Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Pflegegeld darf nicht gepfändet werden
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat entschieden, dass Pflegegeld, welches vom Pflegebedürftigen an die pflegende Angehörige weitergeleitet wird, nicht als Arbeitseinkommen gilt und infolgedessen nicht gepfändet werden darf. Dadurch soll die Bereitschaft zur häuslichen Pflege erhöht werden. Im konkreten Fall beantragte ein Insolvenzverwalter der Mutter des autistischen Sohnes, das Pflegegeld als pfändbares Arbeitseinkommen anzurechnen. Dies wurde vom BGH jedoch abgelehnt, da es kein Entgelt für bestimmte Leistungen sei und eine freiwillige Leistung des Pflegebedürftigen an die Pflegeperson stelle.
Übersicht:
- Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Pflegegeld darf nicht gepfändet werden
- Sonderfall Pflegegeld: BGH entscheidet über Zulässigkeit der Pfändung
- Pflegegeld gilt nicht als Einkommen
- Auch pflegende Angehörige sind von dem Urteil betroffen
- Der Fall, welcher den BGH beschäftigte
- Ein Insolvenzverwalter brachte den Fall ins Rollen
- Das Pflegegeld ist eine Anerkennung
- Die Bereitschaft zur Pflege soll weiter gestärkt werden
Sonderfall Pflegegeld: BGH entscheidet über Zulässigkeit der Pfändung
Wer mit einer Pfändung zu kämpfen hat, der muss sehr stark auf seine Einkünfte achten. Zwar wird die Pfändungsfreigrenze auf jeden Fall berücksichtigt, aber es kommt sehr stark auf die Art des Einkommens an. Bislang gab es juristischen Streit darüber, ob das Pflegegeld als Einkommen gilt und dementsprechend von dem Forderungsinhaber gepfändet werden kann oder ob das Pflegegeld einen Sonderfall darstellt und dementsprechend als unpfändbares Vermögen gilt. Mit dieser Frage hat sich nunmehr der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt und ein wichtiges Urteil gesprochen.
Pflegegeld gilt nicht als Einkommen
Die Pfändung betrifft in erster Linie das Arbeitseinkommen des Schuldners. Wer jedoch pflegebedürftig ist, kann dementsprechend auch kein Arbeitseinkommen erzielen. Dieser Umstand bringt jedoch nicht die Folge mit sich, dass überhaupt kein Geld der pflegebedürftigen Person gepfändet werden kann. Vielmehr ist es so, dass anstelle des Arbeitseinkommens das Pflegegeld an die entsprechende Person ausgezahlt wird.
Bei dem Pflegegeld handelt es sich um eine Leistung, welche von der leistungsgebenden Stelle an den Empfänger weitergeleitet wird. Der Empfänger erhält das Geld zwar, allerdings ist dieses Geld nicht als Arbeitseinkommen deklariert.
Auch pflegende Angehörige sind von dem Urteil betroffen
Der BGH hat nunmehr das Urteil gefällt, dass das Pflegegeld eben nicht den Charakter des Arbeitseinkommens hat. Dementsprechend ist das Pflegegeld auch nicht pfändbar. Dies gilt auch dann, wenn die pflegende Person ein Angehöriger ist und dieser Angehörige aufgrund einer Überschuldung eine Pfändung hinnehmen muss. Der BGH gab als Grund für seine Entscheidung den Umstand an, dass ein pfändbares Pflegegeld dem gesetzlichen Ziel des Pflegegeldes widersprechen würde. Hierbei wurde seitens des BGH die Einschränkung gemacht, dass das erhaltene Pflegegeld auf jeden Fall an die zu pflegende Person weitergeleitet werden muss. In derartigen Fällen hat das Pflegegeld nicht den Charakter des Entgelts, welches als Lohn für ganz bestimmte Leistungen ausgezahlt wird. Es ist vielmehr so, dass das Pflegegeld dann als materielle Anerkennung für die Pflegeleistung gewertet werden muss.
Der Fall, welcher den BGH beschäftigte
Der BGH musste sich aus dem Grund mit der Frage beschäftigen, da den Richtern ein Fall zur Entscheidung angetragen wurde. Eine überschuldete Mutter, welche im Großraum Oldenburg ihren autistischen Sohn zu Hause pflegte, war betroffen. Die Mutter sah sich aufgrund ihrer Überschuldung mit einer Pfändung konfrontiert und erhielt aus der Pflege des Sohnes heraus Pflegegeld von dem Sohn. Aufgrund der aktuellen Bestimmungen des Gesetzgebers ist es pflegebedürftigen Personen, welche den Pflegegrad 2 innehaben, möglich, das Pflegegeld anstatt einer häuslichen Pflegehilfe zu bekommen. Der Leistungsgeber ist in diesem Zusammenhang die Pflegeversicherung. Pflegebedürftige Personen sind auch dazu berechtigt, das von der Pflegeversicherung bezogene Pflegegeld an die Person, welche die Pflege durchführt, weiterzureichen. Auf diese Weise soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, die Pflege zu übernehmen. Dies entspricht auch der gesetzlichen Maxime, dass das Pflegegeld eine Anerkennung für die bestehende Pflegebereitschaft sein soll.
