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Preisanpassungsklausel in Vertrag über Lieferung von Fernwärme-  Unwirksamkeit

KG Berlin – Az.: 9 U 19/20 – Urteil vom 29.09.2020

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 31. Januar 2020 Urteil des Landgerichts Berlin – 1 0 90/19 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 4,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel in § 8 Abs. 4 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrages vom 25. September/ 10. Oktober 2009 unwirksam ist.

3. Es wird festgestellt, dass durch das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019 die dort angeführte, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel nicht wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 25. September/ 10. Oktober 2009 einbezogen worden ist.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1), der Kläger 2) und die Beklagte je zu 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 1 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit es den Klageantrag zu 3) betrifft. Wegen der Klageanträge zu 1) und 2) wird die Revision zugelassen, soweit der Senat die Klage insoweit wegen der von ihm angenommenen Wirksamkeit der den Bereitstellungspreis betreffenden Preisanpassungsklausel abgewiesen hat. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten um Preisanpassungsklauseln in einem zwischen ihnen seit 2009 bestehenden Wärmelieferungsvertrag. Die Kläger machen geltend, die Klauseln seien unwirksam. Sie fordern ihre in den Jahren 2015 bis 2018 für die Wärmelieferung gezahlten Beträge zurück, soweit sie auf Preiserhöhungen beruhen. Ferner begehren sie die Feststellung der Unwirksamkeit der ursprünglich vereinbarten und einer von der Beklagten mit Schreiben vom 24. April 2019 für maßgeblich erklärten Preisänderungsklauseln.

Das Landgericht hat den Feststellungsanträgen der Kläger entsprochen; dem Zahlungsantrag ist es auf der Grundlage des niedrigsten Preises gefolgt, der in den drei Jahren vor dem erstmaligen Widerspruch der Kläger nach den Preiserhöhungserklärungen der Beklagten maßgeblich war, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen.

Mit ihren Berufungen verfolgen beide Parteien ihre erstinstanzlichen Prozessziele weiter.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7. August 2020 auf den Berichterstatter zur weiteren Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2020 – 1 0 90/19 – zu verurteilen, an sie weitere 1.779,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragen, die Berufung der Kläger zurückzuweisen und auf ihre Berufung, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Kläger beantragen ferner, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Il.

Die zulässigen Berufungen der Parteien sind in dem aus dem abgeänderten Entscheidungstenor des angefochtenen landgerichtlichen Urteils ersichtlichen Umfang begründet.

1. Von den beiden in § 8 Abs. 4 des zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 25. September/IO. Oktober 2009 enthaltenen Preisanpassungsklauseln, ist, insoweit dem angefochtenen Urteil des Landgerichts folgend, die den Arbeitspreis betreffende unwirksam, während gegen die den Bereitstellungspreis betreffende entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Wirksamkeitsbedenken bestehen. Dementsprechend war dem die Preisanpassungsklauseln aus dem ursprünglichen Wärmelieferungsantrag betreffenden Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2)) (a) und dem hieraus für die Abrechnungen der Jahre 2015 bis 2018 abgeleiteten Zahlungsantrag (Klageantrag zu 1) (b) der Kläger auch nur in diesem Umfang stattzugeben, während die Klage wegen dieser Anträge unter entsprechender teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils im Übrigen abzuweisen war.

a) Der genannte Feststellungsantrag der Kläger ist insgesamt zulässig (aa), aber nur im angeführten Umfang begründet (bb).

aa) Seine Zulässigkeit folgt aus § 256 Abs. 2 ZPO, wie das Landgericht mit zutreffender Begründung festgestellt hat. Er ist mit dem Landgericht dahin auszulegen, dass die Unwirksamkeit beider in der genannten Vertragsbestimmung enthaltenen Preisanpassungsklauseln festgestellt werden soll. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Streit der Parteien um die Wirksamkeit der Preisanpassungsklausel über den Arbeitspreis mit der ebenfalls von den Klägern erhobenen Zahlungsklage erledigt wäre, weil die Beklagte mit Schreiben vom 24. April 2019 hierfür eine neue Preisanpassungsklausel in den Wärmelieferungsvertrag einbeziehen möchte. Denn auch die Wirksamkeit dieser Klausel ist zwischen den Parteien streitig und zu verneinen (vgl. unten 3.), so dass ein Klarstellungsbedürfnis hinsichtlich der Wirksamkeit der ursprünglichen Klausel verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1977 – VI ZR 174/74 -, juris Rn. 17 bis 19).

bb) Der Feststellungsantrag ist begründet, soweit es die in S 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrages zwischen den Parteien vereinbarte Anpassungsklausel zum Arbeitspreis betrifft (1); im Übrigen ist er unbegründet (2).

