Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann habe ich Anspruch auf Entschädigung, wenn die Polizei im Rahmen eines rechtmäßigen Einsatzes mein Eigentum beschädigt hat?
- Was bedeutet „enteignender Eingriff“ und wie unterscheidet er sich von einer „Enteignung“?
- Welche Arten von Schäden werden im Rahmen eines „enteignenden Eingriffs“ entschädigt?
- Wie lange habe ich Zeit, um eine Entschädigung für einen „enteignenden Eingriff“ geltend zu machen?
- Muss ich klagen, um eine Entschädigung zu erhalten, oder gibt es auch andere Möglichkeiten?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 11 U 56/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Hamm
- Datum: 20.12.2024
- Aktenzeichen: 11 U 56/24
- Verfahrensart: Berufung
- Rechtsbereiche: Staatshaftungsrecht / Polizeirecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, die (auch aufgrund eines an sie abgetretenen Anspruchs einer anderen Person) Entschädigung vom Land forderte. Er argumentierte, dass ein Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen sei (Amtspflichtverletzung).
- Beklagte: Das Land Nordrhein-Westfalen (als Träger der Polizei), das für die Folgen des Polizeieinsatzes haftbar gemacht wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Fall dreht sich um einen Polizeieinsatz am 29.02.2020. Der Kläger machte deswegen Ansprüche auf Entschädigung gegen das beklagte Land geltend.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob dem Kläger wegen des Polizeieinsatzes eine Entschädigung zusteht – entweder weil die Polizei ihre Amtspflichten verletzt hat oder aus anderen rechtlichen Gründen (hier nach dem Polizeigesetz NRW).
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht änderte das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Bochum) teilweise ab. Das beklagte Land muss dem Kläger 300 € plus Zinsen zahlen. Zusätzlich muss das Land den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 83,54 € freistellen. Die weitergehende Berufung des Klägers, also seine darüber hinausgehenden Forderungen, wurde abgewiesen. Ein früheres Versäumnisurteil wurde teilweise aufgehoben, blieb aber im Übrigen bestehen.
- Begründung: Das Gericht entschied, dass der Polizeieinsatz vom 29.02.2020 rechtmäßig war. Deshalb besteht kein Anspruch auf Entschädigung wegen einer Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB. Dem Kläger steht jedoch eine Entschädigung aus einem anderen Grund zu (hier: nach § 67 Polizeigesetz NRW), weshalb ihm 300 € zugesprochen wurden.
- Folgen: Das beklagte Land muss die genannten Beträge zahlen. Der Kläger muss die Kosten tragen, die durch seine Säumnis (Nichterscheinen oder Untätigkeit) in der ersten Instanz entstanden sind. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 9/10 und das beklagte Land 1/10. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, das heißt, die Zahlung kann grundsätzlich sofort gefordert werden.
Der Fall vor Gericht
Polizeieinsatz mit Folgen: OLG Hamm spricht Eigentümer Entschädigung zu

Ein Polizeieinsatz, bei dem eine Wohnungstür aufgebrochen wurde, führte zu einem Rechtsstreit, der nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm verhandelt wurde. Das Gericht entschied, dass dem Eigentümer der beschädigten Immobilie eine Entschädigung zusteht, obwohl der Polizeieinsatz selbst rechtmäßig war. Geklagt hatte der Miteigentümer einer Immobilie in H., dessen Tür bei einem Einsatz am 29. Februar 2020 beschädigt wurde.
Hintergrund des Rechtsstreits
Die Polizei führte an jenem Februartag einen Einsatz in der betreffenden Immobilie durch. Im Zuge dessen wurde die Eingangstür aufgebrochen, was zu einem Sachschaden führte. Der Kläger, dem die Immobilie zur Hälfte gehört, forderte vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen Schadensersatz für die Reparaturkosten. Seine Ehefrau, die Miteigentümerin, trat ihre Ansprüche an ihn ab.
Entscheidung der Vorinstanz
Das Landgericht Bochum hatte die Klage in erster Instanz zunächst abgewiesen, nachdem gegen den Kläger ein Versäumnisurteil ergangen war. Gegen das spätere Urteil des Landgerichts vom 15. Dezember 2023 legte der Kläger Berufung beim OLG Hamm ein, mit dem Ziel, doch noch eine Entschädigung zu erhalten.
Die Entscheidung des OLG Hamm (Az.: 11 U 56/24)
Das OLG Hamm gab der Berufung des Klägers teilweise statt und änderte das Urteil des Landgerichts Bochum ab. Das beklagte Land wurde verurteilt, dem Kläger 300 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Zudem muss das Land den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von rund 84 Euro freistellen.
Rechtliche Würdigung durch das OLG
Das Gericht prüfte verschiedene Anspruchsgrundlagen, auf die der Kläger seine Forderung stützte. Dabei kam es zu differenzierten Ergebnissen, die letztlich aber zu einer teilweisen Entschädigung führten.
Kein Anspruch aus Amtshaftung oder Polizeigesetz
Zunächst verneinte das OLG einen Anspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz. Voraussetzung hierfür wäre eine rechtswidrige Amtspflichtverletzung durch die Polizeibeamten gewesen. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Polizeieinsatz vom 29.02.2020 rechtmäßig war. Somit fehlte es an der nötigen Pflichtverletzung.
Auch ein Entschädigungsanspruch nach dem Polizeigesetz NRW (§ 67 PolG NRW) kam laut OLG nicht in Betracht. Diese Norm greift typischerweise bei Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (präventiv-polizeiliches Handeln). Im vorliegenden Fall waren die Beamten jedoch repressiv, also im Rahmen der Strafverfolgung, tätig. Für solche repressiven Maßnahmen sieht das Polizeigesetz keine direkte Entschädigung vor.
