatisiertes Verfahren, das die Übermittlung personenbezogener Daten durch Abruf ermöglicht, nur eingerichtet werden, soweit dieses Verfahren unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Betroffenen und der Aufgaben der beteiligten Stellen angemessen ist. Dabei haben die beteiligten Stellen zu gewährleisten, dass die Zulässigkeit des Abrufverfahrens kontrolliert werden kann. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 bw LDSG beurteilt sich die Zulässigkeit des einzelnen Abrufs nach den für die Erhebung und Übermittlung von Daten geltenden Vorschriften.

Der Senat entnimmt dieser neuen landesrechtlichen Vorschrift, dass den Bußgeldstellen zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen, die der Dokumentation und Kontrolle der Verfolgungstätigkeit dienen, der Online-Zugriff auf die im Pass- oder Personalausweisregister gespeicherten Lichtbilder von Betroffenen grundsätzlich gestattet ist. In einem Fall wie dem vorliegenden, wo Ermittlungen beim Betroffenen oder in dessen sozialem Umfeld einen unverhältnismäßigen Aufwand mit sich brächten und die schutzwürdigen Belange des Betroffenen durch eine Online-Erhebung seines Lichtbildes beim Passregister geringstmöglich beeinträchtigt werden, erscheint es grundsätzlich angemessen, diese Art der Beweiserhebung, die die Vorteile der modernen Kommunikationstechnik nutzt, zuzulassen.

Allerdings sind der Bußgeldbehörde hier bei der durch §§ 22 Abs. 3 PaßG, 8 Abs. 2 bw LDSG vorgeschriebenen Dokumentation des Online-Zugriffs so schwerwiegende Fehler unterlaufen, dass die Beweiserhebung als formell rechtswidrig angesehen werden muss. Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 u. 3 PaßG durfte nur ein besonders ermächtigter Bediensteter tätig werden, der den Anlass des Ersuchens und die Herkunft der übermittelten Daten aktenkundig machte. Die beteiligten Stellen mussten gemäß § 8 Abs. 2 bw LDSG durch schriftliche Festlegung gewährleisten, dass die Zulässigkeit des Abrufverfahrens kontrolliert werden konnte; hierzu waren Anlass und Zweck des Abrufverfahrens, Dritte, an die übermittelt wurde, die Art der abzurufenden Daten und die nach § 9 bw LDSG erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen festzulegen. Da diese Dokumentationspflicht keine bloße Ordnungsvorschrift darstellt, sondern der Sicherung des Datenschutzes sowie insbesondere der Verhinderung von Missbräuchen dient und damit für die Rechtmäßigkeit des Online-Zugriffs konstitutiven Charakter hat, hätte sie bei Erhebung des Lichtbildes des Betroffenen befolgt werden müssen. Die wesentlich später auf Anfrage des Amtsgerichts erfolgte Erklärung des unverständlichen Dialogschlüssels vom 24. August 2001 reichte als Dokumentation nicht aus. Die Bußgeldstelle wird, falls sie den Online-Zugriff künftig wieder praktizieren sollte, auf eine vollständige und allgemein verständliche Dokumentation zu achten haben.

Die Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung führt hier indes nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Ebenso wie bei der Datenerhebung durch schriftliches Ersuchen besteht ein Beweisverwertungsverbot nur dann, wenn der Kernbereich der Persönlichkeitssphäre des Betroffenen berührt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 02. Januar 1998 – 1 Ss 712/97; BayObLG NJW 1998, 3656; OLG Frankfurt NJW 1997, 2963; OLG Hamm, Beschluss vom 07. November 1989 – 3 Ss OWi 695/89, zitiert nach juris; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., Einleitung Rdnr. 56 m.w.N.). Das ist hier ersichtlich nicht der Fall. Das Lichtbild des Betroffenen ist lediglich der – nicht umfassend geschützten – schlichten Privatsphäre zuzurechnen. Dass es vom Betroffenen selbst bei Beantragung seines Reisepasses zu den Akten der Passstelle gegeben wurde, hindert seine Verwertung ebenfalls nicht; ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass niemand aktiv zu seiner eigenen Überführung beitragen muss, liegt nicht vor. Der Betroffene ist nicht gezwungen worden, sein Lichtbild im Bußgeldverfahren als Beweismittel zur Verfügung zu stellen. Dass die Bußgeldstelle wegen des nach der Hinterlegung des Lichtbildes entstandenen Tatverdachts einer Verkehrsordnungswidrigkeit auf sein zum Passregister gegebenes Lichtbild im Automatisierten Abrufverfahren zugreifen konnte, ist das unmittelbare Ergebnis staatlicher Ermittlungstätigkeit, nicht jedoch einer rechtswidrig erzwungenen Selbstbelastung des Betroffenen.

III.

Das angefochtene Urteil kann auf der in mehrfacher Hinsicht unrichtigen Rechtsauffassung des Amtsgerichts beruhen. Der Senat musste den Freispruch daher aufheben; er hat die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen (§ 79 Abs. 5 u. 6 OWiG).

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