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Lehrerin – personenbedingte Kündigung kann bei Untersagungsverfügung der Landesschulbehörde gerechtfertigt sein


Landesarbeitsgericht Niedersachsen

Az: 12 Sa 443/13

Urteil vom 24.01.2014


Leitsatz (amtlich)

1. Erlässt die Landesschulbehörde in Bezug auf eine bestimmte Lehrkraft an einer Privatschule eine Untersagungsverfügung, weil die fachliche Eignung für den Lehrerberuf nicht gegeben sein soll, kann dies – beim Fehlen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten – eine personenbedingte Kündigung der Lehrkraft rechtfertigen, wenn mit der Untersagungsverfügung deren Sofortvollzug angeordnet worden ist oder die Untersagungsverfügung bestandskräftig geworden ist.

2. Solange indes die Untersagungsverfügung nicht bestandskräftig und ein Sofortvollzug nicht angeordnet ist, besteht kein öffentlich rechtliches Hindernis an der weiteren Ausübung des Lehrerberufs. Ein Lehrer bedarf keines Lehrerscheins um seinen Beruf auszuüben. Eine Untersagungsverfügung, bezüglich derer kein Sofortvollzug angeordnet worden ist und die nicht bestandskräftig ist, vermag ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine personenbedingte Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des C-Stadt vom 14.03.2013 – 6 Ca 442/12 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.10.2012 beendet worden ist, sondern bis zum 26.06.2013 fortbestanden hat.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung, die die Beklagte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 19.10.2012 ausgesprochen hat.

Die Beklagte betreibt in C-Stadt eine staatlich anerkannte Privatschule (Ersatzschule in freier Trägerschaft). Dort sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vollschichtig beschäftigt. Der Kläger ist dort seit dem 07.01.2010 als Lehrkraft für die Unterrichtsfächer Englisch, Französisch und Geschichte zu einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 2.657,96 € beschäftigt gewesen. Das zunächst befristete Arbeitsverhältnis wurde von den Parteien Mitte 2011 einvernehmlich entfristet. Am 26.06.2012 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Bl. 8 d. A.), nach welchem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zum 26.06.2013 enden sollte.

Der Kläger hat – was sowohl der Beklagten als auch der niedersächsischen Landesschulbehörde von Anfang an bekannt war – die zweite Staatsprüfung für das höhere Lehramt nicht mit Erfolg abgelegt. Tatsächlich unterrichtete der Kläger bei der Beklagten bis zum Ende des Schuljahres 2011/12 am 23.07.2012. Anschließend wurde er von der Beklagten übergangsweise mit der Erfassung des Bibliotheksbestandes beauftragt.

Mit Schreiben vom 20.07.2012 äußerte die Schulleiterin der Beklagten, Frau  G. B. , die Auffassung, dass der Kläger nicht über die entsprechende pädagogische Eignung für die ihm übertragene Lehrtätigkeit verfüge. Es sei auch nicht zu erwarten, dass er diese im Rahmen der Tätigkeit an der Schule noch erlangen werde (Bl. 60 f. d. A.). Mit Schreiben vom 30.07.2012 beantragte die Beklagte bei der Landesschulbehörde, dem Kläger die Ausübung der Tätigkeit einer Lehrkraft zu untersagen (Bl. 108 d. A.). Mit E-Mail-Schreiben vom 31.08.2012 informierte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger darüber, dass die Landesschulbehörde die Einleitung eines Verfahrens zur Untersagung seiner Unterrichtstätigkeit prüfe. Ab Beginn des Schuljahres 2012/2013 wurde der Kläger von der Beklagten nicht mehr im Unterricht eingesetzt. Mit Bescheid vom 17.10.2012 (Bl. 5 f. d. A.) untersagte die Landesschulbehörde der Beklagten, den Kläger weiter an der Schule unterrichten zu lassen. Die sofortige Vollziehbarkeit dieser Maßnahme wurde nicht angeordnet. Gegen diese Untersagungsverfügung hat der Kläger am 16.11.2012 zum Verwaltungsgericht C-Stadt Drittanfechtungsklage erhoben. Mit Beschluss vom 30.08.2013 hat das Verwaltungsgericht C-Stadt dieses verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt und die Kosten der Landesschulbehörde und der hiesigen Beklagten zu gleichen Teilen auferlegt (Bl. 134 f. d. A.).

