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Private Unfallversicherung – unfallbedingte Versteifung eines Beines

OLG Frankfurt, Az.: 7 U 81/18, Urteil vom 03.04.2019

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom 8.5.2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.

Gründe

I)

private Unfallversicherung - unfallbedingte Versteifung eines Beines  OLG Frankfurt  Az.: 7 U 81/18  Urteil vom 03.04.2019     Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt/M. vom 8.5.2018 wird zurückgewiesen.  Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.  Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.  Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.  Gründe  I)  Der Kläger begehrt die Zahlung einer weiteren Invaliditätsleistung von der Beklagten.  Der Kläger unterhält bei der Beklagten zwei Unfallversicherungen. Die Invaliditätssumme beträgt jeweils 30.000,- Euro nebst Progressionsstaffel (Progression 400). Es gelten die Signal Iduna AB UBR 2006 (im Folgenden: AB UBR), auf deren Inhalt (Bl. 12 ff d.A.) Bezug genommen wird.  Der Kläger erlitt am 28.3.2015 in seiner Werkstatt einen Unfall, bei dem er sich einen offenen Bruch im Bereich des linken Unterschenkels (Schien- und Wadenbein) mit Gelenkbeteiligung zuzog. Der Heilungsverlauf gestaltete sich schwierig. Es entstanden Fehlstellungen und es traten Infektionen auf. Der Kläger musste sich einer Vielzahl von operativen Eingriffen unterziehen.  Der Kläger meldete den Unfall bei der Beklagten, die im Rahmen der Leistungsprüfung ein Gutachten von Dr. Braun-Hellwig vom Institut für unfallmedizinische Begutachtung einholte. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 22.9.2016 (Bl. 58 ff d.A.) zu dem Ergebnis, dass eine unfallbedingte dauerhafte Gebrauchsbeeinträchtigung des linken Beines von 9/20 Beinwert vorliege.  Die Beklagte zahlte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 26.700,- Euro an den Kläger gemäß Abrechnungsschreiben vom 24.10.2016, wobei sie sich eine Neubemessung vorbehielt. Mit Anwaltsschreiben vom 15.12.2016 trat der Kläger dem entgegen unter Hinweis darauf, dass – insbesondere unter Berücksichtigung der Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks des linken Beines – seine starke Gehbehinderung nicht ausreichend berücksichtigt sei. Außerdem sei die Beeinträchtigung des rechten Beines unberücksichtigt geblieben, die dadurch entstanden sei, dass durch die Entnahme von Knochenmaterial aus dem vorderen Beckenkamm sich Narben gebildet hätten, welche das Gehen behinderten. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Progressionsstaffel errechne sich daher ein Gesamtinvaliditätsgrad von 91 %, so dass weitere 27.900,- Euro zu zahlen seien.  Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 9.1.2017 mit, dass sie zu einer weiteren Begutachtung des linken Beines bereit sei; hinsichtlich der Beeinträchtigung am rechten Bein wies sie auf die Fristen nach Ziffer 2.1.1.1 der vereinbarten Bedingungen hin und führte weiter aus, dass Funktionsbeeinträchtigungen insoweit bisher weder geltend gemacht noch ärztlich nachgewiesen seien. Sie stellte dem Kläger jedoch anheim, eine entsprechende fristgerechte ärztliche Feststellung nachzureichen.  Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Zahlung weiterer 27.900,- Euro sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, weitere über den mit dem Klageantrag Ziffer 1) geltend gemachten Betrag hinausgehende Invaliditätsleistungen zu erbringen. Darüber hinaus hat der Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht.  Der Kläger hat die Auffassung vertreten, allein wegen der Versteifung des unteren und oberen Sprunggelenks sei für das linke Bein ein Invaliditätsgrad von mindestens 40 % anzusetzen, wie der Bundesgerichtshof - abgedruckt in VersR 2001, 360 - in einem vergleichbaren Fall entschieden habe. Ihm (dem Kläger) sei ein Gehen mit "normaler" Geschwindigkeit nicht mehr möglich. Da die Möglichkeit bestehe, dass wegen der weiteren Beeinträchtigungen ein noch höherer Invaliditätsgrad in Betracht komme, sei auch der Feststellungsantrag gerechtfertigt.  Bezüglich des rechten Beines sei 1/10 Beinwert anzusetzen in Hinblick auf die - unstreitig erfolgte - Spongiosaplastik und den zur Defektdeckung durchgeführten Musculus gracilis-Lappen. Aufgrund der hierdurch entstandenen Narben und Spannungen werde das Gehen beeinträchtigt. Auch insoweit komme ein höherer Invaliditätsgrad als 7 % in Betracht, der Gegenstand des Feststellungsantrags sei.  Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass der Feststellungsantrag unzulässig sei.  Darüber hinaus habe sie – wie angekündigt - eine Neubemessung der Invalidität in Auftrag gegeben, die allerdings zum gleichen Ergebnis geführt habe (Beweis: Gutachten Dr. Kemmerer, BGU Ffm. vom 16.3.2017, Bl. 144 ff d.A.).  Bezüglich der für das rechte Bein begehrten Invaliditätsentschädigung hat die Beklagte eingewendet, dass es an der erforderlichen fristgerechten ärztlichen Feststellung eines Dauerschadens fehle. Auf die bedingungsgemäß einzuhaltenden Fristen sei der Kläger vorprozessual mehrfach hingewiesen worden.  