(1) Die Klausel zum Arbeitspreis genügt den Vorgaben des § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV nicht und ist deswegen gemäß S 134 BGB nichtig. Insoweit kann vollumfänglich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil sowie die Ausführungen in dem dort in Bezug genommenen Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Januar 2019 20 U 146/17 – verwiesen werden, die von der Beklagten mit ihrer Berufung auch nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen werden.

(2) Nicht zu folgen ist dagegen der Annahme des Landgerichts, die in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrages enthaltene Preisanpassungsklausel zu dem Bereitstellungspreis sei ebenfalls unwirksam. Weder das Landgericht noch eine der Parteien vertritt die Auffassung, diese Preisanpassungsklausel genüge als solche nicht den Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV. Das ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere führt die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel zu dem Arbeitspreis nicht etwa dazu, dass die Preisanpassungsklausel zu dem Bereitstellungspreis intransparent oder unangemessen wäre und neben der unwirksamen Preisanpassungsklausel zum Arbeitspreis selbständig keinen Bestand haben könnte. Beide Preisanpassungsklauseln stehen vielmehr in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrages mit eigenständigen Berechnungsformeln zur Anpassung von Arbeits- und Bereitstellungspreis selbständig nebeneinander. Dass beide Preiskomponenten in den in § 8 des Wärmelieferungsvertrages geregelten Wärmepreis einfließen, führt ersichtlich nicht dazu, dass es sich um eine unteilbare einheitliche Regelung handeln würde. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und damit nicht feststellbar, dass sich die Wärmepreisentwicklung, also die Entwicklung des dem Kunden in Rechnung gestellten Gesamtpreises, vorliegend durch die Anpassung des Bereitstellungspreises oder durch seine Gewichtung von den kostenmäßigen Zusammenhängen lösen oder insoweit das von S 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV geforderte angemessene Verhältnis von Markt- und Kostenelementen nicht mehr gewahrt bliebe (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 201 1 -VIII ZR 339/10 juris Rn. 33).

Soweit das Landgericht im Einklang mit dem von ihm auch insoweit in Bezug genommenen Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Januar 2019 (UA S. 5 f. unter l. B. 2. c)) darauf verweist, die Preisanpassungsklausel sei nach oder entsprechend § 139 BGB unwirksam, ist dem nicht zu folgen. Das Landgericht übersieht, dass § 139 BGB mit seiner Regelung, dass ein Rechtsgeschäft insgesamt nichtig ist, wenn einer seiner Teile nichtig ist und nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde, auf die vorliegende Klausel in dem zwischen den Parteien bestehenden Fernwärmevertrag nicht anwendbar ist. Denn es handelt sich insoweit um allgemeine Geschäftsbedingungen, für die S 306 Abs. 1 BGB abweichend von S 139 BGB bestimmt, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleibt, wenn allgemeine Vertragsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die auf ausgehandelte Verträge bezogene Regelung des § 139 BGB nicht passt, wenn die Vertragsbedingungen von einer Partei einseitig festgelegt werden und dem Vertragspartner nur die Wahl bleibt, sich entweder im Ganzen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterwerfen oder sie abzulehnen. Der Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird nicht vom gemeinsamen Parteiwillen gedeckt, so dass auf ihn in den Fällen der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit auch nicht zurückgegriffen werden kann (Roloff/Looschelders in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 306 BGB, Rn. 1). Die Vorschrift ist im Gegensatz zu den 308, 309 BGB auch auf Wärmelieferungsverträge anwendbar (vgl. § 310 Abs. 2 S. 1 BGB) und wird auch nicht von abweichenden Regelungen in der AVBFernwärmeV verdrängt.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts folgt auch nichts anderes aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof gerade in seinem von dem Landgericht mittelbar in Bezug genommenen Urteil vom 13. Juli 201 1 — VIII ZR 339/10 — in einem vergleichbare Preisanpassungsklauseln betreffenden Fall sehr deutlich zwischen den Preisanpassungsklauseln über den Arbeitspreis und den Grundpreis (hier: Bereitstellungspreis) unterschieden und mit keinem Wort auch nur angedeutet, dass die Unwirksamkeit der einen Klausel nach oder entsprechend § 139 BGB zur Unwirksamkeit der anderen hätte führen könne, sondern die Wirksamkeit beider Klauseln getrennt aus sich heraus ge- prüft (BGH, a.a.O., juris Rn. 22 ff. einerseits, juris Rn. 30 ff. andererseits), was sich vor dem Hintergrund des S 306 Abs. 1 BGB auch als richtig erweist.