Mit Rücksicht auf die Untersagungsverfügung vom 17.10.2012 hat die Beklagte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 19.10.2012 eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen (Bl. 4 d. A.). Hiergegen hat der Kläger mit am 06.11.2012 beim Arbeitsgericht C-Stadt eingegangenen Schriftsatz Kündigungsschutzklage erhoben.

Mit Schreiben vom 21.11.2012 richtete der Geschäftsführer der Beklagten eine schriftliche Nachfrage an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, bei der es um den Verbleib einer Klassenkasse der Klasse 9 mit einem geschätzten Inhalt von 345,– € ging (Bl. 159 d. A.). Mit Antwortschreiben vom 27.11.2012 bat der Prozessbevollmächtigte des Klägers um Mitteilung der Bankverbindung der derzeitigen Klassenlehrerin der betroffenen Klasse, damit der Kläger den von ihm verwalteten Geldbetrag unverzüglich auskehren könne (Bl. 33 d. A.). Mit Schreiben vom 04.12.2012 teilte die Beklagte die Kontoverbindung der Nachfolgeklassenlehrerin mit und bat den Kläger auch um eine „nachvollziehbare“ Abrechnung der Klassenkasse. Der Kläger hat sodann das Guthaben an die Nachfolgeklassenlehrerin überwiesen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum 26.06.2013 zuzumuten gewesen sei. In Kenntnis des Umstandes, dass der Kläger nicht über das zweite Staatsexamen verfüge, habe die Beklagte eine Verlängerung des Arbeitsvertrages vorgenommen und sodann sich mit dem Kläger am 26.06.2012 auf eine Beendigung erst zum 26.06.2013 verständigt. Gründe, von dieser Regelung abzuweichen, lägen nicht vor.

Der Kläger hat beantragt,

das im Termin am 27.11.2012 verkündete Teil-Versäumnisurteil, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 19.10.2012 beendet worden ist, aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Teil-Versäumnisurteil vom 27.11.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst die Ansicht vertreten, aufgrund der Untersagungsverfügung der Landesschulbehörde vom 17.10.2012 sei ihr der Einsatz des Klägers auf unabsehbare Zeit unmöglich geworden. Eine Beschäftigung des Klägers im administrativen Bereich scheide mangels vorhandener Aufgaben aus. Zudem habe der Kläger durch die verspätete Ablieferung der Klassenkasse einen Vertrauensbruch begangen, welcher zur Stützung der außerordentlichen Kündigung nachgeschoben werde.

Mit Urteil vom 14.03.2013 hat das Arbeitsgericht das Teil-Versäumnisurteil vom 27.11.2012 teilweise aufgehoben und hat auf Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 19.10.2012 erkannt und die weitergehende Kündigungsschutzklage des Klägers gegenüber der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung abgewiesen. Diese Entscheidung ist am 05.04.2013 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufungsschrift ist am 30.04.2013 und die dazugehörige Berufungsbegründung am 05.07.2013 und damit am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung des Klägers ist am 09.07.2013 an die zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten zugestellt worden. Die Anschlussberufung enthaltende Schriftsatz der Beklagten ist am 07.08.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend, dass die Untersagungsverfügung der Landesschulbehörde vom 17.10.2012 nie rechtskräftig geworden sei. Nach der summarischen Würdigung des Verwaltungsgerichts C-Stadt im Beschluss vom 30.08.2013 sei zudem davon auszugehen, dass die Untersagungsverfügung auch materiell rechtswidrig gewesen sei. Es fehle damit an dem von der Beklagten behaupteten personenbedingten Kündigungsgrund. Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund liege nicht vor, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Absicht gehabt habe, das treuhänderisch für die 9. Klasse aufbewahrte Geld für sich zu vereinnahmen. Die Ablieferung des Betrages habe sich nur deshalb verzögert, weil der Kläger noch keine Kenntnis davon gehabt habe, wer die Nachfolgeklassenlehrerin sei. Schließlich sei die Kündigung vom 19.10.2012 sowohl als ordentliche als auch als außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte müsse sich an der am 26.06.2012 vereinbarten Auslauffrist bis zum 26.06.2013 festhalten lassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts C-Stadt vom 14.03.2013 – 6 Ca 442/12 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.10.2012 zum 31.01.2013 beendet worden ist, sondern bis zum 26.06.2013 fortbestanden hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und beantragt im Wege der Anschlussberufung, das Urteil des Arbeitsgerichts C-Stadt vom 14.03.2013 – 6 Ca 442/12 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass sie auf Basis der Untersagungsverfügung der Landesschulbehörde vom 17.10.2012 zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 19.10.2012 die Prognose habe treffen können und müssen, dass sie den Kläger nicht mehr für den Unterricht werde einsetzen können. Da es auch keine Ausweichbeschäftigungen für den Kläger im administrativen Bereich gegeben habe, sei die Einhaltung der Kündigungsfrist der Beklagten nicht zuzumuten gewesen. Die fristlose Kündigung rechtfertige sich auch daraus, dass der Kläger die von den Schülern bzw. Eltern vereinnahmten Beträge nicht unverzüglich nach Ende des Schuljahres im Juli 2012 abgeliefert habe. Darin liege ein Vertrauensbruch, welcher die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar mache. Die Interessenabwägung falle zugunsten der Beklagten aus, da sowohl die pädagogischen Mängel in der Unterrichtstätigkeit des Klägers als auch ein etwaiger Konflikt mit der Landesschulbehörde geeignet seien, das Ansehen der Beklagten gegenüber den Eltern der Schule und der Öffentlichkeit herabzusetzen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der Sitzung am 29.11.2013 verwiesen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 11.12.2013 hat sich die Beklagte mit den von der Kammer im Termin am 29.11.2013 geäußerten Rechtsansichten auseinandergesetzt und dazu weiter vorgetragen. Daraufhin ist am 17.12.2013 die 12. Kammer in der Besetzung vom 29.11.2013 erneut zur Beratung zusammengetreten. Den ehrenamtlichen Richtern lag dabei der Schriftsatz der Beklagten vom 29.11.2013 zur Lektüre und Beratung vor. Nach eingehender Beratung ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass weder ein Grund gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 156 ZPO zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vorlag noch sonst von der bereits am 29.11.2013 getroffenen Entscheidung abgewichen werden soll (Bl. 195 d. A.).

