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Pflichtteilsanspruch – Stufenklage – Zwangsvollstreckung

 OLG Celle

Az.: 4 W 151/05

Beschluss vom 07.06.2005

Vorinstanz: Landgericht Hannover – Az.: 12 O 178/04


In dem Zwangsvollstreckungsverfahren hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 21. Juli 2005 beschlossen:

Die am 7. Juni 2005 eingegangene sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 6. Juni 2005 gegen den am 26. Mai 2005 zugestellten Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 5.000 EUR

Gründe:

Die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Schuldnerin hat die titulierte Auskunft über den Nachlass des am
17. April 2003 verstorbenen K.W. M. H. durch Vorlage des notariellen Verzeichnisses vom 24. Februar 2005 und die nachfolgenden ergänzenden Erklärungen in dem Anwaltsschreiben vom 7. April 2005 und im Schriftsatz vom 11. Mai 2005 erteilt, so dass ein Zwangsmittelbeschluss zur Erzwingung der titulierten unvertretbaren Handlung gemäß § 888 ZPO nicht mehr ergehen kann.

Mit Recht hat das Landgericht den Zwangsmittelantrag abgelehnt, soweit er mit der fehlenden Auskunft der Schuldnerin über Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren begründet worden ist. Das dazu in erster Linie selbst berufene Landgericht hat den Tenor des von ihm am 10. November 2004 verkündeten Anerkenntnisteilurteils, aus dem die Vollstreckung betrieben werden soll, rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass die Verurteilung zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses nicht auch die Verpflichtung umfasst, Auskunft über Schenkungen der letzten zehn Jahre zu erteilen. Der Senat teilt insoweit die auch von dem Landgericht angeführte Auffassung des OLG München (vgl. NJOZ 2003, 2916, 2917), dass jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen mit der Stufenklage in der letzten Stufe lediglich ein Pflichtteilsanspruch und nicht zugleich ein rechtlich selbständiger Pflichtteilsergänzungsanspruch verfolgt wird, für den allein die Kenntnis der vor dem Erbfall erfolgten Schenkungen entscheidungsrelevant wäre, der auf Auskunft in Anspruch genommene Erbe das schlichte Verlangen, über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen, so verstehen darf, dass damit nur Auskunft über den realen Nachlassbestand verlangt wird.
Dem Gläubiger ist zwar zuzugeben, dass § 2314 BGB in gegenständlicher Hinsicht nicht nur einen Anspruch auf Auskunft über tatsächlich vorhandene Nachlassgegenstände gibt, sondern auch über den sogenannten fiktiven Nachlassbestand, also die ausgleichspflichtigen Zuwendungen des Erblassers und seine Schenkungen (vgl. BGH NJW 1984, 487). Der Umfang des materiellrechtlichen Auskunftsanspruchs lässt jedoch nicht ohne weiteres den Rückschluss zu, dass die Klage auf Auskunft diesen Anspruch in vollem Umfang zum Gegenstand hat. Der BGH (vgl. NJW 1982, 176, 177) hat vielmehr ausdrücklich die Rechtsprechung des Reichsgerichts (WarnRspr. 1913 Nr. 378) bestätigt, dass der Erbe, von dem nichts weiter als Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt werde, nicht ohne weiteres in dem umfassendesten Sinne, insbesondere auch zur Auskunft über die nur rechnungsmäßig zum Nachlassbestande gehörenden Zuwendungen und Schenkungen verpflichtet wäre, sondern vielmehr abwarten dürfe, ob vom Pflichtteilsberechtigten in dieser Hinsicht ein besonderes „Verlangen“ an ihn gestellt werde. Verlangt der Erbe jedoch erstmals nach der Titulierung des Auskunftsbegehrens die Erteilung einer Auskunft auch über Schenkungen kann dies nicht zu einer nachträglichen Ausweitung des vollstreckungsfähigen Inhalts des im Rahmen der Pflichtteilsstufenklage – ohne die ausdrückliche Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen – zuvor erwirkten vorläufig vollstreckbaren Auskunftstitels führen.
Weder der Anspruchsbegründung vom 19. April 2004 noch den Schriftsätzen
des Gläubigers vom 29. April, 28. Juli, 27. September und 8. November 2004
ist zu entnehmen, dass der Gläubiger zur Vorbereitung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche auch die Auskunft über Schenkungen begehrt. Das gleiche gilt für die im Prozess vorgelegten vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben vom
5. Mai, 23. Mai , und 13. Juli 2003. Erst nach Vorlage des notariellen Verzeichnisses vom 24. Februar 2005 hat der Gläubiger mit Anwaltsschreiben vom
22. März 2005 und im vorliegenden Verfahren sogar erst in seinem Zwangsmittelantrag vom 19. April 2005 unzureichende Auskünfte zu den Schenkungen des Erblassers beanstandet. Diese Rügen können jedoch eine nachträgliche Erweiterung des vollstreckungsfähigen Inhalts des Teilanerkenntnisurteils vom
10. November 2004 ebenso wenig rechtfertigen wie der Umstand, dass die Schuldnerin in dem notariellen Bestandsverzeichnis – ohne eine entsprechende Titulierung – auch Angaben zu Schenkungen gemacht hat. Die Entscheidung des OLG Hamburg vom 14. Juni 1988 (vgl. FamRZ 1988, 1213) steht der mit der oben angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu vereinbarenden Beurteilung des Senats schon deshalb nicht entgegen, weil dieser Entscheidung – soweit sie veröffentlicht ist – nicht einmal zu entnehmen ist, dass Gegenstand des dortigen Verfahrens nicht auch Pflichtteilsergänzungsansprüche waren. Unter diesen Umständen kann dahin stehen, dass die Schuldnerin auch auf den Vorhalt im Anwaltsschreiben des Gläubigers vom 22. März 2005 zu angeblichen weiteren Schenkungen mit ihrer Erwiderung im Anwaltsschreiben vom 7. April 2005 bekräftigt hat, dass der Notar den Nachlassbestand vollständig und sachgerecht ermittelt habe und dass sie sämtliche relevanten Angaben dazu gemacht habe.

