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Postsperre im Insolvenzverfahren bei Pflichtverletzungen

Landgericht Bonn

Az.: 6 T 157/04

Vorinstanz: Amtsgericht Bonn – Az.: 99 IN 397/03


Das LG Bonn hat beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

Gründe:

I.

Der Eröffnungsantrag ist der Schuldnerin am 17.12.2003 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 19.12.2003 (Bl. 25 d.A.) teilte die Schuldnerin dem Amtsgericht mit, die Forderungen des Finanzamtes beruhten auf Bescheiden, gegen die Einspruch eingelegt sei. Diese seien zu hoch. Derzeit würden die erforderlichen Erklärungen beim Steuerberater erarbeitet, könnten voraussichtlich unmittelbar nach der Weihnachtspause abgegeben werden. Die sich ergebende Steuerschuld werde im Wege der Akontozahlung erbracht, sobald die Zahlen des Steuerberaters vorlägen, Nachweise würden unmittelbar dem Gericht eingereicht. Geschehen ist diesbezüglich nach Aktenlage bisher nichts.

Mit Schreiben vom 12.01.2004 teilte das Finanzamt mit (Bl. 32 d.A.), dass die angekündigten Steuererklärungen nicht vorgelegt worden seien.

Mit Schreiben vom 19.02.2004 (Bl. 45 f d.A.) teilte der damalige Sachverständige und jetzige vorläufige Insolvenzverwalter mit, der Kontakt zum Geschäftsführer der Schuldnerin gestalte sich problematisch, eine persönliche Besprechung habe bisher nicht erfolgen können, Aufforderungen an die Schuldnerin vom 22. und 29.01.2004 zur Vereinbarung eines Besprechungstermins und zur Vorlage von Unterlagen seien erfolglos geblieben. Am 6.2.2004 habe sich für die Schuldnerin Rechtsanwalt S gemeldet und mitgeteilt, die Unterlagen befänden sich beim Steuerberater, der mangels Honorarzahlung bisher zur Aufarbeitung nicht bereit sei. Das Ausbleiben des Geschäftsführers sei damit entschuldigt worden, dass er die Kanzlei des Sachverständigen wegen ungünstiger Verkehrsanbindung nicht habe aufsuchen können. Für den 26.2.2004 könne ein Besprechungstermin vereinbart werden.

Mit Schreiben vom 14.04.2004 (Bl. 59 f d.A.) teilte der vorläufige Insolvenzverwalter mit, der Geschäftsführer verweigere die Mitwirkung. Mehrere vereinbarte Besprechungstermine seien nicht eingehalten bezw. kurzfristig abgesagt worden, zuletzt mit der Begründung, die Unterlagen seien vom Steuerberater noch nicht fertiggestellt. Auch weiterhin fehlten die bei der Schuldnerin angeforderten Geschäftsunterlagen und Belege. Am 26.2.04 habe ein längeres Telefonat mit dem Geschäftsführer stattgefunden, aufgrund dessen wenigstens teilweise Ermittlungen hätten erfolgen können. Weiterhin fehlten aber Unterlagen über Forderungen gegenüber Vermittlungskunden, die der Geschäftsführer mit 40-50 TEUR angegeben habe, wie auch Hinweise zum Verbleib nicht mehr vorhandener Bankguthaben fehlten, die der Geschäftsführer mit 13 bzw. 20 TEUR angegeben habe.

Mit Schreiben vom 21.04.2004 (Bl. 71 d.A.) teilte die Schuldnerin dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit, sie sei bemüht, die Unterlagen zusammenzutragen; nach aktuellem Sachstand seien die Unterlagen in den nächsten Tagen fertig, der Geschäftsführer werde sie dann dem vorläufigen Insolvenzverwalter ins Büro bringen.

Mit Schreiben vom 05.05.2004 (Bl. 81 d.A.) teilte der vorläufige Insolvenzverwalter mit, auch weiterhin sei der Geschäftsführer seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe auch keinen Kontakt mit seinem Büro aufgenommen.