Entscheidungsgründe

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist begründet. Die Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Kündigung vom 19.10.2012 ist sowohl als außerordentliche als auch als ordentliche Kündigung unwirksam. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat daher erst mit Ablauf der in der im Aufhebungsvertrag vereinbarten Frist am 26.06.2013 sein Ende gefunden.

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I.

Die Berufung des Klägers ist begründet, weil die Beklagte für die ordentliche Kündigung vom 19.10.2012 weder einen personen- noch einen verhaltensbedingten Grund heranführen kann und auch eine etwaige Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten ausgehen würde.

1. Kündigungsgründe in der Person des Arbeitnehmers sind solche, die auf persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers beruhen. Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung soll dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet werden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, um zukünftig die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

a) Ein Fall für eine begründete personenbedingte Kündigung kann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis verliert, welche zwingende Voraussetzung für die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit oder Funktion ist (beispielsweise die Fahrerlaubnis für einen Fernfahrer oder die Approbation eines Arztes). Mit Urteil vom 07.02.1990 (2 AZR 359/89, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 personenbedingte Kündigung) hat das Bundesarbeitsgericht auch den Fall einer fehlenden Arbeitserlaubnis für ausländische Arbeitnehmer hierunter gefasst. Wenn einem ausländischen Arbeitnehmer die erforderliche Arbeitserlaubnis rechtskräftig versagt worden ist, so ist eine ordentliche Kündigung regelmäßig sozial gerechtfertigt, weil der Arbeitnehmer dann zur Leistung der vertraglich geschuldeten Dienste dauernd außer Stande ist. Gemeinsam ist in diesen Fallkonstellationen, dass die entsprechende Tätigkeit nur ausgeübt werden kann, wenn die entsprechende öffentlich-rechtliche Erlaubnis positiv vorliegt. Sobald die entsprechende Erlaubnis entzogen ist, darf die entsprechende Tätigkeit keinen Tag länger ausgeübt werden, unabhängig davon, welche Chancen der Arbeitnehmer hat, die fehlende Erlaubnis wiederzuerlangen. Letzteres spielt nur für die dann vorzunehmende Prognose im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Rolle.

