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Pferdekaufvertrag – Fehlen des vertraglich vereinbarten Gesundheitszustands

LG Essen – Az.: 19 O 90/15 – Urteil vom 26.07.2016

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.088,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2015 Zug um Zug gegen Rückübereignung des 2007 geborenen Rappwallachs „G“ abstammend von „G1“ aus einer Mutter stammend von „B“, Lebensnummer … zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) benannten Pferdes in Verzug befindet.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, sämtliche weiteren der Klägerin ab dem 27.05.2015 für die Unterhaltung des Pferdes entstandenen erforderlichen Kosten, insbesondere für Unterstellung, Tierärzte und Hufschmied, zu erstatten.

Der Beklagte wird des Weiteren verurteilt, an die Klägerin 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 22 %, der Beklagte 78 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung der Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin kaufte von dem Beklagten am 13.08.2013 den sechsjährigen Wallach „G“ zum Preis von 8.550,- Euro brutto. Unter § 2 Ziffer 2 a des schriftlichen Kaufvertrags heißt es:

Vereinbart wird der Gesundheitszustand, der sich aus der tierärztlichen Untersuchung durch den Tierarzt T, I, ergibt.

Diese Untersuchung war am Vortag durchgeführt worden. Das Ergebnis der Röntgenuntersuchung wird vom Tierarzt im Protokoll über die Ankaufuntersuchung wie folgt beschrieben:

„Röntgenuntersuchung:

Zehengelenke vorne beidseitig nach Oxspring: 2 – 3

Zehengelenke vorne beidseitig lat.-med. Proj.: geringgradige Exostosen bds.

Zehengelenke hinten beidseitig lat.-med. Proj.: h.r. Börklundfraktur

Zusammenfassung der abweichenden Befunde

h.r. Börklundfraktur

vorne bds. geringgradige Exostosen Kronbein

Beurteilung/Gutachten

Sehr ausgeglichenes, bewegungsstarkes Pferd

Röntgenologische Befunde z.Zt. ohne klinische Relevanz“

Unter § 7 des Vertrages ist in Abweichung von der gesetzlichen Regelung die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche auf ein Jahr verkürzt.

Die Klägerin zahlte auf den Kaufpreis 550,- Euro bar als Anzahlung sowie 2.500,- Euro und 8 x 500,- Euro durch Überweisung. Des Weiteren erhielt der Beklagte 950,- Euro für den Reitlehrer als Vermittlungsprovision. Das Pferd wurde am 13.08.2013 übergeben.

Pferdekaufvertrag - Fehlen des vertraglich vereinbarten Gesundheitszustands
(Symbolfoto: H_Ko/Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, „G“ habe bereits nach wenigen Wochen einen gebundenen Gang auf beiden Vordergliedmaßen gezeigt. Dies hätten sie und die Trainerin zunächst auf eine mangelnde Hinterhandaktivität des Pferdes zurückgeführt. Im März 2014 sei das Pferd dann deutlich lahm gewesen. Nach tierärztlicher Untersuchung am 18.03.2014 und verordneter Ruhe habe sich die Lahmheit der rechten Vordergliedmaße nicht verbessert. Der behandelnde Tierarzt, der „G“ am 24.03.2014 untersucht habe, habe massive knöcherne Veränderungen des gesamten dorsalen Kronbeins festgestellt, die er als Kronbeinschale mit Hufgelenksbeteiligung bewertet habe. Diese Kronbeinschale sei im Röntgenleitfaden von 2007 der Klasse III – IV zuzuordnen. Sie sei bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden gewesen. Sie nutze das Pferde nicht; es lahme immer wieder. Deshalb könne „G“ nur ganz schonend bewegt werden und insbesondere nicht als Springpferd genutzt werden.

Die Parteien kommunizierten im Mai 2014 über den behaupteten Mangel. Der Beklagte lehnte seine Einstandspflicht ab. Nach fruchtlosem Ablauf der mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.10.2014 gesetzten Frist erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 09.12.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises sowie zur Zahlung von Schadensersatz- und Aufwendungsersatz Zug um Zug gegen Rücknahme des Pferdes auf.