Mit weiterem Schreiben vom 19.05.2004 (Bl. 83 d.A.) teilte der vorläufige Insolvenzverwalter mit, auch die für die 20. KW angekündigte Kontaktaufnahme sei nicht erfolgt.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 4, 99, 101 InsO die vorläufige Postsperre angeordnet, um für die Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen der Schuldnerin aufzuklären oder zu verhindern. Dazu hat es ausgeführt, der Geschäftsführer der Schuldnerin verweigere die Mitwirkung, weswegen die Maßnahme wegen des laufenden Geschäftsbetriebes zur Aufklärung des Forderungsbestandes sowie des Verbleibs von Kontoguthaben und zur Verhinderung etwaiger Vermögensverschiebungen und damit zur Sicherung des Schuldnervermögens sofort erforderlich sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Sie macht geltend, wie sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers der Schuldnerin vom 21.04.2004 an den vorläufigen Insolvenzverwalter ergebe, habe der Geschäftsführer seine Mitwirkung nicht verweigert, sondern angeboten. Die zeitliche Verzögerung beruhe auf einem Steuerberaterwechsel. Im Laufe der 20. Kalenderwoche werde sich der Geschäftsführer mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter zur Vereinbarung eines Termins zur Auskunftserteilung in Verbindung setzen. Die Postsperre, die auch Privatpost betreffe, stelle einen erheblichen Eingriff dar. Anhaltspunkte für Vermögensverschiebungen lägen nicht vor. Der neue Steuerberater sei inzwischen im Besitz der Unterlagen und werde sich in der 20. Kalenderwoche unmittelbar mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter zur Vereinbarung eines Termins zur Auskunftserteilung in Verbindung setzen.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27.05.2004 nicht abgeholfen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, seit 5 Monaten sei der Geschäftsführer der Schuldnerin seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, habe die angekündigte Einreichung der fehlenden Steuererklärung nicht vorgenommen und vereinbarte Termine mit dem ursprünglichen Sachverständigen und jetzigen vorläufigen Insolvenzverwalter nicht eingehalten. Auch die für die 20. Kalenderwoche angekündigte Kontaktaufnahme sei unterblieben. Damit sei die zügige Feststellung der Masse gefährdet. Im Hinblick darauf, dass die Schuldnerin nach Auskunft der Gläubigerin bundesweit Immobilienvermittlung betreibe und -wie sich durch die Postsperre ergeben habe- über Immobilienbesitz in C verfüge, sei die angeordnete Postsperre zur weiteren Aufklärung und Verhinderung etwaiger nachteiliger Rechtshandlungen seitens der Schuldnerin erforderlich und verhältnismäßig.

Auf Anfrage hat der vorläufige Insolvenzverwalter heute mitgeteilt, eine Mitwirkung des Geschäftsführers der Schuldnerin sei weiterhin nicht erfolgt.

II.

Die an sich statthafte (§ 99 Abs. 3 Satz 1 InsO) und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Der Einzelrichter schließt sich der Begründung des angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses in vollem Umfang an. Ergänzend ist lediglich auszuführen:

Wie sich aus den dargestellten Abläufen ergibt, lässt die Schuldnerin es an der gebotenen Mitwirkung und Auskunft (§ 97 InsO) geradezu systematisch fehlen. Abgesehen von einer telefonischen Teilauskunft am 26.02.2004 wurden bisher keinerlei Auskünfte erteilt oder Unterlagen vorgelegt. Vereinbarte und angekündigte Kontaktaufnahmen werden nicht eingehalten. Die wiederholt angekündigte Vorlage von Unterlagen unterbleibt mit wechselnden Begründungen, die zueinander in Widerspruch stehen und schon deshalb nicht nachvollziehbar sind. Das bisherige Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin, wodurch der vorläufige Insolvenzverwalter hingehalten und bei der Feststellung der Verhältnisse der Schuldnerin durch unterlassene Mitwirkung und Auskunft behindert wird, rechtfertigt die Annahme, dass es der Schuldnerin darum zu tun ist, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschleiern, und begründet den Verdacht, dass Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Gläubiger zu befürchten sind. Es ist nicht ersichtlich, was den Geschäftsführer der Schuldnerin daran gehindert haben könnte, bisher zu einer persönlichen Besprechung bei dem vorläufigen Insolvenzverwalter zu erscheinen und dort -zumindest- solche Auskünfte zu erteilen, die auch ohne Unterlagen erteilt werden können; insbesondere müsste der Geschäftsführer der Schuldnerin wenigstens grob unterrichtet sein, über welches Vermögen die Schuldnerin verfügt, wenn er -wie im Schreiben vom 21.04.2004 behauptet- geltend machen will, die Schuldnerin sei nicht insolvent. So zeigt denn auch die bisherige Durchführung der Postsperre, dass der vorläufige Insolvenzverwalter auf diesem Wege Kenntnisse über Immobilienbesitz der Schuldnerin in C erlangen und das Erforderliche sodann veranlassen konnte. Dass der Geschäftsführer der Schuldnerin diesen Vermögensgegenstand nicht von sich aus längst angegeben hat -ersichtlich auch nicht in dem Telefonat vom 26.02.2004-, erhärtet den dargestellten Verdacht.

Unter den gegebenen Umständen ist die angeordnete vorläufige Postsperre ein gebotenes und auch verhältnismäßiges Mittel zur Aufklärung und Vermeidung für die Gläubiger nachteiliger Rechtshandlungen der Schuldnerin.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4, 97 Abs. 1 ZPO.

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