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PKW-Diebstahl – Schlüssel in Werkstattbriefkasten geworfen

Oberlandesgericht Celle
Az.: 8 U 182/04
Verkündet am 09.06.2005
Vorinstanz: Landgericht Hannover – Az.: 12 O 200/04


In dem Rechtsstreit hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2005 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Oktober 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 9.298,29 EUR.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen
(§§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO).

Entscheidungsgründe

1. Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung seines Zahlungsanspruchs aus der Teilkaskoversicherung in Höhe von insgesamt 9.298,29 EUR, wegen Entwendung seines am 18. April 2004 auf dem Gelände der nicht beigetretenen Streitverkündeten (der P. … GmbH in H.), nach Einwurf der Fahrzeugschlüssel in einen Briefkasten, zu Reparaturzwecken abgestellten Pkw Porsche, der sodann unbeschädigt, jedoch ohne Navigationsgerät und Fahrzeuginhalt, wiederaufgefunden wurde. Das Landgericht hat Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch grobe Fahrlässigkeit (im Hinblick auf dem Zugriff der Diebe ausgesetzte Fahrzeugschlüssel, mit Hilfe derer das Fahrzeug entwendet worden sei), angenommen.

2. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf Rechtsfehlern noch rechtfertigen fehlerhafte Tatsachenfeststellungen eine andere Entscheidung
(§§ 513, 529, 546, 561 ZPO).

a) Das landgerichtliche Urteil geht allerdings, wie die Berufung zutreffend rügt, von einem falschem Sachverhalt aus. Der Kläger hat die Schlüssel seines Fahrzeugs nicht in den Blechkasten, der auf dem Briefkasten der Streitverkündeten angebracht ist, geworfen, sondern in den großen und stabilen Briefkasten selbst. Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Fehler.

b) Die Beklagte ist nach § 61 VVG leistungsfrei. Der Kläger hat den Schaden durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.

c) Voraussetzung für die Annahme der grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls ist, dass der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der Diebstahlgefahr objektiv deutlich unterschritten hat (vgl. BGH VersR 1989, 141). Das bedeutet, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer acht gelassen und das Nächstliegende, das jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet hat.

Davon ist hier nach den Umständen des Einzelfalles im Ergebnis auszugehen.
Die Gefahr des Diebstahls wurde objektiv dadurch deutlich erhöht, dass der Pkw auf dem frei befahrbaren und zu beobachtenden Gelände des Autohauses abgestellt und der zugehörige Fahrzeugschlüssel in den in unmittelbarer Nähe befindlichen Außenbriefkasten der Werkstatt, der über keine besonderen Sicherungen verfügt, eingeworfen wurde. Diese Umstände ermöglichten es dem Dieb, sich den Fahrzeugschlüssel zu verschaffen und das Fahrzeug und sodann Bestandteile und Zubehör, hier insbesondere das Navigationsgerät, zu entwenden.

d) Ferner erfordert die Annahme grober Fahrlässigkeit ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten. Es muss sich auch in subjektiver Hinsicht um ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit deutlich gesteigertes Verschulden handeln (vgl. BGH, a. a. O.; Knappmann in Prölss/Knappmann, VVG, 27. Aufl. 2004, § 61 VVG, Rn. 12 ff). Der Vorwurf eines auch subjektiv groben Verschuldens ergibt sich insbesondere daraus, dass der Fahrzeugschlüssel in dem Briefkasten gegen den Zugriff Dritter erkennbar unzureichend gesichert war. Der Briefkasten befand sich frei zugänglich und der Beobachtung Dritter ausgesetzt auf dem Gelände der Streitverkündeten. Es handelte sich zwar um einen massiven Außenbriefkasten. Dieser verfügte jedoch als Sicherung gegen Eingriffe durch den Einwurfschlitz lediglich über ein quer verlaufendes Blech (Bl. 87 d. A.). Dies ist nunmehr unstreitig, sodass es der von der Beklagten beantragten Augenscheinseinnahme (Bl. 10 f. d. A.) und der Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 82 d. A.) nicht bedarf. Die vorhandene Sicherung war nicht geeignet, den Einblick in den Briefkasten (z. B. mit Zahnarztspiegel und Taschenlampe) und den durch zur Sicherung bereite Personen unbeobachteten Zugriff (z. B. mit speziellen flexiblen Greifwerkzeugen, wie sie in jedem Baumarkt erhältlich sind) zu verhindern. Die vorhandene unzureichende Sicherung konnte den Zugriff allenfalls geringfügig erschweren. Damit war der Briefkasten – auch für den Kläger ersichtlich – kein geeigneter und sicherer Aufbewahrungsort für Fahrzeugschlüssel, die das Ingangsetzen und ungestörte teilweise Zerlegen des wertvollen Fahrzeugs ermöglichten (wie hier OLGR Köln, 2001, 29, OLGR Düsseldorf 2001, 160).