b) Der von den Klägern wegen der von ihnen angenommenen Unwirksamkeit der Preisanpassungsklauseln in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrages gegen die Beklagte in Höhe von 1.970,77 Euro geltend gemachte Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB für Überzahlungen auf die Wärmelieferungen in den Jahren 2015 bis 2018 steht ihnen nur in Höhe von 4,66 Euro zu; der Zinsanspruch folgt aus 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB.

aa) Weil nur die Preisanpassungsklausel über den Arbeitspreis in S 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrages zwischen den Parteien unwirksam ist, nicht aber die über den Bereitstellungspreis (vgl. zuvor unter a)), besteht hinsichtlich des in den Jahren 2015 bis 2018 von der Beklagten als Teil des Wärmepreises in Rechnung gestellten Bereitstellungspreises kein Rückzahlungsanspruch. Vielmehr ist der Preis in der von der Beklagten auf der Grundlage der Preisanpassungsklausel über den Bereitstellungspreis jeweils in Rechnung gestellten Höhe geschuldet.

bb) Ferner hat die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel über den Arbeitspreis, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, nicht zur Folge, dass der ursprünglich bei Vertragsschluss vereinbarte Arbeitspreis maßgeblich wäre. Nach der von dem Landgericht auch herangezogenen, insoweit rechtsfortbildenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (SS 133, 157 BGB) auf das drei Jahre vor der ersten Beanstandung des Kunden geltende Preisniveau abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15 -, juris Rn. 12 m.w.N.), hier also auf die Preise des Jahres 2015. Insoweit kann wegen aller Einzelheiten auf die Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden.

Anders als das Landgericht dort meint, gilt aber nicht etwa der geringste nach dem maßgeblichen Zeitpunkt (drei Jahre vor der ersten Beanstandung) erreichte Preis für alle Abrechnungen, sondern Preisherabsetzungen sind nur ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, ab dem sie vorgenommen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2016 – VIII ZR 79/15 -, juris Rn. 40). Zutreffend ist nur, dass nachfolgende Preiserhöhungen dann wegen der Unwirksamkeit der den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel nicht mehr zu berücksichtigen sind.

cc) Danach berechnen sich die Fernwärmepreise für die Kläger in den Jahren 2015 bis 2017 so wie sie von der Beklagten in Rechnung gestellt worden sind. Denn die Bereitstellungspreise sind in der abgerechneten Höhe berechtigt, weil sie jeweils von der Beklagten zutreffend aufgrund der Preisanpassungsklausel hierüber angehoben worden waren, und der Arbeitspreis ist in den genannten Jahren von 2015 in Höhe von 0,0836 Euro/kWh, über 0,0833 Euro/kWh in 2016 auf 0,0830 Euro in 2017 gefallen, so dass sich die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel für den Arbeitspreis insoweit entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ausgewirkt hat. Für 2018 war allerdings nur der Arbeitspreis für 2017 (0,0830 Euro/kWh) zugrunde zu legen, weil die Beklagte die Steigerung des Arbeitspreises für das Jahr 2018 aufgrund der unwirksamen Preisanpassungsklausel nicht verlangen konnte. Insoweit ergibt sich für die gelieferten 6.535 kWh ein berechtigter Betrag von netto 542,41 Euro und brutto 645,47 Euro, so dass sich wegen der für 2018 insoweit berechneten und gezahlten 650,13 Euro brutto eine Überzahlung von 4,66 Euro errechnet.

2. Soweit es die von den Klägern sinngemäß mit ihrem nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässigen Klageantrag zu 3) begehrte Feststellung betrifft, dass durch das Schreiben der Beklagten vom 24. April 2019 die dort angeführte, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel nicht wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag vom 25. September/10. Oktober 2009 einbezogen worden ist, hat das Landgericht der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die Kläger haben dieser Vertragsänderung nicht zugestimmt. Dahinstehen kann, ob sie nach S 1 1 Abs. 4 S. 2 des mit der Beklagten bestehenden Wärmelieferungsvertrages hierzu verpflichtet sein könnten dies dürfte allerdings zu verneinen und die Regelung nach § 307 Abs. 1 BGB nichtig sein (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2019 – 6 U 191/17 -, juris Rn. 29) -, da die Beklagte einen solchen Anspruch nicht geltend gemacht hat und die Kläger seine Erfüllung verweigert hätten.

