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Praktikantenverhältnis vor Ausbildungsvertrag – gesetzeswidrige Probezeitverlängerung?

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 5 Ca 2426/00

Verkündet am 20.02.2001


Urteil

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt dis Klägerin.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 8.093,- festgesetzt

Tatbestand:

Mit der Klage macht die Klägerin Arbeitsvergütung (einschließlich Freizeitausgleich, Entgeltfortzahlung und Urlaubsabgeltung) mit einem Betrag von DM 8.093,– geltend.

Die am 02.08.1983 geborene Klägerin schloss, vertreten durch ihre Eltern, am 04.11.1999 mit der Beklagten einen Praktikantenvertrag ab, der ausweislich des Vertragstextes (vor § 1 des Vertrages) der Vorbereitung auf die Berufsausbildung zur Pferdewirtin – Schwerpunkt Reiten – dienen sollte. Das Praktikum sollte gemäß § 1 des Vertrages vom 01.11.1999 bis 30.04.2000 dauern. Gemäß § 7 des Vertrages war vereinbart, dass die Praktikantin eine monatliche Vergütung von DM 800,– brutto erhält und nach erfolgreichem Ablauf des Praktikums eine Berufsausbildung zur Pferdewirtin – Schwerpunkt Reiten – absolvieren kann. Auf den Praktikantenvertrag vom 04.11.1999, Bl. 6, 7 d.A., wird Bezug genommen.

Vom 05.01. bis 16.01.2000 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 19.01.2000 legte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin einen Aufhebungsvertrag vor, den sie unterschrieb. Insgesamt zahlte die Beklagte der Klägerin für die Dauer des Praktikums vom 0 1.11.1999 bis 19.01.2000 DM 2.100,– brutto.

Die Klägerin hält den Praktikantenvertrag für nichtig im Sinne des § 134 BGB. Aus ihrer Sicht beruht die Nichtigkeit des Vertrages darauf, dass er eine Umgehung der Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes darstelle, da mit einem derartigen Vertrag die Dauer der Ausbildung und die auf höchsten 3 Monate beschränkte Probezeit im Ausbildungsverhältnis verlängert werde.

Die Klägerin behauptet, für die Beklagte in der Zeit vom 01.11.1999 bis 03.01.2000 sowie am 17. und 19.01.2000 (mit Ausnahme des 07.11.1999 – sonntags -, des 19.12.1999 – sonntags -, des 24.12. und 31.12.1999) jeweils deutlich mehr als 8 Stunden gearbeitet zu haben. Wegen der von der Klägerin für die einzelnen Tage behaupteten Stundenzahlen wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, dort Seite 2 bis 4, Bl. 2-4 d.A., sowie auf den von der Klägerin geführten Kalender, in dem der von der Klägerin behauptete Arbeitsbeginn sowie das behauptete Arbeitsende und die Pausenzeiten eingetragen sind, Bl. 40 – 68 d.A., verwiesen.

Die Klägerin behauptet, dass sie während der Dauer ihrer Tätigkeit ständig folgende Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht habe: Boxen misten, Stallgassen kehren, Stroh- und Heu aus der Scheune holen, Stroh in den Boxen aufschütteln, Heu flittern, Pferde putzen, Sand von der Bande weg auf den Hufschlag schaufeln, Bande abkehren und abwaschen, Trensen und Sattel putzen, Reinigung der Sattelkammer, Schnee auf dem Gelände räumen, Salz und Splitt streuen, Pferdetransporter und Pferdeanhänger waschen, Verkaufspferde zur Vorstellung einbandagieren, satteln, trensen und ausflechten, bei Röntgenuntersuchungen assistieren, Pferde für Ausbilderin und Privatpersonen satteln, trensen, ein- und ausbandagieren, Unkraut auf der Reitanlage entfernen, Stroh- und Heuladungen in der Scheune stapeln, Bandagen aufwickeln, Reiterstübchen reinigen, Geschirr spülen, Kaffee kochen für Kaufinteressenten, die Reiterstube mit neu gekauften Möbel einrichten, die dort befindlichen schweren Möbel entfernen, den Hufschmied beim Beschlagen assistieren und Pferdeäpfel in der Reithalle aufsammeln.

Weiter behauptet die Klägerin, dass sie auf einem Turnier in Rumpenheim die Aufgabe gehabt habe, ein bis zwei Pferdetrocken zu reiten, abzusatteln, auszubandagieren und einzubandagieren. Bei diesen Tätigkeiten habe es sich eindeutig um Arbeitsleistungen gehandelt, die von der Klägerin erbracht worden seien (Beweis: Zeugnis C.).