Soweit der Kläger bezüglich des linken Beines einen höheren Invaliditätsgrad ansetze, könne er sich insoweit nicht auf die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs berufen, da diese eine abweichende Gliedertaxe (Fuß im Fußgelenk) betreffe. Vorliegend sei die "Gelenk-Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs nicht anwendbar. Eine unfallbedingte Versteifung des unteren Sprunggelenks sei zu bestreiten. Darüber hinaus sei von einer Mitwirkung des beim Kläger bestehenden Diabetes an der Wundheilungsstörung (Osteomyelitis) auszugehen.  Hinsichtlich der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich hierauf nicht berufen, da sie selbst eine Neubemessung in Auftrag gegeben habe und der Dauerschaden sich aus dem von Dr. Braun-Hellwig erhobenen Befund ergebe.  Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Dr. Kunz gelangte in seinem Gutachten vom 20.9.2017, auf dessen Inhalt (Bl. 183 ff d.A.) Bezug genommen wird, zu dem Ergebnis, dass auf unfallchirurgischem Fachgebiet die Unfallfolgen mit ½ Beinwert einzuschätzen seien. Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen (Diabetes) hat er verneint.  Auf Antrag des Klägers hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 8.5.2018 sein Gutachten erläutert; auf das Protokoll vom 8.5.2018 (Bl. 246 ff d.A.) wird Bezug genommen.  Durch Urteil vom 8.5.2018 – auf dessen Inhalt (Bl. 223 ff d.A.) wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird – hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 6.300,- Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.  Den Feststellungsantrag hat es als unzulässig angesehen und im Übrigen zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - auf der Grundlage des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. Kunz - ein Invaliditätsgrad von 35 % (1/2 Beinwert) feststehe, so dass unter Berücksichtigung der Progression pro Vertrag weitere 3.150,- Euro nebst Zinsen zu zahlen seien. Hinsichtlich der für das rechte Bein begehrten Leistung fehle es an der erforderlichen ärztlichen Feststellung. Mangels Verzug seien die vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht ersatzfähig.  Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit welcher er seine erstinstanzlichen Anträge – abzüglich der zugesprochenen 6.300,- Euro - weiterverfolgt.  Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Bemessung der Invalidität für das linke Bein sei fehlerhaft. Bei ihm (dem Kläger) sei eine weitergehende Invalidität verblieben, die mindestens mit 40 % zu bemessen sei. Die Invalidität nach Fußwert allein betrage 40 %; insofern könne die nach Beinwert nicht nur 35 % betragen. Hinzu komme die Invalidität am rechten Bein, für die weitere 7 % in Ansatz zu bringen seien. Da die Beklagte selbst ein Gutachten eingeholt und abgerechnet habe, könne sie sich auf die Frist zur ärztlichen Feststellung nicht mehr berufen. Im Übrigen habe sich aus den Befunden zwingend ein Dauerschaden ergeben.  Der Kläger beantragt:  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 21.600,- Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 6.1.2017 zu zahlen.  2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, weitere Invaliditätsleistungen über den mit dem Klageantrag zu 1. Geltend gemachten Betrag hinaus zu erbringen.  3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Allrecht-Schadensservice RRS Rechtsschutz-Service GmbH auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 1.324,89 Euro sowie an den Kläger 150,- Euro über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.  Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.  Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Dieses beruhe weder auf fehlerhafter Tatsachenfeststellung noch auf fehlerhafter Rechtsanwendung; auf die Berufungserwiderung vom 13.7.2018 (Bl. 288 ff d.A.) wird Bezug genommen.  II)  Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.  Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger einen Anspruch auf weitere Invaliditätsleistungen aufgrund des durch den Unfall vom 28.3.2015 eingetretenen Dauerschadens gegenüber der Beklagten nur in Höhe von 6.300,- Euro nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. An der Richtigkeit und Vollständigkeit der seitens des Landgerichts getroffenen Feststellungen bestehen - entgegen der Auffassung des Klägers - keine Zweifel, so dass der Senat hieran gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).  Soweit der Kläger neben dem Zahlungsantrag auch seinen Feststellungsantrag weiter verfolgt, ist die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.  Nach den vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung ist gemäß 2.1.1 AB UBR Voraussetzung der Invaliditätsleistung, dass die versicherte Person einen Unfall erlitten hat und unfallbedingt auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität). Die Invalidität muss innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und in gleicher Frist bei der Beklagten geltend gemacht worden sein.  Dass der Kläger einen Unfall erlitten hat und sich hierbei einen offenen Bruch im Bereich des linken Unterschenkels zugezogen hat, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass insoweit am linken Bein ein unfallbedingter Dauerschaden eingetreten ist und diesbezüglich die Fristen nach den AB UBR eingehalten sind. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über die Höhe des Invaliditätsgrades, wobei die Feststellungen des Sachverständigen zu Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen vom Kläger – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt – ebenfalls nicht angegriffen werden.  