Einseitig konnte die Beklagte die geänderte, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel aber nicht zum Gegenstand des mit den Klägern bestehenden Wärmelieferungsvertrages machen, und zwar auch nicht, nachdem sie diese am 30. April 2019 öffentlich bekannt gemachte hatte. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil sowie auf die von ihm in Bezug genommenen Ausführungen des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. in seinem Urteil vom 21. März 2019 – 6 U 191/17 -, juris Rn. 17 bis 31, die sich auch der Senat vollumfänglich zu eigen macht, verwiesen werden. Danach kommen einseitige Vertragsänderungen des Versorgungsunternehmens insbesondere nicht nach § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV in Betracht. Die Vorschrift erschöpft sich nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung bei den Regelungen zur „Art der Versorgung“ in § 4 AVBFernwärmeV darauf, Änderungen von Allgemeinen Versorgungsbedingungen von deren öffentlicher Bekanntmachung abhängig zu machen. Zudem setzt § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV voraus, dass eine Preisanpassungsklausel vereinbart sein muss, damit – auf ihrer Grundlage und nicht etwa aufgrund von S 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV – einseitige Preisänderungen durch das Versorgungsunternehmen zulässig sind. Das entspricht im Übrigen auch der Auffassung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der in seinem Urteil vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 268/15 – ausgeführt hat, dass Ansprüchen des Versorgers aus einem Fernwärmebezugsvertrag eine geänderte Preisänderungsregelung nur dann zugrunde gelegt werden kann, wenn diese Preisänderungsregelung gemäß 145 ff. BGB durch aufeinander bezogene korrespondierende Willenserklärungen der Parteien (Angebot und Nachfrage) Vertragsbestandteil wurde und – sollte dies der Fall sein – die Preisänderungsregelung auch inhaltlich den Anforderungen des § 24 AVBFernwärmeV gerecht wird (BGH, a.a.O., juris Rn. 57). Zu einer hiervon abweichenden, die einseitige Einführung von Preisänderungsklauseln erlaubenden Rechtsfortbildung besteht auch keinerlei Bedürfnis (a.A. etwa Recknagel in: N&R 2020, 130, 135, entgegen dessen Ansicht eine „planwidrige normative Regelungslücke“ gerade nicht besteht). Das Energieversorgungsunternehmen kann sich, soweit der Vertrag oder § 32 AVBFernwärmeV es zulassen, durch eine Änderungskündigung von ihm lösen, wenn es Anpassungsbedarf sieht. Sollte trotz der rechtsfortbildenden Rechtsprechung zur Ausfüllung der Vertragslücken bei unwirksamen Preisanpassungsklauseln die Bindung an den bestehenden Vertrag eine unzumutbare Härte darstellen, wäre der Vertrag im Übrigen nach S 306 Abs. 3 BGB unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 – VIII ZR 241/15 -, juris Rn. 24 f.). Eine weitergehende Schutzbedürftigkeit der Versorgungsunternehmen ist nicht erkennbar.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf den 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Hinblick auf die teilweise zuzulassende Revision (sogleich 2.) auf den 708 Nr. 10 S. 1, 709 ZPO.

2. Die Revision war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zuzulassen (a); im Übrigen war sie nicht zuzulassen (b); hierbei war die Sache wegen der Entscheidung über die Revisionszulassung nicht auf den Senat zurückzuübertragen (c).

a) Die Revision war wegen der mit den Klageanträgen zu 1) und 2) geltend gemachten Ansprüche nur teilweise (aa), wegen des Klageantrags zu 3) in vollem Umfang zuzulassen.

