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Pflichten Kfz-Werkstatt bei einem eingeschränkten Reparaturauftrag

OLG Koblenz – Az.: 1 U 242/19 – Urteil vom 18.07.2019

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11.01.2019, Az. 8 O 145/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Nach einem Unfall mit ihrem Motorrad, bei dem sie ungebremst in eine Leitplanke fuhr, verlangt die Klägerin von der Beklagten, die eine Motorradwerkstatt betreibt, Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, auch das elektronische Bremssystem des Motorrades der Klägerin zu überprüfen, als sie dieses wegen eines Defekts des Tachometers zur Reparatur gab.

Die Klägerin erwarb im Wege der Finanzierung durch eine Bank im Dezember 2015 ein Motorrad der Marke Honda Typ Fireblade SC 59, das im Februar 2016 zugelassen wurde. Dieses Motorrad verfügt über das elektronisches Bremssystem C-ABS („brake by wire“), das folgende Funktionsweise hat:

Solange das Fahrzeug steht, bauen Fuß- und Handbremshebel wie bei einer üblichen hydraulischen Bremse Druck in der Bremspumpe auf, der über die Bremsschläuche hin zum Bremssattel gelangt und die Bremsbeläge an die Bremsscheibe drückt. Sobald sich das Fahrzeug in Bewegung setzt, wird jedoch der direkte Fluss der Bremsflüssigkeit von der Pumpe zur Bremse hin von der sogenannten „Valve Unit“ unterbrochen. Der gewünschte Bremsdruck wird dann von einem Sensor gemessen und ein Steuergerät (ECU) sorgt dann dafür, dass der nötige Druck aufgebaut und in Richtung der Bremszange weitergegeben wird. Auch eine hydraulische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterbremse besteht nicht mehr, für eine optimale Bremslastverteilung sorgt das Steuergerät. Dieses erzeugt beim Betätigen der Bremse durch den Fahrer auch einen künstlichen Gegendruck im Bremshebel, so dass der Fahrer das Gefühl hat, auf herkömmliche Weise zu bremsen. Bei einem Ausfall dieser Elektronik steht dem Fahrer automatisch wieder die hydraulische Bremsanlage zur Verfügung und die Verzögerung der Geschwindigkeit wird wieder durch die direkte Verbindung von Bremshebel zu Bremszylinder ausgelöst.

Am 07.06.2016 brachte die Klägerin ihr Motorrad wegen eines Defekts am digitalen Tachometer zur Werkstatt der Beklagten. Der Werkstattauftrag wurde wie folgt schriftlich festgehalten (Anlage B1): „Tachoeinheit prüfen,- ohne Funktion“. Über die Bremsen des Motorrades wurde bei dem Erteilen des Werkstattauftrags nicht gesprochen. In der Werkstatt der Beklagten wurde die Batterie des Motorrades getauscht. Nach einer Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Beklagten, bei der der Tachometer wieder funktionierte und es auch sonst keine Auffälligkeiten gab, holte die Klägerin ihr Motorrad am 24.06.2016 ab. Sie fuhr über die B54 in Richtung ihres Wohnortes. Nach wenigen Kilometern verunglückte die Klägerin in einer Kurve; sie fuhr ungebremst in eine Leitplanke und verletzte sich erheblich. Sie erlitt eine Gehirnerschütterung, eine Fraktur des rechten Mittelfingers sowie eine Prellung des rechten Knies und befand sich vom 24.06.2016 bis zum 28.06.2016 in stationärer Krankenhausbehandlung.

Nach dem Unfall beauftragte das Polizeipräsidium …[Z] die …[A] mit der Erstattung eines Gutachtens zum Unfallhergang.

Pflichten Kfz-Werkstatt bei einem eingeschränkten Reparaturauftrag
(Symbolfoto: Von Setthawuth/Shutterstock.com)

In diesem Gutachten (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 12.06.2018) ist festgehalten, dass die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen angegeben hat, dass sie das Motorrad-Center …[Y] wegen eines Ausfalls der digitalen Geschwindigkeitsanzeige am Kombiinstrument aufgesucht habe. Hier habe man eine zu schwache Batterie festgestellt und diese erneuert. Danach habe die Geschwindigkeitsanzeige wieder funktioniert. Bei der Fahrt auf der B54 habe sie vor einer Linkskurve bremsen wollen. Es habe sich jedoch keine Bremswirkung gezeigt. Sie habe noch versucht, durch mehrfaches Betätigen des Bremshebels Druck aufzubauen.