Entschädigung wegen „enteignenden Eingriffs“
Dennoch sprach das Gericht dem Kläger eine Entschädigung zu – und zwar auf Basis des Rechtsinstituts des „enteignenden Eingriffs“. Dieser Grundsatz aus dem öffentlichen Recht greift, wenn ein rechtmäßiges staatliches Handeln zu einem Schaden führt, der einen Einzelnen unverhältnismäßig stark trifft und ihm ein Sonderopfer abverlangt, das über die allgemeinen Bürgerpflichten hinausgeht.
Das OLG sah diese Voraussetzungen hier als erfüllt an. Der rechtmäßige Polizeieinsatz führte zur Beschädigung der Tür, also zu einem Eingriff in das Eigentum des Klägers (geschützt durch Art. 14 GG). Dieser Schaden war eine direkte Folge der staatlichen Maßnahme. Da der Kläger diesen Schaden nicht selbst verursacht hatte und er ihn im Interesse der Allgemeinheit (Strafverfolgung) hinnehmen musste, stellte dies ein Sonderopfer dar, das entschädigt werden muss.
Bestätigung der Klagebefugnis
Das Gericht bestätigte auch, dass der Kläger berechtigt war, die gesamte Forderung geltend zu machen. Er ist zur Hälfte Eigentümer. Seine Ehefrau, die andere Miteigentümerin, hatte ihren Anteil an der Forderung wirksam an ihn abgetreten. Die Abtretungsvereinbarung war ausreichend bestimmt, da sie sich klar auf den Schaden aus dem Polizeieinsatz vom 29.02.2020 bezog.
Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Rechtsstreits wurden geteilt. Der Kläger muss die Kosten tragen, die durch seine anfängliche Säumnis in erster Instanz entstanden sind. Von den übrigen Kosten trägt der Kläger 9/10 und das beklagte Land 1/10, entsprechend dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen bezüglich der ursprünglichen Forderungshöhe.
Bedeutung des Urteils für Betroffene
Entschädigung auch bei rechtmäßigem Polizeihandeln
Dieses Urteil des OLG Hamm hat eine wichtige Signalwirkung für Bürgerinnen und Bürger, deren Eigentum bei Polizeieinsätzen beschädigt wird. Es stellt klar, dass eine Entschädigung auch dann möglich ist, wenn die Polizei rechtmäßig gehandelt hat und keine Amtspflichtverletzung vorliegt. Dies ist besonders relevant für Schäden, die bei repressiven Einsätzen (Strafverfolgung) entstehen.
Der Grundsatz des „enteignenden Eingriffs“
Der Schlüssel liegt im Rechtsinstitut des „enteignenden Eingriffs“. Wenn durch eine an sich erlaubte staatliche Maßnahme ein erheblicher Schaden bei einem unbeteiligten Dritten entsteht, der diesem ein besonderes Opfer (Sonderopfer) abverlangt, kann ein Ausgleichsanspruch bestehen. Betroffene sollten prüfen lassen, ob diese Voraussetzungen in ihrem Fall gegeben sind.
Abgrenzung zu anderen Anspruchsgrundlagen
Das Urteil verdeutlicht die Abgrenzung: Für Schäden durch rechtswidriges Handeln gibt es die Amtshaftung (§ 839 BGB). Für Schäden durch rechtmäßige präventive Maßnahmen greift oft das Polizeigesetz (§ 67 PolG NRW). Bei Schäden durch rechtmäßige repressive Maßnahmen, wie hier, kann der „enteignende Eingriff“ die Lücke schließen und zu einer Entschädigung führen.
Nachweis und Geltendmachung
Betroffene müssen den Schaden und dessen Ursache durch den staatlichen Eingriff nachweisen. Wichtig ist auch, wie im vorliegenden Fall bei Miteigentum, dass alle Anspruchsinhaber ihre Forderungen bündeln, beispielsweise durch Abtretung, um den gesamten Schaden geltend machen zu können. Das Urteil zeigt, dass auch relativ geringe Beträge erfolgreich eingeklagt werden können.
Fazit
Das OLG Hamm hat mit seiner Entscheidung die Rechte von Immobilieneigentümern gestärkt, deren Eigentum im Zuge von rechtmäßigen Polizeieinsätzen beschädigt wird. Auch wenn weder eine Amtspflichtverletzung noch die Voraussetzungen des Polizeigesetzes vorliegen, kann der Grundsatz des enteignenden Eingriffs eine Entschädigung ermöglichen. Das Urteil sorgt für einen gerechten Ausgleich, wenn Einzelne durch staatliches Handeln ein unzumutbares Sonderopfer tragen müssen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bestätigt, dass Hauseigentümer Entschädigung für Schäden durch rechtmäßige Polizeieinsätze erhalten können, wenn diese die Schwelle des Zumutbaren überschreiten. Obwohl keine Amtspflichtverletzung vorlag (der Polizeieinsatz war rechtmäßig), wurde eine Entschädigung unter dem Rechtsprinzip des „enteignenden Eingriffs“ zugesprochen. Dies zeigt, dass auch bei legalen behördlichen Maßnahmen Entschädigungsansprüche bestehen können, wenn unbeteiligte Bürger unverhältnismäßige Nachteile erleiden müssen.
Benötigen Sie Hilfe?
Wurde Ihr Eigentum bei einem Polizeieinsatz beschädigt?
