LG Berlin – Az.: 65 S 1/19 – Beschluss vom 02.10.2019
Die Kammer beabsichtigt, die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung gegen das Teilurteil des Amtsgerichts Neukölln vom 14.11.2018, Az. 13 C 375/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
I.
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 601,00 € verneint. Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB iVm Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG liegen nicht vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029, [2033f.], mwN; Urt. v. 15. September 2015 – VI ZR 175/14, NJW 2016, 789, [793], mwN, jew. nach beck-online). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist auch ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen; der Titel und die mit ihm verbundenen Vollstreckungsmöglichkeiten können den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen. Denn die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung findet ihre sachliche Rechtfertigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH, Urt. v. 15. September 2015 – VI ZR 175/14, NJW 2016, 789, [793], nach beck-online).
Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung einer Geldentschädigung nicht erforderlich, die vom Amtsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nicht zu beanstanden.
Das Amtsgericht hat das Gewicht des Eingriffs der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin infolge der Installation der Kameras im Innenbereich des Hauseingangs und im ersten Innenhof des Mietobjektes zutreffend als schwerwiegend gewürdigt. Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist jedoch nur notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für den Anspruch auf eine Geldentschädigung. Bedeutung und Tragweite des Eingriffs erfordern die Zahlung einer solchen nach den hier gegebenen Umständen nicht.
Der rechtswidrige Eingriff richtet sich nicht gegen die Grundlagen der Persönlichkeit der Klägerin, er trifft nicht ihren Kern. Die Videoüberwachung war auf den Außenbereich der Wohnung, Teile des Zugangs zur Wohnung – dem verfassungsrechtlich besonders geschützten privaten Rückzugsgebiet der Klägerin – beschränkt. Ziel war nicht eine gezielte, generelle Überwachung der (ahnungslosen) Mieterschaft, eine Verbreitung oder gar Veröffentlichung fand weder statt noch war sie zu befürchten. Inzwischen steht sogar fest, dass mit den Kameras keine Aufzeichnungen vorgenommen wurden.
Die mit dem rechtswidrigen Eingriff verbundenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen bleiben auch nicht etwa sanktionslos, denn die Klägerin (und der Kläger) haben einen – inzwischen rechtskräftigen – Unterlassungstitel erwirkt; die Kameras wurden bereits im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens entfernt, der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Heimlichkeit der Überwachung/Installation der Kameras und der Zeitraum bis zu ihrer Entfernung rechtfertigen – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – keine andere Bewertung der Gesamtumstände. Die Klägerin setzt letztlich ihre eigene – abweichende – Würdigung an die des Amtsgerichts, ohne dass – unter Berücksichtigung der eingangs dargestellten, vom Amtsgericht zugrunde gelegten Maßstäbe des Bundesgerichtshofs – Fehler ersichtlich wären oder konkret vorgebracht würden.
Ohne Erfolg bezieht die Klägerin sich auf den Beschluss der Kammer vom 8. Dezember 2014 (65 S 384/14, juris). Die Kammer hat auch dort einen Anspruch auf eine Geldentschädigung im Zusammenhang einer Videoüberwachung (und –aufzeichnung) verneint und – den eingangs dargestellten Anforderungen des Bundesgerichtshofs entsprechend – die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung gewichtet, in dem Fall die zahlreichen Hinweisschilder einbezogen, die auf die Videoüberwachung aufmerksam machen sollten. Werden die vom Bundesgerichtshof entwickelten Anforderungen zugrunde gelegt, kann ein einzelner Umstand – wie die (fehlende) Heimlichkeit der Überwachung – die Gesamtwürdigung aller Umstände nicht entfallen lassen. Dies lässt sich der Entscheidung der Kammer im Übrigen mitnichten entnehmen.
II.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren im Fall der Rücknahme der Berufung ermäßigen.