Der Gutachter der …[A] konnte bei dem Auslesen des Fehlerspeichers des Motorrades keine Fehlermeldung feststellen.

Das zusammengefasste Ergebnis des Gutachtens der …[A] vom 25.07.2016 lautete wie folgt:

„Bei dem hier gegenständlichen Unfallgeschehen wurde an dem Krad ON 01 insbesondere an beiden Bremssätteln der Vorderradbremsscheiben eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit festgestellt, welche deutlich unterhalb der herstellerseitig angegebenen Nasssiedetemperatur lag. Das geschilderte Bremsversagen der Fahrerin des Krades ON 01 ist plausibel auf die deutlich verringerte Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit zurückzuführen. Da die Bremsflüssigkeit hygroskopische Eigenschaften aufweist und somit einem betriebsbedingten Verschleiß unterliegt, war hier von einem Wartungsmangel auszugehen.“

Zu dem beschriebenen Wartungsmangel wurde eine ergänzende Stellungnahme der …[A] vom 06.03.2017 eingeholt. Hier wurde ausgeführt, dass sich nur über die Siedetemperatur feststellen lasse, ob eine Bremsflüssigkeit verschlissen sei. Das Erscheinungsbild der Bremsscheiben des Vorderrades zeige jedoch, dass die Bremsanlage übermäßig stark beansprucht worden sei, so dass von einem schnelleren Verschleiß der Bremsflüssigkeit auszugehen sei.

Die Klägerin leitete vor dem Landgericht Koblenz ein selbstständiges Beweisverfahren ein (Beiakte 8 OH 7/17). Die Mängel hat sie in ihrer Antragsschrift wie folgt beschrieben:

„1. Bei dem Motorrad der Antragstellerin, Marke Honda Fireblade sp sc 59, ist an beiden Bremssätteln der Vorderradbremsscheiben eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit feststellbar, welche deutlich unterhalb der herstellerseitig angegebenen Nasssiedetemperatur liegt.

2. Lässt sich das Alter der Bremsflüssigkeit ermitteln, bzw. kann gesagt werden, ob die Bremsflüssigkeit bereits bei Kauf des Motorrades in dem Motorrad war oder erst später eingefüllt wurde?“

Die nach dem Unfall entnommene Bremsflüssigkeit war jedoch bereits vernichtet worden und der in dem selbstständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige konnte so mit den vorhandenen Anknüpfungstatsachen keine konkrete Aussage zu einem möglichen Ausfall der Bremsen treffen, sondern lediglich festhalten, dass allein aus blauen Verfärbungen an den vorderen Bremsen nicht der Schluss gezogen werden könne, dass ein Bremsversagen vorgelegen habe.

Der Sachverständige führte außerdem aus:

„Bei der Plausibilitätsprüfung fällt weiter auf, dass von einem Zeugen vorgetragen wird, dass an dem Motorrad keine Bremslichter aufgeleuchtet hätten. Die rückwärtige Bremsleuchte an dem gegenständlichen Motorrad wird über mechanische Schalter betätigt, sowohl an der Vorderradbremse als auch an der Hinterradbremse. Unabhängig davon, ob sich der Druck im Bremssystem aufbaut, wird die Bremsleuchte beim Betätigen der Vorder- oder Hinterradbremse eingeschaltet. Wenn das Bremslicht nicht aufgeleuchtet hat, so wäre zuerst einmal davon auszugehen, dass dann die Bremse auch nicht betätigt worden ist, da Probleme mit der Elektrik oder dem Motorlauf, die zu einem Ausfall der Stromversorgung geführt haben könnten, bisher nicht als unfallursächlich vorgetragen worden sind.“

