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Pflegeversicherung – kein zusätzlicher Beitrag für Stiefeltern

Bundessozialgericht

Az.: B 12 P 4/06 R

Urteil vom18.07.2007

Vorinstanzen:

Sozialgericht Köln, Az.: S 23 KN 6/05 P, Urteil vom 30.05.2005

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Az.: L 2 KN 97/05 P, Urteil vom 01.06.2006


Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Beitragszuschlag für kinderlose Versicherte in der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen hat.

Die 1947 geborene Klägerin ist freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sowie in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Sie ist seit Dezember 1998 verheiratet. Aus der Ehe ihres 1929 geborenen Ehemannes mit dessen 1997 verstorbener erster Ehefrau sind zwei 1958 und 1960 geborene Kinder hervorgegangen. Für diese hat die Klägerin keine Betreuungs- und Erziehungsleistungen erbracht.

Mit Bescheid vom 2.12.2004 stellte die Bundesknappschaft, Rechtsvorgängerin der Beklagten, fest, dass die Klägerin ab 1.1.2005 einen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 15,70 Euro statt bisher 13,69 Euro zu zahlen habe. Der Beitragssatz von 1,7 % erhöhe sich ab 1.1.2005 wegen eines zusätzlichen Beitragszuschlags für kinderlose Mitglieder in Höhe von 0,25 %. Der bisherige Bescheid werde mit Wirkung ab 1.1.2005 nach § 48 SGB X aufgehoben. Die Klägerin begründete ihren Widerspruch damit, dass sie als Stiefmutter der beiden Kinder ihres Ehemannes von dem Beitragszuschlag ausgenommen sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.1.2005). Nach § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI sei vom 1.1.2005 an von kinderlosen Mitgliedern ein Beitragszuschlag zu erheben. Da zum Zeitpunkt der Eheschließung die Stiefkinder bereits 38 und 40 Jahre alt gewesen seien, sei die Elterneigenschaft der Klägerin iS von § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI nicht gegeben.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 30.5.2005 den Bescheid vom 2.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides dahingehend abgeändert, dass der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung ab 1.1.2005 1,7 % beträgt. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 1.6.2006). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, nach § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI iVm § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I würden als Eltern auch Stiefeltern gelten. Nach dem Wortlaut des Gesetzes bestehe daher keine Grundlage, von der Klägerin den Beitragszuschlag für Kinderlose zu erheben. Hiervon könne auch nicht mit Hinweis auf Sinn und Zweck der Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI abgewichen werden. Der Gesetzgeber habe die Zuschlagspflicht generalisierend vom Alter des Versicherten und von der Eltern- bzw. Stiefelterneigenschaft abhängig gemacht, nicht jedoch auf eine tatsächliche Betreuungs- und Erziehungsleistung abgestellt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 55 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XI sowie des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 2 SGB I. Ein Zuschlag sei bei Stiefeltern nur dann nicht zu zahlen, wenn sie ein Stiefkind tatsächlich betreut und erzogen hätten. Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, dass mit § 55 Abs. 3 SGB XI in erster Linie diese Erziehungsleistungen honoriert werden sollten und deshalb grundsätzlich ein Eltern-Kind-Verhältnis bestehen müsse, in dessen Rahmen diese erbracht würden. Dieses zusätzliche Erfordernis u.a. bei Stiefkindern ergäbe sich auch unmittelbar aus dem Gesetz. § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI verweise zwar ausdrücklich nur auf § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I, doch stehe der Elternbegriff des § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I nicht isoliert, sondern korrespondiere mit dem Begriff des Stiefkindes des § 56 Abs. 2 Nr. 1 SGB I. Nach dieser Vorschrift würden aber Stiefkinder nur dann als Kinder iS des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I gelten, wenn sie in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen worden seien. Hieraus erhelle sich, dass die Elterneigenschaft von Stiefeltern nur dann gegeben sei, wenn gegenüber dem Stiefkind auch eine Betreuungs- und Erziehungsleistung erbracht worden sei. Diese gesetzlich vorgegebenen Anforderungen hätten die Spitzenverbände der Pflegekassen zum Anlass genommen, die Elterneigenschaft iS von § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI bei Adoptiv-, Stief- und Pflegekind nur unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb bestimmter Altersgrenzen anzuerkennen. Die Begründung der Familienbande müsse danach zu einem Zeitpunkt erfolgt sein, an dem für das Kind aufgrund der in § 25 Abs. 2 SGB XI genannten Altersgrenzen eine Familienversicherung begründet werden konnte. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Die beiden Stiefkinder aus der ersten Ehe ihres Ehemannes habe sie nicht betreut oder erzogen.

Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1.6.2006 und des Sozialgerichts Köln vom 30.5.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beklagte hat ergänzend den Bescheid vom 10.12.2003, mit dem der Pflegeversicherungsbeitrag ab 1.1.2004 unter Zugrundelegung eines Mindesteinkommens von 805,00 Euro und eines Beitragssatzes von 1,7 % auf 13,69 Euro festgesetzt worden war, sowie den Bescheid vom 6.9.2006, mit dem sie die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2004 rückwirkend abgeändert hatte, übersandt.

II.

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide setzten für die Zeit ab 1.1.2005 den von der Klägerin zu zahlenden Pflegeversicherungsbeitrag zu Unrecht unter Berücksichtigung eines Beitragszuschlages für kinderlose Mitglieder fest.

1.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist lediglich die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 2.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.1.2005, soweit das SG diesen teilweise aufgehoben und festgestellt hat, dass der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung ab 1.1.2005 1,7 % beträgt. Unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe hat das SG damit in der Sache den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als der Pflegeversicherungsbeitrag ab 1.1.2005 höher als mit 13,69 Euro festgesetzt wurde. Allerdings hätte das SG, statt im Urteilstenor nur den anzuwendenden Beitragssatz zu benennen, feststellen müssen, dass der Pflegeversicherungsbeitrag wie bisher lediglich 13,69 Euro beträgt. Da die Beklagte durch den Ausspruch des SG jedoch nicht weitergehend beschwert ist und die Klägerin selbst keine Rechtsmittel eingelegt hat, war der Urteilsspruch des SG nicht zu ändern.

2.

Für den Erlass des Beitragsbescheides war im Jahr 2004 die Bundesknappschaft als Rechtsvorgängerin der Beklagten zuständig. Sie war Krankenkasse nach § 4 Abs. 2 SGB V und führte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die Pflegeversicherung für die knappschaftlich Versicherten durch (§ 46 Abs. 1 Satz 6 SGB XI in der bis zum 30.9.2005 geltenden Fassung). Nach Bildung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9.12.2004 (BGBl I S 3242) zum 1.10.2005 ist diese weiterhin Krankenkasse, soweit sie Aufgaben nach dem SGB V durchführt (§ 4 Abs. 2 SGB V in der ab 1.10.2005 geltenden Fassung des Art 6 Nr. 1 RVOrgG), und war nach § 46 Abs. 1 Satz 3 SGB XI (idF des Art 10 Nr. 2 RVOrgG) zunächst auch zur Durchführung der Pflegeversicherung für die knappschaftlich Versicherten zuständig. Mit Wirkung vom 1.4.2007 ist § 46 Abs. 1 Satz 3 SGB XI gestrichen worden (Art 8 Nr. 19 Buchst a des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26.3.2007, BGBl I S 378). Dies ist nicht nur eine redaktionelle Folgeänderung zur Anpassung an die Öffnung der knappschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung für alle Versicherten (so aber die Begründung im Entwurf des GKV-WSG (BT-Drucks 16/3100 S 186)), sondern hat dadurch, dass nunmehr § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB XI auch für die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gilt, eine inhaltliche Bedeutung. Nach dieser Vorschrift ist die Pflegeversicherung durch eine bei der Krankenkasse errichtete Pflegekasse durchzuführen. Damit gilt nunmehr auch bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See eine Pflegekasse als errichtet. Da die Krankenversicherung nach der Satzung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See von dieser unter dem Namen Knappschaft durchgeführt wird, ist nunmehr die „Knappschaft-Pflegekasse“ der im Wege der Funktionsnachfolge zuständige Versicherungsträger und die Beklagte in diesem Rechtsstreit.

3.

Der Bescheid vom 2.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.1.2005 ist, soweit der Pflegeversicherungsbeitrag höher als mit 13,69 Euro festgesetzt worden ist, rechtswidrig. Zu Unrecht ist die Rechtsvorgängerin der Beklagten davon ausgegangen, dass die Klägerin einen zusätzlichen Beitragszuschlag für kinderlose Mitglieder ab 1.1.2005 zu zahlen hat, die Voraussetzung des § 48 SGB X vorlagen und die bisherige Beitragsfestsetzung abzuändern war. Die Voraussetzung für eine Erhöhung des bisher festgesetzten Beitrages zur Pflegeversicherung lagen nicht vor.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. In Betracht kommt hier allein eine Änderung des zugrunde zu legenden Beitragssatzes aufgrund der ab 1.1.2005 geltenden Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI. Anhaltspunkte dafür, dass sonstige die Erhöhung rechtfertigende Änderungen eingetreten sein könnten, ergeben sich aus den Feststellungen des LSG nicht.

