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Pfändungsschutzkonto – Sozialgelder

AG Bremen

Az: 4 C 412/10

Urteil vom 24.08.2010


Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung – bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bzw. Ordnungshaft – aufgegeben, an die Verfügungsklägerin unverzüglich einen Betrag in Höhe von € 86,00 aus ihrem Guthaben auf dem bei der Verfügungsbeklagten eingerichteten Konto Nr. xxx auszuzahlen.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Eilverfahren über die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung des im Tenor genannten Betrags von dem bei der Verfügungsbeklagten eingerichteten Konto Nr. xxx hat. Aufgrund der Pfändungsbeschlüsse des hiesigen Gerichts vom 18.06.2009 zu den Az. xxx und xxx ist dieses Konto gepfändet.

Die Verfügungsklägerin hat am 25.07.2010 das Konto in ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto umwandeln lassen. Nach ihrer Auffassung sollte dies dazu führen, dass ihre auf dem Konto eingehenden Sozialgelder unpfändbar für sie zur Verfügung stehen. Sie lebt von diesen Sozialleistungen und bestreitet mit diesen ihr Leben. Andere Mittel stehen ihr nicht zur Verfügung.

Auf das Konto werden regelmäßig am Ende des Monats die für den folgenden Monat fälligen Sozialleistungen überwiesen, nämlich im vorliegenden Fall Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.026,00. Die hier streitige Sozialleistung für den Monat August 2010 wurde ausweislich des von der Verfügungsklägerin vorgelegten Tagesauszugs vom 05.08.2010 ihrem Konto am 30.07.2010 gutgeschrieben. Am selben Tag wurde ihr ein Teilbetrag des Sozialgeldes in Höhe von € 940,00 ausgezahlt.

Anfang August 2010 (in der 32. Kalenderwoche) wurde der Verfügungsklägerin jedoch die Auszahlung des restlichen Teils des Sozialgeldes verweigert, obwohl ihr Konto zum 10.08.2010 ein Guthaben in Höhe von € 91,70 ausweist. Als Grund wurde ihr von Seiten der Verfügungsbeklagten mitgeteilt, dass das Geld ja im Vormonat, d.h. im Juli, angewiesen und dem Konto gutgeschrieben worden sei.

Die Verfügungsklägerin meint, es bestehe auch noch im August ein Anspruch auf Auszahlung des Geldes, da dieses ja gerade für diesen Monat gezahlt werde. Sie trägt weiter vor, dass sie dringend auf den begehrten Geldbetrag angewiesen sei, da sie die am 30.07.2010 abgehobenen Beträge im Wesentlichen verbraucht habe. Ihr stünden momentan lediglich noch ca. € 5,00 zur Verfügung. Sie habe schließlich zwei Söhne, für deren Unterhalt sie aufkommen müsse. Gegenüber der Verfügungsbeklagten habe sie dies auch nachgewiesen, da sie – wie unstreitig ist – dieser noch vor der Umwandlung ihres Girokontos in ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto einen Bagis-Bescheid in Ablichtung vorgelegt habe.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. der Verfügungsbeklagten aufzugeben, an sie unverzüglich einen Betrag in Höhe von € 86,00 aus ihrem Guthaben auf dem bei der Verfügungsbeklagten errichteten Konto Nr. xxx auszuzahlen.

2. für den Fall der Zuwiderhandlung der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 anzudrohen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie meint, ein Anspruch auf Auszahlung bestehe jedenfalls im Monat August nicht (mehr), weil sich der § 850 k Abs. 1 ZPO gerade auf den Kalendermonat und nicht auf die 30 Tagesfrist ab Gutschrift beziehe. Dies entspreche auch der sonst banküblichen Rechnung nach Kalendermonaten. Zudem habe die Verfügungsklägerin den pfändungsfreien Betrag nach § 850 c ZPO ausgeschöpft; dass sie für ihre Söhne unterhaltsverpflichtet sei, habe sie ihr gegenüber nicht hinreichend nachgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung vom 10.08.2010 (Bl 1-2 d.A.) vorgelegt.Wegen ihres weiteren Vorbringens wird auf diese eidesstattliche Versicherung verwiesen.

Die Verfügungsklägerin wurde zudem im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.08.2010 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses dieser persönlichen Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Antrag ist begründet.