Ein Polizeieinsatz kann, auch wenn er rechtmäßig war, zu erheblichen Schäden an Ihrem Eigentum führen. Viele Betroffene sind unsicher, ob und wie sie für diese Schäden entschädigt werden können, insbesondere wenn der Einsatz im Rahmen der Strafverfolgung erfolgte und keine direkte Rechtswidrigkeit vorliegt. Derartige Situationen können zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
Wir prüfen Ihren Fall sorgfältig auf mögliche Ansprüche aus enteignendem Eingriff oder anderen Anspruchsgrundlagen. Unsere Expertise im öffentlichen Recht ermöglicht es uns, Ihre Interessen effektiv zu vertreten und eine angemessene Entschädigung für Sie zu erwirken. Kontaktieren Sie uns für eine erste Einschätzung Ihrer Situation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann habe ich Anspruch auf Entschädigung, wenn die Polizei im Rahmen eines rechtmäßigen Einsatzes mein Eigentum beschädigt hat?
Ja, Sie können auch dann Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn die Polizei bei einem rechtmäßigen Einsatz Ihr Eigentum beschädigt hat. Entscheidend ist, dass der Polizeieinsatz zwar rechtmäßig war, Sie aber durch die Maßnahme einen Schaden erlitten haben, der Ihnen nicht ohne Ausgleich zugemutet werden kann.
Wann kommt eine Entschädigung trotz rechtmäßigem Einsatz in Frage?
Wenn die Polizei rechtmäßig handelt, also zum Beispiel zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung, greift die sogenannte Amtshaftung in der Regel nicht. Diese setzt nämlich ein rechtswidriges und meist schuldhaftes Verhalten von Beamten voraus.
Wurde Ihr Eigentum jedoch bei einem rechtmäßigen Polizeieinsatz beschädigt, kommt ein Entschädigungsanspruch aus anderen Rechtsgrundlagen in Betracht. Hier sind vor allem die Grundsätze des Aufopferungsanspruchs oder des enteignenden Eingriffs relevant. Diese greifen, wenn folgende Bedingungen allgemein erfüllt sind:
- Rechtmäßiger Eingriff: Die Polizeiaktion, die den Schaden verursacht hat, war gesetzlich erlaubt und notwendig (z.B. das Aufbrechen einer Tür zur Rettung einer Person oder zur Verfolgung eines Straftäters).
- Eigentumsverletzung: Ihr Eigentum wurde direkt durch die polizeiliche Maßnahme beschädigt oder zerstört (z.B. eine aufgebrochene Tür, ein beschädigtes Fenster, ein bei einer Verfolgungsjagd beschädigtes Auto).
- Sonderopfer: Der Schaden trifft Sie in einer Weise, die über das hinausgeht, was jeder Bürger im Allgemeininteresse hinnehmen muss. Dies ist oft der Fall, wenn Sie als unbeteiligte Person („Nichtstörer“) betroffen sind. Stellen Sie sich vor, Sie mussten Ihr Eigentum unfreiwillig für das Wohl der Allgemeinheit oder zur Abwehr einer Gefahr „opfern“.
- Unzumutbarkeit: Der entstandene Schaden muss für Sie unzumutbar sein. Kleine Unannehmlichkeiten oder Bagatellschäden reichen meist nicht aus, um einen Anspruch zu begründen.
Ein Beispiel: Die Polizei muss zur Verfolgung eines flüchtigen Täters eine Tür in einem Mehrfamilienhaus aufbrechen. Dabei wird irrtümlich oder aus taktischen Gründen die Tür Ihrer Wohnung beschädigt, obwohl Sie mit der Tat oder der Gefahr nichts zu tun haben. Der Einsatz selbst war rechtmäßig, da er der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr diente. Da Sie aber als Unbeteiligte einen erheblichen Schaden erlitten haben, der Ihnen nicht zuzumuten ist, kann Ihnen ein Entschädigungsanspruch nach den Grundsätzen der Aufopferung zustehen.
Was bedeutet das für Sie?
Auch wenn ein Polizeieinsatz korrekt und im Rahmen der Gesetze abgelaufen ist, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie auf einem dadurch entstandenen Schaden an Ihrem Eigentum sitzen bleiben müssen. Der Staat kann verpflichtet sein, Sie für Schäden zu entschädigen, die Ihnen durch sein rechtmäßiges Handeln entstehen, wenn Sie dadurch ein besonderes Opfer für die Allgemeinheit erbracht haben.
Die genauen Voraussetzungen und die Höhe der Entschädigung hängen von den Umständen des Einzelfalls und den jeweils anwendbaren Gesetzen ab. Oft finden sich spezielle Regelungen dazu in den Polizeigesetzen der Bundesländer oder es gelten die allgemeinen Grundsätze des Staatshaftungsrechts (basierend auf Art. 14 Grundgesetz – Schutz des Eigentums). Die Entschädigung zielt in der Regel darauf ab, den entstandenen Sachschaden auszugleichen (z.B. die Kosten für die Reparatur der Tür oder den Wert des beschädigten Gegenstands).
Was bedeutet „enteignender Eingriff“ und wie unterscheidet er sich von einer „Enteignung“?
Stellen Sie sich vor, der Staat greift in Ihr Eigentum ein. Je nachdem, wie und warum das geschieht, spricht man entweder von einer „Enteignung“ oder einem „enteignenden Eingriff“. Beide Begriffe beschreiben staatliche Eingriffe in private Eigentumsrechte, unterscheiden sich aber grundlegend.
Die Enteignung: Gezielte Wegnahme von Eigentum
Eine Enteignung im klassischen Sinne ist die gezielte und vollständige oder teilweise Entziehung konkreter Eigentumsrechte durch den Staat. Dies geschieht meist, um ein bestimmtes öffentliches Vorhaben zu ermöglichen, zum Beispiel den Bau einer Straße oder einer Bahnlinie über ein privates Grundstück.
