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Pferdepensionsvertrag – Wirksamkeit einer Kündigungsklausel

LG Essen – Az.: 10 S 69/18 – Urteil vom 11.04.2019

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.03.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dorsten – 21 C 90/17 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger betreibt eine Reitanlage in C. Die Beklagte ist Eigentümerin des Pferdes G „Irish Tinker“. Seit Februar 2016 war dieses Pferd auf dem Hof des Klägers zu einem Pensionspreis von 300,- EUR monatlich eingestellt. Die Einzelheiten der Einstellung und die Vertragsbedingungen sind geregelt in einem Vertrag vom 06.01.2016, wegen dessen Inhalt auf Blatt 7 – 13 d.A. Bezug genommen wird. Der Vertrag war vom Kläger vorformuliert und wurde nur um Namen und Anschrift des Einstellers, den Namen des Pferdes und den Zeitpunkt des Vertragsbeginns ergänzt.

Die sich auf den Vertragsgegenstand und den Pensionspreis beziehenden Vertragsbedingungen lauten auszugsweise:

§ 1 Vertragsgegenstand

1.  Einstellplatz für nachfolgend benanntes Pferd: Name (…)

2.  Der Betrieb stellt folgendes:

– Einstellplatz des oben genannten Pferdes im Aktivlaufstall

– Reinhaltung der Anlage und Entsorgung des Pferdedungs (ausgenommen Sonn- und Feiertage)

– Bewegungshalle (20 m x 40 m)

– Außenplatz/Rasenplatz

– Fütterung durch entsprechende Rauhfutterstationen

– Tränken des Pferdes durch Selbsttränken

– Bewegung des Pferdes durch Konzept Aktivlaufstall

– Sattelschrank

– Gesundheitskontrolle des Pferdes und Benachrichtigung des Einstellers, im Notfall Benachrichtigung und Beauftragung des Tierarztes oder Schmiedes des Einstellers – soweit bekannt und zwar im Namen und auf Rechnung des Einstellers

3. Der Einsteller ist berechtigt, die Reithalle und alle zugänglichen Bereich innerhalb des Aktivlaufstalls (auf eigene Gefahr) nach der Stallordnung zu nutzen.

(…)

§ 4 Pflichten des Einstellers

1.  Der Einstellerpreis beträgt monatlich EUR 300.

In dem Einstellerpreis sind die Nutzung der Anlage (Außenbereich, Reithalle, Vorbereitungsplätze, Sattelkammer, Nutzung der Sozialräume, Versorgung des Pferdes mit Wasser) enthalten. (…)

In § 4 des Vertrages ist weiter geregelt, dass bestimmte namentlich aufgelistete „Serviceleistungen“ – wie z.B. Weidegang, Kraftfutter und Heuflats – gesondert zu buchen und nach der unter § 4 Nr. 1 enthaltenen Preisliste zu vergüten sind.

§ 2 der Vertragsbedingungen befasst sich mit der Vertragsdauer und dem jeweiligen Kündigungsrecht und lautet wie folgt:

1.  Der Vertrag beginnt am (…) und läuft auf unbestimmte Zeit.

2.  Ist der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, so kann er von beiden Seiten mit einer Kündigungsfrist von 3 (drei) Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Maßgeblich ist der Eingang des Kündigungsschreibens.

3.  Der Vertrag kann ohne Einhaltung der Kündigungsfrist nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn:

a)  der Einsteller mit der jeweils geschuldeten Vergütung 4 (vier) Wochen im Rückstand ist,

b)  der Einsteller die Stallordnung trotz Abmahnung wiederholt oder auch ohne vorherige Abmahnung verletzt.

