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Reiserecht: Preiserhöhung nach Buchung rechtmäßig?

Landgericht Hannover

Az.: 14 O 2251/00

Verkündet am 16.10.2001


In dem Rechtsstreit hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 28.08.2001 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, die nachfolgende sowie dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug auf Reiseverträge (insbesondere Pauschalreiseverträge) zu verwenden, sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger, nach dem 01.04.1997 abgeschlossener Verträge zu berufen, soweit das nicht gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäftes erfolgt:

„(1) (6.3 Leistungs- und Preisänderungen)

Der Veranstalter behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt.“, sofern die Erhöhung des Reisepreises nicht mehr als 5% beträgt, sofern zwischen dem Zugang der Reisebestätigung beim Kunden und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4 Monate liegen und sofern der Reisende von der nachträglichen Änderung des Reisepreises spätestens 21 Tage vor Reiseantritt in Kenntnis gesetzt wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist auf Grund von Verschmelzungsverträgen Nachfolger des ursprünglich klagenden

Er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22a AGBG eingetragen.

Vorliegend macht er im Rahmen von § 13 AGBG einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend.

Die Beklagte ist ein weltweit tätiger Reiseveranstalter. Sie verwendet in ihren Allgemeinen Reisebedingungen in Ziffer 6.3. folgende Klausel (vgl. BI. 47 d.A.):

„Der Veranstalter behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, sofern zwischen dem Zugang der Reisebestätigung beim Kunden und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4 Monate liegen. Im Falle einer nachträglichen Änderung des Reisepreises oder einer nachträglichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung hat der Veranstalter den Reisenden unverzüglich, spätestens jedoch 21 Tage vor Reiseantritt, davon in Kenntnis zu setzen. Preiserhöhungen nach diesem Zeitpunkt sind nicht zulässig. Bei Preiserhöhungen um mehr als 5% oder im Fall einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung ist der Reisende berechtigt, ohne Gebühren vom Reisevertrag zurückzutreten oder die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen Reise zu verlangen, wenn der Veranstalter in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten. Der Reisende hat diese Rechte unverzüglich nach der Erklärung des Veranstalters über die Preiserhöhung bzw. Änderung der Reiseleistung diesem gegenüber geltend zu machen.“

Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel verstoße hinsichtlich der Formulierung „Der Veranstalter behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt.“ gegen das AGB-Gesetz, insbesondere § 9, soweit die Beklagte innerhalb der 5%igen Erhöhungsgrenze, jedoch außerhalb der 4-Monats- bzw. 21-Tagefrist Mehrkosten an die Kunden meine weitergeben zu können. Die Klausel stehe auch nicht in Einklang mit der Preiserhöhungsmöglichkeit, die § 651 a Abs. 3 BGB vorsehe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,- DM, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, die nachfolgende sowie dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Bezug auf Reiseverträge (insbesondere Pauschalreiseverträge) zu verwenden, sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger, nach dem 01.04.1997 abgeschlossener Verträge zu berufen, soweit das nicht gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgeschäftes erfolgt:

„(1) (6.3 Leistungs- und Preisänderungen)

Der Veranstalter behält sich vor, die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt.“,

wobei sie den Klageantrag mit der Maßgabe stellt, sofern die Erhöhung des Reisepreises nicht mehr als 5% beträgt, sofern zwischen dem Zugang der Reisebestätigung beim Kunden und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4 Monate liegen und sofern der Reisende von der nachträglichen Änderung des Reisepreises spätestens 21 Tage vor Reiseantritt in Kenntnis gesetzt wird.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und ihr zu gestatten, eine von ihr zu erbringende Sicherheitsleitung durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank erbringen zu dürfen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dem Kläger fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger die angegriffene Klausel unvollständig und sinnentstellend wiedergegeben habe. Im übrigen trage die beanstandete Klausel den Anforderungen des § 651a BGB vollständig Rechnung; § 9 AGBG scheide als Kontrollmaßstab insoweit, da subsidiär, aus. Genauere Angaben zur Berechnung des neuen Preises seien nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A.

Der Kläger ist klagebefugt; er ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22a AGBG eingetragen.

Dem Kläger fehlt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Er hat mit dem Schriftsatz vom 2.10.2000 klargestellt, mit welcher Maßgabe der Klageantrag gestellt wird und damit die angegriffene Klausel in den Kontext gestellt, der

den Reisebedingungen der Beklagten entspricht.

B.

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Zwar unterliegen Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nicht, wenn es sich um nur „deklaratorische“ Klauseln handelt, sie also nur Rechtsvorschriften wiedergeben (vgl. Ulmer / Brandner / Hensen, AGB – Gesetz, 9. Auflage, § 8, Rdnr. 30). Jedoch ist im konkreten Fall zu prüfen, ob die Wiedergabe der Rechtsvorschriften in den Geschäftsbedingungen dem Transparenzgebot entspricht, soweit ein nicht zu übergehendes Bedürfnis des Verbrauchers nach weiterer Unterrichtung besteht; insoweit ist eine Kontrolle im Rahmen des § 9 AGBG möglich (vgl. BGH NJW 2001, 2012 -2013-; Ulmer / Brandner / Hensen, AGB – Gesetz, 9. Auflage, § 8, Rdnrn. 20, 32a). So liegt der Fall aber hier:

§ 651 a Abs. 3 BGB gibt nur den Rahmen vor, in dem der Reiseveranstalter überhaupt befugt ist, den Reisepreis zu erhöhen; dabei macht § 651a Abs. 3 BGB aber die ausdrückliche Vorgabe, dass dies „mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises“ im Vertrag vorgesehen sein muss. Ob die Umsetzung von § 651 a Abs. 3 BGB insoweit dieser Vorgabe genügt, kann durchaus im Rahmen von § 9 AGBG geprüft werden, da hier nicht nur der Gesetzeswortlaut in den allgemeinen Geschäftsbedingungen wiedergegeben wird, sondern auch ausdrücklich kraft gesetzgeberischer Vorgabe ein Bedürfnis des Verbrauchers nach weiterer Unterrichtung und konkreter Angabe der Preisänderungsberechnung anerkannt wird. Damit ist die Klausel aber kontrollfähig i.S. des AGBG (vgl. Ulmer / Brandner / Hensen, AGB – Gesetz 9. Auflage, § 8, Rdnr. 16). Den Vorgaben des AGBG i.S. des Transparenzgebotes genügt die angefochtene Klausel aber nicht:

§ 651a Abs- 3 BGB fordert durch die Bestimmung, dass die Preiserhöhung „mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises“ im Vertrag vorgesehen sein muss, dass diese Angaben es dem Reisenden ermöglichen müssen, im Falle einer den Reiseveranstalter treffenden Kostenmehrbelastung nachzuvollziehen, wie sich diese auf den konkreten Reisepreis auswirkt; der entsprechende Kostenfaktor muss in den Pauschalpreis eingegangen sein und die verlangte Erhöhung muss durch den Umfang der Änderung gerechtfertigt sein (vgl. Palandt, BGB, 60. Auflage, § 651 a, Rdnr. 7a).

In der angegriffenen Klausel ist insoweit bestimmt, dass im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, der Reiseveranstalter sich vorbehält, den Reisepreis in dem Umfang zu ändern, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt. Andere Maßstäbe oder Angaben dazu, wie die Erhöhung zu berechnen ist, werden in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht gemacht.

So wird z. B. nicht einmal angegeben, welcher Zeitpunkt für die Kostenerhöhung maßgeblich sein soll. Im Rahmen der im Verfahren nach § 13 AGBG anzusetzenden „kundenfeindlichsten“ Auslegung (vgl. vgl. Ulmer / Brandner / Hensen, AGB – Gesetz 9. Auflage, §.13, Rdnr. 10) ließe sich danach sogar ein Erhöhungsverlangen rechtfertigen, dass Kostenfaktoren betrifft, die sich zwar nach Drucklegung des Kataloges mit seinen Katalogpreisen, aber vor Abschluss des Reisevertrages erhöht haben. Die angegriffene Klausel bezieht sich zwar auf „die ausgeschriebenen und mit der Buchung bestätigten Preise“, sie schreibt aber nicht vor, wann der Zeitpunkt für die Erhöhung der Kostenfaktoren anzusetzen ist; insoweit wird nur verlangt, dass zwischen dem Zugang der Reisebestätigung beim Kunden und dem vereinbarten Reisetermin mehr als 4 Monate liegen müssen, was aber über den Zeitpunkt der Preisberechnung nichts aussagt.

Weiterhin ist die Angabe zum Erhöhungsmaßstab, wie sich deren Erhöhung pro Person bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, ohne konkreten Aussagewert, da nicht erkennbar ist, wie hoch z. B. beim Pauschalreisepreis der Preisanteil ist, der sich auf die Beförderung bezieht. Es wird nicht transparent, wie sich der Anteil der sich erhöhenden Kosten im alten und im neuen Reisepreis darstellt, so dass der Kunde die Frage, ob die Erhöhung durch den Leistungsträger bei den Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren, korrekt in die verlangte Preiserhöhung umgesetzt worden ist, nicht nachvollziehen kann.

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Auch ist die Möglichkeit zur Preiserhöhung bei „Abgaben für bestimmte Leistungen, wie Hafen- oder Flughafengebühren“, allein schon im Hinblick auf die nur beispielhafte Regelung „wie Hafen- oder Flughafengebühren“ nicht hinreichend transparent: Der Gesetzgeber hat zwar in diesem Bereich die Möglichkeit zur Preiserhöhung vorgesehen, für die konkrete Vertragsgestaltung durch die AGB des Reiseveranstalters reicht aber eine nur beispielhafte Aufzählung nicht aus: Hier besteht ein nicht zu übergehendes Bedürfnis des Verbrauchers nach weiterer Unterrichtung dahin, welche Faktoren überhaupt und abschließend eine Erhöhung sollen rechtfertigen können.

Damit ist die angegriffene Klausel in ihrer Gesamtheit wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 9 AGBG unwirksam (vgl. auch Führich, NJW 2000, 3672 – 3675 – sowie die Zweifel an der Regelung in den AGB der Reiseveranstalter bei Ulmer / Brandner / Hensen, AGB – Gesetz 9. Auflage, Anh. §§ 9-11, Rdnr. 586 a.E. sowie den Hinweis bei Ulmer / Brandner / Hensen, AGB – Gesetz 9. Auflage, § 11, Rdnr. 17: Der Verwender schuldet die Festlegung der Einzelheiten, die eine Preiserhöhung rechtfertigen können.).

Die Kammer verkennt nicht, dass die praktische Umsetzung für die Beklagte auch angesichts der Tatsache, dass Kalkulationsgrundlagen zu den Betriebsgeheimnissen gehören können, schwierig sein mag. Dies rechtfertigt jedoch nicht, sie den gesetzgeberischen Anforderungen nicht zu unterwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 709 ZPO.

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