Soweit der Gläubiger in dem Zwangsmittelantrag auf seine Beanstandung im Anwaltsschreiben vom 22. März 2005 in Bezug genommen hat, wonach die von
der Schuldnerin angegebene Zahlung des Erblassers an den Gläubiger vom
28. Oktober 1998 in Höhe von 3.000 DM keine Schenkung, sondern ein Darlehen gewesen sei, rechtfertigt dies keinen Ergänzung der erteilten Auskunft. Vielmehr wäre dieser angebliche Mangel der Auskunft, soweit er sich überhaupt zu Lasten des Gläubigers auswirken kann, im weiteren Klageverfahren zum Leistungsantrag zu erörtern.

Soweit der Gläubiger mit der Beschwerde das Fehlen von Auskünften zu Bausparverträgen und zu einem Sparbuch bei der Sparkasse H. beanstandet hat, besteht ebenfalls kein Anspruch auf eine ergänzende Auskunft. Die Schuldnerin hat nämlich bei ihrer Auskunft derartige Sparguthaben nicht ganz ausgelassen, sondern sich zu den vorhandenen Bankguthaben abschließend geäußert. Bereits vor der Aufnahme des notariellen Bestandsverzeichnisses, welches Kontostände des Erblassers explizit aufführt, hat die Schuldnerin im Schriftsatz vom
15. Oktober 2004 vorgetragen, dass im Zeitpunkt des Todes des Erblassers keine Bausparguthaben bestanden hätten. Hinsichtlich des Streits der Parteien um ein Sparbuch bei der Sparkasse H. hat sich die Schuldnerin bereits vor Erlass des Teilanerkenntnisurteils ausdrücklich die vorgelegten schriftlichen Auskünfte der Sparkasse vom 26. Mai 2004 und 12. August 2004 zu eigen gemacht, wonach das Sparkonto … entgegen der irrtümlich falsch erteilten Auskunft der Sparkasse an den Gläubiger bereits am 25. Juni 1999 aufgelöst worden sei und dass keine weiteren Konten bei der Sparkasse zum Todestag des Erblassers geführt worden seien. Entgegen der Auffassung des Gläubigers liegt hinsichtlich des von ihm vermuteten Bestehens weiterer zum Nachlass gehörender Bankguthabenforderungen eine Negativerklärung der Schuldnerin vor. Eine derartige Erklärung ist in Anbetracht des vorbezeichneten schriftsätzlichen Vortrages bereits aus den Angaben im notariellen Verzeichnis zum Umfang des Aktivnachlasses zu entnehmen. Zudem hat die Schuldnerin jedenfalls mit Schriftsatz vom 11. Mai 2005 in ihrer Stellungnahme zum Zwangsmittelantrag unmissverständlich klargestellt, dass sie die Auskünfte vollständig erteilt habe. Auch hinsichtlich der Beerdigungskosten enthält die Aufstellung über den Passivnachlass im notariellen Verzeichnis substantiierte Angaben über die entstandenen Kosten (auch gegenüber der Fa. W.), deren Vollständigkeit die Schuldnerin mit ihrer vorerwähnten Stellungnahme zum Zwangsmittelantrag ebenfalls bekräftigt hat. Soweit der Gläubiger die Auskünfte der Schuldnerin bezweifelt und behauptet, es seien Guthaben auf Bausparkonten und einem Sparbuch vorhanden gewesen und er habe 1998 von dem Erblasser erfahren, dass dieser bei dem Beerdigungsinstitut W. eine Begräbnisstätte gekauft und Gelder zum Bestreiten der Beerdigungskosten hinterlegt habe, wird damit lediglich die von der Schuldnerin geltend gemachte Vollständigkeit der Auskunft in Frage gestellt. Diese behaupteten Mängel der Auskunft rechtfertigen aber keine Ergänzung der Auskunft, sondern können allenfalls den im Schriftsatz vom 29. April 2004 angekündigten Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung begründen, sofern die weiteren Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen. Außerdem bleibt es dem Gläubiger unbenommen, im Rechtsstreit bei der Verhandlung über einen etwaigen Leistungsanspruch die vorbezeichneten Punkte weiter zu verfolgen, sofern er sich Erfolg davon verspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

 

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