- Absicht: Die Enteignung ist vom Staat gewollt und beabsichtigt. Ziel ist es, das Eigentum für einen bestimmten öffentlichen Zweck zu nutzen.
- Rechtsgrundlage: Sie darf nur auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen (Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz). Dieses Gesetz regelt auch die Voraussetzungen und das Verfahren.
- Verfahren: Es gibt ein formelles Verfahren, in dem geprüft wird, ob die Enteignung notwendig und im öffentlichen Interesse ist.
- Entschädigung: Der Staat muss eine Entschädigung zahlen. Diese soll den vollen Wert des entzogenen Eigentums ausgleichen und orientiert sich in der Regel am Marktwert (Verkehrswert). Die Entschädigung ist eine zwingende Voraussetzung.
Der enteignende Eingriff: Unbeabsichtigte Folge rechtmäßigen Handelns
Ein Enteignender Eingriff liegt vor, wenn rechtmäßiges staatliches Handeln unbeabsichtigte, aber schwerwiegende und unzumutbare negative Folgen für das Eigentum eines Einzelnen hat. Der Staat will hierbei nicht gezielt Eigentum entziehen, aber sein Handeln führt faktisch zu einem erheblichen Nachteil, der einer Enteignung nahekommt.
- Absicht: Der Eingriff in das Eigentum ist nicht das Ziel der staatlichen Maßnahme, sondern eine unbeabsichtigte Nebenfolge. Die Maßnahme selbst (z.B. ein Polizeieinsatz, Bauarbeiten in der Nähe, neue Umweltauflagen) ist rechtmäßig.
- Rechtsgrundlage: Es gibt keine spezielle gesetzliche Grundlage für den „enteignenden Eingriff“ selbst. Der Anspruch auf Ausgleich ergibt sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (oft abgeleitet aus Art. 14 Grundgesetz und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Es handelt sich um ein von der Rechtsprechung entwickeltes Institut.
- Verfahren: Es gibt kein formelles Enteignungsverfahren. Der Betroffene muss seinen Anspruch auf Ausgleich in der Regel selbst geltend machen, oft vor Gericht.
- Entschädigung/Ausgleich: Es geht hier nicht um eine Entschädigung für die Wegnahme von Eigentum, sondern um einen finanziellen Ausgleich für einen besonderen Nachteil, den der Betroffene im Interesse der Allgemeinheit erleidet (sogenanntes „Sonderopfer“). Die Höhe des Ausgleichs orientiert sich an der Schwere des Eingriffs und den Grundsätzen der Billigkeit (Fairness), nicht zwingend am vollen Marktwert. Es soll die unzumutbare Belastung gemildert werden.
Die wichtigsten Unterschiede im Überblick
- Ziel des Staates: Bei der Enteignung will der Staat das Eigentum gezielt wegnehmen. Beim enteignenden Eingriff ist der Eigentumsnachteil eine unbeabsichtigte Folge einer an sich rechtmäßigen Maßnahme.
- Verfahren: Die Enteignung folgt einem formellen gesetzlichen Verfahren. Der enteignende Eingriff hat kein solches Verfahren; der Ausgleichsanspruch entsteht durch die faktischen Folgen.
- Entschädigung: Die Enteignung führt zu einer vollen Entschädigung (meist Verkehrswert). Beim enteignenden Eingriff gibt es einen Ausgleich nach Billigkeit, um das „Sonderopfer“ abzumildern.
Im Kontext eines rechtmäßigen Polizeieinsatzes, bei dem unbeabsichtigt fremdes Eigentum beschädigt wird (z.B. eine Tür bei einer Wohnungsdurchsuchung), kommt eher ein Anspruch aus enteignendem Eingriff (oder ähnlichen Rechtsinstituten wie dem „Aufopferungsanspruch“) in Betracht, da die Polizei rechtmäßig handelte, die Beschädigung aber eine unbeabsichtigte Folge darstellt, die den Eigentümer besonders trifft. Eine formelle Enteignung liegt hier nicht vor.
Welche Arten von Schäden werden im Rahmen eines „enteignenden Eingriffs“ entschädigt?
Wenn Ihr Eigentum durch einen rechtmäßigen Polizeieinsatz beschädigt wurde, obwohl Sie selbst unbeteiligt waren (also kein sogenannter „Störer“ sind), können Sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung vom Staat verlangen. Juristisch spricht man hier von Ansprüchen wegen „Aufopferung“ oder im weiteren Sinne von einem „enteignenden Eingriff“. Ziel ist es, Sie für das besondere Opfer zu entschädigen, das Sie im Interesse der Allgemeinheit (z.B. zur Gefahrenabwehr) erbracht haben.
Grundsätzlich geht es darum, den finanziellen Nachteil auszugleichen, der Ihnen durch die Beschädigung entstanden ist.
Welche konkreten Schäden können ersetzt werden?
Die Entschädigung soll Sie so stellen, als wäre der Schaden nicht passiert. Typischerweise können folgende Kosten erstattungsfähig sein:
- Reparaturkosten: Das sind die Kosten, die notwendig sind, um den beschädigten Gegenstand wieder instand zu setzen. Ein klassisches Beispiel: Die Polizei muss zur Verfolgung eines Täters eine Tür in Ihrer Wohnung aufbrechen. Die Kosten für die Reparatur der Tür und des Rahmens können dann erstattungsfähig sein.