Bei den von der Klägerin benannten Zeugen handelt es sich um die Eltern der Klägerin. Nach Behauptung der Klägerin haben diese sie bisweilen von der Arbeit abgeholt, so dass sie die erbrachten Arbeitsleistungen auch wahrgenommen hätten.

Da nach Auffassung der Klägerin der Praktikantenvertrag vom 04.11.1999 gemäß § 134 BGB nichtig ist und da sie nach ihrer Behauptung die Arbeitsleistung einer ungelernten Pferdepflegerin in einem erheblichen Umfang erbracht hat, die den entsprechenden wirtschaftlichen Wert für die Beklagte gehabt habe, begehrt die Klägerin nunmehr entsprechende Vergütung von der Beklagten.

Dabei legt sie in Anlehnung an die Tarifempfehlungen 1997/1998 der Bundesvereinigung der Berufsreiter im deutschen Reiter- und Fahrerverband e.V., B1. 8 – 11 d.A., die für Pferdepfleger einen monatlichen Bruttolohn zwischen DM 2.400,– und DM 3.300,– vorsehen, einen monatlichen Bruttolohn in Höhe von DM 2.800, – zugrunde.

Davon ausgehend berechnet sie ihre Vergütungsforderung für insgesamt 63 Arbeitstage mit DM 5.786,48 brutto, die Forderung auf Überstundenvergütung für von ihr behauptete 145,4 Überstunden mit DM 2.119,93 brutto, die Forderung auf Abgeltung von 6 Tagen nicht gewährten Freizeitausgleich mit DM 699,97 brutto, den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 05.01. bis 16.01.2000 mit DM 933,33 brutto sowie einen Urlaubsabgeltungsanspruch für 7 Urlaubstage mit DM 653,31 brutto, in der Summe mithin auf DM 10.193,– brutto. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die Klageschrift, dort Seite 4 und 5, Bl. 4, 5 d.A., verwiesen.

Von dem so errechneten Betrag in Höhe von DM 10.193,– brutto bringt die Klägerin die unstreitig von der Beklagten gezahlten DM 2.100,– brutto in Abzug.

Die Klägerin beantragt,.

1. die Beklagte zu verurteilen, DM 8.093,– brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 19.03.2000 an die Klägerin zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte vermag eine Nichtigkeit des Praktikantenvertrages vom 04.11.1999 nicht zu erkennen. Dieser habe der Orientierung dahingehend gedient, ob es sich bei dem Berufswunsch der Klägerin nur um eine vorübergehende jugendliche Schwärmerei für Pferde handele oder ob ein ernsthafter Berufswunsch zur Tätigkeit einer Pferdewirtin vorliege. Bei der gesetzlich vorgesehenen kurzen Probezeit im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses sei eine solche Orientierung oft nicht möglich.

Selbst wenn jedoch der Vertrag vom 04.11.1999 nichtig wäre, vertritt die Beklagte die Auffassung, dass der Klägerin dennoch keine Vergütungsansprüche über die gezahlten DM 2.100,– brutto hinaus zustünden, da der Vertrag nicht als faktisches Arbeitsverhältnis durchgeführt worden sei, sondern als faktisches Praktikantenverhältnis.

Es möge zwar zutreffen, dass die Klägerin gelegentlich die von ihr aufgeführten Arbeiten verrichtet habe. Dabei habe es sich jedoch lediglich um die gelegentliche Verrichtung von Handreichungen unter ständiger Aufsicht und Anweisung gehandelt, die bezüglich ihres Arbeitswertes voll durch die gezahlte Praktikantenvergütung abgegolten worden sei. Die Beklagte behauptet, dass der Klägerin eine kontinuierliche Arbeitsleistung weder abverlangt worden sei noch dass sie eine solche erbracht hätte. Die Beklagte weist darauf hin, dass im Praktikantenvertrag keine feste Arbeitszeit vereinbart worden ist. Die Beklagte behauptet weiter, dass die Anwesenheitszeiten der Klägerin im Reitstall gar nicht registriert worden seien. Wenn die Stallruhe eingekehrt gewesen sei, habe die Klägerin noch ihre Lieblingspferde gestreichelt und habe sich ins Stroh gesetzt, um ihren Gedanken nachzuhängen oder mit den anwesenden Personen Gespräche zu führen. Die Anwesenheitszeiten der Klägerin seien jedoch nicht dafür bestimmt gewesen und seien auch nicht dazu genutzt worden, um eine fortlaufende Arbeitsleistung zu erbringen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als unbegründet abzuweisen, denn die Klägerin ist für die tatsächlichen Voraussetzungen des von ihr geltend gemachten Zahlungsanspruches beweisfällig geblieben.