Hilfsweise macht die Klägerin mit der Behauptung, der Wert des Pferdes habe zum Übergabezeitpunkt allenfalls 1.550,- Euro betragen, einen Minderwert von 7.000,- Euro geltend.

Für die Zeit von September 2013 bis Juni 2014 begehrt die Klägerin die Erstattung von monatlichen Kosten in Höhe von 320,- Euro für die Unterstellung in einem Reitstall in T1 sowie Heufütterungs- und Weidekosten in Höhe von 75,- Euro monatlich. Nach Umstellung des Pferdes im Juli 2014 in einen anderen Stall macht die Klägerin für die Zeit von Juli 2014 bis einschließlich März 2015 Erstattung von Unterstellungs- und Unterhaltungskosten in Höhe von 600,- Euro monatlich geltend. Hinzu kommen monatlich wiederkehrende Kosten für einen Spezialbeschlag in Höhe von 119,- Euro sowie Tierarztkosten in Höhe von insgesamt 1.719,12 Euro.

Die erhöhten Unterstellungskosten für die Zeit ab Juli 2014 hält die Klägerin für erforderlich, weil sie an dem neuen Ort auch ein anderes Pferd untergestellt habe. Sie meint, es sei ihr aus Zeitgründen nicht zuzumuten, die Pferde an verschiedenen Orten unterzustellen, da sie sich täglich auch um „G“ habe kümmern müssen.

Der Auffassung der Klägerin zufolge hätte es auch nicht ausgereicht, das Pferd nur auf eine Weide zu stellen und auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu warten. Denn auf der Wiese wäre das Pferd einem höheren Risiko durch von außen kommenden Einflüssen ausgesetzt, was seiner Eignung als Beweismittel entgegenstehen könnte.

Die Klägerin meint, bei der Frage der Anrechnung von Nutzungsvorteilen müsse Berücksichtigung finden, dass sie nicht – wie ursprünglich vorgesehen – ihren 12-jährigen Sohn das Pferd habe reiten lassen können. Dadurch, dass „G“ krankheitsbedingt so häufig ausgefallen sei, sei er dann, wenn er habe bewegt werden müssen, nur schwer reitbar gewesen. Da es sich noch um ein recht junges Pferd handele, habe sie es nach Abklingen des krankheitsbedingten Ausfalles infolge von Lahmheiten zunächst durch einen Bereiter bewegen lassen, bevor sie selbst wieder in der Lage gewesen sei, das Pferd zu reiten.

Die Klägerin beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an sie 19.869,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 17.339,51 EUR seit dem 07.01.2015 sowie aus weiteren 2.529,61 EUR seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rückübereignung des 2007 geborenen Rappwallachs „G“ abstammend von „G1“ aus einer Mutter abstammend von „B“, Lebensnummer … zu zahlen, sowie

2) festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) benannten Pferdes in Verzug befindet, sowie

3) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sämtliche weiteren der Klägerin für die Unterhaltung des Pferdes entstandenen erforderlichen Kosten, insbesondere für Unterstellung, Tierärzte und Hufschmied, zu erstatten,

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2015 zu zahlen,

sowie

4) den Beklagten des Weiteren zu verurteilen, an Klägerin 1.171,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet mit Nichtwissen, dass das Pferd im März 2014 eine deutliche Lahmheit aufgewiesen habe. Sofern dies der Fall sei, könne eine etwaige Erkrankung auch infolge von Belastung durch entsprechende Arbeit mit dem Pferd entstanden sein.

Der Beklagte verweist zudem auf die vertraglich verkürzte Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche.

Den geltend gemachten Schadensersatzbetrag hält er für überhöht. Er meint, das Pferd müsse lediglich ausreichend Bewegung erhalten sowie Fütterung und Unterstellung. Derartige Einstellverträge lägen in der Regel zwischen 250,- Euro im ländlichen Bereich und 350,- Euro in Stadtnähe. Auch die Kosten für den Hufbeschlag hält der Beklagte für überhöht.