- Wiederbeschaffungskosten: Wenn eine Reparatur nicht mehr möglich ist (Totalschaden) oder wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, können die Kosten für die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzgegenstandes erstattet werden. Beispiel: Ihr Auto wird bei einer Polizeiaktion irreparabel beschädigt. Sie erhalten dann den Wert, den das Auto unmittelbar vor der Beschädigung hatte (Zeitwert), um sich ein vergleichbares Fahrzeug kaufen zu können. Beachten Sie: Wird ein neuer Gegenstand angeschafft, der besser ist als der alte, kann ein Abzug („Neu für Alt“) erfolgen.
- Wertminderung: Manchmal verliert eine Sache auch nach einer Reparatur an Wert. Denken Sie an ein Auto, das nach einer Beschädigung zwar repariert wurde, aber nun als „Unfallwagen“ weniger wert ist. Diese merkantile Wertminderung kann ebenfalls Teil der Entschädigung sein.
- Nutzungsausfall: Können Sie einen beschädigten Gegenstand vorübergehend nicht nutzen (z.B. Ihr Auto), und entsteht Ihnen dadurch ein nachweisbarer finanzieller Nachteil, kann unter Umständen auch dieser Ausfall entschädigt werden.
Wie wird die Höhe der Entschädigung bestimmt?
Die Entschädigung orientiert sich an den tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten, um den Zustand vor dem Schaden wiederherzustellen.
- Grundlage für die Berechnung sind in der Regel konkrete Belege wie Rechnungen für Reparaturen oder Kostenvoranschläge von Fachfirmen.
- Bei der Ermittlung des Werts eines zerstörten Gegenstands (Wiederbeschaffungswert) oder einer Wertminderung kann es notwendig sein, den Wert durch einen Sachverständigen schätzen zu lassen.
- Es werden nur die erforderlichen Kosten erstattet. Das bedeutet, Luxusreparaturen oder unnötig teure Ersatzbeschaffungen werden in der Regel nicht vollständig übernommen.
Was ist noch wichtig zu wissen?
- Nicht jeder Nachteil wird ersetzt: Entschädigt wird in erster Linie der direkte Vermögensschaden an Ihrem Eigentum. Reine Unannehmlichkeiten, Ärger oder seelische Belastungen (Schmerzensgeld) sind im Rahmen dieser Entschädigung normalerweise nicht vorgesehen. Auch sehr entfernte Folgeschäden sind oft nicht abgedeckt.
- Direkter Zusammenhang: Der Schaden muss unmittelbar durch die polizeiliche Maßnahme verursacht worden sein.
- Ihre Verantwortung: Wenn Sie selbst für die Situation, die zum Polizeieinsatz führte, (mit-)verantwortlich waren, kann Ihr Anspruch auf Entschädigung entfallen oder gekürzt werden. Die Entschädigung zielt vor allem auf den Schutz unbeteiligter Dritter.
- Nachweispflicht: Sie müssen in der Regel nachweisen, dass der Schaden durch den Polizeieinsatz entstanden ist und wie hoch dieser Schaden ist. Es ist daher sehr wichtig, Beweise zu sichern: Machen Sie Fotos von den Schäden, heben Sie Rechnungen und Kostenvoranschläge auf und notieren Sie sich mögliche Zeugen.
Wie lange habe ich Zeit, um eine Entschädigung für einen „enteignenden Eingriff“ geltend zu machen?
Wenn Sie durch einen rechtmäßigen staatlichen Eingriff, wie zum Beispiel bestimmte Maßnahmen bei einem Polizeieinsatz, einen Schaden erlitten haben, der einem „enteignenden Eingriff“ gleichkommt, haben Sie einen Anspruch auf Entschädigung. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs gibt es Fristen.
Die Frist, innerhalb derer Sie Ihren Entschädigungsanspruch geltend machen müssen, beträgt in der Regel drei Jahre. Diese Frist nennt sich die regelmäßige Verjährungsfrist und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt.
Wann beginnt diese Frist zu laufen?
Entscheidend ist nicht allein der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (z.B. der Polizeieinsatz). Die dreijährige Frist beginnt erst am Ende des Jahres zu laufen, in dem zwei Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:
- Der Anspruch auf Entschädigung ist entstanden: Das bedeutet, der Eingriff hat stattgefunden und der Schaden ist eingetreten.
- Sie haben Kenntnis von den Umständen erlangt, die Ihren Anspruch begründen, und Sie wissen, wer dafür verantwortlich ist (also welche Behörde oder staatliche Stelle). Oder Sie hätten diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen (wenn es für Sie offensichtlich war oder leicht herauszufinden gewesen wäre).
Beispiel: Die Polizei bricht bei einem Einsatz zur Gefahrenabwehr am 10. März 2023 versehentlich Ihre Tür auf. Sie erfahren noch am selben Tag davon und wissen, dass die Polizei dafür verantwortlich war. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt dann am 31. Dezember 2023 zu laufen und endet am 31. Dezember 2026.
Was bedeutet „Kenntnis der Umstände“?
Für den Beginn der Frist müssen Sie die wesentlichen Tatsachen kennen. Das heißt, Sie müssen wissen:
- Was ist passiert? (z.B. Tür wurde bei Polizeieinsatz beschädigt)
- Wer ist verantwortlich? (z.B. die Polizei des Landes X)
- Welcher Schaden ist Ihnen entstanden? (z.B. Kosten für die Reparatur der Tür)
Sie müssen dabei keine genaue juristische Einschätzung der Lage haben. Es reicht aus, wenn Sie die Tatsachen kennen, die einen Anspruch auf Entschädigung nahelegen.
Gibt es Ausnahmen von der Drei-Jahres-Frist?