Anders mag es allenfalls dann liegen, wenn ein Briefkasten in der Eingangstür
oder Hauswand angebracht ist und die Schlüssel in nicht ohne Weiteres erreichbarer Entfernung auf den Boden fallen und der Versicherungsnehmer aufgrund besonderer Umstände auch nicht mit einer Einblicknahme rechnen musste (OLGR Hamm, 2000,152, vgl. auch Prölss/Knappmann, a. a. O., Rn. 114 zu § 12 AKB, für grobe Fahrlässigkeit auch insofern wohl Römer/Langheid, 2. Aufl. 2003, Rn. 62 zu § 61 VVG) sowie bei besonderen Sicherungen, wie sie bei den von Banken oder Sparkassen verwendeten Nachttresoren gegeben sind, die ein Herausnehmen des Inhalts auch mit Werkzeug weitestgehend ausgeschlossen erscheinen lassen.

Wenn in den Abendstunden Fahrzeuge auf dem Gelände eines Autohauses mit Reparaturwerkstatt stehen und ein Briefkasten vorhanden ist, liegt es nahe und musste es sich auch dem Kläger aufdrängen, dass ein möglicher Dieb das Abstellen des Fahrzeugs und das Einwerfen der Fahrzeugschlüssel in den Briefkastenschlitz beobachten und in dem Briefkasten nachsehen konnte, ob sich dort die passenden Schlüssel für das in unmittelbarer Nähe abgestellte Fahrzeug befanden. Auch in subjektiver Hinsicht ist dem Kläger daher der Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens zu machen. Er hat sich angesichts der geschaffenen beträchtlichen Risiken für erhebliche Werte sorglos und leichtsinnig verhalten. Dass allerdings die Abgabe von Schlüsseln nach Geschäftsschluss am Vorabend eines Werkstatttermins nicht allgemein unüblich ist, ist bekannt. Regelmäßig werden die Schlüssel dann aber durch ausreichend gesicherte Briefkastenschlitze in das Innere des Gebäudes geworfen, sodass sie nicht zugänglich sind. Die behauptete örtliche Üblichkeit seines Verhaltens entlastet den Kläger daher nicht. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um ein von der Streitverkündeten allgemein und schon lange ohne Störungen durchgeführtes Verfahren handelte, weil der Kläger selbst den Sicherheitsstandard zu überprüfen hatte und ohne Schwierigkeiten feststellen konnte, dass der notwendige Sicherheitsstandard eben nicht erreicht wurde.

e) Die Kausalität ist zu bejahen. Der Pkw des Klägers ist von dem Dieb mit dem Schlüssel, der sich im Briefkasten befunden hat, gefahren worden. Dies ergibt sich daraus, dass beim Auffinden des Fahrzeugs keinerlei auf einen Aufbruch des Fahrzeugs hindeutende Spuren gefunden wurden.

f) Darauf, dass der Anspruch evtl. auch zur Höhe teilweise nicht gerechtfertigt war, kam es nicht mehr entscheidend an.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 ZPO).
Es handelte sich um eine Abwägung besonderer Umstände im Einzelfall. Eine Abweichung von den in der dargestellten Rechtsprechung zugrunde gelegten Maßstäben ist im Übrigen nicht ersichtlich, soweit eine Vergleichbarkeit der Umstände gegeben war.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 3. Juni 2005 gab keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO), da das dortige Vorbringen bereits beschieden worden ist.

 

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