Zwar ist der Klägerin darin beizupflichten, dass der zwischen den Parteien unter dem 04.11.1999 geschlossene Praktikantenvertrag nichtig ist im Sinne des § 134 BGB, denn mit einem derartigen, dem eigentlichen Ausbildungsvertrag vorgeschalteten Praktikantenvertrag

wird die gesetzlich- zulässige Höchstdauer der Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis, wie im Berufsbildungsgesetz geregelt, verlängert.

Hierin liegt ein Verstoß gegen die zwingende gesetzliche Regelung des § 13 BBiG, wonach die Probezeit höchstens 3 Monate betragen darf.

Voraussetzung für den von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch ist es jedoch, dass das zwischen den Parteien infolge der Nichtigkeit des Praktikantenvertrages bestehende faktische Vertragsverhältnis auch tatsächlich als faktisches Arbeitsverhältnis durchgeführt worden ist und die Klägerin tatsächlich Arbeitsleistungen einer ungelernten Pferdepflegekraft in dem von ihr behaupteten Umfang erbracht hat, so dass die von der Klägerin erbrachte Arbeitsleistung den Umständen nach nur gegen eine hierfür übliche Vergütung zu erwarten war, § 612 BGB.

Hierzu hat die Klägerin zwar substantiiert vorgetragen, in dem sie die von ihr für die einzelnen Tage in der Zeit vom 01.11.1999 bis 19.01.2000 behaupteten Stundenzahlen dargelegt und ergänzend hierzu den von ihr geführten Kalender mit den von ihr behaupteten Arbeitszeiten nach Arbeitsanfang und Arbeitsende sowie Pausenzeiten zu den Akten gereicht hat; ferner hat die Klägerin die Tätigkeiten, die sie in den von ihr behaupteten Arbeitszeiten verrichtet. haben will, mit Schriftsatz vom 26.10.2000 im Einzelnen aufgeführt.

Die Beklagte hat jedoch bestritten, dass die Klägerin überhaupt eine fortlaufende Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat; sie hat behauptet, die Klägerin habe die von ihr aufgeführten Tätigkeiten nur gelegentlich und unter Aufsicht und Anweisung erbracht, eine kontinuierliche Arbeitsleistung sei ihr nicht abverlangt worden, festgelegte Arbeitszeiten habe es nicht gegeben.

Die Klägerin ist als Anspruchstellerin nicht nur darlegungs- sondern auch beweispflichtig für den anspruchsbegründenden Tatsachenvortrag. Die Klägerin ist vorliegend beweisfällig geblieben, denn sie hat sich lediglich auf die Einvernahme ihrer Eltern als Zeugen bezogen mit dem dazu gehörigen Tatsachenvortrag, dass diese sie bisweilen von der Arbeit abgeholt hätten und daher die von der Klägerin erbrachten Arbeitsleistungen auch wahrgenommen hätten.

Hierbei handelt es sich nicht um ein taugliches Beweisangebot für den zu beweisenden Tatsachenvortrag, denn die Vernehmung der Eltern der Klägerin zu der vorstehend aufgeführten Behauptung der Klägerin

hätte sich als unzulässiger Ausforschungsbeweis dargestellt.

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, an welchen Tagen und um wie viel Uhr ihre Eltern sie nach ihrer Behauptung abgeholt haben sollen und welche Tätigkeiten für die Beklagte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ausgeführt haben soll, die von ihren Eltern wahrgenommen werden konnten. Die Vernehmung der Eltern der Klägerin hätte daher noch nicht einmal zu einem Anfangsbeweis führen können, auf dessen Grundlage eine Vernehmung der Klägerin als Partei im Sinne des § 448 ZPO in Betracht gekommen wäre.

Ein weiteres Beweisangebot für die nach ihrer Behauptung für die Beklagte erbrachten Arbeitsleistungen sowie für den behaupteten Umfang der Arbeitsleistungen außer der Vernehmung ihrer Eltern als Zeugen hat die Klägerin nicht abgegeben.

Die Zahlungsklage ist mithin als unbegründet abzuweisen.

Der Antrag der Klägerin auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte für 1999 wurde bei der Entscheidung versehentlich übergangen; insoweit wird den Parteien anheim gestellt, nachträgliche Entscheidung im Sinne des § 321 ZPO zu beantragen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt – soweit entschieden worden ist die Klägerin als unterliegende Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Streitgegenstandes (betreffend die Zahlungsklage) ist gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ZPO im Urteil in Höhe des eingeklagten Betrages festzusetzen.

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