Die dreijährige Frist ab Kenntnis ist die wichtigste Regel. Es gibt jedoch auch absolute Höchstfristen, die unabhängig von Ihrer Kenntnis laufen. Diese sind in der Praxis für Ansprüche aus enteignendem Eingriff aber seltener relevant, da die Kenntnis oft schnell vorliegt.
Zudem können bestimmte Ereignisse den Lauf der Verjährungsfrist beeinflussen. Wenn Sie beispielsweise mit der zuständigen Behörde über die Entschädigung verhandeln, kann die Verjährung für die Dauer der Verhandlungen gehemmt sein, also quasi „pausieren.
Es ist wichtig, die Fristen im Auge zu behalten, da Ihr Anspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist möglicherweise nicht mehr durchsetzbar ist.
Muss ich klagen, um eine Entschädigung zu erhalten, oder gibt es auch andere Möglichkeiten?
Nein, eine Klage vor Gericht ist nicht immer der erste oder einzige Schritt, um eine Entschädigung zu erhalten, wenn Ihnen durch einen rechtmäßigen Polizeieinsatz ein Schaden entstanden ist. Es gibt verschiedene Wege, wie Sie versuchen können, Ihren Anspruch geltend zu machen.
Einigung direkt mit der Behörde
Eine häufige Möglichkeit ist, direkt bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Entschädigung zu stellen. Dies ist in der Regel die Behörde, der die handelnden Polizeibeamten angehören (z. B. das Polizeipräsidium oder das zuständige Innenministerium des Bundeslandes).
- Vorteil: Dieser Weg kann schneller und kostengünstiger sein als ein Gerichtsverfahren. Sie schildern den Vorfall und den entstandenen Schaden und bitten um Ausgleich.
- Nachteil: Die Behörde prüft Ihren Antrag und entscheidet darüber. Es gibt keine Garantie, dass Ihrem Antrag stattgegeben wird oder dass die angebotene Summe Ihren Vorstellungen entspricht. Eine Einigung kommt nur zustande, wenn beide Seiten zustimmen.
Alternative Wege zur Streitbeilegung
Wenn eine direkte Einigung mit der Behörde nicht möglich ist, gibt es alternative Verfahren zur Konfliktlösung, die eine Klage vermeiden können:
- Mediation: Hierbei versucht eine neutrale dritte Person (Mediator), zwischen Ihnen und der Behörde zu vermitteln, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Ziel ist eine freiwillige Einigung.
- Vorteil: Das Verfahren ist oft weniger formell und konfrontativ als ein Gerichtsverfahren. Es kann helfen, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
- Nachteil: Beide Seiten müssen freiwillig an der Mediation teilnehmen. Das Ergebnis ist nicht immer rechtlich bindend, es sei denn, es wird eine entsprechende Vereinbarung getroffen.
- Schlichtung: Ähnlich der Mediation hilft hier eine neutrale Schlichtungsstelle, eine Einigung zu erzielen. Manchmal macht die Schlichtungsstelle auch einen konkreten Einigungsvorschlag.
- Vorteil: Kann eine kostengünstige und schnelle Alternative zum Gericht sein.
- Nachteil: Auch hier ist die Teilnahme meist freiwillig, und der Schlichtungsvorschlag ist nicht immer bindend.
Die Klage als Option
Erst wenn Versuche einer außergerichtlichen Einigung scheitern oder von vornherein aussichtslos erscheinen, ist eine Klage vor dem zuständigen Gericht (in der Regel das Verwaltungsgericht) der Weg, um den Entschädigungsanspruch durchzusetzen.
- Vorteil: Das Gericht trifft nach Prüfung des Falls eine verbindliche Entscheidung.
- Nachteil: Ein Gerichtsverfahren kann langwierig und mit Kosten verbunden sein. Der Ausgang ist stets von den Umständen des Einzelfalls und der Beweislage abhängig und daher nicht sicher vorhersagbar.
Die Wahl des richtigen Weges hängt stark von den Details Ihrer Situation ab, beispielsweise von der Höhe des Schadens, der Klarheit der Beweise und der Bereitschaft der Behörde, eine Einigung zu finden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Amtshaftung
Amtshaftung bedeutet, dass der Staat (oder eine andere öffentliche Körperschaft) für Schäden haften muss, die ein Beamter oder Angestellter in Ausübung seines Amtes schuldhaft und rechtswidrig verursacht hat. Die zentrale Norm hierfür ist § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit Artikel 34 des Grundgesetzes (GG). Entscheidend ist, dass eine Amtspflicht verletzt wurde und dies rechtswidrig geschah. Im vorliegenden Fall wurde ein Anspruch aus Amtshaftung abgelehnt, weil das Gericht den Polizeieinsatz als rechtmäßig einstufte – es fehlte also an der Rechtswidrigkeit.
Beispiel: Ein Polizist fährt bei Rot über eine Ampel, ohne dass ein Notfall vorliegt, und verursacht einen Unfall. Hier liegt eine rechtswidrige Amtspflichtverletzung vor, die zur Amtshaftung führen kann.
Präventiv-polizeiliches Handeln (Gefahrenabwehr)
Dies beschreibt Tätigkeiten der Polizei, die darauf abzielen, zukünftige Gefahren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern oder abzuwehren. Es geht also um Vorsorge und Schutz, bevor etwas passiert ist. Das Polizeigesetz NRW (wie auch die Polizeigesetze anderer Länder) enthält spezielle Regelungen für solche Maßnahmen, einschließlich möglicher Entschädigungen (wie in § 67 PolG NRW). Im Fall des OLG Hamm wurde dieser Anspruch verneint, da der Einsatz nicht der Gefahrenabwehr diente.
