BUNDESGERICHTSHOF
Az.: I ZR 192/06
Urteil vom 08.11.2007
Vorinstanzen:
OLG Hamm, Urteil vom 21.09.2006, Az.: 4 U 86/06
LG Arnsberg, Urteil vom 06.04.2006, Az.: 8 O 10/06
In dem Rechtsstreit hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung
vom 8. November 2007 für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 21. September 2006 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte betreibt Kfz-Reparaturwerkstätten. Sie ließ im „S. Boten“ am 27. September 2005 folgende Werbeanzeige veröffentlichen:
Die Klägerin, ein Wettbewerbsverband, hält die Werbung mit dem angekündigten Preisnachlass für wettbewerbswidrig. Es handele sich um eine unangemessene unsachliche Beeinflussung, da der angesprochene Verkehr davon abgehalten werde, sich mit den Angeboten der Mitbewerber zu befassen. Die Aktion diene vor allem dazu, eine etwaige Selbstbeteiligung im Rahmen einer Kaskoversicherung zu umgehen und dem Kunden auf Kosten des Versicherers einen Vorteil zu verschaffen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren- oder Dienstleistungen des eigenen oder eines fremden Unternehmens anzukündigen,
„Mit dieser Anzeige erhalten Sie bei Hagelschadenreparatur 150,- EUR in BAR* *Kasko-Abwicklung ab 1.000,- EUR Schaden“
und/oder solchermaßen beworbene Aktionen durchzuführen.
Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, der Versicherer werde bei entsprechenden Reparaturen nicht über die Höhe des vom Versicherungsnehmer aufzubringenden Betrags getäuscht. Bei Hagelschäden werde der Reparaturaufwand anders als bei Schäden an der Windschutzscheibe durch einen vom Versicherer beauftragten Sachverständigen begutachtet. Der Versicherer kenne daher die erforderlichen Kosten, die die Beklagte damit nicht überschreiten könne. Außerdem erließen einzelne Versicherer von sich aus die Selbstbeteiligung, wenn ihre Kunden den Hagelschaden bei einer von ihnen vorgeschlagenen Werkstatt beseitigen ließen. Der Wettbewerb werde daher nicht beeinträchtigt, wenn andere Werkstätten den Versicherten eine Barvergütung in Höhe des Selbstbehalts aus ihrem Gewinn bezahlten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamm, Urt. v. 21.9.2006 – 4 U 86/06, juris).
Mit ihrer (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Die Klägerin beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Die Beklagte beteilige sich durch die Werbung und die anschließende Durchführung der Aktion an einem Betrug i.S. des § 263 StGB zu Lasten der Kaskoversicherer. Gemäß § 13 Abs. 5 AKB ersetze der Versicherer die zur Wiederherstellung erforderlichen Kosten. Erforderlich sei der Reparaturaufwand in einer Fachwerkstatt. Wegen des dem Versicherten gewährten Rabatts sei dieser Aufwand aber um 150 € niedriger als nach der Mitteilung gegenüber dem Versicherer. Wenn die Mitteilung korrekt erfolgte, wäre die Leistung des Versicherers entsprechend geringer. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass der Versicherer vor der Reparatur eines Hagelschadens einen Schadensgutachter einschalte. Das Gutachten lege den Reparaturaufwand nicht fest. Wenn die Kosten tatsächlich niedriger als vom Gutachter angenommen seien, schulde der Versicherer nur den geringeren Betrag.
Die Vorschrift des § 263 StGB stelle eine Marktverhaltensregelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dar. Der Versicherer sei hier geschützter Marktteilnehmer, weil er bei der Kaskoversicherung hinsichtlich der Preisgestaltung in die Rolle eines Kunden rücke. Unerheblich sei, dass einzelne Versicherer dadurch in den Wettbewerb eingriffen, dass sie den Erlass einer Selbstbeteiligung anböten, wenn die Reparatur in einer bestimmten Werkstätte durchgeführt werde. Selbst wenn ein solches Verhalten unzulässig wäre, rechtfertigte dies nicht ein betrügerisches Verhalten.
Das versprochene Verhalten selbst sei ebenfalls wettbewerbswidrig.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die streitgegenständliche Werbung im Ergebnis zu Recht als wettbewerbswidrig angesehen.
1.
Die streitgegenständliche Werbung verstößt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 263 StGB. Sie stellt allenfalls eine versuchte Anstiftung zum Betrug dar, die als solche nicht strafbar ist. Der Rechtsbruchtatbestand setzt demgegenüber die Erfüllung aller Merkmale des Tatbestandes der das Marktverhalten regelnden gesetzlichen Vorschrift voraus (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.50; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 81).
2.