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe bei der Einfahrt in die Kurve drei Mal die Bremse betätigt, ohne dass eine Bremswirkung eingetreten sei. Die unfallaufnehmenden Polizeibeamten hätten noch vor Ort die Bremse überprüft und festgestellt, dass sie ohne Funktion gewesen sei. Der Reparaturauftrag sei von der Beklagten nur unzulänglich ausgeführt worden. Die Beklagte hätte auf die Gefahr eines möglichen Bremsversagens hinweisen müssen, denn die Probleme an der Elektronik könnten bei diesem Motorradtyp auch Bremsprobleme nach sich ziehen. Hinreichende Indikatoren seien das Ausfallen des Hauptlichts und des Tachos. Das Ausfallen des Hauptlichts habe sie gegenüber der Beklagten erwähnt. Die Beklagte hätte sich nicht mit einen Batteriewechsel begnügen dürfen; die Batterie habe nicht die Fehlerursache sein können, da man das Motorrad noch habe starten können. Die Ausführungen in dem …[A]-Gutachten vom 25.07.2016 seien unzutreffend und fehlerhaft. In diesem Gutachten sei an beiden Bremssätteln der Vorderradbremse eine Siedetemperatur der Bremsflüssigkeit, die deutlich unterhalb der herstellerseitig angegebenen Nasssiedetemperatur gelegen habe, festgestellt worden. Die von der …[A] festgestellte Verfärbung der Bremsscheiben hätte für die Beklagte Anlass genug sein müssen, auch die Bremsflüssigkeit zu überprüfen. Die erlittenen körperlichen Schäden rechtfertigten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5000,00 EUR; die Sachschäden beliefen sich auf 14.943,10 EUR.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.943,10 EUR zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld von jedoch mindestens 5.000,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass sich der Werkstattauftrag auf den Tachometer beschränkt habe, der ohne Funktion gewesen sei. Einen Ausfall des Hauptlichts habe die Klägerin nicht erwähnt. Bei der durchgeführten Fehlersuche sei festgestellt worden, dass die Batterie defekt gewesen sei; deshalb sei die Batterie ausgetauscht worden. Die Klägerin bremse stets sehr spät ab, dies führe zu einer hohen thermischen Belastung und zu den in dem …[A]-Gutachten festgestellten Verfärbungen der Bremsscheiben. Zwischen dem Batteriewechsel und der Bremswirkung bestehe kein Zusammenhang. Ein Ausfall der elektronisch gesteuerten Bremse hätte an der Kontrollleuchte angezeigt werden müssen. Es habe keinen Ausfall der Elektronik für die Bremsen gegeben. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin gar nicht gebremst habe. Der betriebsbedingte Verschleiß der Bremsflüssigkeit stelle einen Wartungsmangel dar und habe seine Ursache in der übermäßigen Beanspruchung der Bremsanlage durch den sehr sportlichen Fahrstil der Klägerin. Der Klägerin seien Probleme der Bremsen auch bereits bekannt gewesen; die Klägerin und ihr Vater hätten in Internet-Foren von einem wandernden Druckpunkt berichtet.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 11.01.2019 die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Beklagte nicht aus §§ 631, 280 Abs. 1, 253 BGB hafte, weil es der Klägerin nicht gelungen sei, darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagte eine werkvertragliche Nebenpflicht verletzt habe.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass nach dem schriftlichen Werkstattauftrag der Vertragsgegenstand lediglich die Überprüfung des nicht funktionierenden elektronischen Tachometers gewesen sei. Über die Bremsen sei gerade nicht gesprochen worden. Nach dem Austausch der Batterie funktionierten bei einer anschließenden Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Beklagten sowohl der Tachometer als auch die Bremsen. Bei dieser Sachlage sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, von sich aus weitere mögliche Fehlerquellen ausfindig zu machen, auf die die Klägerin letztlich den von ihr erlittenen Unfall vom 24.06.2016 zurückführe. Allenfalls die verfärbten Bremsscheiben könnten als Anhaltspunkte für eine notwendige Untersuchung der Bremsen und der Bremsflüssigkeit herangezogen werden. Nach dem Gutachten der …[A] sei die Nasssiedetemperatur der Bremsflüssigkeit zu niedrig gewesen, was sich als Wartungsmangel und mögliche Fehlerursache darstelle. Dies habe die Beklagte aber nicht von sich aus überprüfen müssen, zumal das einzige Indiz, die Verfärbung der Bremsscheiben, für sich genommen noch nichts über den Zustand der Bremsflüssigkeit besage. Die Klägerin habe Probleme mit den Bremsen der Beklagten gegenüber gerade nicht erwähnt, obwohl sie in Internet-Foren von einem mitunter nachlassenden Druckpunkt berichtet habe. Für die Beklagte habe bei dieser Sachlage keine Veranlassung bestanden, von sich aus die Bremsen des Motorrades zu überprüfen. Im Übrigen habe die Klägerin auch ihren Sachvortrag zu der Unfallursache gewechselt. Nachdem sich die von ihr noch in dem selbstständigen Beweisverfahren behaupteten Mängel der Bremsflüssigkeit nicht mehr hätten verifizieren lassen, da die Bremsflüssigkeit nicht mehr vorhanden gewesen sei, trage sie nunmehr über ihren neuen Prozessbevollmächtigten vor, dass ein Fehler des elektronischen Bremssystems die Unfallursache gewesen sei.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihre werkvertraglichen Pflichten aus dem Werkstattauftrag vom 07.06.2016 verletzt haben könnte, gebe es nicht.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Klageziele in vollem Umfang weiter und führt zur Begründung ihres Rechtsmittels aus, dass das Landgericht in die Beweisaufnahme hätte eintreten müssen. Es hätte das von der Klägerin erstinstanzlich angebotene Sachverständigengutachten einholen müssen, dass bestätigt hätte, dass ein Ausfall des Tachometers zugleich ein elektronisches Problem an dem gesamten Motorrad nahelege, das zu einem Bremsversagen führen könne. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte den die Betriebssicherheit des Motorrades beeinträchtigenden Mangel erkennen können, mithin habe sie sehr wohl werkvertragliche Hinweis- und Aufklärungspflichten verletzt, woraus sich ihre Haftung nach §§ 280, 281 BGB ergebe.

