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Privatgutachten – Erstattungsfähigkeit in Gerichtsverfahren

Oberlandesgericht  Koblenz, Az: 14 W 319/16, Beschluss vom 23.06.2016

Leitsätze:

1. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachtens, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

2. Die Notwendigkeit ist zu begründen und glaubhaft zu machen (§ 102 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Bezugnahme auf eine Stundenaufstellung ist dabei nicht ausreichend, wenn dort nur formelhaft Tätigkeiten aufgeführt sind, die d ie Notwendigkeit nicht begründen (hier: „Telefonat“, „Durchsicht Klageschrift“, „Texte erstellt“, „Schreiben“, „Ortsbesichtigung“, „Schriftverkehr“, „Durchsicht Unterlagen“, Durchsicht BWSV, „Text für BWSV“ usw.).

3. Zur Begründung der Notwendigkeit gehört auch, dass dargelegt wird, dass die notwendigen Erkenntnisse der Partei weder durch ein selbständiges Beweisverfahren noch durch die gerichtliche Beweisaufnahme vermittelt werden können.

Symbolfoto: vladek/bigstock
Symbolfoto: vladek/bigstock

In Sachen wegen Bau- und Architektenrecht hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel als Einzelrichter am 23.06.2016 beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 25.02.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Koblenz vom 14.01.2016 (“KFB II“), zugestellt am 12.02.2016 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 19.843,56 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Kosten des privaten Gutachters bei der Kostenfestsetzung nach Maßgabe des Antrages vom 13.08.2014 (Bl. 862 bis 876 GA) in der Fassung vom 01.06.2015 (Bl. 895 bis 899 GA) nicht berücksichtigt. Die Kosten und deren Notwendigkeit sind weder dem Grunde noch der Höhe nach hinreichend glaubhaft gemacht.

Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist die Einholung eines Privatgutachten, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahr­nehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (BGH NJW 2013, 1823). Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Kosten auslösende Maßnahme veranlasst wurde (BGH NJW 2003, 1398; BGH NJW 2006, 2415; NJW 2012, 1370). Deshalb kann die Erstattungsfähigkeit weder von dem Ergebnis der Begutachtung noch von deren Überzeugungskraft abhängig gemacht werden. Mithin kann auch nicht verlangt werden, dass die Partei den Inhalt des Privatgutachtens durch entsprechenden Vortrag in den Rechtsstreit einführt oder das Gutachten selbst im Laufe des Rechtsstreits vorlegt. Die angefallenen Kosten und deren Notwendigkeit ist dabei im Einzelnen glaubhaft zu machen, § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO.  Nicht erstattungsfähig sind die Kosten einer Prozessbegleitung (OLG Köln NJW-RR 2010, 751)

Die allgemeinen Ausführungen des Sachverständigen in der eidesstattlichen Versicherung vom 17. März 2016 sowie des Klägers vom 16.03.2016 genügen der Glaubhaftmachung der Prozessbezogenheit im Sinne des § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht. Die Notwendigkeit der Einzelnen in der Aufstellung aufgezeigten Maßnahmen ist behauptet, aber nicht begründet. Sie lassen sich auch nicht aus sich heraus erschließen. Wenn dort beispielsweise „Telefonat“ oder auch „Durchsicht Klageschrift“ notiert ist, lässt sich die Notwendigkeit im vorgenannten Sinne nicht ersehen.

Es wird verkannt, dass das Betreiben des Geschäftes (Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG) Aufgabe des Bevollmächtigten ist und insoweit mit der Verfahrensgebühr abgegolten wird. Soweit in den eidesstattlichen Versicherungen darauf hingewiesen wurde, dass die Mitarbeit des Privatgutachters vom Prozessbevollmächtigten verlangt worden sei, rechtfertigt dies die Erstattungsfähigkeit der Kosten nicht.

Es ist (auch) zu sehen, dass der prozessualen Beweisaufnahme der Vorrang gebührt. Insoweit gehört zum Nachweis der Notwendigkeit der entstandenen Kosten, dass dargelegt wird, weshalb die Erkenntnisse nicht innerprozessual – dazu zählt auch ein selbständiges Beweisverfahren – hätten erlangt werden können. Dies war vor dem Hintergrund des durchgeführten selbständigen Beweisverfahrens und dessen Ergebnisses besonders erklärungsbedürftig. Obwohl diese Anforderungen schon im Beschluss des Senates vom 04.01.2016, 14 W 806/15 aufgezeigt wurden, trägt weder die Begründung des vergleichbaren Kostenfestsetzungsantrages in diesem Verfahren noch die weiteren Erläuterungen und die Begründung der Beschwerde dem Rechnung. Es ist weder Aufgabe des Rechtspflegers noch des Senates sich diese Darstellung aus den Anlagen zu erarbeiten, zumal diese nicht alle erforderlichen Angaben und Informationen (Auftrag) und  Konkretisierungen der Tätigkeiten enthalten.

