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Rücktritt vom PKW-Kaufvertrag und Anspruch auf Nacherfüllung

Oberlandesgericht München

Az: 20 U 2204/07

Urteil vom 20.06.2007


In dem Rechtsstreit erlässt der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2007 folgendes Endurteil:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 25. Januar 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.351,77 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin als Käuferin berechtigt ist, von einem Kaufvertrag über Kraftfahrzeug zurückzutreten oder ob dem entgegensteht, dass sie dem Verkäufer nicht Gelegenheit zur Nacherfüllung gewährt hat.

I.

Der Darstellung bedarf es nicht, denn der Wert der Beschwerde der Beklagten übersteigt 20.000 EUR nicht (s. § 26 Nr. 8 EGZPO). Nach herrschender Meinung ist § 313 a ZPO, auf den § 540 Abs. 2 ZPO ausdrücklich verweist, auch auf Berufungsurteile anwendbar, s. a. Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, Rnr. 2 zu § 313 a und Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, Rnr. 2 zu § 313 a.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die klägerseits geltend gemachten Ansprüche wegen Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages bestehen nicht, da die Klägerin nicht wirksam von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist.

Es kann dahin stehen, ob die Klägerin wegen Lieferung eines mangelhaften Kraftfahrzeugs gemäß § 437 Nr. 2 BGB berechtigt wäre, vom streitgegenständlichen Kaufvertrag zurückzutreten, da sie der Beklagten innerhalb der gesetzten Frist die Nacherfüllung nicht ermöglicht hat (§ 323 Abs. 1 BGB). Sie hat ihr das Fahrzeug nicht am Firmensitz zur Nachbesserung zur Verfügung gestellt und damit eine Mitwirkungshandlung verweigert, die das Rücktrittsrecht voraussetzt (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323, Rn. 15).

Der Anspruch auf Nacherfüllung bzw. Nachbesserung ist nicht auf den Gattungskauf beschränkt, sondern gilt auch für einen Stückkauf wie den Gebrauchtwagenkauf. Die für das Kaufrecht in § 439 BGB geregelte Nacherfüllung besteht in der Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache. Der Wortlaut der Bestimmung, wonach es weder hinsichtlich der Nachbesserung noch der Ersatzlieferung darauf ankommt, ob ein Stückkauf oder ein Gattungskauf vorliegt, enthält keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass ein Anspruch auf Ersatzlieferung nur bei einem Gattungskauf, nicht dagegen bei einem Stückkauf gegeben sei (BGH NJW 2006, 2839 ff). Im zur Entscheidung stehenden Fall ist die Nachbesserungsmöglichkeit evident durch das klägerische Schreiben vom 08.12.2005 (K 3), in dem die Klägerin selbst Nachbesserung durch Einbau eines Austauschmotors fordert.

Diese Nachbesserung hat die Klägerin der Beklagten in der von ihr gleichzeitig gesetzten Frist nicht ermöglicht, da sie sich geweigert hat, das Fahrzeug zwecks Vornahme der eventuell erforderlichen Nacherfüllung, an den Firmensitz der Beklagten zu verbringen oder verbringen zu lassen. Ein entsprechendes Angebot der Beklagten lag mit ihrem fristgemäßen Antwortschreiben vom 13.12.2005 (K 4) vor. Erfüllungsort für die Nacherfüllung ist hier mangels vorrangiger Parteivereinbarung der Firmensitz der Beklagten als dem Erfüllungsort ihrer kaufvertraglichen Lieferverpflichtung (§ 269 Abs. 1 BGB).

Als Nacherfüllungsort kommt grundsätzlich in Betracht der ursprüngliche Leistungsort des durch den Kaufvertrag begründeten Primärleistungsanspruches oder aber der Belegenheitsort der mangelhaften Sache im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens. Die Entscheidung dieser Frage ist streitig. Unter Hinweis auf Art. 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie geht ein Teil des Schrifttums davon aus, dass der Leistungsort der Nacherfüllung allein am momentanen Ort der bestimmungsgemäßen Belegenheit der mangelhaften Sache liegen könne; nur dies sei mit der Richtlinie vereinbar und entspreche der Entstehungsgeschichte der die Richtlinienvorgabe umsetzenden Vorschrift des § 439 BGB. Einige Entscheidungen in der Rechtsprechung haben sich dem angeschlossen (z.B. OLG München NJW 2006, 449; OLG Köln NJW-RR 2006, 677; AG Menden NJW 2004, 2171).

Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Nacherfüllungsanspruch der modifizierte Erfüllungsanspruch ist (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 439 Rn. 1 und 2 m.w.N.). Die Lieferung einer mangelhaften Sache führt – mangels Bewirkens der im Kaufvertrag geschuldeten Leistung – nicht zur Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB). Vielmehr verwandelt sich der ursprüngliche Lieferanspruch des Käufers in einen Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB. An die Stelle des Anspruchs auf Übereignung der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) tritt das Wahlrecht zwischen Nachbesserung und Nachlieferung (§ 439 Abs. 1 BGB). Vor diesem dogmatischen Ansatz drängt es sich auf, dem dem Erfüllungsanspruch modifiziert entsprechenden Nacherfüllungsanspruch denselben Leistungsort zuzuweisen. Dies steht keineswegs in Widerspruch zu Art 3 Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie. Dieser Vorschrift ist eine Leistungsortbestimmung gerade nicht zu entnehmen. Die Richtlinie fordert lediglich, dass die „Nachbesserung oder die Ersatzlieferung innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“ sowie „unentgeltlich“ zu erfolgen hat. Dem trägt § 439 BGB, der ebenfalls keine Bestimmung zum Leistungsort enthält in Absatz 2 dadurch Rechnung, dass „der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat“. Damit ist sowohl „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher weitgehend vorgebaut als auch das Gebot der Unentgeltlichkeit erfüllt. Für eine darüber hinaus gehende grundsätzliche Verlegung des Leistungsorts der Nacherfüllung an den Sitz des Käufers besteht kein Bedürfnis und würde auch in vielen Lebensbereichen auf Unverständnis stoßen. In der Regel erfolgt im täglichen Leben nach wie vor die Reklamation selbstverständlich beim Verkäufer. Im Einzelfall mögen Verkehrssitte und Treu und Glauben ein anderes Ergebnis fordern. Jedoch gerade bei der hier anstehenden Nachbesserung eines beim Händler gekauften Kraftfahrzeuges ist auch unter Berücksichtigung der letztgenannten Argumente, jedenfalls bei Erforderlichkeit umfangreicher Fehleruntersuchungen und Instandsetzungsmaßnahmen, die ersichtlich nur in einer Werkstatt vorgenommen werden können und kostenträchtig sind – wie es vorliegend der Fall ist -, regelmäßig der Betriebssitz des Händlers Leistungsort der Nacherfüllung (so auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl., § 439 Rn. 3a; Reinking, ZfS 2003, 57, 60; Ball, NVZ 2004, 217, 220; Skamel, ZGS 2006, 227 ff).

Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug wurde trotz eines entsprechenden Angebots der Beklagten unstreitig zu keinem Zeitpunkt an deren Firmensitz verbracht. Die Klägerin hat damit eine für die Nacherfüllung erforderliche Mitwirkungshandlung verweigert. Aus diesem Grund konnte sie nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten (Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., § 323, Rn. 15). Die geltend gemachten Rückabwicklungsansprüche stehen ihr nicht zu.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Soweit verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen betroffen sind, folgt der Senat gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Im Übrigen handelt es sich um tatrichterliche Anwendung dieser Grundsätze hier auf den Einzelfall.

 

 

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