Weiter führt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung aus, dass verfärbte Bremsscheiben für sich genommen zwar kein Problem seien; wenn aber – wie hier – an einem Motorrad bereits einzelne elektronische Komponenten (Tachoeinheit) ausgefallen und die Bremsen zusätzlich blau verfärbt seien, so müsse im Umkehrschluss tatsächlich zwingend die gesamte elektronische Bremsanlage auf einen potentiellen, ebenfalls bestehenden elektronischen Defekt überprüft werden, um ein mögliches Bremsversagen, wie es hier eingetreten sei, auszuschließen. Insoweit bietet die Klägerin Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weiter ausgeführt, dass inzwischen noch ein weiterer Fall eines Bremsversagens bei einem baugleichen Motorrad bekannt geworden sei und so möglicherweise eine generelle Schwachstelle zu dem Unfall geführt habe. Nach einem Hinweis des Senats dahingehend, dass eine Pflicht der Beklagten zu einer Überprüfung der Bremsen auch deshalb nicht gegeben gewesen sein dürfte, weil bei einem Ausfall der elektronischen Bremse immer noch die hydraulische Bremsanlage zur Verfügung gestanden haben dürfte, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ergänzt, dass dies nur bei einem vollständigen Ausfall des elektronischen Bremssystems der Fall sei, es hier aber gerade um einen nur teilweisen Ausfall des C-ABS – Systems gehe. Außerdem sei es so, dass nach dem …[A]-Gutachten die Bremse zwar am nächsten Tag wieder funktioniert habe, der Abschleppunternehmer aber bezeugen könne, dass dies unmittelbar nach dem Unfall nicht so gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.943,10 EUR zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld von jedoch mindestens 5000,00 EUR zuzüglich gesetzlicher Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie betont, dass bei den bereits durchgeführten sachverständigen Überprüfungen gerade keine Elektronikprobleme hätten festgestellt werden können und bestreitet, dass ein Ausfall des Tachometers ein Indiz für ein potentielles Bremsversagen sein kann. Darüber hinaus bestreitet sie auch, dass von verfärbten Bremsscheiben auf ein elektronisches Problem geschlossen werden kann. Die verfärbten Bremsscheiben seien vielmehr auf die äußerst sportliche Fahrweise der Klägerin zurückzuführen, die vor dem Unfall gar nicht gebremst habe. Ein teilweiser Ausfall des C-ABS könne nicht vorgelegen haben, dieses System funktioniere ganz anders. Dieser letzte Vortrag der Klägerin stehe auch im Widerspruch zu ihren bisherigen Darlegungen, wonach es gar keine Bremswirkung gegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin wegen ihrer erlittenen Unfallschäden gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld aus §§ 631, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 253 BGB zusteht, denn die Beklagte hat keine werkvertraglichen Nebenpflichten verletzt.

