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Reisepreisminderung wegen Presslufthämmer und Plastikarmbändern

LANDGERICHT KÖLN

Az.: 11 S 216/98

Verkündet am 11.05.1999

Vorinstanz: AG Köln – Az.: 136 C 496/97


In dem Rechtsstreit hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.4.1999 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlußberufung des Klägers – das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25.3.1998 (136 C 496/97) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.039,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 2.-8.1997 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 37 % und der Kläger zu 63 %.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

(ohne Tatbestand gemäß § 543 ZPO)

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet, die Anschlußberufung hat keinen Erfolg.

Die Klage ist nur im hier tenorierten Umfang begründet. Der Kläger kann gemäß §§ 651 d Abs. l, 651 c Abs. l, 651 a Abs. l, 472 BGB von der Beklagten die Zahlung von 1.039,25 DM verlangen. Die darüberhinausgehende Klage bleibt erfolglos.

Die von dem Kläger bei der Beklagten gebuchte Pauschalreise vom 3.5. bis 17.5.1997 in die Dominikanische Republik nebst Unterbringung in dem Hotel XX in Puerto Plata war mit; einem Mangel im Sinne von § 651 c Abs. l BGB behaftet, der den Kläger zur Minderung des Reisepreises in Höhe von 25 % berechtigt. Als „Mangel“ in diesem Sinne kommt allein der vom Kläger vorgebrachte Baustellenlärm im Zeitraum der Reise in Betracht.

Nach diesem Vorbringen befanden sich direkt vor und neben der Hotelanlage mehrere Baustellen, auf denen tagsüber bis in die Abendstunden gearbeitet wurde, wobei auch Preßlufthämmer eingesetzt wurden, so daß die Nutzung der Hotelanlage und des Strandes etwas beeinträchtigt waren. Das im Berufungsverfahren unstreitig gestellte Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine höhere Minderung des vereinbarten Reisepreises als 25 % desselben. Anders als in dem vom Landgericht Köln (3 0 27/96) entschiedenen Fall war vorliegend kein permanenter Straßenbaustellenlärm durch schwere Baumaschinen „rund um die Uhr“ gegeben. Vielmehr wurden zwei Baustellen für Neubauten von morgens 06.30 Uhr an betrieben, wobei die Arbeiten nach der Mangelanzeige des Klägers vom 16.5.1997 (Bl. 59 d.A.) bis 19.00 Uhr, mitunter auch bis 22.00 Uhr gedauert haben sollen. Arbeiten mit dem Preßlufthammer wurden nicht täglich, sondern an ausgewählten Tagen durchgeführt. Unter diesen Umständen war die Reise des Klägers zwar in gewissem Umfang in ihrer Tauglichkeit für den angestrebten Erholungszweck eingeschränkt. Dieser Umfang geht allerdings nicht über 25 % des Reisepreises hinaus. Die Nachtruhe war – anders als im Falle 3 0 27/96 LG Köln – hier nicht durch Baustellenlärm beeinträchtigt; Strandnutzung und Hotelanlagennutzung waren nur teilweise eingeschränkt.

Auf ein fehlendes Meeresfrüchte-Buffet kann das Minderungsbegehren des Klägers nicht gestützt werden. Das Amtsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß das tägliche Zur-Verfügung-Stehen eines solchen Buffets im Prospekt nicht versprochen wurde.