(…)

§ 10 der Vertragsbedingungen regelt die Sorgfaltspflichten und die Haftung des Stallbesitzers. Dieser verpflichtet sich in Ziff. 1 u.a. dazu,

„das eingestellte Pferd mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Pflegers artgerecht zu halten, zu füttern und Krankheiten und besondere Vorkommnisse unverzüglich dem Einsteller mitzuteilen.“

Mit Schreiben vom 29.08.2016 (Bl. 14 d.A.) kündigte die Beklagte den Einstellvertrag fristlos. Als Grund gab sie eine schlechte Grundversorgung mit staubigem und schimmeligem Heu und hierdurch verursachte Atemprobleme ihres Pferdes an.

Der Kläger widersprach der fristlosen Vertragsbeendigung mit Schreiben vom 27.09.2016 (Bl. 15 ff. d.A.) und erklärte, dass die Kündigung allenfalls zum 30.11.2016 wirksam sei.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des Einstellpreises für die Monate September, Oktober und November 2016 in Höhe von insgesamt 900,- EUR (3 x 300,- EUR). Ferner hat er erstinstanzlich die Zahlung von weiteren 28,- EUR begehrt. Hierbei handelt es sich um Kosten für die von der Beklagten gebuchten „Serviceleistungen“ im August 2016 für Deckenservice, Medikation, Weide halbtags und Heu. Darüber verhält sich die aus Bl. 27 d.A. ersichtliche Rechnung über insgesamt 53,17 EUR. Die Beklagte hat darauf nur 25,17 EUR gezahlt und den Restbetrag von 28,- EUR wegen der angeblich verschimmelten Heuballen einbehalten.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 928,- EUR EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2017 zu zahlen und ihn von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 124,- EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte nach Vernehmung der Zeugen N, H, I, S, L, X und M antragsgemäß verurteilt. Die Beklagte sei zur fristlosen Kündigung nicht berechtigt gewesen. Ein wichtiger Grund i.S.d. § 314 BGB habe nicht vorgelegen. Im August 2016 sei ein einziger verschimmelter Heuballen entdeckt worden. Diesen habe der Kläger indes unverzüglich entfernt. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass es noch weiteres verschimmeltes Heu gegeben habe. Soweit die Zeuginnen N und H den Vortrag der Beklagten bestätigt hätten, so seien deren Aussagen „unglaubhaft“. Es stehe auch nicht fest, dass die angeblichen Atemprobleme ihres Pferdes auf das Heu im Stall des Klägers zurückzuführen seien. Nach alledem sei das Vertragsverhältnis erst zum 30.11.2016 beendet worden. Mit der Rechtsnatur des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages sowie mit der Frage der formularmäßigen Wirksamkeit der in § 2 vorgesehenen Kündigungsregelung hat sich das Amtsgericht hierbei nicht befasst.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie vertritt die Auffassung, dass die Kündigungsregelung in § 2 des Vertrages einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhalte. Insbesondere habe der Kläger lediglich einseitig zu seinen Gunsten die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung geregelt. Darüber hinaus beanstandet die Beklagte die Beweiswürdigung des Amtsgerichts.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

In der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2019 haben die Parteien in Bezug auf den o.g. streitigen Betrag in Höhe von 28,- EUR für die gebuchten Serviceleistungen einen Zwischenvergleich geschlossen. Darin hat sich die Beklagte verpflichtet, an den Kläger 14,- EUR zu zahlen. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11.04.2019 (Bl. 259 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung sowie auf den Inhalt der im zweiten Rechtszuge gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat, soweit nach dem Zwischenvergleich vom 11.04.2019 noch über sie zu entscheiden war, in der Sache Erfolg.

Pferdepensionsvertrag - Wirksamkeit einer Kündigungsklausel
(Symbolfoto: Von Halfpoint/Shutterstock.com)

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Tierpensions- und Einstellungsvertrag handelt es sich um einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag i.S.d. § 688 BGB. Nach dem Vertrag schuldete der Kläger der Beklagten neben der Überlassung der Pferdebox u.a. auch die Fütterung und die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das eingestellte Tier. Der Einstellvertrag ist danach ein gemischter Vertrag, der sich aus Elementen des Mietvertrages, des Kaufvertrages, des Dienstvertrages und des Verwahrungsvertrages zusammensetzt. Ungeachtet dessen bildet nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich die Kammer anschließt, ein gemischter Vertrag ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in dem Sinn in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, dass etwa auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Dienstvertragsanteil Dienstvertragsrecht und auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt (vgl. statt aller: BGH, Urteil vom 12. Januar 2017, III ZR 4/16, juris, m.w.N.).