Auf dieser Grundlage ist der Sachverständige Dr. Kunz nachvollziehbar und überzeugend zu einem Invaliditätsgrad von 35 % in Bezug auf den am linken Bein eingetretenen Dauerschaden gelangt, so dass sich rechnerisch - unter Berücksichtigung der Progression - ein Anspruch von jeweils 16.500, Euro ergab. Von dem Gesamtbetrag von 33.000,- Euro aus beiden Unfallversicherungen standen danach noch weitere 6.300,- Euro offen, welche das Landgericht nebst Zinsen zugesprochen hat.  Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen handelt es sich um einen Zustand nach offenem Schienbeinbruch mit Wadenbeinbruch. Wie der Sachverständige dargelegt hat, ist aufgrund aufgetretener Komplikationen eine Versteifungsoperation des oberen und unteren Sprunggelenkes vorgenommen worden, die zu einer Fehlstellung – nämlich einer varischen (nach innen gekrümmten) Verkippung - des körperfernen Schienbeines um 20 ° geführt hat. Des Weiteren ist hierdurch eine Beinverkürzung von 3 cm eingetreten. Es besteht zudem eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit im Mittel- und Vorfuß sowie der Zehen und eine Schwellneigung nebst Sensibilitätsstörungen des linken Unterschenkels. Der Kläger muss einen Unterschenkelkompressionsstrumpf sowie orthopädisches Schuhwerk tragen. Im Bereich der Spongiosaplastik und der erfolgten Spalthautabdeckung hat eine Osteomyelitis stattgehabt, die derzeit allerdings nicht aktiv ist.  Diese unfallbedingten Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers hat der Sachverständige überzeugend mit einem Invaliditätsgrad von 35 % bewertet.  Wie der Sachverständige dargelegt hat, hat er hierbei aus medizinischer Sicht insbesondere berücksichtigt, dass der linke Fuß des Klägers – aufgrund des schräg sitzenden Nagels - nicht in anatomischer Form versteift wurde und sich hieraus in Zukunft weitere Beeinträchtigungen durch vorzeitigen Verschleiß ergeben werden. Insbesondere mit dieser Varus-Fehlstellung des Fußes mit Einwärtsdrehung hat der Sachverständige Dr. Kunz nachvollziehbar die diskrete Erhöhung des Invaliditätsgrades auf 35 % im Vergleich zum Ergebnis der Privatgutachter der Beklagten begründet, die zu einem Invaliditätsgrad von 31,5 % (9/20 Beinwert) gelangt waren. Wie er weiter ausgeführt hat, sind im Übrigen die Ausführungen - insbesondere von Dr. Kemmerer von der BGU Unfallklinik, der im Rahmen der Neubemessung am 16.3.2017 sein Gutachten erstattete – nicht zu beanstanden und stimmen mit seinen Feststellungen überein.  Der in Ansatz gebrachte Invaliditätsgrad ist auch der Höhe nach überzeugend.     Der Sachverständige hat sich bei Bemessung des Invaliditätsgrades daran orientiert, dass nach der in 2.1.2.2.1 AB UBR vereinbarten Gliedertaxe für ein "Bein bis zur Mitte des Unterschenkels" – also für den kompletten Verlust des Fußes sowie des halben Unterschenkels - ein Invaliditätsgrad von 45 % vorgesehen ist. Vorliegend ist aber – wie der Sachverständige dargelegt hat - nur die Abrollfunktion im Vorfußbereich beeinträchtigt; zusätzlich ist die Schrägstellung des Fußes, der nicht in anatomischer Form versteift worden ist, zu berücksichtigen. Angesichts der erheblichen Bewegungseinschränkungen, die mit einem hinkenden Gangbild verbunden sind, einen Einbeinstand nicht mehr zulassen und dem Kläger Probleme beim Aufrichten aus der Hocke bereiten, ist der Ansatz eines Invaliditätsgrades von 35 % im Vergleich zu dem für den Totalverlust des Beines bis zur Mitte des Unterschenkels vorgesehenen Invaliditätsgrad von 45 % in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Sachverständige dargetan, dass er sich bei dem in seinem schriftlichen Gutachten in Ansatz gebrachten halben Beinwert (1/2 von 70 %) genau von diesem Maßstab hat leiten lassen.  Ob die Bewertung des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten im Ausgangspunkt zutreffend war, da er vom "kompletten" Beinwert (70 %) nach der Gliedertaxe ausgegangen ist, kann dahingestellt bleiben. Der Beinwert von 70 % ist für den Verlust oder die völlige Funktionsunfähigkeit des Beines "über der Mitte des Oberschenkels" vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 2001, 360; VersR 2012, 351) kommt es aber auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung an. Ausstrahlungen auf das rumpfnähere Restglied sind bereits in den Prozentzahlen für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren Gliedes enthalten. Nur wenn eine eigenständige Funktionsbeeinträchtigung des rumpfnäheren Gliedes oder Gliedteils vorliegt, hat die Bemessung auf der Grundlage des hierfür nach der Gliedertaxe vorgesehenen Wertes zu erfolgen (vgl. auch Jacob, AUB 2010, Ziffer 2.1, Rz. 19 zur Frage der Differenzierung zwischen unmittelbarer Verletzungsfolge und der draus resultierenden Funktionsstörung). Danach ist vorliegend der Wert "Bein bis zur Mitte des Unterschenkels" nach der Gliedertaxe einschlägig, zumal auch die Beinverkürzung auf jener Versteifungsoperation der Sprunggelenke beruht und der Dauerschaden nach den Befunden insgesamt auf dem sprunggelenksnah eingetretenen Trümmerbruch und dessen Folgen beruht. Wie bereits dargelegt, hat der Sachverständige bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens gerade auf den nach der Gliedertaxe vorgesehenen Wert für ein Bein bis zur Mitte des Unterschenkels als Bezugspunkt der Bewertung abgestellt, so dass sichergestellt ist, dass im Ergebnis unabhängig vom Ausgangspunkt (voller Beinwert von 70 % oder nur ein solcher von 45 %) sich letztlich derselbe Invaliditätsgrad ergibt.  