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Pferdehaltung – Verbot durch Nachbarn möglich?

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 13 S 4436/95

Verkündet am 22.08.1995

Vorinstanz: AG Erlangen – Az.: 3 C 2258/94


Das Landgericht Nürnberg-Fürth, 13. Zivilkammer erläßt wegen Duldung aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.07.1995 folgendes ENDURTEIL

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts Erlangen vom 12.04.1995 – Az. 3 C 2258/94 – aufgehoben.

II. Die. Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, auf der östlich des Grundstücks des Klägers H: (Fl.Nr. 33) gelegenen Fläche von ca. 6 m x 15 m im südlichen Bereich ihres Grundstücks H 35 (Fl.Nr. 34) Pferde zu halten bzw. halten zu lassen.

III. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gem. Ziffer II wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 50.000,— DM ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu l Monat angedroht.

IV. Von den erstinstanzlichen Kosten haben der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig; auch in der Sache hat sie Erfolg.

Der Kläger kann als Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 33 von der Beklagten als Eigentümerin des Nachbargrundstücks Fl.Nr. 34 gem. §§ 1004, 903 BGB verlangen, daß auf der prozeßgegenständlichen Teilfläche keine Pferde gehalten werden.

Die Kammer beurteilt die Pferdehaltung auf dem Grundstück der Beklagten als wesentliche Beeinträchtigung des Miteigentums des Klägers i. S. des § 906 Abs. l BGB.

a) Zunächst ist festzustellen, daß die Beklagte auch dann passivlegitimiert ist, wenn sie weder Eigentümerin noch Besitzerin der Pferde ist, sondern ihre Tochter (oder/und ihr Schwiegersohn), die nach dem Vortrag der Beklagten Mieterin des Grundstücks ist. Die Beklagte ist in diesem Fall (mittelbarer) Störer i. S. d. § 1004 BGB, weil sie die Einwirkung dieser Dritten verhindern kann (vgl. Palandt, 54. Aufl., § 1004 BGB Rd.Nr. 17). Sie hat auch nicht vorgetragen, daß sie vergeblich zumutbare Maßnahmen gegen ihre Mieter(in) ergriffen hätte.

b) Die Klage ist auch nicht deshalb unbegründet, weil sie mangels unsubstantiierten Sachvortrages unschlüssig wäre.

An die Substantiierungslast des Darlegungspflichtigen dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es genügt die Wiedergabe der Umstände, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben (vgl. Zöller, 19. Aufl., § 138 ZPO Rd.Nr. 8 a unter Hinweis auf BGH NJW 91, 2707). Vorliegend hat der Kläger nicht lediglich den Gesetzeswortlaut (nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung) wiederholt, sondern konkret die Verhältnisse geschildert, z. B. Anzahl der Pferde, Größe des Platzes. Nicht erforderlich ist, daß Geräuschbelästigungen in Phonstärke oder Dezibel angegeben werden. Meßwerte bei geruchsbedingten Beeinträchtigungen der vorliegenden Art sind ohnehin nicht möglich.

c) Das Berufungsgericht hat keinen Zweifel, daß mit Unterbrechungen mehrere Pferde auf der hier interessierdenden Teilfläche gehalten werden.

Die Beklagte führt selbst aus „In der Regel „halten sich auf dem … Platz maximal 2 Pferde auf“ (S. 3 der Klageerwiderung) bzw. „Es halten sich vorübergehend das eine oder andere Pferd auf dem Grundstück auf (S. 2 des Schriftsatzes vom 17.07.95). Außerdem zeigen ersichtlich zu verschiedenen Zeitpunkten gefertigte Lichtbilder zwei oder drei Pferde auf der Teilfläche.

Bei dem Begriff der Tierhaltung im nachbarlichen Immissionsrecht kann nicht auf haftungs- oder steuerrechtliche Definitionen zurückgegriffen werden. Entscheidend ist vielmehr, daß sich die Pferde nicht ganz kurzzeitig (minutenlang) auf der Teilfläche dort aufhalten und auch nicht -nur gelegentlich zu besonderen Maßnahmen (Waschen, tierärztlicher Augenschein o, dgl.) dorthin geführt werden. Bleiben sie mehrfach dort sich selbst überlassen oder wird die erforderliche tägliche Bewegung dort vollzogen, dann werden sie auch mit auf diesem Teil des Grundstücks gehalten.

d) Unter Berücksichtigung aller Umstände wertet die Kammer die von den Pferden ausgehende Störung als wesentliche Beeinträchtigung, nämlich als solche, die von einem „Durchschnittsmenschen“ nicht „kaum noch empfunden wird“ (vgl. Bayer/Lindner/Grziwotz (B/L/G), Bayerisches Machbarrecht, 2. Aufl. 1994, S. 59).