1. Nach allgemeinen Grundsätzen treffen den Unternehmer bei einem Werkvertrag nebenvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten, deren Inhalt und Umfang sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet, insbesondere nach dem Beratungsbedarf des Bestellers und dem Fachwissen des Unternehmers, von dessen Vorhandensein im erforderlichen Umfang der Besteller ausgehen kann. Der Unternehmer ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den Besteller auf alle Umstände hinzuweisen, die dieser nicht kennt, deren Kenntnis aber für dessen Willensbildung und Entschlüsse hinsichtlich des Werks von Bedeutung sind. Erkennt oder kann bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eine Kfz-Werkstatt einen die Betriebssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigenden Mangel erkennen, dann begründet dies dem Kunden gegenüber eine Mitteilungspflicht, damit dieser eine Entschließung über Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels herbeiführen kann. Die Aufklärungs- und Beratungspflichten einer sachkundigen Werkstatt gegenüber dem Kunden erstrecken sich aber grundsätzlich nur auf das in Auftrag gegebene Werk und die damit zusammenhängenden Umstände. Die vertraglich übernommenen Verpflichtungen bestimmen und begrenzen insoweit auch den Umfang der Beratungspflichten. Vom Unternehmer, dem ein konkreter Reparaturauftrag erteilt worden ist, kann nicht verlangt werden, dass er auch sämtliche übrigen Teile des Gegenstandes, an dem er seine Werkleistung zu erbringen habt, ohne besonderen Auftrag überprüft (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.02.2016 – 4 U 60/15 = NJOZ 2016, 806 m.w.N.).

2. Gemessen hieran kann der Beklagten im vorliegenden Fall keine Verletzung nebenvertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten zum Nachteil der Klägerin angelastet werden.

Die Situation stellte sich für die Beklagte wie folgt dar:

Der Werkstattauftrag, den die Klägerin ihr erteilt hatte, war konkret und bezog sich nur auf den Ausfall der Anzeige des digitalen Tachometers. Die Klägerin sprach die Bremsen gegenüber der Beklagten überhaupt nicht an.

Soweit die Klägerin weiter anführt, dass sie der Beklagten auch mitgeteilt habe, dass es in der Vergangenheit zu einem Ausfall des Hauptlichts gekommen sei, kann dieser Vortrag nicht berücksichtigt werden, denn die entsprechenden Ausführungen sind von der Beklagten bestritten worden und die Klägerin hat für ihr streitiges Vorbringen keinen Beweis angeboten.

Nach dem Austausch der Batterie funktionierte der Tachometer bei einer anschließenden Probefahrt durch einen Mitarbeiter der Beklagten wieder; Probleme mit den Bremsen traten bei der Probefahrt nicht auf. Auch als die Klägerin das Motorrad am Unfalltag bei der Beklagten abholte, funktionierte die Tachoanzeige.

Bei dieser Sachlage hatte die Beklagte keinen Anlass anzunehmen, dass durch den von ihr vorgenommenen Austausch der Batterie der Fehler nicht behoben worden war, sondern vielmehr noch immer ein bislang unentdeckter Fehler vorlag, der auch noch geeignet war, die Funktionstüchtigkeit des elektronischen Bremssystems in Mitleidenschaft zu ziehen.

Der erteilte Werkstattauftrag bezog sich konkret auf den Tachometer, mithin auf ein klar abgrenzbares Teil des Motorrades, dessen Funktion zunächst mit den Bremsen überhaupt nicht zusammenhängt. Eine intensive Überprüfung ganz anderer Bauteile des Motorrades konnte die Klägerin aber ohne gesonderte Vergütung nicht erwarten; auf der anderen Seite wäre sie aber auch nicht zur Zahlung verpflichtet und sicher auch nicht bereit gewesen, wenn die Beklagte eigeninitiativ Überprüfungen an Teilen vorgenommen hätte, die in keinem Zusammenhang mit dem erteilten Auftrag standen.

Das Landgericht hat auf der Grundlage der Gutachten der …[A] zutreffend ausgeführt, dass das einzig erkennbare Indiz, die Verfärbung der Bremsscheiben, noch nichts über den Zustand der Bremsflüssigkeit aussagt, bzw. darüber wann diese ausgetauscht worden ist, so dass sich hieraus allein auch keine nebenvertragliche Hinweispflicht der Beklagten herleiten lässt, wenn diese – wie im vorliegenden Fall – nicht auch mit allgemeinen Wartungs- und Inspektionsarbeiten, sondern allein damit beauftragt worden ist, den Tachometer zu reparieren.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Anzeige des Tachometers elektrisch ist und das Motorrad der Klägerin auch über ein elektronisches Bremssystem verfügt.

Nebenvertragliche Hinweispflichten in Bezug auf die Betriebssicherheit des Motorrades bestehen im Übrigen schon deshalb nicht, weil bei einem Ausfall des elektronischen Bremssystems automatisch die herkömmlichen hydraulischen Bremsen wirken und für Verzögerung sorgen. Vor diesem Hintergrund würde es – eine Pflichtverletzung der Beklagten unterstellt – jedenfalls an einer Kausalität der Pflichtverletzung der Beklagten für die unfallbedingten Schäden der Klägerin fehlen.