Soweit der Kläger sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.1.2001 (abgedruckt in VersR 2001, 360) ebenfalls ein versteiftes Fußgelenk betreffend bezieht, verkennt er, dass dieser Entscheidung eine abweichend formulierte Gliedertaxe zugrunde liegt. Dort waren für einen Fuß im Fußgelenk 40 % vorgesehen. Wie der Bundesgerichtshof, a.a.O., ausführt, steht der Invaliditätsgrad von 40 % unverrückbar fest, wenn der Fuß im Fußgelenk durch einen Unfall verloren geht oder der Fuß im Fußgelenk wegen eines unfallbedingten Dauerschadens vollständig funktionsunfähig geworden ist. Dass der Fuß im letzten Fall immerhin noch vorhanden ist, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Fuß an sich noch Restfunktionen aufweist, da der Bundesgerichtshof entscheidend auf die Formulierung Fuß im Fußgelenk abstellt. Diese sog. "Gelenk-Rechtsprechung" ist auf die vorliegend vereinbarte Gliedertaxe in keiner Weise übertragbar.     Bei der Bemessung des Invaliditätsgrades war auf den Zustand bei Ablauf der Dreijahresfrist abzustellen, da der Kläger bereits vor Ablauf der Neubemessungsfrist Klage erhoben hat und die Beklagte sich eine Neubemessung vorbehalten hatte. Letztlich kommt der Frage nach Geltung der 15-Monats- oder Dreijahresfrist vorliegend keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, da bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Braun-Hellwig (22.9.2016) ein Endzustand eingetreten war. Bereits zu diesem Zeitpunkt lagen die gleichen Beeinträchtigungen vor, die auch der Sachverständige bei seiner Untersuchung am 31.8.2017 festgestellt hat. Insgesamt hat danach der Sachverständige den Invaliditätsgrad in Bezug auf das linke Bein des Klägers zutreffend mit 35 % ermittelt.  Soweit der Kläger zusätzlich eine Invaliditätsleistung für das rechte Bein begehrt hat, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht einen solchen Anspruch verneint. Zwar stellt die im Rahmen der Spongiosaplastik vorgenommene Spalthautdeckung mittels aus dem rechten Oberschenkel entstammender Muskellappenplastik eine unfallbedingte Behandlungsmaßnahme dar, so dass ein hierdurch eingetretener Dauerschaden grundsätzlich zu berücksichtigen sein dürfte. Es handelt sich insofern nicht um einen weiteren unfallbedingten (Erstkörper-) Schaden an einem anderen Körperglied (rechtes Bein), sondern eine Folge der plastischen Versorgung des unfallgeschädigten linken Beines nach aufgetretener Entzündung, so dass ein Invaliditätsanspruch nicht bereits wegen Fehlens einer fristgerechten ärztlichen Feststellung von vorneherein ausscheidet (vgl. hierzu auch Jacob, a.a.O., Ziffer 2.1 Rz. 7). Derartige Schäden dürften zu berücksichtigen sein, sofern (auf Dauer) die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und die Beeinträchtigung zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bemessung der Invalidität vorlag.  Vorliegend fehlt es jedoch nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen am Eintritt eines die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Dauerschadens. Wie der Sachverständige Dr. Kunz in seinem schriftlichen Gutachten auf Seite 5 ausgeführt hat, befinden sich am rechten Oberschenkel zwar Narben von 20 cm sowie von 3 cm und knapp 10 cm Länge. Insgesamt ist das rechte Bein jedoch – von der Hüfte über das Kniegelenk bis zu den Sprunggelenken und dem Vorfuß nebst Zehen - regelrecht und ohne funktionelle Einschränkungen. Es werden lediglich subjektiv diffuse Druckdolenzen seitens des Klägers angegeben, die sich in der Zusammenfassung der festgestellten Unfallfolgen im Gutachten des Sachverständigen aber nicht wieder finden. Auch der weitere Privatgutachter der Beklagten - Dr. Kemmerer - hat in seinem Gutachten vom 16.3.2017 festgestellt, dass sämtliche Gang- und Standprüfungen rechts ohne jegliche Einschränkungen sind; ebenso Fußrücken und –sohle rechts. Aus dem Gutachten von Dr. Braun-Hellwig ergab sich nur der Befund reizloser Narbenverhältnisse. Die seitens des Klägers ohnehin nur pauschal und ohne jegliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Kunz in der Berufung stereotyp wiederholte Behauptung einer Behinderung beim Gehen (rechts) durch Narben und Spannungen liegt danach nicht vor.  Den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten hat das Landgericht zu Recht verneint. Zum Zeitpunkt der Mandatserteilung war noch kein Verzug eingetreten. Eine endgültige Ablehnung weiterer Zahlungen war nicht erfolgt; die Beklagte hatte sich die Neubemessung vorbehalten.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.  Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.  Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 II ZPO nicht gegeben sind.
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Der Kläger begehrt die Zahlung einer weiteren Invaliditätsleistung von der Beklagten.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten zwei Unfallversicherungen. Die Invaliditätssumme beträgt jeweils 30.000,- Euro nebst Progressionsstaffel (Progression 400). Es gelten die Signal Iduna AB UBR 2006 (im Folgenden: AB UBR), auf deren Inhalt (Bl. 12 ff d.A.) Bezug genommen wird.