Der vorliegende Fall liegt anders: Es ist im niedersächsischen Schulrecht analog zum Führerschein kein „Lehrerschein“ vorgesehen. Das niedersächsische Schulgesetz (NSchG) stellt zwar in § 144 Abs. 3 NSchG bestimmte materielle Anforderungen an die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte. Wenn diese materiellen Voraussetzungen vorliegen, wird indes keine „Lizenz zum Lehren“ erteilt. Der Regelungskomplex in §§ 144, 167 NSchG ist vielmehr so ausgestaltet, dass die Schulaufsicht nur dann im Einzelfall einschreitet, wenn begründete Zweifel an der Qualität der Ausbildung der Lehrkräfte bestehen. Sodann muss die Landesschulbehörde entscheiden, ob die diagnostizierten Mängel so schwerwiegend sind, dass ein Sofortvollzug der Untersagungsverfügung nach § 167 Abs. 3 NSchG anzuordnen ist. Wird dieser Sofortvollzug nicht angeordnet, ist die entsprechende Untersagungsverfügung solange schwebend unwirksam, bis sie entweder durch Zeitablauf rechtskräftig wird oder aber durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigt wird.

Im vorliegenden Fall ist die Untersagungsverfügung vom 17.10.2012 nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Kläger hat am 16.11.2012 Drittanfechtungsklage erhoben, über welche eine materielle Entscheidung beim Verwaltungsgericht nicht mehr herbeigeführt werden konnte. Das Verwaltungsgericht hat jedoch in seinem Einstellungsbeschluss vom 30.08.2013 bei summarischer Würdigung die Auffassung vertreten, dass die Untersagungsverfügung der Landesschulbehörde auch materiell rechtswidrig gewesen ist (hierzu wird auf den Beschluss vom 30.08.2013, 6 A 6459/12 verwiesen, Bl. 134 f. d. A.). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Landesschulbehörde – wie von der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.12.2013 behauptet – den Sofortvollzug der Untersagungsverfügung angeordnet „hätte“. Maßgeblich ist allein, dass der Sofortvollzug tatsächlich nicht angeordnet worden ist, die Untersagungsverfügung also nicht wirksam geworden ist. Ein öffentlich-rechtliches formelles Hindernis, welches einer Unterrichtstätigkeit des Klägers entgegengestanden hätte, lag zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht vor. Es fehlt insoweit an einem personenbedingten Kündigungsgrund.

b) Ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, um zukünftig die geschuldete Arbeitsleistung – ganz oder teilweise – zu erbringen. Gegen das Vorliegen einer etwaigen absoluten Unfähigkeit des Klägers, angemessen zu unterrichten, spricht schon der Umstand, dass der Kläger über eine Dauer von ca. 2 1/2 Jahren die Lehrtätigkeit bei der Beklagten ausgeübt hat. Zwar hat die Beklagte die schriftlichen Stellungnahmen der Frau B. vom 20.07.2012 und die des Herrn P. vom 15.02.2013 zu den Akten gereicht. Gleichwohl liegt darin kein ausreichend substantiierter Sachvortrag zu der von der Beklagten konkludent erhobenen Behauptung, der Kläger sei – auch nach Unterstützung und Nachschulung – nicht in der Lage die Aufgaben eines Gymnasiallehrers wahrzunehmen. Dem steht auch der Umstand entgegen, dass die Beklagte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis in Kenntnis der Leistungen des Klägers als Lehrkraft im Sommer 2011 entfristet hat. Auch insofern liegt ein personenbedingter Kündigungsgrund nicht vor.

2. Die Beklagte konnte keinen verhaltensbedingten Kündigungsgrund vortragen, der geeignet ist die außerordentliche Kündigung vom 19.10.2012 zu rechtfertigen. Grundsätzlich wäre eine mögliche Unterschlagung oder Veruntreuung der Gelder aus der Klassenkasse ein geeigneter Grund für eine außerordentliche Kündigung. Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen für das Nachschieben eines Kündigungsgrundes bestehen keine Bedenken. Der geltend gemachte Kündigungsgrund war bereits vor Ausspruch der Kündigung am 19.10.2012 entstanden, da die Beklagte vorträgt, dass der Kläger die Klassenkasse bereits zum Ende des vorangegangenen Schuljahres am 23.07.2012 hätte abliefern müssen. Der Anhörung eines Betriebsrates zu diesem Kündigungsgrund bedurfte es nicht, da bei der Beklagten ein solcher nicht gebildet ist.