Der Auffassung des Beklagten zufolge hätte es darüber hinaus ausgereicht, das Pferd bei artgerechter Haltung auf die Weide gehen zu lassen. Dadurch hätte sich die Arthrose nicht verschlechtert. In diesem Falle wären nur Kosten in Höhe von 120,- Euro bis 150,- Euro pro Monat angefallen. Auch die Kosten für den Hufschmied wären geringer ausgefallen. Die Hufe hätten nicht beschlagen werden, sondern nur in regelmäßigen Abständen ausgeschnitten werden müssen, wofür in etwa drei Mal im Jahr 25,00 bis 30,00 Euro angefallen wären.

Der Beklagte meint zudem, die Klägerin müsse sich einen Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Dieser entspreche regelmäßig genau denjenigen Kosten, die mit der üblichen Unterstellung, Fütterung und Pflege einschließlich von Hufschmied- und Tierarztkosten verbunden seien. Bei durchgängiger Nutzung des Pferdes bis zu seiner Rückgabe müssten sich die Erstattungsansprüche der Klägerin und die gezogenen Nutzungen gegeneinander aufheben. Der Beklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Klägerin das Pferd – unstreitig – weiterhin bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) gemeldet und fortgeschrieben hat. Gleichfalls unstreitig hat „G“ am 26.05. und am 29.05.2016 jeweils an Dressurprüfungen der Klasse A teilgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Gerichtsakten gereichten Unterlagen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen T2 vom 10.03.2016.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage einschließlich des Feststellungsantrags ist zulässig. Nach der von der Klägerin zu Recht zitierten Rechtsprechung (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 4. 11. 1998 – VIII ZR 248/97, NJW 1999, 639; BGH, Urt. v. 29. 6. 2011 – VIII ZR 212/08, NJW 2011, 3361) bleibt ein Feststellungsantrag zulässig, wenn – wie hier – bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung während des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eintreten.

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II.

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises abzüglich von Wertersatz für gezogene Nutzungen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pferdes „G“ gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 346 ff. BGB. Daneben, § 325 BGB, kann sie Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB sowie Aufwendungsersatz geltend machen, §§ 437 Nr. 3, 284 BGB.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Pferd „G“ mangelhaft im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn ihm fehlt eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit. Die Parteien haben unter § 2 des Kaufvertrages denjenigen Gesundheitszustand vereinbart, der sich aus der tierärztlichen Untersuchung durch den Tierarzt T, I, ergibt. In dieser tierärztlichen Untersuchung wird lediglich von „geringgradigen Exostosen“ der Zehengelenkte vorn beidseitig gesprochen. Dies bedeutet, dass der Beklagte ein Pferd schuldete, dass nur solche Exostosen, also Knochenzubildungen, aufweist, die nach den maßgeblichen Bewertungsrichtlinien für Erkrankungen bei Pferden – hier also nach dem Röntgenleitfaden 2007 – als „geringgradig“ einzustufen sind.

Darauf, dass in der Ankaufuntersuchung zudem notiert ist: „Zehengelenke vorne beidseitig nach Oxspring: 2 – 3“ kommt es nicht an. Denn diese Formulierung ist so unklar gehalten, dass nicht einmal der vom Gericht bestellte Sachverständige diesem Text entnehmen konnte, was damit gemeint sein sollte. Den Ausführungen des Sachverständigen zufolge ist nicht erkennbar, ob mit den Zahlen „2 – 3“ eine Klassifikation nach dem Röntgenleitfaden gemeint sein sollte oder die Anzahl der Strahlbeinkanäle. Wenn sich schon einem Sachverständigen der Sinn einer tierärztlichen Beschreibung in einer Ankaufuntersuchung nicht erschließt, dann kann die betroffene Formulierung erst recht keine maßgebliche Auslegungsgrundlage für einen reiterlich zwar sachkundigen, aber tierärztlich nicht versierten Laien sein.