Der Kläger erlitt am 28.3.2015 in seiner Werkstatt einen Unfall, bei dem er sich einen offenen Bruch im Bereich des linken Unterschenkels (Schien- und Wadenbein) mit Gelenkbeteiligung zuzog. Der Heilungsverlauf gestaltete sich schwierig. Es entstanden Fehlstellungen und es traten Infektionen auf. Der Kläger musste sich einer Vielzahl von operativen Eingriffen unterziehen.

Der Kläger meldete den Unfall bei der Beklagten, die im Rahmen der Leistungsprüfung ein Gutachten von Dr. Braun-Hellwig vom Institut für unfallmedizinische Begutachtung einholte. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 22.9.2016 (Bl. 58 ff d.A.) zu dem Ergebnis, dass eine unfallbedingte dauerhafte Gebrauchsbeeinträchtigung des linken Beines von 9/20 Beinwert vorliege.

Die Beklagte zahlte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 26.700,- Euro an den Kläger gemäß Abrechnungsschreiben vom 24.10.2016, wobei sie sich eine Neubemessung vorbehielt. Mit Anwaltsschreiben vom 15.12.2016 trat der Kläger dem entgegen unter Hinweis darauf, dass – insbesondere unter Berücksichtigung der Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks des linken Beines – seine starke Gehbehinderung nicht ausreichend berücksichtigt sei. Außerdem sei die Beeinträchtigung des rechten Beines unberücksichtigt geblieben, die dadurch entstanden sei, dass durch die Entnahme von Knochenmaterial aus dem vorderen Beckenkamm sich Narben gebildet hätten, welche das Gehen behinderten. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Progressionsstaffel errechne sich daher ein Gesamtinvaliditätsgrad von 91 %, so dass weitere 27.900,- Euro zu zahlen seien.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 9.1.2017 mit, dass sie zu einer weiteren Begutachtung des linken Beines bereit sei; hinsichtlich der Beeinträchtigung am rechten Bein wies sie auf die Fristen nach Ziffer 2.1.1.1 der vereinbarten Bedingungen hin und führte weiter aus, dass Funktionsbeeinträchtigungen insoweit bisher weder geltend gemacht noch ärztlich nachgewiesen seien. Sie stellte dem Kläger jedoch anheim, eine entsprechende fristgerechte ärztliche Feststellung nachzureichen.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Zahlung weiterer 27.900,- Euro sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, weitere über den mit dem Klageantrag Ziffer 1) geltend gemachten Betrag hinausgehende Invaliditätsleistungen zu erbringen. Darüber hinaus hat der Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, allein wegen der Versteifung des unteren und oberen Sprunggelenks sei für das linke Bein ein Invaliditätsgrad von mindestens 40 % anzusetzen, wie der Bundesgerichtshof – abgedruckt in VersR 2001, 360 – in einem vergleichbaren Fall entschieden habe. Ihm (dem Kläger) sei ein Gehen mit „normaler“ Geschwindigkeit nicht mehr möglich. Da die Möglichkeit bestehe, dass wegen der weiteren Beeinträchtigungen ein noch höherer Invaliditätsgrad in Betracht komme, sei auch der Feststellungsantrag gerechtfertigt.

Bezüglich des rechten Beines sei 1/10 Beinwert anzusetzen in Hinblick auf die – unstreitig erfolgte – Spongiosaplastik und den zur Defektdeckung durchgeführten Musculus gracilis-Lappen. Aufgrund der hierdurch entstandenen Narben und Spannungen werde das Gehen beeinträchtigt. Auch insoweit komme ein höherer Invaliditätsgrad als 7 % in Betracht, der Gegenstand des Feststellungsantrags sei.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass der Feststellungsantrag unzulässig sei.

Darüber hinaus habe sie – wie angekündigt – eine Neubemessung der Invalidität in Auftrag gegeben, die allerdings zum gleichen Ergebnis geführt habe (Beweis: Gutachten Dr. Kemmerer, BGU Ffm. vom 16.3.2017, Bl. 144 ff d.A.).

Bezüglich der für das rechte Bein begehrten Invaliditätsentschädigung hat die Beklagte eingewendet, dass es an der erforderlichen fristgerechten ärztlichen Feststellung eines Dauerschadens fehle. Auf die bedingungsgemäß einzuhaltenden Fristen sei der Kläger vorprozessual mehrfach hingewiesen worden.