aa) Soweit es die ersten beiden Klageanträge der Kläger betrifft, war die Revision wegen der Frage zuzulassen, ob die Unwirksamkeit einer den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel gemäß oder entsprechend § 139 ZPO die Unwirksamkeit einer den Grund- oder Bereitstellungspreis betreffenden Preisanpassungsklausel in einem Fernwärmelieferungsvertrag nach sich zieht. Insoweit weicht der Senat unter anderem von dem Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Januar 2019 – 20 U 146/17 – ab, so dass die Zulassung jedenfalls gemäß § 542 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten war. Eine höchstrichterliche Klärung dürfte noch nicht gelungen sein, weil Entscheidungen, die die Rechtsauffassung des Senats nahelegen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Juli 201 1 — VIII ZR 339/10 -, juris Rn. 22 ff.) solche gegenüberstehen, die daran zweifeln lassen könnten (vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. April 201 1 – VIII ZR 66/09 -, juris Rn. 33 ff., wo nicht zwischen den beiden einerseits den Arbeitspreis, andererseits den Grundpreis betreffenden Preisanpassungsklauseln differenziert wird).

bb) Die Revision war ferner wegen der durch den Klageantrag zu 3) der Kläger aufgeworfenen Frage zuzulassen, ob die Beklagte berechtigt ist, in einen Fernwärmelieferungsvertrag einseitig Preisanpassungsklauseln einzufügen. Insoweit war die Revision sowohl wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (S 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) wie auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (S 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zuzulassen. Denn nach den Ausführungen des l. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 23. April 2020 – I ZR 86/19 – soll die Rechtslage insoweit trotz der Ausführungen des VIII. Zivilsenats in seinem Urteil vom 19. Juli 2017 – VIII ZR 268/15 -, juris Rn. 57, nicht eindeutig geklärt sein (BGH, a.a.O., juris Rn. 39; insoweit auch OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2019 – 6 U 190/17 -, juris Rn. 44). Selbst wenn dem nicht zu folgen wäre, ist jedenfalls durch das Urteil des l. Zivilsenats nunmehr ein Klarstellungsbedürfnis für diese Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entstanden.

b) Im Übrigen war die Revision nicht zuzulassen. Das betrifft den Feststellungsantrag der Kläger zu 1), soweit er sich auf die Wirksamkeit der den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel bezieht und soweit mit dem Zahlungsantrag zu 2) Rückzahlungsansprüche hergeleitet werden, die aus der Unwirksamkeit der den Arbeitspreis betreffenden Preisanpassungsklausel folgen. Insoweit bestehen keine Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO. Die sich insoweit stellenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Dies betrifft insbesondere die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Preisanpassungsklausel im Hinblick auf geltend gemachte Bereicherungsansprüche. Deswegen war die Revision wegen dieser abgrenzbaren Teile der von den Klageanträgen zu 1) und 2) umfassten Streitgegenstände nicht zuzulassen.

Diese Beschränkung der Revision ist zulässig, weil der hiervon betroffene Teil des Rechtsstreits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden konnte und auch nach einer möglichen Zurückverweisung der Sache kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten würde. Unerheblich ist insoweit, ob es sich bei dem von der Revisionsbeschränkung erfassten Teil des Streitstoffs um einen eigenen Streitgegenstand handelt und dieser Teil auf der Ebene der Berufungsinstanz teilurteilsfähig wäre (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 — I ZR 73/17 —, juris Rn. 14).

c) Der Senat konnte die Revision durch Einzelrichter zulassen. Eine Rückübertragung auf den Senat nach S 526 Abs. 2 ZPO kam nicht in Betracht, weil keiner der nach § 526 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderlichen Rückübertragungsgründe vorliegt; insbesondere hat sich die Prozesslage nach Übertragung auf den Einzelrichter nicht wesentlich geändert (S 526 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Folge hiervon ist nicht etwa, dass trotz bestehender Zulassungsgründe die Revision nicht zuzulassen wäre, sondern dass der Einzelrichter, dem die Sache von dem Senat zur Entscheidung übertragen worden ist, hierüber zu entscheiden hat (BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 – VIII ZR 286/02 -, juris Rn. 2).

3. Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht veranlasst, soweit es die Frage betrifft, ob an die Stelle einer unwirksamen Preisanpassungsklausel in einem langjährigen Energielieferungsvertrag im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Regelung tritt, wonach der Kunde nur den Preiserhöhungen in den letzten drei Jahren vor seiner ersten Beanstandung der Preisanpassungsklausel entgegentreten kann. Insoweit hat der Bundesgerichtshof im Einzelnen ausgeführt, dass diese von ihm in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsfortbildung mit dem EU-Recht und insbesondere Art 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des EuGH vereinbar ist (BGH, Urteil vom 6. April 2016 – VIII ZR 70/15 -, juris Rn. 30 f.). Dieser Würdigung schließt sich der erkennende Senat an.

 

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