Ein Insolvenzverwalter brachte den Fall ins Rollen
Im Zuge der Pfändungsmaßnahme gegen die Mutter wurde ein Insolvenzverwalter eingesetzt, welcher von dem Pflegegeldbezug der Mutter Kenntnis erhielt. Dieser Insolvenzverwalter wollte letztlich auf eben jenes Pflegegeld zugreifen. Es wurde seitens des Insolvenzverwalters der entsprechende Antrag gestellt, dass dieses Pflegegeld den Charakter eines pfändbaren Arbeitseinkommens erhält. Eben jener Sichtweise folgte der BGH, vor dem der Fall letztlich landete, nicht. Durch die Entscheidung des BGH, welcher sich bei seinem Urteil auf den § 54 erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) stützte, wurde das von der pflegebedürftigen Person an die Pflegeperson weitergeleitete Pflegegeld als unpfändbar bekräftigt. Der BGH verwies nochmals darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Pflegegeld ein ganz bestimmtes Ziel verfolge.
Dieses Ziel sei die Entlastung des Pflegepersonals durch die häusliche Pflege. Die häusliche Pflege ist eine außergewöhnliche Belastung für die pflegende Person und erfordert ein hohes Maß an Bereitschaft zur Opfergabe. Diese Bereitschaft soll durch das Pflegegeld geweckt werden. Würde das Pflegegeld als Arbeitseinkommen der pflegenden Person deklariert werden, so würde dies laut Ansicht des BGH einen negativen Effekt auf die Pflegebereitschaft der Personen haben. Dadurch würde letztlich auch der von dem Gesetzgeber ausdrücklich gewünschte Effekt in dieser Form nicht erreicht werden können, da in derartigen Fällen das Pflegepersonal wieder stärker mit der Pflege belastet werden würde.
Das Pflegegeld ist eine Anerkennung
Das Pflegegeld wird unpfändbar bleiben. Es muss an dieser Stelle auch betont werden, dass es für die pflegebedürftige Person keinen Zwang zur Weiterleitung des Pflegegeldes an die pflegende Person gibt. Es handelt sich vielmehr um eine Leistung auf freiwilliger Basis, welche den Charakter der materiellen Anerkennung für die Mühen, welche mit der Pflege für die pflegende Person einhergeht, innehat. Der BGH betonte nochmals, dass auch dieser Charakter der Pfändbarkeit des Pflegegeldes ausdrücklich entgegen spricht. Dementsprechend wurde die Klage des Insolvenzverwalters durch den BGH auch zurückgewiesen. Der Insolvenzverwalter, der letztlich auch nur seinen Beruf ausübt und schlussendlich auch die Aufgabe der Befriedigung von Ansprüchen der entsprechenden Gläubiger erfüllen muss, wird sich nunmehr andere Möglichkeiten zur Durchsetzung der Pfändung suchen müssen.
Die Bereitschaft zur Pflege soll weiter gestärkt werden
Wer sich in der jüngeren Vergangenheit einmal stärker mit der aktuell in Deutschland vorherrschenden Problematik in Bezug auf die Pflege auseinandergesetzt hat, wird wissen, wie schlimm die aktuelle Lage letztlich ist. Das Pflegepersonal ist an zahllosen Stellen hoffnungslos unterbesetzt und kann die Aufgaben in den Pflegeeinrichtungen nicht mehr ausüben. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass die Pflege als enorm unterfinanzierter Bereich gilt und dass dementsprechend immer weniger Menschen dazu bereit sind, diesen harten Beruf auszuüben. Entsprechend wichtig ist es, dass im privaten Bereich der Wille zu der Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen vorhanden ist und auch aufrechterhalten bleibt. Der BGH hat mit seiner Entscheidung, dass das Pflegegeld in weitergeleiteter Form unpfändbar ist, einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung unternommen. Fakt ist, dass pflegebedürftige Personen nun einmal sehr stark auf die Pflege angewiesen sind. Fakt ist jedoch auch, dass für die Durchführung der Pflege ein sehr hohes Maß an Opferbereitschaft sowie zeitlichen Aufwand erforderlich wird. Die Mutter, welche sich um ihren autistischen Sohn rund um die Uhr kümmert, ist hierbei als regelrechtes Musterbeispiel anzusehen.
Würde das Pflegegeld, welches von dem Sohn an die Mutter als Anerkennung für die Leistungen gezahlt wird, der Pfändung unterliegen, so wäre dies als Nackenschlag für die Mutter anzusehen. Wer sich ausgiebig der Pflege widmet, hat jedoch einmal keine Zeit, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. In vielen Fallbeispielen findet die Pflege der pflegebedürftigen Person sowohl tagsüber als auch nachts statt. Die pflegende Person steht sozusagen „Gewehr bei Fuß“ bereit, um die Bedürfnisse der pflegenden Person nachkommen zu können. Das eigene Leben sowie auch die eigenen Verpflichtungen rücken dabei in den Hintergrund. Hierbei handelt es sich um eine Haltung, welche von dem Gesetzgeber in Deutschland ausdrücklich so in dieser Form gewünscht und auch entsprechend wertgeschätzt wird.
Das Urteil des BGH ist rechtskräftig und es ist davon auszugehen, dass diese Thematik juristisch betrachtet als erledigt anzusehen ist.