Der rechtliche Schwerpunkt des zwischen den Parteien geschlossenen Pferdepensions- und Einstellvertrages fällt in den Bereich des Verwahrungsrechts und nicht in den Bereich eines Dienst- oder Mietvertrages.

Ein Schwerpunkt im Dienstvertrag kann nicht angenommen werden, da Pflegeelemente, die über die Obhut des Pferdes hinausgehen, keine maßgebliche Rolle spielen. In § 1 Ziff. 3 des Vertrages werden dem Einsteller die Benutzung der Reithalle und alle zugänglichen Bereich innerhalb des sog. Aktivlaufstalls gestattet. Das Reiten und Führen des Pferdes,. etwa auf einem Longierplatz, wurden hingegen vertraglich nicht vom Kläger übernommen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.01.2017 (III ZR 4/16, juris), in der der Schwerpunkt des dort zu beurteilenden Pferdepensionsvertrages im Dienstvertragsrecht gesehen wurde, ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall standen im Vordergrund der geschuldeten Leistungen die Ausbildung des noch jungen Pferdes für den Einsatz bei Turnieren und die Vorführung bei Prüfungen.

Ebenso kann auch ein Schwerpunkt im Mietvertrag nicht angenommen werden. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Pferdepensions- und Einstellvertrag stand zum einen nicht etwa die Überlassung einer konkreten Pferdebox im Vordergrund. In dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag wird dem Einsteller keine individuelle Pferdebox zugewiesen. Zum anderen geht der konkrete Vertragsinhalt – anders als etwa in dem vom Amtsgericht Essen mit Urteil vom 31. August 2007 (Az.: 20 C 229/06, juris) entschiedenen Fall – über die bloße Offenhaltung des Pferdes hinaus. Vielmehr hat der Kläger die Pflicht zur Fürsorge und Obhut über das Pferd übernommen. Dies ergibt sich aus dem in § 1 Ziff. 2 geregelten Leistungskatalog. Darin ist vorgesehen, dass der Kläger Leistungen wie Ausmisten, Fütterung und Gesundheitskontrolle übernimmt, wodurch ihm eine vertragliche Obhutspflicht auferlegt wird. Diese Pflicht ist vertragswesentlich und typusbildend. Der rechtliche Schwerpunkt des Vertrages fällt daher in den Bereich des Verwahrungsrechts mit der Folge, dass der Vertrag als Verwahrungsvertrag anzusehen ist (so auch: OLG Oldenburg, Urteil vom 04. Januar 2011, 12 U 91/10, BeckRS 2011, 9054; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 23. März 2000, 5 U 73/97, juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 28. Juni 2006, 13 U 138/05, juris; LG Ulm, Beschluss vom 19. April 2004, 1 S 184/03, juris; AG Lehrte, Urteil vom 11. Mai 2010, 9 C 857/09, juris).

Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung für die Monate September, Oktober und November 2016 besteht nicht, da die Beklagte den Vertrag wirksam gekündigt hat. Entsprechend der vorstehend dargelegten Einordnung des Vertrages als Verwahrungsvertrag konnte dieser durch die Beklagte gem. § 695 S. 1 BGB jederzeit gekündigt werden. Dies gilt auch beim entgeltlichen Verwahrungsvertrag (Palandt/Sprau, 77. Aufl., § 695 Rn. 1; LG Ulm, Beschluss vom 19. April 2004, 1 S 184/03, juris). Zwar wird von einigen Land- und Amtsgerichten die Auffassung vertreten, dass bei einem gemischten Vertrag mit dem Schwerpunkt im Verwahrungsrecht das Kündigungsrecht nicht nach Maßgabe des § 695 BGB zu handhaben sei, sondern vielmehr nach derjenigen Regelung beurteilt werden solle, die nach der jeweiligen Interessenabwägung dem Vertragszweck am besten entspreche. So hat das Landgericht Wuppertal mit Urteil vom 23. Mai 2017 (16 S 63/16, juris) ausgeführt, dass das Verwahrungsrecht, soweit es um die Kündigungsfrage gehe, keine die Interessen der Parteien angemessen zum Ausgleich bringende Regelung biete. Der Einstaller werde vor erhebliche Probleme gestellt, wenn der Stall jederzeit die sofortige Rücknahme des Pferdes verlangen könne. Ebenso sei ein berechtigtes Interesse des Stalls anzuerkennen, durch Kündigungsfristen disponieren zu können. Daher sei es sachgerecht, jedenfalls das Kündigungsregime nach Mietrecht zu beurteilen. Auch das Amtsgericht Solingen hat in seinem mit Urteil vom 31. Mai 2016 (14 C 480/15, juris) entschiedenen Fall den dort zwischen den Parteien geschlossenen Pferdepensions- und Einstellvertrag zwar als Verwahrungsvertrag eingeordnet, für die Bewertung der vereinbarten Kündigungsfrist jedoch „im Hinblick auf die wirtschaftlichen Interessen des Pensionsgebers“ auch die Regelungen des Mietvertragsrechts herangezogen. Ebenso hat auch das Amtsgericht Grünstadt (Urteil vom 22. Juli 2010, 3 C 116/10, juris) entschieden . Die Kammer vermag sich der vorgenannten Auffassung indes nicht anzuschließen. Wie bereits eingangs dargelegt, ist ein gemischter Vertrag als einheitliches Ganzes zu behandeln und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden. Vielmehr ist der Schwerpunkt des Vertrages zu ermitteln (vgl. statt aller: BGH, Urteil vom 12. Januar 2017, III ZR 4/16, juris, m.w.N.). Zwar hat der Bundesgerichtshof weiter ausgeführt, dass eine solcherart getroffene rechtliche Einordnung nicht von vornherein ausschließe, auch Bestimmungen des Vertragsrechts heranzuziehen, bei dem der Schwerpunkt des Vertrags nicht liege, wenn allein hierdurch die Eigenart des Vertrags richtig gewürdigt werden könne. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass ausgerechnet die Kündigungsfrage nicht nach Verwahrungsrecht beurteilt wird, welches gerade die Eigenart des Vertrages bestimmt. Das jederzeitige Rückforderungsrecht gem. § 695 BGB folgt aus dem Wesen des Verwahrungsvertrages. Bei Abbedingung dieses Kernelements liegt schon kein Verwahrungsvertrag mehr vor (so auch Palandt/Sprau, 77. Aufl., § 695 Rn. 1).

Die von dem Kläger vorformulierte, für eine Vielzahl von Verträgen verwendete und deshalb einer Inhaltskontrolle unterfallende Kündigungsklausel (§ 2) ist wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Hiernach ist eine Klausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, wovon im Zweifel auszugehen ist, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kündigungsklausel in § 2 sieht vor, dass – auch – für den Einsteller eine Kündigung nur mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende möglich ist und der Vertrag im Übrigen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Diese Klausel weicht entscheidend von der Regelung des § 695 BGB ab. Die darin bestimmter jederzeitige Rückforderungsmöglichkeit gehört nach Auffassung der Kammer zu den wesentlichen Grundgedanken eines Verwahrungsvertrages. Die in § 2 enthaltene Einschränkung des Kündigungsrechts verstößt daher gegen § 307 Abs. 1 BGB und ist unwirksam. Eine Differenzierung zwischen dem Recht der jederzeitigen Rückforderung und der Kündigung des Verwahrungsvertrages ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht möglich. Eine fortbestehende Bindung an den geschlossenen Vertrag über die festgesetzte Kündigungsfrist würde das Recht des Hinterlegers aus § 695 BGB praktisch aushöhlen. Die Tatsache, das vereinbarte Pensionsentgelt, wenn auch ggf. vermindert um ersparte Aufwendungen, weiterhin zahlen zu müssen, wird den Hinterleger unter Umständen bei seiner Entscheidung, ob er von seinem Recht aus § 695 BGB Gebrauch machen will, in unangemessener Weise unter Druck setzen.