Soweit dem Kläger und seiner Ehefrau von dem Hotel als örtlichem Leistungsträger das Tragen eines Plastikarmbandes zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme der gebuchten „all-inclusive“-Leistungen abverlangt wurde, vermag diese keine Minderung des vereinbarten Reisepreises zu rechtfertigen.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es bei der von dem Leistungsträger vor Ort geforderten Kennzeichnung der Reisenden für die Inanspruchnahme der „all-inclusive“-Leistungen nicht um einen „Mangel“ der Reise im Sinne von § 651 c Abs. l BGB, sondern um eine die Tauglichkeit der Reise nicht beeinträchtigende und mithin vom „all-inclusive“-Pauschalreisenden im Rahmen der Leistungserbringung regelmäßig hinzunehmende, an der Grenze zur bloßen Unannehmlichkeit liegende geringfügige Beeinträchtigung (§ 459 Abs. l Satz 2 BGB entsprechend). Die Gewährung eines „Alles inklusive“-Leistungsangebots bringt es mit sich, daß der betreffende begünstigte Personenkreis von anderen Reisenden unterschieden werden muß. Wer eine günstige Pauschalleistung in Anspruch nehmen will, muß seine Berechtigung gegenüber dem Leistungserbringer nachweisen. Eine zuverlässige Nachweisform ist die Anlegung eines Plastikarmbandes der hier in Rede stehenden Art (Länge etwa 20 cm; Breite: bis zu 2,5 cm). Die Einführung eines solchen Armbandes als Kennzeichnung der „Inklusiv-Pauschaltouristen“ hält sich im Rahmen des Rechts des Reiseveranstalters zur Konkretisierung und Ausgestaltung der Reiseleistungen. Diese Kennzeichnung, die dem Charakter der Reise entspricht (Tempel, NJW 1997, 2206, 2213; Führich, Anm. zu LG Frankfurt NJW 1997, 2246 f., in: Reiserecht aktuell 1997, 230), ist von dem hiervon betroffenen bzw. begünstigten Reisenden als Konkretisierung der vertraglich vereinbarten “ Reiseleistung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) regelmäßig hinzunehmen. Der Spielraum, innerhalb dessen der Reiseveranstalter – nach Treu und Glauben – befugt ist, seine Leistungspflichten zu konkretisieren, ist bei preisgünstigen Reisern weitergehender als bei Luxusreisen oder Reisen gehobener Preiskategorie, bei denen der geschuldete Leistungsstandard weit auszulegen ist (Tempel, a.a.O., 2208 unter Hinweis auf LG Hannover NJW-RR 1986, 146 betr. Heizung sowie LG Frankfurt am Main NJW-RR 1992, 380 betr. Zimmerausstattung).

Die Auferlegung der Verpflichtung zum Tragen eines nicht – jedenfalls nicht ohne Zerstörung der Kennzeichnung – abnehmbaren Armbandes aus Plastik hält sich innerhalb des geschilderten Spielraums. Die solchermaßen vorgenommene Kennzeichnung des Trägers des Armbandes als Leistungsberechtigten stellt die reibungslose Leistungsgewährung und damit den Leistungserfolg sicher, an dessen Herbeiführung der „Inklusive-Reisende“ ebenfalls nach Treu und Glauben mitzuwirken hat (AG Hannover Reiserecht aktuell 1998, 94). Zwar sind aus Sicht des Reisenden auch andere Handhabungen zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von „all-inclusive“-Leistungen denkbar. So etwa die Verwendung von Karten oder die Vorlage der Reise(buchungs)bestätigung der Beklagten beim Leistungsträger. Zu berücksichtigen ist hier zunächst, daß der Kläger eine zweiwöchige Billigreise gebucht hat und das weiter gebuchte „alles inklusive“-Paket Leistungen beinhaltet, die neben vollpensionsartiger Verpflegung zweimal wöchentliche Abendessen in Spezialitätenrestaurants, den Konsum von Tischwein bei Mittag- und Abendessen sowie von unbegrenzten lokalen alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken und Cocktails vorsahen. Um angesichts der Vielzahl der die „all-inclusive“-Leistungen in Anspruch nehmender Pauschaltouristen eine reibungslose und effektive Leistungserbringung zu gewährleisten, ist die – unverwechselbare – Kennzeichnung der Leistungsberechtigten eine geeignete Maßnahme. Die Vorlage der Reisepapiere oder die Ausgabe von Berechtigungskarten haben die mit der Kennzeichnung verbundene Effektivität für den Reiseveranstalter bzw. den von diesem eingeschalteten Leistungsträger nicht im gleichen Maße, da für ihn mit diesen Alternativen zusätzlicher Kontroll- und Prüfungsaufwand anfällt, der nicht nur mit finanziellem Mehraufwand einhergeht, sondern auch die Abwicklung der Leistungserbringung spürbar verzögert.

