AG Aachen, Az.: 82 C 547/91, Urteil vom 30.04.1992
Tatbestand
Das AG Aachen hat die Beklagten verurteilt, es künftig zu unterlassen, gegen den von den Klägern geplanten Sichtschutzzaun, welcher einen Grenzabstand von 0,50 m nicht unterschreiten und eine Höhe von 1,90 m nicht überschreiten darf, vorzugehen.
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks A.-Straße 15, die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks B.-Straße 25. Beide Grundstücke haben eine gemeinsame Grenze. Diese wird durch einen 1 m bis 1,20 m hohen Maschendrahtzaun eingefriedet. An beiden Grundstücken entlang verläuft ein öffentlicher Gehweg. Um von diesem aus nicht eingesehen werden zu können, planen die Kläger die Errichtung eines maximal 1,90 m hohen Sichtschutzzaunes aus Holz mit einem Grenzabstand von 0,50 m. Gegen einen Sichtschutzzaun aus Holz, der unmittelbar auf der Grundstücksgrenze errichtet wurde, haben sich die Beklagten erfolgreich mit einer einstweiligen Verfügung bei dem AG Aachen – 10 C 468/91 – zur Wehr gesetzt.
Mit der Klage begehren die Kläger die Einwilligung der Beklagten zur Errichtung des geplanten Zaunes.
Sie tragen vor: Der geplante Sichtschutzzaun aus Holz sei auch aus nachbarrechtlichen Gründen zulässig. Es gebe zudem in unmittelbarer Nähe ähnliche Einrichtungen. Sie seien keinesfalls verpflichtet, eine lebende Begrenzung zu wählen.
Die Beklagten wenden ein: Auch der geplante Sichtschutzzaun verändere den Charakter der vorhandenen Einfriedung. Im übrigen handele es sich um eine bauliche Einrichtung, deren Errichtung aus öffentlich-rechtlicher Sicht problematisch sei. Die Kläger seien vielmehr gehalten, wenn sie einen Sichtschutz wünschten, diesen in Form einer lebenden Hecke zu errichten.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem tenorierten Umfang zulässig und begründet.
Die Kläger haben gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Anspruch darauf, daß die Beklagten es zukünftig unterlassen, sie an der Errichtung des geplanten Sichtschutzzaunes zu hindern.
Die auf die Einwilligung der Beklagten gerichtete Klage ist in diesem Sinne auszulegen, da der begehrte vorbeugende Unterlassungsanspruch ein minus gegenüber dem Anspruch auf Verurteilung zu einer Einwilligung darstellt. Dem Antrag auf Einwilligung wäre nicht stattzugeben. Denn dafür fehlt es an einer rechtlichen Grundlage.
Als vorbeugende Unterlassungsklage ist die Klage jedoch begründet. Die Beklagten sind nämlich verpflichtet, die Sichtbegrenzung hinzunehmen, ohne daß sie sich hiergegen künftig zur Wehr setzen dürfen. Dies würde eine rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger darstellen, die diese nicht hinzunehmen verpflichtet sind. Anders wäre dies nur dann, wenn die Kläger es im Ergebnis dulden müßten, daß ihnen die Beklagten die Errichtung der geplanten Einrichtung untersagen könnten. Eine derartige Verpflichtung besteht nicht. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem AG Aachen. Das gilt schon deswegen, weil in diesem summarischen Verfahren nicht über endgültige Rechte und Pflichten aus dem Eigentum entschieden worden ist. Hierbei handelt es sich lediglich um die Frage einer einstweiligen Sicherung von Rechten. Zudem ist der Streitgegenstand zwischen dem hier anhängigen Rechtsstreit und dem einstweiligen Verfügungsverfahren auch deswegen ein anderer, weil die jetzt geplante Sichtbegrenzung sich in der Tat anders darstellt.
Eine Duldungspflicht der Kläger ergibt sich auch nicht aus den nachbarrechtlichen Vorschriften. Hinsichtlich der Anforderungen von Sichtschutzmaßnahmen trifft dieses Gesetz keinerlei Regelungen. Allerdings enthält das Nachbarrechtsgesetz Vorschriften über die Grenzabstände von Hecken und Aufschichtungen sowie sonstige Anlagen. Die entsprechenden Regelungen sind hier sinngemäß heranzuziehen. Durch die nachbarrechtlichen Vorschriften wird der Inhalt des Eigentums an Grundstücken zum Zweck des Ausgleichs der widerstreitenden Interessen von Nachbarn näher bestimmt. Die Vorschriften über Grenzabstände von Hecken und über die Errichtung von Aufschüttungen und ähnlichem dienen in erster Linie dem Schutz des Nachbarn vor Entziehung von Licht auf seinem Grundstück. Unter Berücksichtigung auch dieses Gesichtspunkts begegnet die Errichtung des geplanten Sichtschutzzaunes keinerlei Bedenken. Ganz allgemein sind derartige Anlagen jedenfalls dann zulässig, wenn sie einen Abstand von mindestens 0,5 m zu der Grenze aufweisen und nicht höher als bis 2,00 m sind. Diese Voraussetzungen sind jedoch hier nach dem unstreitigen Sachverhalt erfüllt.
Die Einwendungen der Beklagten sind demgegenüber sämtlich nicht erheblich. Insbesondere wird durch den geplanten Sichtschutz die bestehende Grenzeinrichtung, der Maschendrahtzaun, nicht verändert.
Ebensowenig stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung des Sichtschutzzaunes entgegen. Soweit auf §§ 1, 2, 12 LBO NW abzustellen sein sollte, wäre der Zaun als bauliche Anlage gemäß § 62 Nr. 12 LBO NW genehmigungsfrei. Um ein Gebäude im Sinne des Nachbarrechtsgesetzes handelt es sich offenkundig nicht.
Die Kläger sind entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht verpflichtet, eine lebende Hecke zu errichten. Hierfür gibt es keinerlei Grundlagen.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 1004 BGB liegen vor. Wie das einstweilige Verfügungsverfahren und der hier gestellte Klageabweisungsantrag erweisen, wollen die Beklagten in unzulässiger Weise auf die Eigentumsrechte der Kläger einwirken. Demgemäß sind sie Störer im Sinne der genannten Vorschrift. Ferner besteht auch Wiederholungsgefahr, da sich die Beklagten wie ausgeführt gegen die geplante Einrichtung zur Wehr setzen.