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Pflegeheimkosten – Zahlungspflicht nach dem Tod des Heimbewohners

AG Kerpen – Az.: 102 C 28/19 – Urteil vom 09.07.2019

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.127,84 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von klägerseits geleisteter Vergütung für eine Unterbringung seiner Mutter in einem Pflegeheim der Beklagten.

Der Kläger ist der Sohn der am 00.00.0000 verstorbenen Frau B.T. und Inhaber einer über den Tod hinaus geltenden Vollmacht derselben.

Am 00.00.0000 fand zwischen den Parteien in G. ein Termin statt, welcher die Unterbringung der Frau B.T. in dem „Seniorenzentrum F.“ der Beklagten in G. zum Gegenstand hatte. Dieser führte in der Folge zum Abschluss des auf den 12.02.2016 datierten Vertrages Anlage K 1, Bl. 7 ff. d. A. Jener Vertrag hatte insbesondere folgenden Inhalt:

Der Vertrag wird „mit Wirkung zum 15.02.2016“ geschlossen, Bl. 8 d. A. Gemäß § 13 des Vertrages, Bl. 16 d. A., sollte das „Gesamtentgelt“ täglich 102,43 EUR betragen. In § 17 des Vertrages wurden Zahlungspflichten bei „vorübergehender Abwesenheit“ geregelt, Bl. 19 d. A. Der mit „Sondervereinbarungen“ überschriebene § 29 des Vertrages, Bl. 25 d. A., lautet, soweit hier von Bedeutung, wie folgt: „Vom Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin entrichtet die Bewohnerin/der Bewohner eine Platzgebühr gem. § 17.“

Der Vertrag wurde klägerseits am 22.02.2016 unterschrieben.

Der Einzug der Frau B.T. in die Einrichtung der Beklagten erfolgte erst am 29.02.2019. Zuvor lebte sie in einem Pflegeheim in L.

Mit Rechnung v. 22.03.2016, Anlage K 2, Bl. 26 d. A., berechnete die Beklagte insgesamt 1.127,84 EUR für den Zeitraum 15.02.2016 – 28.02.2016. Diese Summe zahlte der Kläger am 01.04.2016.

Mit Schreiben v. 18.12.2018, Anlage K 3, Bl. 27 f. d. A., forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung jenes Betrages auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben v. 10.01.2019, Anlage K 4, Bl. 29 d. A., ab. Sodann forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten v. 23.01.2019, Anlage K 5, Bl. 30 ff. d. A., erneut zur Zahlung bis zum 05.02.2019 auf. Für diese Tätigkeit berechneten die Prozessbevollmächtigten dem Kläger insgesamt 201,71 EUR.

Der Kläger ist der Ansicht, eine Vergütungspflicht habe erst ab dem tatsächlichen Einzug seiner Mutter in das Pflegeheim der Beklagten am 29.02.2016 bestanden. Die Regelung in § 87a SGB XI sei abschließend. Hieraus ergebe sich eine Vergütungspflicht erst ab Aufnahme. Abweichende Regelungen seien gemäß § 87a Abs. 1 S. 4 SGB XI unwirksam, jedenfalls überraschend im Sinne des § 305 BGB.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn überzahlte Heimkosten in Höhe von EUR 1.127,84 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von EUR201,71 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Kerpen.

Die Beklagte ist der Ansicht, eine Entgeltpflicht für 15.02.2016 – 28.02.2016 bestehe, da während jenes Zeitraumes eine „vorübergehende Abwesenheit“ der Mutter des Klägers im Sinne des § 87a Abs. 1 S. 5 SGB XI vorgelegen habe.

Die Klageschrift ist der Beklagtenseite am 29.03.2019 zugestellt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Pflegeheimkosten – Zahlungspflicht nach dem Tod des Heimbewohners
(Symbolfoto: Suwin/Shutterstock.com)

Insbesondere ist das Amtsgericht Kerpen hier örtlich zuständig. Dies folgt insbesondere aus § 21 Abs. 1 ZPO. Hat jemand zum Betrieb eines Gewerbes eine Niederlassung, von der aus unmittelbar Geschäfte geschlossen werden, so können gegen ihn alle Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb der Niederlassung Bezug haben, bei dem Gericht des Ortes erhoben werden, wo die Niederlassung sich befindet.

Unstreitig betrieb und betreibt die Beklagte das „Seniorenzentrum F.“ in G., mithin im Bezirk des Amtsgerichts Kerpen. Die Selbständigkeit der Niederlassung kann zwar bei einer Zweigniederlassung fehlen. Entscheidend ist jedoch nicht das innere Verhältnis zum Hauptunternehmen, sondern ob nach außen der Anschein einer selbständigen Niederlassung erweckt wird (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 21 ZPO, Rn. 8). Dies ist hier der Fall. So wurden insbesondere die streitgegenständliche Rechnung v. 22.03.2016, Anlage K 2, Bl. 26 d. A., sowie das Schreiben der Beklagtenseite v. 10.01.2019, Anlage K 4, Bl. 24 d. A., mit einem Briefkopf versehen, welcher auf das „Seniorenzentrum F.“ in G lauten. Die vorgerichtliche Korrespondenz der Parteien fand im Wesentlichen also mit dem hier in Rede stehenden Pflegeheim statt, welches im Rahmen der Korrespondenz zumindest den Anschein der Selbstständigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 ZPO erweckt hat.