Beispiel: Die Polizei löst eine Versammlung auf, weil Ausschreitungen drohen, oder sperrt einen Bereich wegen einer Bombenentschärfung.
Repressiv-polizeiliches Handeln (Strafverfolgung)
Im Gegensatz zum präventiven Handeln bezieht sich repressives Handeln auf Maßnahmen der Polizei, die der Aufklärung und Verfolgung bereits begangener Straftaten dienen. Hier agiert die Polizei oft im Auftrag der Staatsanwaltschaft nach den Regeln der Strafprozessordnung (StPO). Im konkreten Fall handelten die Beamten repressiv, als sie zur Strafverfolgung die Tür aufbrachen. Für Schäden bei solchen repressiven Einsätzen sehen die Polizeigesetze oft keine direkte Entschädigung vor, was die Bedeutung anderer Anspruchsgrundlagen wie des enteignenden Eingriffs erhöht.
Beispiel: Die Polizei durchsucht aufgrund eines richterlichen Beschlusses die Wohnung eines Verdächtigen, um Beweismittel für eine Straftat zu finden.
Enteignender Eingriff
Der enteignende Eingriff ist ein Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, das eine Entschädigung für Schäden vorsieht, die durch rechtmäßiges staatliches Handeln verursacht werden. Es greift ein, wenn die staatliche Maßnahme zwar erlaubt ist, aber unbeabsichtigte, schädliche Nebenfolgen für das Eigentum (geschützt durch Art. 14 GG) eines Einzelnen hat, die diesem ein Sonderopfer abverlangen. Im vorliegenden Fall sah das OLG die Voraussetzungen als erfüllt an: Der rechtmäßige Polizeieinsatz (repressiv) führte direkt zur Beschädigung der Tür des unbeteiligten Eigentümers, was ein entschädigungspflichtiges Sonderopfer darstellt.
Beispiel: Bei Bauarbeiten für eine neue U-Bahn-Linie (rechtmäßig) senkt sich das Fundament eines Nachbarhauses und es entstehen Risse. Der Eigentümer kann möglicherweise Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs verlangen.
Sonderopfer
Ein Sonderopfer liegt vor, wenn ein Einzelner durch eine staatliche Maßnahme (auch eine rechtmäßige) unverhältnismäßig stark belastet wird und ihm ein Opfer abverlangt wird, das über das hinausgeht, was jeder Bürger im Interesse der Allgemeinheit normalerweise hinnehmen muss. Es ist eine zentrale Voraussetzung für Entschädigungsansprüche aus enteignendem oder aufopferungsgleichem Eingriff. Im Fall des OLG Hamm musste der Kläger als unbeteiligter Eigentümer die Beschädigung seiner Tür durch einen Polizeieinsatz dulden, der der Strafverfolgung (also dem Allgemeinwohl) diente. Diese spezifische Belastung wertete das Gericht als Sonderopfer, das nicht entschädigungslos hingenommen werden muss.
Abtretung
Die Abtretung (auch Zession genannt) ist ein Rechtsgeschäft, bei dem ein Gläubiger (Zedent) eine ihm zustehende Forderung oder ein Recht an einen neuen Gläubiger (Zessionar) überträgt, geregelt in § 398 ff. BGB. Der Schuldner muss dann an den neuen Gläubiger leisten. Im vorliegenden Fall war der Kläger nur Miteigentümer zur Hälfte; die andere Hälfte gehörte seiner Ehefrau. Damit der Kläger den gesamten Schaden an der Tür einklagen konnte, trat ihm seine Ehefrau ihren hälftigen Entschädigungsanspruch wirksam ab. Das Gericht prüfte und bestätigte die Wirksamkeit dieser Abtretung.
Beispiel: Anna hat bei Ben Schulden (100 Euro). Ben braucht dringend Geld und verkauft seine Forderung gegen Anna für 90 Euro an Clara. Ben tritt die Forderung an Clara ab. Nun muss Anna die 100 Euro an Clara zahlen, nicht mehr an Ben.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Enteignender Eingriff: Ein enteignender Eingriff liegt vor, wenn der Staat in das Eigentum einer Person in einer Weise eingreift, die zwar keine formelle Enteignung darstellt, aber in ihren Auswirkungen einer solchen nahekommt. Dies geschieht, wenn eine staatliche Maßnahme die Nutzung des Eigentums faktisch unmöglich macht oder wesentlich beeinträchtigt, ohne dass es sich um eine rechtmäßige Enteignung im Sinne des Gesetzes handelt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sah den Polizeieinsatz, obwohl rechtmäßig, als einen enteignenden Eingriff in das Eigentum des Klägers an, da dieser in seine Rechte als Eigentümer eingriff und ihm dadurch ein Schaden entstand, für den er entschädigt werden muss.
- § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG (Amtshaftung): Diese Normen regeln die Staatshaftung, also die Haftung des Staates für Schäden, die durch schuldhafte Verletzung einer Amtspflicht durch einen Beamten entstehen. Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn ein Beamter gegen Gesetze oder Vorschriften verstößt, die zum Schutz des Bürgers dienen und ihm dadurch ein Schaden entsteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht lehnte einen Anspruch nach diesen Normen ab, weil es feststellte, dass der Polizeieinsatz rechtmäßig war und somit keine Amtspflichtverletzung vorlag.
- § 398 BGB (Abtretung von Forderungen): Durch eine Abtretung kann ein Gläubiger seine Forderung gegen einen Schuldner auf einen anderen übertragen. Für eine wirksame Abtretung ist eine Vereinbarung zwischen dem alten und dem neuen Gläubiger notwendig, in der die Forderung hinreichend bestimmt bezeichnet wird, damit klar ist, welche Forderung übertragen wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Ehefrau des Klägers hat ihre möglichen eigenen Ansprüche an den Kläger abgetreten, damit dieser die gesamte Forderung im eigenen Namen geltend machen konnte. Das Gericht bestätigte die Wirksamkeit dieser Abtretung.