Die Rechnungen des Sachverständigen sind aber auch dem Grunde und der Höhe nach nicht plausibel. Die tatsächlich erteilten Aufträge wurden auch hier trotz mehrfacher Rüge nicht vorgelegt. Welcher Auftrag wurde erteilt, wenn die Klage durchgesehen werden sollte, Telefonate oder Schriftverkehr geführt oder Texte erstellt wurden? Es ist Aufgabe des Prozessbevollmächtigten Schriftsätze und Unterlagen durchzusehen und zu beurteilen, ob ein Bestreiten reicht, ein Behaupten notwendig ist und es dazu eines innerprozessualen Beweisantrages bedarf oder externe Hilfe zu ganz konkreten Fragen erforderlich ist. Daran mangelt es ganz ersichtlich. Auch betreffen die Rechnungen nicht nur das vorliegende Verfahren, sondern es hat nach dem eigenen Vortrag des Klägers auch eine Aufteilung stattgefunden. In welcher Weise diese erfolgt ist und wie gesichert ist, dass nur Kosten eingeflossen sind, die auch das vorliegende Verfahren betreffen, ist weder dargestellt noch glaubhaft gemacht. So wurden aus der Rechnung vom 14.03.2003  2,5 Stunden gestrichen. Um welche Stunden es sich aus der anliegenden Aufstellung handelt, wird nicht erläutert. Mit den Bezeichnungen Schreiben, Ortsbesichtigung, Schriftverkehr, Telefonat, Durchsicht Unterlagen, Durchsicht BWSV, Text für BWSV (?) usw. lässt sich eine Zuordnung zum vorliegenden Verfahren nicht treffen. Diese Mängel setzen sich in den weiteren Anlagen in  vergleichbarer Weise fort. Die anwaltliche Versicherung (Bl. 908 GA) betrifft nur die Frage, dass eine Aufteilung vorgenommen wurde, nicht aber, in welcher Weise.

Es wird dann nicht im Einzelnen nachgewiesen, welche Stunden für welche konkrete, sachverständige Beantwortung welcher prozessbezogenen Frage  aufgewandt wurden. Die zu den Akten gereichte Aufstellung nebst Kurzbeschreibungen genügt den Anforderungen nicht. Dies war vorliegend umso mehr erforderlich, als der Klagegegenstand begrenzt war und im Übrigen die gutachterliche Tätigkeit zwei Prozessverfahren betraf. Während die Rechnungen aufgeteilt wurden, fehlt es hieran offensichtlich für die Aufstellungen. Die Aufstellungen legen nahe, dass eine vollständige, aber nicht erstattungsfähige Prozessbegleitung stattgefunden hat. Letztlich lässt sich die Aufstellung auch nicht mit den Rechnungen in Einklang bringen.

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ausführungen bleibt die Frage nach der Aktivlegitimation des Klägers ebenso unerheblich wie der weder glaubhaft gemachte noch mit Urkunden nachgewiesene Ausgleich der Rechnungen. Die bloße Behauptung „Alle Rechnungen wurden zeitnah nach Erstellung bezahlt“ genügt als Glaubhaftmachung nicht. Ihr fehlt die Substanz, wenn dazu keine Zahlungsdaten und Nachweise vorgelegt werden. Wurden die Rechnungen nicht ausgeglichen – was die Beschwerdegegner behaupten – so besteht heute ggf. kein durchsetzbarer Anspruch des Privatgutachters mehr. Darauf zielt der Verjährungseinwand der Beschwerdegegner. Eine Abtretung vergangener oder künftiger Forderungen, insbesondere von Erstattungsansprüchen der Rechnungsadressatin, ist nicht glaubhaft gemacht. Die Kosten eines nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten sind aber nicht erstattungsfähig (Zöller-Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 ZPO Rn. 13 – Privatgutachten; Hansens RVGreport 2011, 287). Auf all diese Umstände wurde im Parallelverfahren 14 W 806/15 hingewiesen, ohne dass dem nunmehr Rechnung getragen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert errechnet sich aus dem potentiell erstattungsfähigen Anteil der geltend gemachten Kosten mit 19.843,56 € (33.736,96 + 7.863,80 € = 41.600,78 € x 47,70%).

Gründe die Sache auf den gesamten Senat zu übertragen und die Rechtsbeschwerde zuzulassen sind nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall auf der Grundlage einer gefestigten höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.

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