Die Verfügungsklägerin hat zunächst einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht (§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Sie hat aus dem mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Girovertrag einen Anspruch auf Auszahlung des Geldes. Dem steht auch die Pfändung ihres Kontos bzw. der jeweiligen Forderung aus dem Girovertrag nicht entgegen.

Zwar kann nach § 850 k Abs. 1 Satz 1 ZPO der Schuldner, wenn – wie vorliegend – das Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto bei einem Kreditinstitut gepfändet ist jeweils nur bis zum Ende des Kalendermonats über Guthaben in Höhe des monatlichen Freibetrages nach § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO verfügen, das heißt hier bis Ende Juli. Nach § 850 k Abs. 1 Satz 2 ZPO wird jedoch, soweit der Schuldner in dem jeweiligen Kalendermonat nicht über das Guthaben in Höhe des nach Satz 1 pfändungsfreien Betrages verfügt hat, dieses Guthaben auch in dem folgenden Kalendermonat nicht von der Pfändung erfasst. Hintergrund dieser Regelung ist, dass es für den Schuldner wirtschaftlich sinnvoll und mit Rücksicht auf die Gläubigerbelange nur angemessen ist, dass dem Schuldner unverbrauchtes Guthaben, das dem Pfändungsschutz unterliegt, auch noch im Folgemonat zur Verfügung steht (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/12714, S. 19). So aber liegen die Dinge hier.

Die Verfügungsklägerin hat nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien am 30.07.2010 von dem ihr überwiesenen Sozialgeld in Höhe von € 1.026,00 lediglich insgesamt € 940,00 abgehoben. Sie hat damit in dem Kalendermonat Juli über den hier streitigen Betrag von € 86,00 gerade nicht verfügt. Dieser Betrag steht ihr damit nach § 850 k Abs. 1 Satz 2 ZPO auch in dem folgenden Kalendermonat, d.h. im August 2010, noch zu. Sie kann darüber verfügen und hat nach der klaren gesetzlichen Regelung einen Auszahlungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte.

Mit der Abhebung der € 940,00 hat die Verfügungsklägerin – anders als die Verfügungsbeklagte meint – auch nicht den pfändungsfreien Betrag im Sinne von § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO ausgeschöpft. Zumindest das Sozialgeld in Höhe von € 1.026 steht ihr pfändungsfrei zu. Zwar ist nach § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich lediglich ein Betrag in Höhe von € 985,15 unpfändbar, die Verfügungsklägerin gewährt aber zwei Söhnen Unterhalt, so dass sich nach € 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO der pfändungsfreie Betrag jedenfalls soweit erhöht, dass der Verfügungsklägerin ihr Sozialgeld (in Höhe von € 1.026) komplett zur Verfügung steht. Nach § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO erhöht sich der pfändungsfreie Betrag um € 310,76 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und um je € 206,56 für die zweite Person, der Unterhalt gewährt wird.

Entgegen der Ansicht der Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin ihre Unterhaltsverpflichtung ausreichend nachgewiesen. Sie hat – wie unstreitig ist – der Verfügungsbeklagten einen Bagis-Bescheid zukommen lassen, aus dem dies ersichtlich ist. Für den Nachweis des pfändungsfreien Betrags kommt es nicht darauf an, ob dies vor der nach der Umstellung des streitgegenständlichen Kontos auf das neue sogenannte Pfändungsschutzkonto geschah. Dies kann hier somit dahinstehen.

Schließlich hat die Verfügungsklägerin auch einen Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht (§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Bei der vorliegenden Leistungsverfügung sind an die Glaubhaftmachung zwar strenge Anforderungen zu stellen (siehe hierzu Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., 2010, § 940 Rdnr. 6 m.w.N.). Die Verfügungsklägerin hat hier aber ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie so dringend auf das Geld angewiesen ist, dass sie ein Hauptsacheverfahren nicht abwarten kann. Mit den Sozialgeldern bestreitet sie ihren Lebensunterhalt, andere Gelder stehen ihr nicht zur Verfügung. Sie hat im Termin zudem hinreichend dargelegt, dass sie trotz der Abhebung von € 940,00 am 30.07.2010 auch dringend auf den Restbetrag angewiesen ist.

Nach alledem war die Verfügung – wie beantragt – zu erlassen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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