Soweit der Kläger bezüglich des linken Beines einen höheren Invaliditätsgrad ansetze, könne er sich insoweit nicht auf die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs berufen, da diese eine abweichende Gliedertaxe (Fuß im Fußgelenk) betreffe. Vorliegend sei die „Gelenk-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs nicht anwendbar. Eine unfallbedingte Versteifung des unteren Sprunggelenks sei zu bestreiten. Darüber hinaus sei von einer Mitwirkung des beim Kläger bestehenden Diabetes an der Wundheilungsstörung (Osteomyelitis) auszugehen.

Hinsichtlich der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich hierauf nicht berufen, da sie selbst eine Neubemessung in Auftrag gegeben habe und der Dauerschaden sich aus dem von Dr. Braun-Hellwig erhobenen Befund ergebe.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Dr. Kunz gelangte in seinem Gutachten vom 20.9.2017, auf dessen Inhalt (Bl. 183 ff d.A.) Bezug genommen wird, zu dem Ergebnis, dass auf unfallchirurgischem Fachgebiet die Unfallfolgen mit ½ Beinwert einzuschätzen seien. Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen (Diabetes) hat er verneint.

Auf Antrag des Klägers hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 8.5.2018 sein Gutachten erläutert; auf das Protokoll vom 8.5.2018 (Bl. 246 ff d.A.) wird Bezug genommen.

Durch Urteil vom 8.5.2018 – auf dessen Inhalt (Bl. 223 ff d.A.) wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird – hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 6.300,- Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Den Feststellungsantrag hat es als unzulässig angesehen und im Übrigen zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – auf der Grundlage des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. Kunz – ein Invaliditätsgrad von 35 % (1/2 Beinwert) feststehe, so dass unter Berücksichtigung der Progression pro Vertrag weitere 3.150,- Euro nebst Zinsen zu zahlen seien. Hinsichtlich der für das rechte Bein begehrten Leistung fehle es an der erforderlichen ärztlichen Feststellung. Mangels Verzug seien die vorgerichtlichen Anwaltskosten nicht ersatzfähig.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit welcher er seine erstinstanzlichen Anträge – abzüglich der zugesprochenen 6.300,- Euro – weiterverfolgt.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Bemessung der Invalidität für das linke Bein sei fehlerhaft. Bei ihm (dem Kläger) sei eine weitergehende Invalidität verblieben, die mindestens mit 40 % zu bemessen sei. Die Invalidität nach Fußwert allein betrage 40 %; insofern könne die nach Beinwert nicht nur 35 % betragen. Hinzu komme die Invalidität am rechten Bein, für die weitere 7 % in Ansatz zu bringen seien. Da die Beklagte selbst ein Gutachten eingeholt und abgerechnet habe, könne sie sich auf die Frist zur ärztlichen Feststellung nicht mehr berufen. Im Übrigen habe sich aus den Befunden zwingend ein Dauerschaden ergeben.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 21.600,- Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 6.1.2017 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, weitere Invaliditätsleistungen über den mit dem Klageantrag zu 1. Geltend gemachten Betrag hinaus zu erbringen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Allrecht-Schadensservice RRS Rechtsschutz-Service GmbH auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten 1.324,89 Euro sowie an den Kläger 150,- Euro über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Dieses beruhe weder auf fehlerhafter Tatsachenfeststellung noch auf fehlerhafter Rechtsanwendung; auf die Berufungserwiderung vom 13.7.2018 (Bl. 288 ff d.A.) wird Bezug genommen.

II)

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht dem Kläger einen Anspruch auf weitere Invaliditätsleistungen aufgrund des durch den Unfall vom 28.3.2015 eingetretenen Dauerschadens gegenüber der Beklagten nur in Höhe von 6.300,- Euro nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. An der Richtigkeit und Vollständigkeit der seitens des Landgerichts getroffenen Feststellungen bestehen – entgegen der Auffassung des Klägers – keine Zweifel, so dass der Senat hieran gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Soweit der Kläger neben dem Zahlungsantrag auch seinen Feststellungsantrag weiter verfolgt, ist die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

Nach den vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung ist gemäß 2.1.1 AB UBR Voraussetzung der Invaliditätsleistung, dass die versicherte Person einen Unfall erlitten hat und unfallbedingt auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (Invalidität). Die Invalidität muss innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und in gleicher Frist bei der Beklagten geltend gemacht worden sein.

Dass der Kläger einen Unfall erlitten hat und sich hierbei einen offenen Bruch im Bereich des linken Unterschenkels zugezogen hat, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass insoweit am linken Bein ein unfallbedingter Dauerschaden eingetreten ist und diesbezüglich die Fristen nach den AB UBR eingehalten sind. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über die Höhe des Invaliditätsgrades, wobei die Feststellungen des Sachverständigen zu Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen vom Kläger – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt – ebenfalls nicht angegriffen werden.