Maßgeblich für das geschuldete Vertragssoll ist daher die Beschreibung der Exostosen als „geringgradig“. Bei einer am objektiven Empfängerhorizont orientierten Auslegung ist diese Formulierung so zu verstehen, dass das Pferd zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges lediglich solche knöcherne Zubildungen im beschriebenen Bereich der Vordergliedmaßen haben durfte, die als „geringgradig“ zu bezeichnen sind. Ein derartiger Befund wäre am ehesten der Röntgenklasse II zuzuordnen gewesen, dem Befunde zuzuordnen sind, die nur „gering“ vom Idealzustand abweichen.

Von dieser Soll-Beschaffenheit wich der Gesundheitszustand des Pferdes „G“ zum Zeitpunkt der Übergabe ab. Den Ausführungen des Sachverständigen zufolge wären die knöchernen Veränderungen, bei denen es sich nicht um eine rein extraartikulare Zubildung handelte, wegen der bereits vorhandenen Beteiligung der Gelenke zutreffend der Röntgenklasse III zuzuordnen gewesen. Ausweislich des Röntgenleitfadens 2007, den der Sachverständige zu Recht zu Grunde gelegt hat, wird eine Zuordnung von Befunden zur Röntgenklasse III wie folgt definiert: „Befunde, die von der Norm abweichen, bei denen das Auftreten von klinischen Erscheinungen in unbestimmter Zeit mit einer Häufigkeit von 5% bis 20% geschätzt wird.“

Bei „G“ bestand demnach bereits zum Zeitpunkt der Übergabe eine Risikowahrscheinlichkeit zwischen 5 und 20 Prozent dahingehend, dass das Pferd aufgrund der bereits damals vorhandenen knöchernen Veränderungen zu einem späteren Zeitpunkt klinisch relevante Erscheinungen aufweisen würde. Diese erhöhte Risikowahrscheinlichkeit ist es, die von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abweicht und auf die ausweislich des Kaufvertrages und des in Bezug genommenen Protokolls der Ankaufuntersuchung nicht hingewiesen wurde. Der Sachverständige hat dies dahingehend formuliert, dass es sich um einen mitteilungspflichtigen Befund handele.

Es kommt auch nicht darauf an, ob „G“ im Zeitpunkt der Übergabe nicht lahmte, ob er zwischendurch immer wieder und wenn ja wie häufig und warum lahmte, oder dass zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen keine signifikante Lahmheit festgestellt werden konnte. Denn nicht die akut auftretenden – und dann klinisch relevanten – Phasen von Lahmheit sind der Mangel; bei diesen Lahmheitserscheinungen handelt es sich lediglich um Mangelsymptome, in denen sich die vom Sachverständigen beschriebene Risikowahrscheinlichkeit manifestiert hat oder manifestiert haben kann. Der Mangel ist die körperliche Beschaffenheit des Pferdes, die wegen der zum Zeitpunkt der Übergabe bereits vorhandenen Exostosen mit Gelenkbeteiligung schon zum damaligen Zeitpunkt ein Risiko zwischen 5 und 20 Prozent in sich barg, dass das Pferd wegen dieser körperlichen Beeinträchtigungen in unbestimmter Zeit klinisch relevante Symptome aufweisen würde. Auch darauf, ob akute Lahmheitsbefunde etwa erst infolge von zusätzlichen Traumatisierungen entstanden sein könnten, kommt es nicht an. Denn der zum Zeitpunkt der Übergabe bestehende körperliche Zustand des Pferdes als solcher ist der Mangel; unabhängig davon ob und wann oder zu welchem Zeitpunkt sich dieser Mangel später als klinisch relevantes Mangelsymptom zeigt.

Die Klägerin ist daher – nach hier wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung wohl entbehrlicher, aber gleichwohl vorsorglich erfolgter – Nachfristsetzung mit Erklärung vom 09.12.2014 wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.

