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PKW-Diebstahl – Schlüssel im Restaurant liegen gelassen – grob fahrlässig

Oberlandesgericht Celle
Az.: 8 U 31/05
Verkündet am 14.07.2005
Vorinstanz: Landgericht Hannover – Az.: 12 O 133/04


In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2005 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Januar 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs.1, 1.Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs.1, 2. Alt. ZPO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung der Entschädigung aus § 1 Abs. 1 S. 1, § 49 VVG, §§ 12, 13 AKB wegen des von ihr behaupteten Diebstahls des PKW Mercedes CDI, amtl. Kennzeichen … , am 21. August 2003 in M. verpflichtet ist, zu.

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es überhaupt zu einem Diebstahl des PKW gekommen ist, kann hierbei offen bleiben, da die Beklagte in jedem Fall nach § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles von der Verpflichtung zur Leistung frei ist.

1. Die Anwendung des § 61 VVG setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten – Tun oder Unterlassen – den vertragsgemäß vorausgesetzten Sicherheitsstandard gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat (BGH VersR 1984, 29; Urteil des Senats vom 23. September 2004 – 8 U 128/03 , in: ZfS 2004, 564, 565); in objektiver Hinsicht muss der Versicherungsnehmer die drohende Verwirklichung der versicherten Gefahr in gravierendem Ausmaß zulassen, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz der versicherten Interessen in der Hand hat und er bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange auch davon Gebrauch machen könnte. Ferner muss er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maß außer Acht gelassen und das Nächstliegende, was jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet haben (BGH VersR 2003, 364; 1989, 141). Ein grob fahrlässiges Herbeiführen des Versicherungsfalls durch die Klägerin ergibt sich hier bei Zugrundelegung jeder der beiden in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten. Unstreitig ist der in einer Tonschale auf dem Tresen des Restaurants aufbewahrte Zweitschlüssel entweder während des normalen Geschäftsbetriebs oder anlässlich eines Einbruchs durch ein Fenster auf der Rückseite des Gebäudes, dessen Oberlicht fehlte, abhanden gekommen.

a) Zunächst ist das Verwahren des Schlüssels in einer offenen Tonschale auf dem Tresen des Restaurants als grob fahrlässig anzusehen.

Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erwartenden Sicherungsvorkehrungen gegen einen Fahrzeugdiebstahl gehört es, den Fahrzeugschlüssel so aufzubewahren, dass dieser vor unbefugten Zugriffen beliebiger Dritter geschützt ist. Maßgebend ist, ob in der konkreten Situation ein erheblich erleichterter Zugriff für unbefugte Dritte bestand, was für den Versicherungsnehmer auch ohne weiteres ersichtlich war (OLG Köln r + s 1996, 392: Belassen der Kfz.Schlüssel in der Jackentasche in einem Raum eines Reiterhofes, der für Unbefugte frei zugänglich war bei bereits früher erfolgten Diebstählen; OLG Oldenburg r + s 1996, 172: Schlüssel in der über einen Stuhl gehängten Lederjacke in einer Gaststätte ohne Möglichkeit ständiger Kontrolle bei gleichzeitigem erheblichen Alkoholkonsum des Versicherungsnehmers; OLG Bremen VersR 1995, 1230: Schlüssel in Tasche einer über den Stuhl gelegten Jacke in einem Lokal in der Tschechischen Republik; OLG Hamm NJWRR 1992, 360: Ablage des Schlüssels durch einen Gast auf dem Tresen einer Gaststätte über mehrere Stunden bei erheblichem Alkoholgenuss; OLG Frankfurt NJWRR 1992, 537: Jacke mit Autoschlüsseln an einer unbewachten Garderobe einer Diskothek). Dagegen liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres mit einem Diebstahl der Schlüssel rechnen konnte (OLG Schleswig r + s 2005, 150: Restaurantbesitzer legt Schlüssel auf dem Tresen ab und bleibt während der gesamten Zeit am Tresen sitzen; Urteil des Senats vom 23. September 2004, a. a. O.: Aufbewahren eines Schlüssels in einem unverschlossenen Spind in dem Privatraum einer Arztpraxis; OLG Hamm VersR 1994, 1462: Schlüssel eines Kellners in einem offenen Tresenfach, das dem unmittelbaren Zugriff der Gäste entzogen ist).