- § 67 PolG NRW i.V.m. § 39 OBG NRW (Polizeirechtliche Entschädigung): Diese Vorschriften sehen Entschädigungsansprüche vor, wenn polizeiliche Maßnahmen rechtmäßig sind, aber dennoch zu Schäden führen, insbesondere im Bereich der Gefahrenabwehr (präventive Maßnahmen). Sie greifen in der Regel nicht bei Maßnahmen der Strafverfolgung (repressive Maßnahmen) ein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte einen Anspruch nach diesen Normen, da der Polizeieinsatz im Rahmen der Strafverfolgung stattfand und nicht zur präventiven Gefahrenabwehr, weshalb diese Entschädigungsregelungen nicht anwendbar sind.
- Zivilrechtliche Zinsen (§ 288 BGB): Wenn eine Geldschuld nicht rechtzeitig bezahlt wird, können Zinsen auf den ausstehenden Betrag verlangt werden. Der gesetzliche Zinssatz liegt gemäß § 288 BGB derzeit bei 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, sofern keine andere Grundlage für höhere Zinsen besteht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht sprach dem Kläger Zinsen auf den Entschädigungsbetrag zu, um den finanziellen Nachteil auszugleichen, der ihm durch die verzögerte Zahlung entstanden ist.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Personen, deren Eigentum bei einem Polizeieinsatz beschädigt wurde zum Thema Entschädigung für Schäden durch Polizeieinsätze
Ein Polizeieinsatz fand statt, vielleicht sogar bei Ihnen oder in Ihrer Nachbarschaft. Dabei wurde unbeabsichtigt Eigentum beschädigt, zum Beispiel eine Tür eingetreten. Auch wenn der Einsatz selbst berechtigt war, fragen Sie sich vielleicht, wer für den Schaden aufkommt.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Anspruch auch bei rechtmäßigem Einsatz prüfen
Nur weil ein Polizeieinsatz an sich rechtmäßig war (z. B. eine gerechtfertigte Türöffnung), heißt das nicht, dass Sie keinen Anspruch auf Entschädigung für dabei entstandene Schäden haben. Prüfen Sie, ob spezielle Gesetze (wie hier das Polizeigesetz NRW gemäß § 67 PolG NRW) eine Entschädigung auch ohne Verschulden oder Rechtswidrigkeit der Beamten vorsehen.
Tipp 2: Unterschiedliche Anspruchsgrundlagen beachten
Es gibt verschiedene rechtliche Wege, um Entschädigung zu erhalten. Ein Anspruch kann sich aus einer Amtspflichtverletzung ergeben (wenn die Polizei rechtswidrig handelte, § 839 BGB) oder aus speziellen Regelungen für rechtmäßige Eingriffe (wie § 67 PolG NRW). Konzentrieren Sie sich nicht nur darauf, ob der Einsatz rechtswidrig war. Eine Entschädigung ist unter Umständen auch möglich, wenn die Beamten alles richtig gemacht haben, aber dennoch ein Schaden an Ihrem Eigentum entstanden ist.
Tipp 3: Schäden und Einsatz genau dokumentieren
Fotografieren Sie entstandene Schäden (z. B. die beschädigte Tür) sofort und detailliert. Notieren Sie Datum, Uhrzeit und Umstände des Polizeieinsatzes. Wenn möglich, notieren Sie Namen oder Dienstnummern beteiligter Beamter oder Zeugen. Eine gute Dokumentation ist entscheidend, um den Schaden und dessen Ursache später nachweisen zu können.
Tipp 4: Fachkundigen Rechtsrat einholen
Das Staatshaftungsrecht und die Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder sind komplex. Ein Anwalt kann prüfen, welche Anspruchsgrundlage in Ihrem Fall einschlägig ist (Amtspflichtverletzung oder Entschädigung nach Polizeigesetz), die Höhe des Schadens beziffern und Sie bei der Geltendmachung gegenüber der zuständigen Behörde (hier: das Land NRW) unterstützen. Dies gilt insbesondere, da – wie im Beispielfall – Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung scheitern können, aber dennoch ein Entschädigungsanspruch aus anderen Gründen besteht.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Beachten Sie, dass Ansprüche auf Entschädigung oft an bestimmte Fristen gebunden sind. Zögern Sie daher nicht zu lange mit der Geltendmachung oder der Einholung von Rechtsrat. Zudem kann relevant sein, ob Sie selbst Verursacher des Polizeieinsatzes waren oder eine unbeteiligte Person („Nichtstörer“). Die Erfolgsaussichten können je nach Bundesland variieren, da die Polizeigesetze Ländersache sind.
✅ Checkliste: Entschädigung nach Polizeieinsatz
- Ist durch einen Polizeieinsatz ein Schaden an Ihrem Eigentum entstanden?
- Haben Sie den Schaden unmittelbar nach dem Vorfall detailliert dokumentiert (Fotos, Notizen, Zeugen)?
- Ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Polizeieinsatz und Schaden eindeutig?
- Haben Sie geprüft oder prüfen lassen, ob ein Anspruch auch dann bestehen kann, wenn der Polizeieinsatz selbst rechtmäßig war (z.B. nach dem jeweiligen Landes-Polizeigesetz)?
- Haben Sie mögliche Fristen zur Geltendmachung des Anspruchs im Blick?
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: 11 U 56/24 – Urteil vom 20.12.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz