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Persönlichkeitsrechtsverletzung Grundstücksnachbar – Videokamera zur Grundstücksüberwachung

LG Osnabrück – Az.: 9 S 145/18 – Urteil vom 07.12.2018

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Lingen vom 24.04.2018 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die bei der Garage auf ihrem Grundstück B.weg xa, L. angebrachte Überwachungskamera objektiv nachprüfbar nicht das klägerische Grundstück B.weg xb, L. erfasst und eine Erfassung des klägerischen Grundstücks nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte K. in Höhe von 492,54 € freizustellen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Lingen hat mit dem am 24.04.2018 verkündeten Urteil die Klage auf Deinstallation der Dome-Kamera vollumfänglich abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das den Berufungsklägern am 26.04.2018 zugestellt worden ist, haben diese mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigen vom 17.05.2018, eingegangen bei dem Landgericht Osnabrück am 17.05.2018, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 26.06.2018, eingegangen bei dem Landgericht Osnabrück am 26.06.2018, begründet.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts Lingen im Urteil vom 24.04.2018 Bezug genommen.

Die Kläger haben zunächst beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die vorhandene Dome-Kamera rechts unterhalb des Daches und oberhalb der Garage, rechts vom Haus, von der Straße aus gesehen, zu deinstallieren,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, eine oder mehrere Videokameras bzw. Dome-Kameras auf dem Grundstück B.weg xa, L. zu installieren, die geeignet sind das Hausgrundstück der Kläger, B.weg xb, L. oder angrenzende öffentliche Bereiche einzusehen,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Kläger von Honoraransprüchen der Rechtsanwälte K. in Höhe von 492,54 € freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen nunmehr, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und der Klage nach den zuletzt in der I. Instanz gestellten Anträgen stattzugeben,

hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass das klägerische Grundstück von den Aufnahmen der Dome-Kamera der Beklagten, die an deren Haus vor der Garage auf der rechten Seite, von der Straße aus gesehen, angebracht ist, nicht erfasst wird und die gewährleistet, dass technische Veränderungen von außen an der Kamera sichtbar sind.

Die Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die zulässige Klage ist teilweise nach Maßgabe des erstmals in der Berufungsinstanz angebrachten Hilfsvorbringens begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Videokamera zur Grundstücksüberwachung
(Symbolfoto: Von kckate16/Shutterstock.com)

Entgegen der in dem erstinstanzlichen Urteil vertretenen Ansicht ist vorliegend ein Überwachungsdruck der Kläger zu bejahen, welcher einen Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog auf Durchführung geeigneter Maßnahmen zur Störungsbeseitigung gegen die Beklagten rechtfertigt.

Ein die Unterlassung rechtfertigender Überwachungsdruck besteht, wenn die Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft zu befürchten ist. Dies soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zwar dann nicht der Fall sein, wenn ein Nachbar die Anfertigung von Aufnahmen lediglich befürchtet und die Kamera nur mit erheblichem und äußerlich wahrnehmbarem Aufwand, also nicht allein mit Hilfe einer Steuerungsanlage, auf sein Grundstück ausgerichtet werden kann. Die Befürchtung überwacht zu werden ist aber insbesondere im Falle eines eskalierenden Nachbarstreits oder aufgrund objektiver Verdacht erregender Umstände nachvollziehbar, verständlich und nicht nur hypothetisch, sodass allein wegen dieser Verdachtsmomente ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu bejahen ist (BGH Urteil vom 16.03.2010 Az. VI ZR 176/09 – recherchiert über Juris – Rn. 13 f. m.w.N.).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Amtsgericht zu Unrecht verneint. Zum einen besteht zwischen den Parteien unstreitig seit Jahren ein angespanntes Verhältnis, im Rahmen dessen es zu fortlaufenden Anzeigen der Kläger gegenüber dem Gewerbeamt gekommen ist. Unabhängig von der Beweisbarkeit der weiteren Vorfälle (vgl. Bl. 129 ff. Bd. I d. A.) folgt hieraus für die Kammer die nicht nur hypothetische Möglichkeit, dass Aufnahmen von dem Wohnhaus der Kläger gefertigt werden. Zum anderen stellt die erstinstanzliche Entscheidung unzutreffender Weise darauf ab, dass die Veränderung der Einstellung der Kamera nur durch eine von außen erkennbare Handlung vorgenommen werden könne. Entscheidend ist hier aber nicht die Erkennbarkeit der Handlung, sondern die der Einstellung selbst. Anderenfalls müssten die Kläger gerade im Zeitpunkt der Vornahme der Veränderung den Bereich der Kamera auf dem Nachbargrundstück beobachten (vgl. LG Rottweil, Urteil vom 23.05.2018 Az. 1 A 11/18 – recherchiert über Juris – Rn. 8). Da es sich vorliegend aber um eine Dome-Kamera handelt, ist die tatsächliche Einstellung von außen nicht erkennbar. Auch ist die Kamera ausweislich des eingeholten Gutachtens in der Lage, Aufnahmen guter Qualität von dem öffentlichen Verkehrsbereich und dem Haus der Kläger zu fertigen (vgl. Bl. 110, 111 Bd. I d. A.).

Bei einer Verurteilung nach § 1004 BGB obliegt es grundsätzlich dem Schuldner zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Störungsbeseitigung er veranlasst. Eine Verurteilung zu einer bestimmten Maßnahme kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Beeinträchtigung nur durch diese eine bestimmte Handlung beseitigt werden kann. Auch ist eine Überwachung des eigenen Grundstücks grundsätzlich erlaubt, Art.14 Abs. 1 GG, sodass die Verurteilung zur vollständigen Unterlassung diesem Recht widersprechen würde (LG Rottweil, a.a.o., Rn. 8 f.). Dementsprechend war allein dem Hilfsantrag stattzugegeben und die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die bei der Garage auf ihrem Grundstück B.weg xa, L angebrachte Überwachungskamera objektiv nachprüfbar nicht das klägerische Grundstück B.weg xb, L. erfasst und eine Erfassung des klägerischen Grundstücks auch nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich wird.

2.

Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren – in Form der Freistellung – in Höhe von 492,54 € steht den Klägern aus §§ 823 Abs. 1, 249 BGB nach einem Streitwert von bis zu 5.000,00 € zu.

3.

Die Kostenentscheidung beider Instanzen beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 708 ZPO Rn. 12 m.w.N.).

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