II.

Die Klage ist bis auf einen Teil der Zinsforderung auch begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 1.127,84 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.

Unstreitig hat die Beklagte durch die Leistung des Beklagten die Vergütung für den Zeitraum 15.02.2016 – 28.02.2016 in Höhe von insgesamt 1.127,84 EUR erlangt.

Dies geschah auch ohne rechtlichen Grund. Gemäß § 87a Abs. 1 SGB X werden die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet (Berechnungstag). Die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger endet mit dem Tag, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt. Zieht ein Pflegebedürftiger in ein anderes Heim um, darf nur das aufnehmende Pflegeheim ein Gesamtheimentgelt für den Verlegungstag berechnen. Von den Sätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträger sind nichtig. Der Pflegeplatz ist im Fall vorübergehender Abwesenheit vom Pflegeheim für einen Abwesenheitszeitraum von bis zu 42 Tagen im Kalenderjahr für den Pflegebedürftigen freizuhalten.

Nach seinem eindeutigen Wortlaut regelt § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI nicht allein die Zahlungspflicht des Kostenträgers, sondern erfasst ebenso die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners. Es handelt sich um eine gegenüber den heimvertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vorrangige Sonderregelung zugunsten von Heimbewohnern, die gleichzeitig Leistungsbezieher der Pflegeversicherung sind (BGH, Urteil vom 04. Oktober 2018 – III ZR 292/17 -, Rn. 25, juris)

Hiernach standen der Beklagtenseite erst ab dem 29.02.2016 Entgelte für die Unterbringung der Mutter des Klägers in ihrer Einrichtung in G. zu. Unstreitig ist die Mutter des Klägers erst am 29.02.2016 in das oben genannte Pflegeheim der Beklagten gezogen. Tag der Aufnahme im Sinne des § 87a Abs. 1 SGB X ist zudem die tatsächliche Aufnahme, hier also der 29.02.2016. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Rechtsnorm. Mit „Aufnahme“ kann nur der tatsächliche Bezug einer Unterkunft in einem Pflegeheim, nicht auch ein vertraglich definierter sonstiger, vorhergegangener Zeitraum sein. Überdies ergibt sich auch aus § 87a Abs. 1 S. 4 SGB X, wonach von den Sätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarungen zwischen dem Pflegeheim und dem Heimbewohner oder dessen Kostenträger nichtig sind, dass der Tag der Aufnahme im Sinne der Rechtsnorm nur ein tatsächliches Ereignis, nicht aber ein vertraglich festgelegter Zeitpunkt sein kann. Hieraus folgt schließlich auch, dass die Regelung in § 29 des streitgegenständlichen Vertrages, wonach von „Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin […] eine Platzgebühr gem. § 17“ des Vertrages zu entrichten sei, nichtig ist.

Eine „vorübergehende Abwesenheit“ im Sinne des S. 5 der Rechtsnorm kann nach dem Wortlaut nur nach jenem Zeitpunkt eintreten. Der Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 5 bis 7 SGB XI über die Vergütungspflicht des Bewohners bei vorübergehender Abwesenheit vom Heim ist zu entnehmen, dass ein Vergütungsanspruch der Einrichtung (gegebenenfalls unter Berücksichtigung ersparter Aufwendungen) voraussetzt, dass der Pflegebedürftige das Heim nur vorübergehend im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 5, 6 SGB XI verlässt (z.B. wegen eines Krankenhausaufenthalts) und deshalb einen gesetzlichen Anspruch auf Freihaltung seines Pflegeplatzes hat (BGH, Urteil vom 04. Oktober 2018 – III ZR 292/17 -, Rn. 29, juris). Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung soll gerade verhindert werden, dass ein Pflegeheim durch vertragliche Gestaltungen – wie hier – Reservierungsgebühren geltend machen kann. Dies folgt auch aus dem S. 3 der Rechtsnorm, wonach im Falle des Umzuges nur das aufnehmende Pflegeheim ein Gesamtheimentgelt für den Verlegungstag berechnen darf.

III.

1) Zinsen konnten erst ab dem 05.01.2019 zugesprochen werden, §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich nicht, dass der Kläger die Beklagte vor dem Schreiben vom 18.12.2018, Anlage K 3, Bl. 27 d. A., hinreichend hinsichtlich der Klageforderung gemahnt hat. Insbesondere ist der Inhalt eines Schreibens des Klägers an die Beklagte vom 26.11.2018, auf welches er in dem Schreiben vom 18.12.2018 Bezug nimmt, nicht bekannt. Daher ist nicht ersichtlich, ob dieses eine taugliche Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB darstellt. Da das Schreiben vom 17.12.2018 keine Zahlungsfrist enthält, konnten Zinsen hier – unter Berücksichtigung der Postlaufzeit sowie einer zweiwöchentlichen Zahlungsfrist – ab dem 05.01.2019 zugesprochen werden.

2) Der Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in klägerseits zutreffend berechneter Höhe von 201,71 EUR folgt aus den §§ 286, 280, 249 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.127,84 EUR festgesetzt.

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