Auf die vertraglich vorgesehene Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr kann sich der Beklagte in Ansehung von § 475 Abs. 2 BGB nicht berufen.

Die Parteien haben daher gemäß § 346 Abs. 1 BGB wechselseitig die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben oder hierfür gemäß § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten.

Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien ist unstreitig geworden, dass die Klägerin an den Beklagten insgesamt einen Betrag von 7.050,- Euro sowie weitere 950,- Euro als Vermittlungsprovision für den Reitlehrer gezahlt hat, also insgesamt 8.000,- Euro.

Die Klägerin kann – nach Überprüfung der Rechtslage – nicht nur den Kaufpreis, soweit er gezahlt wurde, sondern auch die für den Reitlehrer gezahlten 950,- Euro vom Beklagten zurückverlangen. Denn zu den gemäß § §§ 437 Nr. 3, 284 BGB zu ersetzenden Aufwendungen gehören Vertragskosten, zu denen auch eine Vermittlungsprovision zählt (vgl. Palandt-Grüneberg, § 284 BGB Rz 5 m.w.Nw.).

Als Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB kann die Klägerin von dem Beklagten für die Zeit von September 2013 bis Juni 2014 wie von ihr geltend gemacht für die Unterhaltung des Pferdes einschließlich von Heufütterungs- und Weidekosten monatlich 395,- Euro verlangen. Dieser Betrag entspricht näherungsweise demjenigen Betrag, den auch der Beklagte in etwa monatlich für die Unterbringung in einem im städtischen Bereich gelegenen Reitstall mit 350,- Euro für ortsüblich hält. Wegen der zwischen diesen Beträgen liegenden Differenz wäre die Klägerin, die sich gleichzeitig um mehrere von ihr untergestellte Pferde kümmern muss, nicht gehalten gewesen, den Stall zu wechseln.

In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Klägerin vertritt das Gericht die Ansicht, dass die klagende Partei nach Rücktritt von einem Pferdekaufvertrag befugt ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits das Pferd wie bisher in einem von ihr angemieteten Stall unterzubringen. Das Gericht teilt die Auffassung des Beklagten nicht, dass die Klägerin zwecks Kostenreduzierung gehalten gewesen wäre, das Pferd ausschließlich auf der Weide stehen zu lassen.

Denn zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass ihr das Pferd bis zum Abschluss des Rechtsstreits weiterhin als Beweismittel zur Verfügung stehen muss. Die Klägerin muss daher die Möglichkeit haben, das Pferd so weit wie möglich vor zusätzlichen Verletzungen zu schützen, damit nicht im Laufe der Zeit etwa zusätzliche Verletzungen oder Traumafolgen hinzukommen, die geeignet sein könnten, den ursprünglichen Befund zu überdecken oder dessen zeitliche Zuordnung sowie eine etwa erforderlich werdende weitere Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen zu erschweren. Die Gefahr von zusätzlichen Verletzungen und damit von weiteren – unbeobachteten und damit nicht beweisbaren – Traumatisierungen im Bereich der bereits vorgeschädigten Gelenke dürfte auf der Weide deutlich höher sein als in einem geschützten Stall. Zwar lässt sich auch im Stall das Risiko von weiteren Traumatisierungen nicht vollständig vermeiden. So kann beispielsweise schon ein Festliegen des Pferdes in der Box zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung von vorgeschädigten Gelenken führen. In aller Regel dürften derartige Ursachen für Veränderungen in schadensgeneigten Bereichen jedoch bei einer Unterbringung im Stall eher entdeckt, zugeordnet und behandelt werden können als bei einem frei laufenden Pferd auf der Weide. Dem Gericht ist es beispielsweise aus einem Parallelverfahren (… LG Essen) bekannt, dass in jenem Fall ein Pferd lahmend und mit leichten Abschürfungen von der Weide kam, was eine ursächliche und zeitliche Zuordnung von röntgenologisch festgestellten Gelenkveränderungen erschwerte.