Hier hat die Klägerin durch die Aufbewahrung des Schlüssels in einer flachen Tonschale im Bereich des Tresens diesem dem Zugriff von jedermann preisgegeben, der während der üblichen Geschäftszeiten das Lokal betrat. Soweit die Klägerin einwendet, die Tonschale hätte sich nicht auf dem Haupttresen, sondern einem an diesen anschließenden Teil befunden, eine Wegnahme sei zudem durch das Personal bzw. insbesondere Frau M. S. in jedem Fall bemerkt worden und zudem hätten sich in der Schale weitere Schlüssel und Gegenstände befunden, zwischen denen ein Dieb sich den Fahrzeugschlüssel erst hätte heraussuchen müssen, so hindert dies die Annahme grober Fahrlässigkeit nicht. Auf den in der beigezogenen Ermittlungsakte befindlichen Lichtbildern (vgl. insbesondere Bl. 37) sowie den von der c. GmbH gefertigten Aufnahmen (Bl. 21 – 23 Anlagenband) ist deutlich zu erkennen, dass der Hauptbereich des Tresens und der Bereich, in dem sich die Tonschale befand, unmittelbar aneinander angrenzen und praktisch nicht voneinander abgetrennt sind. In geringer Entfernung befinden sich Tische für Gäste. Vor dem Tresen steht ein Weinregal, das Grund bieten könnte, sich der Schale zu nähern. In kurzer Entfernung befindet sich ein Stapel Speisekarten. Für einen Dieb ist es hier ein leichtes, sich – ohne Aufmerksamkeit zu erregen – zu der Schale mit dem Schlüssel auf dem Tresen zu begeben. Hinzu kommt, dass die Tonschale offen auf diesem Tresen stand und unschwer erreichbar war. Aufgrund der geringen Größe der Schale musste ein Dieb auch nicht länger nach dem Fahrzeugschlüssel suchen, selbst wenn sich in dieser noch andere kleinere Gegenstände (Stifte etc.) befanden.

Insoweit liegt der Fall anders als in dem der Entscheidung des OLG Hamm (VersR 1994, 1462) zugrundeliegenden Sachverhalt, wo der Schlüssel sich hinter dem Tresen offen in einer Schrankwand befand, diese aber durch eine heruntergeklappte Thekenklappe gegen einen ungehinderten Zugriff Dritter abgegrenzt war.

Während des regulären Geschäftsbetriebs kann nach allgemeiner Lebenswahrscheinlichkeit zudem nicht davon ausgegangen werden, dass die Schale permanent, insbesondere durch Frau S., die selbst auch in dem Restaurant Arbeit zu verrichten hatte, überwacht wurde. Insoweit muss auch dem entsprechenden Beweisantritt der Klägerin nicht nachgegangen werden. Sie hat selbst eingeräumt, dass ihre Tante den Schlüssel keineswegs ununterbrochen unter Kontrolle hatte, sondern auch andere Aufgaben im Restaurant zu erledigen hatte, insbesondere Begrüßen der Gäste, Platzzuweisung, Bedienung der Theke und Anweisen des Personals. Da der Schlüssel sich auch ständig in der Tonschale auf dem Tresen befand und nicht etwa nur einmal während kurzer Zeit, ist es ausgeschlossen, dass sich hier dauernd Frau S. oder ein anderer Mitarbeiter des Restaurants mit dessen Beobachtung beschäftigte. Insoweit liegt der Sachverhalt anders als in dem Fall des OLG Schleswig, wo der Restaurantbesitzer sich für eine Stunde an den Tresen gesetzt hatte und den Schlüssel neben sich auf diesem ablegte, immer aber in dessen unmittelbarer Nähe blieb. Dass vorliegend jedenfalls keine dauernde Überwachung des Schlüssels gesichert war, ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen S. im Strafverfahren, er habe nach dem Diebstahl des PKW das Fehlen des Schlüssels bemerkt und im Restaurant gefragt, ob jemand diesen gesehen habe. Hierauf habe der Mitarbeiter T. erklärt, er habe ihn noch am 15. oder 16. August in der Keramikschale gesehen (Bl. 9 d. A. 306 Js 3521/04 StA Halle). Dies spricht dafür, dass die Klägerin und die übrigen Mitarbeiter des Restaurants dem Schlüssel gerade keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt
haben.