Auf dieser Grundlage ist der Sachverständige Dr. Kunz nachvollziehbar und überzeugend zu einem Invaliditätsgrad von 35 % in Bezug auf den am linken Bein eingetretenen Dauerschaden gelangt, so dass sich rechnerisch – unter Berücksichtigung der Progression – ein Anspruch von jeweils 16.500, Euro ergab. Von dem Gesamtbetrag von 33.000,- Euro aus beiden Unfallversicherungen standen danach noch weitere 6.300,- Euro offen, welche das Landgericht nebst Zinsen zugesprochen hat.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen handelt es sich um einen Zustand nach offenem Schienbeinbruch mit Wadenbeinbruch. Wie der Sachverständige dargelegt hat, ist aufgrund aufgetretener Komplikationen eine Versteifungsoperation des oberen und unteren Sprunggelenkes vorgenommen worden, die zu einer Fehlstellung – nämlich einer varischen (nach innen gekrümmten) Verkippung – des körperfernen Schienbeines um 20 ° geführt hat. Des Weiteren ist hierdurch eine Beinverkürzung von 3 cm eingetreten. Es besteht zudem eine deutliche Einschränkung der Beweglichkeit im Mittel- und Vorfuß sowie der Zehen und eine Schwellneigung nebst Sensibilitätsstörungen des linken Unterschenkels. Der Kläger muss einen Unterschenkelkompressionsstrumpf sowie orthopädisches Schuhwerk tragen. Im Bereich der Spongiosaplastik und der erfolgten Spalthautabdeckung hat eine Osteomyelitis stattgehabt, die derzeit allerdings nicht aktiv ist.

Diese unfallbedingten Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers hat der Sachverständige überzeugend mit einem Invaliditätsgrad von 35 % bewertet.

Wie der Sachverständige dargelegt hat, hat er hierbei aus medizinischer Sicht insbesondere berücksichtigt, dass der linke Fuß des Klägers – aufgrund des schräg sitzenden Nagels – nicht in anatomischer Form versteift wurde und sich hieraus in Zukunft weitere Beeinträchtigungen durch vorzeitigen Verschleiß ergeben werden. Insbesondere mit dieser Varus-Fehlstellung des Fußes mit Einwärtsdrehung hat der Sachverständige Dr. Kunz nachvollziehbar die diskrete Erhöhung des Invaliditätsgrades auf 35 % im Vergleich zum Ergebnis der Privatgutachter der Beklagten begründet, die zu einem Invaliditätsgrad von 31,5 % (9/20 Beinwert) gelangt waren. Wie er weiter ausgeführt hat, sind im Übrigen die Ausführungen – insbesondere von Dr. Kemmerer von der BGU Unfallklinik, der im Rahmen der Neubemessung am 16.3.2017 sein Gutachten erstattete – nicht zu beanstanden und stimmen mit seinen Feststellungen überein.

Der in Ansatz gebrachte Invaliditätsgrad ist auch der Höhe nach überzeugend.

 

Der Sachverständige hat sich bei Bemessung des Invaliditätsgrades daran orientiert, dass nach der in 2.1.2.2.1 AB UBR vereinbarten Gliedertaxe für ein „Bein bis zur Mitte des Unterschenkels“ – also für den kompletten Verlust des Fußes sowie des halben Unterschenkels – ein Invaliditätsgrad von 45 % vorgesehen ist. Vorliegend ist aber – wie der Sachverständige dargelegt hat – nur die Abrollfunktion im Vorfußbereich beeinträchtigt; zusätzlich ist die Schrägstellung des Fußes, der nicht in anatomischer Form versteift worden ist, zu berücksichtigen. Angesichts der erheblichen Bewegungseinschränkungen, die mit einem hinkenden Gangbild verbunden sind, einen Einbeinstand nicht mehr zulassen und dem Kläger Probleme beim Aufrichten aus der Hocke bereiten, ist der Ansatz eines Invaliditätsgrades von 35 % im Vergleich zu dem für den Totalverlust des Beines bis zur Mitte des Unterschenkels vorgesehenen Invaliditätsgrad von 45 % in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Sachverständige dargetan, dass er sich bei dem in seinem schriftlichen Gutachten in Ansatz gebrachten halben Beinwert (1/2 von 70 %) genau von diesem Maßstab hat leiten lassen.

Ob die Bewertung des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten im Ausgangspunkt zutreffend war, da er vom „kompletten“ Beinwert (70 %) nach der Gliedertaxe ausgegangen ist, kann dahingestellt bleiben. Der Beinwert von 70 % ist für den Verlust oder die völlige Funktionsunfähigkeit des Beines „über der Mitte des Oberschenkels“ vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 2001, 360; VersR 2012, 351) kommt es aber auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung an. Ausstrahlungen auf das rumpfnähere Restglied sind bereits in den Prozentzahlen für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren Gliedes enthalten. Nur wenn eine eigenständige Funktionsbeeinträchtigung des rumpfnäheren Gliedes oder Gliedteils vorliegt, hat die Bemessung auf der Grundlage des hierfür nach der Gliedertaxe vorgesehenen Wertes zu erfolgen (vgl. auch Jacob, AUB 2010, Ziffer 2.1, Rz. 19 zur Frage der Differenzierung zwischen unmittelbarer Verletzungsfolge und der draus resultierenden Funktionsstörung). Danach ist vorliegend der Wert „Bein bis zur Mitte des Unterschenkels“ nach der Gliedertaxe einschlägig, zumal auch die Beinverkürzung auf jener Versteifungsoperation der Sprunggelenke beruht und der Dauerschaden nach den Befunden insgesamt auf dem sprunggelenksnah eingetretenen Trümmerbruch und dessen Folgen beruht. Wie bereits dargelegt, hat der Sachverständige bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens gerade auf den nach der Gliedertaxe vorgesehenen Wert für ein Bein bis zur Mitte des Unterschenkels als Bezugspunkt der Bewertung abgestellt, so dass sichergestellt ist, dass im Ergebnis unabhängig vom Ausgangspunkt (voller Beinwert von 70 % oder nur ein solcher von 45 %) sich letztlich derselbe Invaliditätsgrad ergibt.