Es ist der Klägerin daher nicht einmal unter Schadensminderungsgesichtspunkten zuzumuten, sich dem Risiko einer Verschlechterung ihrer Beweissituation auszusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn dieses Risiko mit Rücksicht auf die vom Sachverständigen bereits erstinstanzlich durchgeführte Untersuchung eher als gering einzuschätzen sein dürfte.

Die Klägerin hat indes keinen Anspruch auf Zahlung von monatlich 600,- Euro für die Unterhaltung des Pferdes ab Juli 2014. Denn insoweit hat die Klägerin gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, § 254 Abs. 1 BGB. Wenn mit Rücksicht auf die beiden anderen von ihr gehaltenen Pferde eine gemeinsame Unterbringung aus zeitlichen Gründen veranlasst gewesen sein sollte, hätte die Klägerin für sämtliche Pferde die kostengünstigere Variante wählen müssen. Das Gericht hat daher auch für die Zeit ab Juli 2014 lediglich die bisher gezahlten Kosten für die Unterbringung und Unterhaltung in Höhe von monatlich 395,- Euro als erstattungsfähig zugrunde gelegt. Das sind für die Zeit von September 2013 bis einschließlich März 2015 insgesamt 7.505,- Euro. Wegen des darüber hinausgehenden Betrages war die Klage abzuweisen.

Die Klägerin kann zudem die Erstattung der Tierarztkosten in Höhe von insgesamt 1.719,12 Euro sowie die Kosten für den Hufschmied in Höhe von 800,- Euro als Schadensersatz verlangen. Das Gericht konnte die geltend gemachten Kosten anhand der klägerseits beigebrachten Belege inhaltlich nachvollziehen und auch dem Pferd „G“ zuordnen.

Die Summe der vorgenannten Rechnungsposten macht einen Betrag von 18.024,12 Euro aus.

Die Klägerin hat sich hierauf den Wertersatz für gezogene Nutzungen, § 346 Abs. 1 u. 2 BGB, anrechnen zu lassen. Dies gilt auch für die Zeit des Annahmeverzugs, § 302 BGB.

Der Wert der gezogenen Nutzungen lässt sich hier nur sehr schwer ermitteln. Denn einerseits ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin das Pferd nicht uneingeschränkt nutzen konnte. Es sind zahlreiche Phasen von Lahmheiten ärztlicherseits dokumentiert, also Phasen, während derer das Pferd überhaupt nicht geritten werden konnte. Aus dem Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen ergibt sich zudem, dass auch die Belastung des Pferdes zur Entstehung einer klinischen Relevanz, d.h. von Lahmheit als Mangelsymptom, geführt haben kann. Bei einem derartigen körperlichen Befund eines Pferdes und einer Risikowahrscheinlichkeit des Auftretens von klinischen Erscheinungen zwischen 5 und 20 % dürfte der Pferdebesitzer daher gehalten sein, die Belastung des Pferdes möglichst gering zu halten, um das Entstehen von klinisch relevanten Symptomatiken so weit wie möglich zu vermeiden. Damit dürfte sich der Einsatz des Pferdes zum Springen oder gar zur Vielseitigkeit wegen der mit diesen Sportarten verbundenen Belastungen für die Gelenke kaum in Einklang bringen lassen. Die Klägerin konnte daher das Pferd nicht uneingeschränkt nutzen.

Andererseits ist unstreitig, dass das Pferd im Mai 2016 zweimal an einem Mannschaftswettbewerb, jeweils einer Dressurprüfung der Klasse A, teilgenommen hat. Darauf, dass Reiterin und Pferd als sogenanntes „Streichergebnis“ aus der Wertung genommen worden sind, kommt es nicht an, weil dies mannigfaltige Ursachen haben könnte, die nicht zwingend mit der körperlichen Verfassung des Pferdes zu tun haben müssen. Diese Beispiele zeigen jedenfalls, dass „G“ dann, wenn er phasenweise keine klinisch relevanten Symptome zeigt, zumindest für leichte Dressurprüfungen einsetzbar ist. In einem gewissen Umfang muss daher für gezogene Nutzungen Wertersatz geleistet werden, zumal die Klägerin ausweislich des Sachverständigengutachtens angegeben haben soll, dass sie das Pferd zum Untersuchungszeitpunkt etwa dreimal in der Woche reite.