Gemäß § 55 Abs. 3 SGB XI (eingefügt durch Art 1 des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes vom 15.12.2004, BGBl I S 3448) erhöht sich ab 1.1.2005 der nach § 55 Abs. 1 SGB XI geltende Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung von 1,7 % um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose) auf insgesamt 1,95 % mit dem Ablauf des Monats, in dem das Mitglied das 23. Lebensjahr vollendet hat. Dies gilt jedoch nicht für Eltern iS des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I. Als Stiefmutter der 1958 und 1960 geborenen Kinder ihres Ehemannes ist die Klägerin danach nicht verpflichtet, den Beitragszuschlag für Kinderlose ab 1.1.2005 zu zahlen.

Durch den Verweis auf § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I wird der Kreis der nicht zur Zahlung des Zuschlages verpflichteten Versicherten bestimmt. Genannt werden in § 56 Abs. 1 SGB I, der regelt, wem im Rahmen der Sonderrechtsnachfolge fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten zustehen, sechs Personengruppen, denen nacheinander die Leistungen zustehen, wenn sie mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Hierzu gehören nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I die Eltern. § 56 Abs. 3 SGB I bestimmt, wer als Eltern iS des Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 gilt, nämlich neben sonstigen Verwandten der gerade aufsteigenden Linie und Pflegeeltern die Stiefeltern (§ 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I). Eltern iS des § 55 Abs. 3 SGB XI sind deshalb auch Stiefeltern. Stiefeltern sind Ehegatten im Bezug auf nicht zu ihnen in einem Kindschaftsverhältnis stehende leibliche oder angenommene Kinder des anderen Ehegatten (Seewald in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand März 2007, § 56 SGB I RdNr. 11, 16).

Die Elterneigenschaft iS von § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI setzt nicht voraus, dass bei Stiefeltern weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, insbesondere dass gegenüber dem Stiefkind auch eine Betreuungs- und Erziehungsleistung erbracht wird oder wurde.

Bereits die Verweisung in § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI nimmt auch nach Auffassung der Revision nur Bezug auf den Begriff der Eltern in § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 iVm Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I und nicht etwa auf die allein auf den Zeitpunkt des Eintritts der Sonderrechtsnachfolge bezogenen zusätzlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB I. Ebenso wenig wie der Personenkreis der leiblichen Eltern wird deshalb auch der Personenkreis der Stiefeltern durch Voraussetzungen eingeschränkt, die in § 56 SGB I für diese oder andere Personengruppen genannt sind. Die Revision kann sich insbesondere auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 SGB I Stiefkinder nur dann als Kinder gelten, wenn sie in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen worden sind. Diese Voraussetzung wird allein für Stiefkinder für die Begründung der Sonderrechtsnachfolge aufgestellt, in § 55 Abs. 3 SGB XI zur Begründung der Stiefelterneigenschaft aber nicht genannt. Soweit die Revision meint, auch bei leiblichen Eltern werde die Betreuungs- und Erziehungsleistung vorausgesetzt und lediglich als Ausnahme bei frühem Tod des Kindes darauf gleichsam im Rahmen einer Fiktion verzichtet, verkennt sie, dass auch nach ihrer eigenen Rechtsauffassung es bei leiblichen Eltern für die Befreiung von dem zusätzlichen Pflegeversicherungsbeitrag gerade nicht darauf ankommt, ob und wie lange ein Elternteil das Kind betreut oder erzieht.

Auch eine spezifische, von der allgemeinen Auslegung in SGB I abweichende Auslegung des § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I in Bezug auf die Regelungen des SGB XI scheidet hier aus. Zwar kann die Auslegung einer Vorschrift des SGB I unter Berücksichtigung der konkreten Regelungsmaterie des jeweils anzuwendenden besonderen Buches des Sozialgesetzbuches unterschiedlich erfolgen (vgl. z.B. zum gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 30 Abs. 1 und 3 SGB I für das Erziehungsgeld, die Rentenversicherung und die Krankenversicherung die Urteile vom 27.9.1990, 4 REg 30/89, BSGE 67, 243, 246 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 2, vom 28.7.1992, 5 RJ 24/91, BSGE 71, 78, 80 = SozR 3-2600 § 56 Nr. 2 und vom 30.4.1997, 12 RK 30/96, BSGE 80, 209, 211 = SozR 3-2500 § 10 Nr. 12). Eine solche ist jedoch hier nicht geboten. Die Verweisung ist eindeutig auf den in § 56 SGB I definierten Begriff der Eltern bezogen. Insbesondere rechtfertigt der den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Zweck der Regelung des § 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI keine Auslegung dieser Vorschrift in Bezug auf Stiefeltern in dem Sinne, dass diese die Stiefkinder im weitesten Sinne jemals erzogen haben müssten. Mit der Erhebung eines Beitragszuschlages für kinderlose Versicherte nach § 55 Abs. 3 SGB XI sollte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr. 2) zum Familienlastenausgleich in der sozialen Pflegeversicherung umgesetzt werden. Das BVerfG hatte insofern gefordert, dass die Erziehung von Kindern bei der Beitragsbemessung in der Pflegeversicherung berücksichtigt werden müsse, dem Gesetzgeber zur Umsetzung jedoch einen Spielraum gelassen. Der Gesetzgeber hat durch die Erhebung eines Beitragszuschlages von kinderlosen ab 1940 geborenen Mitgliedern ab Vollendung ihres 23. Lebensjahres unabhängig von den Gründen der Kinderlosigkeit diese verfassungsrechtliche Vorgabe umgesetzt und dabei auch Stiefeltern von dem Beitragszuschlag ausgenommen. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird ausgeführt, dass die Erziehungsleistung von Eltern honoriert werden sollte (vgl. BT-Drucks 15/3671, S 4), von einer solchen zu honorierenden Leistung geht die gesetzliche Regelung jedoch bereits beim Vorhandensein von Kindern und auch von Stiefkindern aus. Wenn die Revision rügt, es überzeuge nicht, wenn ausschließlich auf das formale Kriterium der Stiefelterneigenschaft abgestellt werde, ohne die tatsächlich erbrachte Betreuungs- und Erziehungsleistung zu berücksichtigen, übersieht sie, dass der Gesetzgeber insbesondere auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung an ein formales Kriterium als Indiz für das tatsächliche Vorliegen von Umständen zulässig anknüpfen kann.

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Die Revision berücksichtigt bei ihrer Rechtsansicht insoweit nicht, dass bei Stiefeltern die von ihr geforderten zusätzlichen Voraussetzungen, wonach die Stiefkinder entweder tatsächlich betreut oder erzogen worden sein müssen oder aber im Zeitpunkt der Begründung der Stiefelterneigenschaft zumindest die altersmäßigen Voraussetzungen für die Familienversicherung (§ 25 Abs. 2 SGB XI) in der Pflegeversicherung erfüllt haben müssen, nur schwer festzustellen und nachzuweisen sind. Da die Elterneigenschaft gegenüber der beitragsabführenden Stelle nachzuweisen ist und dies bei versicherungspflichtig Beschäftigten in der Regel der Arbeitgeber ist, erscheint es fernliegend, dass der Gesetzgeber neben den formal leicht nachzuweisenden Voraussetzungen der Stiefelterneigenschaft auch zusätzliche durch öffentliche Urkunden gerade nicht nachzuweisende Voraussetzungen für die Befreiung von dem Beitragszuschlag, die der Arbeitgeber praktisch nicht überprüfen kann, ins Gesetz aufgenommen haben sollte. Zwar dürfte auch der Nachweis der Eigenschaft als Pflegeeltern (§ 55 Abs. 3 Satz 2 SGB XI iVm § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 3 SGB I) im Einzelfall schwierig sein. Es erscheint jedoch nicht naheliegend, dass der Gesetzgeber auch bei Stiefeltern, deren Eigenschaft als solche gerade leicht festzustellen ist, zusätzliche ungenannte Kriterien als Voraussetzung für die Befreiung aufstellen wollte.

Sollte die Verpflichtung zur Zahlung eines Zuschlages – jedenfalls bei Stiefeltern – von einer tatsächlichen oder bei einem bestimmten Alter des Stiefkindes zu unterstellenden Erziehungsleistung abhängen, wie von der Revision für erforderlich gehalten, so hätte es außerdem einer detaillierten Regelung bedurft, die nur durch den Gesetzgeber, nicht jedoch durch die Verwaltung oder die Rechtsprechung getroffen werden kann und die zu entwickeln auch nicht Aufgabe der Rechtsprechung ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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