Es fehlt jedoch an den materiellen Voraussetzungen für einen entsprechenden Kündigungsgrund: Unstreitig hat der Kläger die von ihm verwahrten Gelder inzwischen vollständig an die neue Klassenlehrerin Frau J. ausgekehrt. Es gibt bei der Beklagten keine schriftliche Anweisung darüber, wie bei der Führung von Klassenkassen zu verfahren ist. Auch eine generelle Anweisung, Klassenkassen bereits zum Ende des Schuljahrs zu übergeben, ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass der Kläger nach seiner Entbindung von der unterrichtlichen Tätigkeit aufgefordert worden wäre, etwaige dienstliche erlangte Gegenstände abzuliefern. Schließlich fehlt es an Indizien, die dafür sprechen, dass der Kläger sich den Betrag rechtswidrig zueignen wollte. Die Kammer geht davon aus, dass der Kläger es bis zum Erinnerungsschreiben der Beklagten vom 21.11.2012 schlicht vergessen hat, den Betrag bei der Beklagten abzuliefern. Darin mag eine Pflichtwidrigkeit liegen. Sie rechtfertigt jedoch ohne vorangegangene einschlägige Abmahnung keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

3. Ungeachtet dessen, dass nach den obigen Ausführungen unter 1. und 2. weder ein Grund für eine personenbedingte noch für eine verhaltensbedingte Kündigung gegeben ist, scheiterte eine personenbedingte Kündigung auch an der vorzunehmenden Interessenabwägung: Hinsichtlich der von der Beklagten herangeführten personenbedingten Gründe ist hier insbesondere zu würdigen, dass die Beklagte den Kläger in Kenntnis des Umstandes eingestellt hat, dass der Kläger die zweite Staatsprüfung im Lehramt nicht bestanden hat. Auf die sich daraus aus ihrer Sicht mittelbar ergebenden Unzuträglichkeiten hat die Beklagte mit dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung vom 26.06.2012 reagiert. Die Parteien haben hier einen Interessenausgleich der Gestalt gefunden, dass der Kläger für (nur) ein weiteres Jahr weiterbeschäftigt wird und dann bei der Beklagten ausscheidet. Von dieser einmal getroffenen Regelung kann sich die Beklagte unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ohne das Hinzutreten neuer, erheblicher Tatsachen durch eine Kündigung wieder lösen. Eine solche neue, wesentliche Tatsache kann insbesondere nicht in der Untersagungsverfügung vom 17.10.2012 gesehen werden, da diese allein auf den Informationen basiert, die die Beklagte der Landesschulbehörde zugeleitet hat und die dem Grunde nach bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages bei der Beklagten bekannt waren.

II.

Unbegründet ist die Anschlussberufung der Beklagten. Hierzu wird voll umfänglich auf die Ausführungen zu I. der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Da die von der Beklagten herangeführten Kündigungssachverhalte noch nicht einmal für eine ordentliche personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung ausreichen, rechtfertigen sie erst recht keine außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger.

III.

Der Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2013 war gem. § 296 a ZPO präkludiert. Gleichwohl hat die Kammer, um dem Gebot des rechtlichen Gehörs umfassend zu genügen, den Vortrag in diesem Schriftsatz in der Nachberatung am 17.12.2013 gewürdigt. Diese Nachberatung hat keinen Anlasspunkte dafür gegeben, die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 11.12.2013 im Wesentlichen die Argumente wiederholt und vertieft, die sie bereits in der mündlichen Verhandlung am 29.11.2013 zu Gehör gebracht hat. Rechtlich irrelevant ist der Umstand, dass die Beklagte nun vorträgt, dass die Landesschulbehörde den Sofortvollzug der Untersagungsverfügung vom 17.10.2012 angeordnet „hätte“, wenn sie Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Kläger vor Rechtskraft der Untersagungsverfügung auf einer Beschäftigung als Lehrer bei der Beklagten besteht. Rechtlich erheblich ist allein, ob die Untersagungsverfügung vom 17.10.2012 in Rechtskraft erwachsen ist oder nicht. Hierzu ist auf die Ausführungen zu I. 1. a) zu verweisen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreites trägt gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Beklagte.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor. Von dem Rechtssatz, dass eine personenbedingte Kündigung in der Regel gerechtfertigt ist, wenn eine für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche öffentlich-rechtliche Erlaubnis nicht vorliegt (BAG 07.02.1990, 2 AZR 359/89, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 personenbedingte Kündigung) ist die Kammer nicht abgewichen. Vorliegend bedurfte der Kläger für die Fortsetzung seiner Unterrichtstätigkeit keiner positiven öffentlich-rechtlichen Erlaubnis.

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