Demgegenüber ist die Anlegung eines Plastikarmbandes eine diese Verzögerungen vermeidende Maßnahme zur effektiven Inanspruchnahme von gebuchten Zusatzleistungen des „all inclusive“-Paketes, die den Interessen von Reisendem und Reiseveranstalter bzw. dem von diesem eingeschalteten Leistungsträger sachgerecht Rechnung trägt. Die Tauglichkeit der Reise wird durch das Tragen eines solchen Armbands nicht berührt. Das Armband beeinträchtigt weder das Schlafen, noch das Waschen oder Sonnenbaden .

Gesundheitliche Schäden sind unwahrscheinlich. Soweit der Kläger behauptet, es hätten sich bei ihm während des Träges allergische Reaktionen eingestellt, ist diesem – von der Beklagten bestrittenen – Vorbringen nebst Beweisanerbieten (Zeugnis Frau J nicht nachzugehen. In seiner schriftlichen Mängelanzeige vom 16.5.1997 ist von einer seine Gesundheit belastenden hautallergischen Reaktionen des Klägers keine Rede. Sein davon abweichendes Sachvorbringen stellt sich unter diesen Umständen als pauschales Vorbringen ins Blaue hinein dar, dem seitens der Kammer nicht nachzugehen ist. Die Erhebung des in diesem Zusammenhang angetretenen Beweises (Zeugnis Frau J liefe auf eine – prozessual unzulässige – Ausforschung des vom Kläger selbst widersprüchlich vorgetragenen Sachverhalts hinaus.

Die durch das Plastikarmband vorgenommene Gästekennzeichnung verstößt nicht gegen die Menschenwürde und das Persönlichkeitsrecht des – so gekennzeichneten – Pauschaltouristen. Die gegen vom Landgericht Frankfurt/Main (in: NJW 1997, 2246, 2247) und vom Amtsgericht vertretene – Auffassung wird von der Kammer nicht geteilt. Als bloße Ausgestaltung des Leistungsbestimmungsrechts des Reiseveranstalters hält sich die Kennzeichnung von Gästen als Berechtigte des „all-inclusive“-Leistungsbündels im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und der allgemeinen Gesetze.

Eine solche Kennzeichnung kommt, wie Tempel (a.a.O., 2213) hervorhebt, nicht nur „bei Tieren und Säuglingen vor, die ihrer Persönlichkeit (noch) keinen Ausdruck verleihen können“, wie das Amtsgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des LG Frankfurt (a.a.O.) ausgeführt hat. Die besondere Kennzeichnung eines bestimmten Personenkreises ist bei vielen Berufstätigkeiten vorzufinden – z.B. Hotel- und Sicherheitspersonal – und mitunter auch bei Tagungsteilnehmern anzutreffen, ohne daß hierdurch das individuelle Persönlichkeitsrecht des Trägers hinter der Kennzeichnung zurücktritt (Tempel, a.a.O.). Eine „Stigmatisierung“ des Pauschalreisenden ist durch die mit der Anlegung eines Armbandes verbundene Kennzeichnung nicht verbunden. Eine außerhalb der Hotelanlage mögliche Erkennbarkeit des „all-inclusive“-Pauschaltouristen bedeutet ebenfalls keine Herabwürdigung der Persönlichkeit des Reisenden, wobei dieser Erkennbarkeit durch das Tragen eines Kleidungsstücks begegnet werden könnte (Tempel, a.a.O.).

Der Reisepreis betrug – abzüglich des Flugzuschlages in Höhe von 1.800 DM für einen Flug „Comfort-Class“ – 4.957 DM. 25 % hiervon ergeben 1.239,25 DM. Unter Berücksichtigung der unstreitig vorprozessual gezahlten 200 DM beläuft sich die dem Kläger noch zuzuerkennende Minderungssumme auf 1.039,25 DM.

Die Zinsforderung ist in zuerkanntem Umfang gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.

Das angefochtene Urteil war demgemäß unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Beklagten und der Anschlußberufung des Klägers abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. l, 92 Abs. l ZPO. Streitwert für das Berufungsverfahren: 2773,60 DM.

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