Der Klägerin war es ferner, auch wenn der PKW betrieblich genutzt wurde und mehreren Personen zur Verfügung stand, ohne weiteres möglich, den Schlüssel an einem sichereren Ort, z. B. in einer Schublade oder außerhalb des öffentlich genutzten Bereichs des Restaurants, etwa in der Küche, aufzubewahren. Angestellten, die das Fahrzeug hätten nutzen wollen, wäre dies bei Kenntnis des Aufbewahrungsortes trotzdem ebenso unproblematisch möglich gewesen. Hinzu kommt, dass eine derartige Nutzung des PKW durch sämtliche Mitarbeiter des Restaurants zweifelhaft ist. So hat der Zeuge S. angegeben, normalerweise sei nur er mit dem Auto gefahren. Nur etwa einmal im Monat und mit seiner Zustimmung sei der PKW auch von dem Mitarbeiter M. benutzt worden (Bl. 10 d. A. 306 Js 3521/04 StA Halle). Dann war es aber keineswegs erforderlich, den Schlüssel an einer derart exponierten Stelle zu lagern. Vielmehr hätte der Zeuge S. den Zweitschlüssel ebenso gut mit sich führen und ihn nur auf die gelegentliche Nachfrage eines Restaurantmitarbeiters diesem aushändigen können.

b) Auch für den Fall, dass der Fahrzeugschlüssel bei einem nächtlichen Einbruch in die Gaststätte abhanden kam, liegen die Voraussetzungen des § 61 VVG vor. Nach den Ermittlungen der Polizei könnte einiges dafür sprechen, dass tatsächlich ein Täter durch ein ebenerdiges Fenster auf der Rückseite des Gebäudes in einen kleinen Raum der Gaststätte, in dem Lebensmittel gelagert wurden, eingestiegen ist (vgl. Bl. 14 f., 43 d. A. 306 Js 3521/04 StA Halle). Hierbei wurde festgestellt, dass das Oberlicht des Fensters mit einer Breite von 93 cm und einer Höhe von 60 cm sowie einer Verstrebung in der Mitte vollständig ausgebaut war, um in den Sommermonaten eine bessere Luftzirkulation zu ermöglichen (vgl. Bl. 35 f., 39 Ermittlungsakte). Dass ein Einbruch durch diese Öffnung wesentlich erleichtert wurde, musste auch der Klägerin ohne weiteres einleuchten, zumal das ständige Fehlen des Oberlichts während der Sommermonate von außen leicht zu erkennen war. Wenn ein Versicherungsnehmer nachts in einer Gaststätte, in der sich sonst niemand aufhält, einen Teil eines ebenerdigen Fensters auf der Rückseite des Gebäudes vollständig ausbaut, die einzelnen Räume der Gaststätte
untereinander nicht verschlossen sind und ein PKWSchlüssel in einer offenen Schale auf einem Tresen liegt, kann dies nur als grob fahrlässiges Verhalten
gewertet werden.

Da mithin in jedem Fall ein grob fahrlässiges Herbeiführen des Versicherungsfalls durch die Klägerin vorliegt, braucht letztlich nicht geklärt zu werden, ob der Zweitschlüssel während des normalen Geschäftsbetriebs aus dem Restaurant der Klägerin oder aber anlässlich eines möglichen Einbruchs durch das (teilweise) offenes Fenster auf der Rückseite des Gebäudes entwendet wurde. Sofern mehrere Geschehensabläufe in Betracht kommen, die gleichermaßen geeignet sind, den Vorwurf groben Verschuldens zu begründen, kann offen bleiben, welcher von
diesen sich tatsächlich zugetragen hat (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 61 Rdnr. 22).

Ebenso kann dahinstehen, ob eine Repräsentanteneigenschaft des Onkels der Klägerin anzunehmen ist. Die Klägerin ist als Inhaberin der Gaststätte, in der sie auch tatsächlich mit tätig ist und war, unmittelbar selbst verantwortlich für die Verwahrung des Fahrzeug(zweit)schlüssels. Diesen hat sie im Übrigen nach ihrem Vortrag in der Klage selbst in der Tonschale hinterlegt.

2. Die danach anzunehmende grobe Fahrlässigkeit der Klägerin ist auch ursächlich für die Herbeiführung des Versicherungsfalles gewesen. Die Klägerin hat in der Klageschrift selbst ausdrücklich erklärt, der PKW sei mit dem abhanden gekommenen Originalschlüssel gestohlen worden (Bl. 7 d. A.). An diese ein prozessuales Geständnis im Sinne des § 288 ZPO darstellende Erklärung muss sie sich festhalten lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

 

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