Die streitgegenständliche Werbung verstößt aber gegen §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, da sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Verkehrskreise unangemessen unsachlich zu beeinflussen (vgl. auch Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 UWG Rdn. 1.39a).
a) Das Werben mit Preisnachlässen ist nach der Aufhebung des Rabattgesetzes allerdings wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Entsprechende Angebote unterliegen seither nur einer Missbrauchskontrolle. Ein Preisnachlass ist danach u.a. dann wettbewerbswidrig, wenn von der Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgeht, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung auch bei einem verständigen Verbraucher vollständig in den Hintergrund
tritt (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.2003 – I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 = WRP 2003, 1428 – Einkaufsgutschein; Urt. v. 9.6.2004 – I ZR 187/02, GRUR 2004, 960 = WRP 2004, 1359 – 500 DM-Gutschein für Autokauf). Da die Anlockwirkung, die von einer besonders günstigen Preisgestaltung ausgeht, gewollte Folge des Wettbewerbs ist (BGH GRUR 2003, 1057 – Einkaufsgutschein; GRUR 2004, 960 – 500 DM-Gutschein für Autokauf; BGH, Urt. v. 22.9.2005 – I ZR 28/03, GRUR 2006, 161 Tz. 17 = WRP 2006, 69 – Zeitschrift mit Sonnenbrille), kann der Umstand allein, dass mit einem Rabatt geworben wird, die Unlauterkeit nicht begründen.
b) Eine unangemessene unsachliche Beeinflussung kommt aber dann in Betracht, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat. Soweit ein Versicherungsnehmer die Interessen des Versicherers wahrzunehmen hat, kann das Versprechen eines Vorteils zu seinen Gunsten gegen § 4 Nr. 1 UWG verstoßen, wenn der Versicherungsnehmer dadurch veranlasst werden kann, auf das Angebot einzugehen, ohne den Vorteil an den Versicherer weiterzuleiten. Der Streitfall ist insoweit mit den den Senatsentscheidungen „Kleidersack“ (Urt. v. 30.1.2003 – I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003, 886) und „Quersubventionierung von Laborgemeinschaften“ (Urt. v. 21.4.2005 – I ZR 201/02, GRUR 2005, 1059, 1060 = WRP 2005, 1508) zugrunde liegenden Sachverhalten vergleichbar (vgl. auch Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 UWG Rdn. 1.84; Seichter in Ullmann, jurisPK-UWG, § 4 Nr. 1 Rdn. 71; Münch-Komm.UWG/Heermann, § 4 Nr. 1 Rdn. 197 ff.).
aa) Die beanstandete Werbung spricht nach den getroffenen Feststellungen die Halter von Kraftfahrzeugen an, für die eine Kaskoversicherung besteht.
Diese erhalten den Rabatt für den Abschluss eines Vertrags, für dessen Kosten sie selbst nur in Höhe des Selbstbehalts und im Übrigen die Versicherer aufkommen müssen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AKB sind sie gehalten, alles zu tun, was der Minderung des Schadens dienen kann. Dies schließt neben der Verpflichtung, die Kosten für die Reparatur niedrigzuhalten (vgl. dazu Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Auf., § 13 AKB Rdn. 51; Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 2. Aufl., § 13 AKB Rdn. 33), auch ein, dass dem Versicherer gegenüber zutreffende Angaben zu den Kosten der Reparatur gemacht werden. Die nach dem Versicherungsvertrag gebotene objektive Entscheidung wird durch die von der Beklagten versprochene Barvergütung eines Teils des Selbstbehalts beeinträchtigt. Der Kunde hat in der Regel durch die Beauftragung einer günstigeren Werkstatt keine wirtschaftlichen Vorteile.
Demgegenüber profitiert er von dem von der Beklagten versprochenen Rabatt unmittelbar, wenn er bereit ist, diesen seinem Versicherer zu verschweigen.
bb) Das Angebot der Beklagten kann den angesprochenen Verbraucher somit veranlassen, die Beklagte unter Verletzung seiner Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag und gegebenenfalls insbesondere unter Ausschlagung eines gleichwertigen oder günstigeren Angebots eines Mitbewerbers allein deshalb zu beauftragen, weil er den von der Beklagten versprochenen Vorteil erlangen möchte. Von der zugesagten Einsparung in Höhe von 150 € geht, da es sich dabei um einen nicht ganz unerheblichen Betrag handelt, ein hinreichendes Maß an Einflussnahme aus. Zwar wird ein Teil der Marktteilnehmer bei der Schadensabwicklung seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag beachten und daher den ihm von der Beklagten in Aussicht gestellten Vorteil an den Versicherer weiterleiten. Nach der Lebenserfahrung besteht jedoch bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die Bereitschaft, die Interessen der Versicherer im Blick auf den eigenen Vorteil nicht hinreichend zu wahren.
cc) Eine andere Beurteilung wäre allerdings dann geboten, wenn die Beklagte nur an Kunden von Versicherern heranträte, die über die Art der Abrechnung informiert und mit ihr einverstanden wären. In solchen Fällen wird der Kunde nicht unangemessen unsachlich beeinflusst, da er aufgrund des Einverständnisses des Versicherers nicht dessen Interessen zuwiderhandelt (vgl. auch BGH, Urt. v. 8.11.2007 – I ZR 121/06, unter II 2 b der Entscheidungsgründe). Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen.
Die Revision erhebt in dieser Hinsicht auch keine Rügen.
3.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Ankündigung der Aktion in dem vom Berufungsgericht zugesprochenen Umfang gegeben. Das Verbot erfasst allein die Fälle, in denen der Rabatt beliebigen Kunden versprochen wird, die bei unterschiedlichen Versicherern versichert sind.
III.
Danach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.