Außerdem ist festzuhalten, dass auch die Klägerin selbst die Unfallursache zunächst gar nicht in einem Versagen des elektronischen Bremssystems gesehen, sondern ein selbstständiges Beweisverfahren zu einer ganz anderen Frage angestrengt hat, nämlich dazu, ob die in dem Motorrad enthaltene Bremsflüssigkeit mangelhaft war. Erst nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Bremsflüssigkeit nicht mehr vorhanden war und der in dem selbstständigen Beweisverfahren beauftragte Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 30.01.2018 darauf hingewiesen hatte, dass ein Zeuge kein Aufleuchten des Bremslichts der Klägerin in der Unfallsituation gesehen habe und daher davon auszugehen sei, dass die Klägerin gar nicht gebremst habe, da bislang Probleme mit der Elektrik, die zu einem Ausfall der Stromversorgung geführt haben könnten, nicht erwähnt worden seien, hat die Klägerin mit ihrer Klageschrift vom 12.06.2018 im vorliegenden Verfahren erstmals vorgetragen, dass es zu Problemen mit der Elektrik und deshalb zu einem Ausfall des elektronischen Bremssystems gekommen sei.

Diese Entwicklung des Parteivortrags spricht gerade nicht für einen sich aufdrängenden Zusammenhang zwischen der ausgefallenen Tachoanzeige und dem Funktionieren des elektronischen Bremssystems.

Nachdem das erstinstanzliche Urteil ergangen war, hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung einen neuen Kausalzusammenhang vorgetragen und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt:

„Besteht jedoch an einem Motorrad – wie vorliegend – ganz offensichtlich ein elektronisches Problem, welches bereits zum Ausfall einzelner elektronischer Komponenten geführt hat (Tachoeinheit) und sind die Bremsen zusätzlich blau angelaufen, so muss im Umkehrschluss tatsächlich zwingend die gesamte (elektronische) Bremsanlage auf einen potentiellen, ebenfalls bestehenden elektronischen Defekt überprüft werden, um das vorliegend eingetretene, drohende Bremsversagen wirksam auszuschließen.“

Dieser von der Beklagten bestrittene neue Vortrag ist gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, denn es ist nicht ersichtlich, warum dieser Vortrag nicht bereits in erster Instanz möglich gewesen sein sollte. Es fehlen auch die nach § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO erforderlichen Ausführungen in der Berufungsbegründung dazu, warum dieser neue Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen wäre. Davon abgesehen hat die Verfärbung der Bremsscheiben nach den vorliegenden Gutachten der …[A] eine andere Ursache, hiermit setzt sich die Klägerin jedoch nicht auseinander.

Aus den gleichen prozessualen Gründen ist auch der im Termin zur mündlichen Verhandlung erstmals gehaltene und von der Beklagten ebenfalls bestrittene Vortrag der Klägerin, dass es zu einem nur teilweisen Ausfall des C-ABS gekommen sei und bei einem solchen teilweisen Ausfall (im Gegensatz zu einem vollständigen Ausfall) die hydraulische Bremse nicht funktioniere, in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigungsfähig.

Der wechselnde Vortrag der Klägerin wirkt angepasst an die Entwicklung des Prozesses und ist vor diesem Hintergrund insgesamt nicht geeignet, die Verletzung werkvertraglicher Nebenpflichten durch die Beklagte plausibler erscheinen zu lassen.

Im Übrigen wirft die Klägerin der Beklagten hier ein pflichtwidriges Unterlassen vor. Nach der Rechtsprechung ist ein Unterlassen für einen Schaden aber nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen insoweit nach § 286 ZPO nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für trägt der Geschädigte (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O., m.w.N.). Im vorliegenden Fall stehen aber als mögliche Unfallursachen auch im Raum, dass die Klägerin überhaupt nicht gebremst hat (möglicherweise aufgrund einer Fehleinschätzung der Verkehrssituation) oder aber ein Versagen der (hydraulischen) Bremsen, weil die Bremsflüssigkeit verschlissen war, möglicherweise aufgrund eines Wartungsmangels bei starker Beanspruchung des Bremssystems. Damit kommen jedenfalls auch Unfallursachen in Betracht, hinsichtlich derer die Pflichtverletzung, die die Klägerin der Beklagten vorwirft, nicht kausal ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 19.944 EUR festgesetzt.

 

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