Das Gericht hat versucht, sich der Berechnung des Wertersatzes für gezogene Nutzung zeitlich linear zu nähern. Ausgehend von einem Bruttokaufpreis in Höhe von 8.550,- Euro und einer Besitzzeit von August 2013 bis April 2015 und in der Annahme, dass bei einem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages sechsjährigen Pferd davon auszugehen sein dürfte, dass dieses grundsätzlich noch weitere acht Jahre einsetzbar ist, ergäbe sich aus der Multiplikation von Kaufpreis mit Nutzungszeit und anschließender Division durch die voraussichtliche weitere Einsatzzeit von acht Jahren ein Betrag von 1.870,- Euro. Dem Gericht ist dabei bewusst, dass die weitere Einsatzzeit von acht Jahren allenfalls eine sehr grobe Schätzung sein kann. Die Frage, bis zu welchem Alter ein Pferd für den Reitsport eingesetzt werden kann, hängt von so vielen individuellen Umständen – z.B. von der Konstitution des Pferdes, der Belastung durch den Reiter, etc. – ab, dass insoweit eine auch nur näherungsweise zuverlässige Prognose kaum abzugeben sein dürfte.

Der so ermittelte Betrag von 1.870,- Euro war indes noch um die Hälfte zu reduzieren, da das Pferd „G“ wegen seines risikobehafteten Gesundheitszustandes nur eingeschränkt genutzt werden konnte. Dies ergibt einen anzurechnenden Wertersatz für gezogene Nutzungen in Höhe von 935,16 Euro.

Das Gericht teilt die Einschätzung des Beklagten, während der Besitzzeit der Klägerin hätten die Kosten und Aufwendungen in etwa der Höhe nach den gezogenen Nutzungen entsprochen, nicht. Dies ergibt sich zum Einen schon daraus, dass das Pferd nicht uneingeschränkt für sämtliche Sportarten (Springen, Vielseitigkeit) und auch zeitlich nicht durchgehend genutzt werden konnte.

Im Übrigen ist es dem Pferdekauf immanent, dass selbst bei nicht ganz geringen Anschaffungskosten im Laufe der Zeit die Unterhaltungskosten den Wert des Pferdes um ein Vielfaches überschreiten. Diesem Umstand lässt sich nicht dadurch begegnen, dass man die Unterhaltungskosten mit dem Wert der gezogenen Nutzungen gleichsetzt. Allein die möglichst zügige Klärung der Frage, ob ein Recht zur Rückabwicklung besteht, dürfte geeignet sein, die erheblichen finanziellen Folgen im Falle eines berechtigten Rücktritts wirtschaftlich einzugrenzen.

III.

Der Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Pferdes aufgrund des vorgerichtlichen Schreibens der Klägerin vom 09.12.2014 in Annahmeverzug. Bei vorgerichtlich erklärter mangelnder Rücknahmebereitschaft des Beklagten reichte das wörtliche Angebot zur Begründung des Annahmeverzuges aus, §§ 293, 295 BGB.

IV.

Der Beklagte hat gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281, 284 BGB auch für weiteren Schadens- und Aufwendungsersatz aufzukommen, soweit er von der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 26.05.2015 nicht bereits beziffert worden war.

V.

Der Beklagte hat gemäß § 280 Abs. 1 BGB die vorgerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.

VI.

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu teilen. Dabei wurde auch hinsichtlich des Feststellungsantrags berücksichtigt, dass für die monatliche Unterhaltung des Pferdes nur ein Betrag von 395,- Euro – und nicht, wie von der Klägerin geltend gemacht in Höhe von 600,- Euro – als erforderlich anzusehen ist.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

 

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