Die Kammer folgt insoweit dem Erstgericht nicht, als es in diesem Zusammenhang darauf abstellt, daß wegen des Misthaufens nicht feststellbar sei, inwieweit die behaupteten Geruchsbelästigungen auf die Pferde zurückzuführen sind. Richtig ist wohl, daß insoweit eine Trennung nach der einen oder anderen Ursache nicht möglich sein dürfte. Andererseits ist aber wohl nicht denkbar, daß zusätzliche tierische Exkremente nicht eine Steigerung der vom Grundstück der Beklagten ausgehenden Gerüche bedingen. Dem Kläger kann insoweit auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er die vom Misthaufen ausgehende Beeinträchtigung hingenommen hat. Er hat damit keine Obliegenheit verletzt, etwa anfänglichen Störquellen entgegenzuwirken; er wendet sich gegen jetzt durch die Pferdehaltung neu geschaffene Gegebenheiten, sein Begehren stellt sich nicht als unzulässige Rechtsausübung wegen Verletzung eigener Pflichten oder widersprüchlichen Verhaltens dar.

Auch wenn es sich bei den Pferden um saubere und reinliche Tiere handelt, schließt das Berufungsgericht aus, daß es zu keinen Verunreinigungen des Bodens kommt; es ist nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht vorgetragen, wie sie oder der Eigentümer der Pferde dies bewerkstelligen wollten.

Die Kammer ist überzeugt, daß durch die Pferde eine Geräuschbelästigung hinzukommt und sieht insbesondere in dem Zusammentreffen beider Immissionen das – auch unter. Berücksichtigung der ländlichen Umgebung – hinzunehmende Maß an Störung als überschritten an (vgl. dazu auch B/L/G a.a.O.- S. 58). – Die Behauptung der Beklagten „ist das Grundstück, mit Sand aufgeschüttet“ wird zwar belegt durch einen Teil der Lichtbilder. Andererseits ist aber aus diesen Bildern auch ersichtlich, daß es sich nicht um eine dauerhafte Beschichtung handelt, bei der eine Verhaftung mit dem Untergrund vorhanden wäre. Infolge des nach wie vor vorhandenen Betonbelages steht für die Kammer fest, daß der aufgeschüttete Sand bei Sturmböen und stärkeren Regengüssen abgetragen wird und damit wieder einen Zustand ergibt, wie ihn neuerliche Lichtbilder zeigen und wie ihn die Beklagte nicht bestreitet (sondern nur als Fotografier-Aktionen rügt), Demgemäß ist der Kläger auch nicht nur momentanem Hufgeklapper ausgesetzt.

2.

Entscheidend ist für die Kammer, daß es sich nicht um eine ortsübliche Beeinträchtigung handelt (und demgemäß keine Duldungspflicht gem. § 906 Abs. 2 BGB in Betracht kommt). Dabei kommt es nicht auf die Art der Benutzung an, sondern auf den Grad der Beeinträchtigung an (vgl. Palandt, 54. Aufl., § 906 BGB RdNr. 25). Dementsprechend läßt sich daraus, daß der östliche Nachbar der Beklagten – wie das Erstgericht festgestellt hat- ebenfalls 5 Pferde hält, nichts ableiten. Diesbezüglich folgt die Kammer dem Erstgericht nicht. Dem Lageplan, auf den auch die Beklagte Bezug nimmt, ist zu entnehmen, daß dieses östlich gelegene Grundstück über 1000 qm groß ist; es wurde beklagtenseits auch nicht bestritten, daß es sich bei dieser Flur Nr. 30, die den Eheleuten H gehören soll, um Acker bzw. Wiese handelt. Dementsprechend gilt gem. § 138 ZPO als zugestanden, daß dort jedenfalls keine Betonplatten verlegt sind. Damit sind aber die tatsächlichen Verhältnisse für eine vergleichsweise Betrachtung wegen sonst üblicher Beeinträchtigung in L ganz andere. Dort eine mindestens zehnmal so große Fläche und lärmhindernder Untergrund, hier nur ca. 6 x 15 qm mit nur zeitweise lärmdämmender Aufschüttung. Demgemäß kann von einem die Umgebung prägenden Beeinträchtigungsgrad vom Ausmaße des vorliegenden Falles nicht gesprochen werden.

3.

Die gemäß § 1004 Abs. l S. 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Insbesondere war die Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung nicht bereit, eine Erklärung zur Einschränkung der Pferdehaltung in zeitlicher Hinsicht oder bzgl. eines MindestabStands zur gemeinsamen Grenze abzugeben, die die Störung auf das nach dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis zumutbaren Maß herabsetzen würde, so daß die Besorgung weiterer wesentlicher Beeinträchtigung entfiele (vgl. dazu Palandt, 54 Aufl., § 1004 BGB, Rd.Nr. 29).

4.

Die Androhung von Ordnungsgeld und Haft beruht auf § 890 ZPO. Der gewählte Rahmen erschien der Kammer auch im Falle mehrfacher Verstöße und überdurchschnittlicher Vermögensverhältnisse der Beklagten ausreichend.

Kosten: §§ 91 a, 92 ZPO.

Auch das Berufungsgericht sieht in den übereinstimmenden Erledigungsanträgen zum vergleichsweise erledigten Teil eine anderweitige Vereinbarung der Parteien i. S. d. § 98 Satz l ZPO, so daß § 91 a ZPO zur Anwendung kommt. Wie das Amtsgericht ist die Kammer der Auffassung, daß der Kläger hinsichtlich Ziffer 4 des Klageantrages wahrscheinlich unterlegen wäre und wegen der weiten Fassung von Ziffer l des Antrages durch lit. B es wohl zu einem Unterliegen des Klägers zu einem Viertel des Gesamtwertes von 4.000,— DM dieser Ziffer l gekommen wäre.

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