Soweit der Kläger sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.1.2001 (abgedruckt in VersR 2001, 360) ebenfalls ein versteiftes Fußgelenk betreffend bezieht, verkennt er, dass dieser Entscheidung eine abweichend formulierte Gliedertaxe zugrunde liegt. Dort waren für einen Fuß im Fußgelenk 40 % vorgesehen. Wie der Bundesgerichtshof, a.a.O., ausführt, steht der Invaliditätsgrad von 40 % unverrückbar fest, wenn der Fuß im Fußgelenk durch einen Unfall verloren geht oder der Fuß im Fußgelenk wegen eines unfallbedingten Dauerschadens vollständig funktionsunfähig geworden ist. Dass der Fuß im letzten Fall immerhin noch vorhanden ist, ist ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Fuß an sich noch Restfunktionen aufweist, da der Bundesgerichtshof entscheidend auf die Formulierung Fuß im Fußgelenk abstellt. Diese sog. „Gelenk-Rechtsprechung“ ist auf die vorliegend vereinbarte Gliedertaxe in keiner Weise übertragbar.

 

Bei der Bemessung des Invaliditätsgrades war auf den Zustand bei Ablauf der Dreijahresfrist abzustellen, da der Kläger bereits vor Ablauf der Neubemessungsfrist Klage erhoben hat und die Beklagte sich eine Neubemessung vorbehalten hatte. Letztlich kommt der Frage nach Geltung der 15-Monats- oder Dreijahresfrist vorliegend keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu, da bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Braun-Hellwig (22.9.2016) ein Endzustand eingetreten war. Bereits zu diesem Zeitpunkt lagen die gleichen Beeinträchtigungen vor, die auch der Sachverständige bei seiner Untersuchung am 31.8.2017 festgestellt hat. Insgesamt hat danach der Sachverständige den Invaliditätsgrad in Bezug auf das linke Bein des Klägers zutreffend mit 35 % ermittelt.

Soweit der Kläger zusätzlich eine Invaliditätsleistung für das rechte Bein begehrt hat, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht einen solchen Anspruch verneint. Zwar stellt die im Rahmen der Spongiosaplastik vorgenommene Spalthautdeckung mittels aus dem rechten Oberschenkel entstammender Muskellappenplastik eine unfallbedingte Behandlungsmaßnahme dar, so dass ein hierdurch eingetretener Dauerschaden grundsätzlich zu berücksichtigen sein dürfte. Es handelt sich insofern nicht um einen weiteren unfallbedingten (Erstkörper-) Schaden an einem anderen Körperglied (rechtes Bein), sondern eine Folge der plastischen Versorgung des unfallgeschädigten linken Beines nach aufgetretener Entzündung, so dass ein Invaliditätsanspruch nicht bereits wegen Fehlens einer fristgerechten ärztlichen Feststellung von vorneherein ausscheidet (vgl. hierzu auch Jacob, a.a.O., Ziffer 2.1 Rz. 7). Derartige Schäden dürften zu berücksichtigen sein, sofern (auf Dauer) die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und die Beeinträchtigung zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bemessung der Invalidität vorlag.

Vorliegend fehlt es jedoch nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen am Eintritt eines die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Dauerschadens. Wie der Sachverständige Dr. Kunz in seinem schriftlichen Gutachten auf Seite 5 ausgeführt hat, befinden sich am rechten Oberschenkel zwar Narben von 20 cm sowie von 3 cm und knapp 10 cm Länge. Insgesamt ist das rechte Bein jedoch – von der Hüfte über das Kniegelenk bis zu den Sprunggelenken und dem Vorfuß nebst Zehen – regelrecht und ohne funktionelle Einschränkungen. Es werden lediglich subjektiv diffuse Druckdolenzen seitens des Klägers angegeben, die sich in der Zusammenfassung der festgestellten Unfallfolgen im Gutachten des Sachverständigen aber nicht wieder finden. Auch der weitere Privatgutachter der Beklagten – Dr. Kemmerer – hat in seinem Gutachten vom 16.3.2017 festgestellt, dass sämtliche Gang- und Standprüfungen rechts ohne jegliche Einschränkungen sind; ebenso Fußrücken und –sohle rechts. Aus dem Gutachten von Dr. Braun-Hellwig ergab sich nur der Befund reizloser Narbenverhältnisse. Die seitens des Klägers ohnehin nur pauschal und ohne jegliche Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. Kunz in der Berufung stereotyp wiederholte Behauptung einer Behinderung beim Gehen (rechts) durch Narben und Spannungen liegt danach nicht vor.

Den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten hat das Landgericht zu Recht verneint. Zum Zeitpunkt der Mandatserteilung war noch kein Verzug eingetreten. Eine endgültige Ablehnung weiterer Zahlungen war nicht erfolgt; die Beklagte hatte sich die Neubemessung vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 543 II ZPO nicht gegeben sind.

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