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Das in der oben zitierten Rechtsprechung teilweise bemühte Argument, dass die formularmäßige Regelung einer Kündigungsfrist im Interesse beider Parteien liege, ist nicht überzeugend. Eine solche Argumentation übersieht die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Privilegierung des Hinterlegers gegenüber dem Verwahrer. Der Hinterleger kann gem. § 695 BGB die hinterlegte Sache jederzeit zurückfordern, auch wenn für die Aufbewahrung eine Zeit bestimmt ist. Demgegenüber kann der Verwahrer die Rücknahme der hinterlegten Sache gem. § 696 BGB nur dann jederzeit verlangen, wenn eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt ist. Ist eine Zeit bestimmt, so kann er die vorzeitige Rücknahme nur verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Vor diesem Hintergrund ist die teilweise vertretene Auffassung, dass ohne Kündigungsfrist auch der Einsteller mit einem jederzeitigen Rücknahmeverlangen des Stallbetreibers rechnen müsse, unzutreffend. Die Verwahrung erfolgt im Dispositionsinteresse des Hinterlegers (vgl. LG Ulm, Beschluss vom 19. April 2004, 1 S 184/03, juris; AG Lehrte, Urteil vom 11. Mai 2010, 9 C 857/09, juris). Der Sinn und Zweck des Vertrages beinhaltet den Schutz und die Dispositionsfreiheit bezüglich der hinterlegten Sache. Insbesondere bei einer Krankheit des Tieres – wie hier bei dem Pferd G „Irish Tinker“- entspricht es dabei dem Interesse des Hinterlegers, das Pferd umgehend herauszufordern und den Vertrag kündigen zu können.

Dagegen spricht schließlich auch nicht die Regelung des § 699 Abs. 2 BGB. Bei einem vorzeitigen Ende der Aufbewahrung kann der Verwahrer zwar einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen, sofern nicht aus der Vereinbarung über die Vergütung sich ein anderes ergibt. Aus der in § 699 Abs. 2 BGB bereits gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Vereinbarung einer Vergütung, die nicht anteilig an der tatsächlichen Aufbewahrung bemessen wird, kann indes nicht abgeleitet werden, es handele sich bei der anteiligen Vergütung schon nicht um einen wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 699 Abs. 2 BGB stellt die lediglich anteilige Vergütung den gesetzlichen Regelfall dar. Daraus folgt, dass der Verwahrer grundsätzlich die Vergütung nach erfolgter Kündigung nur noch bis zu dem Tag verlangen kann, an dem das Pferd tatsächlich in seinem Stall untergestellt war und der Verwahrer insoweit auch tatsächlich Leistungen erbracht hat. Die Verpflichtung, das vereinbarte Pensionsentgelt auch nach Beendigung der Verwahrung zahlen zu müssen, würde bedeuten, das vorgenannte Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren.

Nach alledem ist die streitgegenständliche Vertragsklausel (§ 2) unwirksam. Eine Unwirksamkeit ist auch nicht unbillig für den Vertragspartner, da er die Möglichkeit hat, Kündigungsfristen individuell auszuhandeln und zu vereinbaren.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1, 98 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO grundsätzliche Bedeutung hat. Die Anwendung des § 307 BGB im Rahmen von Pferdeeinstellungsverträgen mit Kündigungsfristen ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt.

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