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Privatgutachten – Kritik ist kein erhebliches Bestreiten

OLG Düsseldorf – Az.: 2 U 1/21 – Urteil vom 09.12.2021

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird das am 10. November 2020 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich gegen die angegriffene Ausführungsform I (…) richtet.

II. Die sich auf die angegriffene Ausführungsform II (…) beziehende Berufung der Beklagten zu 1) und 3) gegen das am 10. November 2020 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen, jedoch mit der Maßgabe, dass unter Ziff. II. eine Belegvorlage nur im Hinblick auf die Angaben unter lit. a) geschuldet ist und es unter Ziffer V. statt „an einen von ihr zu benennenden Treuhänder […] (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher)“ nunmehr heißt: „an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher“.

III. Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 50%, die Beklagte zu 1) zu 20% und die Beklagte zu 3) zu 30%.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin erster und zweiter Instanz tragen die Beklagten zu 1) zu 20% und die Beklagte zu 3) zu 30%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin zu 50%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- Euro (Beklagte zu 1)) bzw. in Höhe von 750.000,- Euro (Beklagte zu 3)) abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des für die Beklagten jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 120% leisten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500.000,- Euro festgesetzt, wovon 1.000.000,- Euro auf die Beklagte zu 1) und jeweils 750.000,- Euro auf die Beklagten zu 2) und zu 3) entfallen.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 … … B2 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatent wurde am 12. November 2007 unter Inanspruchnahme der Priorität der EP 06124399 vom 20. November 2006 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 12. August 2009. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 23. Mai 2012 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens wurde das Klagepatent beschränkt aufrechterhalten (vgl. Anlage ES 4c), wobei die Klägerin das Klagepatent im vorliegenden Verfahren in diesem beschränkten Umfang geltend macht. Über eine durch die Beklagten zu 2) und zu 3) erhobene Nichtigkeitsklage (Az.: 4 Ni 70/19) hat das Bundespatentgericht bisher noch nicht entschieden. Hinsichtlich des Inhalts des qualifizierten Hinweises nach § 83 Abs. 1 PatG wird auf die Anlage ES 14 Bezug genommen.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Rotary Shaver with improved support structure for shaving heads“ („Rotierender Rasierer mit verbesserter Stützstruktur für Rasierköpfe“). Sein Patentanspruch 1 ist in der durch die Beschwerdekammer aufrecht erhaltenen und hier allein streitgegenständlichen Fassung wie folgt formuliert:

(…)

Und in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

(…)

Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 3 der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt einen erfindungsgemäßen Rasierapparat in einer perspektivischen Darstellung:

(…)

Bei Figur 3 handelt es sich um eine Schnittdarstellung eines Kopplungselementes und einer Rückhaltestruktur gemäß eines zweiten Ausführungsbeispiels.

Die Beklagte zu 1) betreibt unter der Internetadresse […] einen Online-Shop, über den sie unter anderem unter der Bezeichnung „X.“ Rotationsrasierer zum Kauf anbietet. Wegen der Einzelheiten des Internetangebots wird auf die Anlage ES 7a Bezug genommen. Zu den Rotationsrasierern der Marke „X.“ gehören die Modelle […] und […] (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I) sowie […] und […] (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform II). Diese wurden von der Beklagten zu 1) unter anderem im Februar und im März 2019 auf eine Bestellung der klägerischen Prozessbevollmächtigten hin geliefert. Wegen der Einzelheiten der Bestellung wird auf die als Anlage ES 2 vorgelegten Rechnungen Bezug genommen.

Die angegriffene Ausführungsform I wird von der Beklagten zu 2) hergestellt und an die Beklagte zu 1) geliefert. Weiterhin bietet die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform I auf ihrer Internetseite […]“ an, von dem sich ein Auszug als Anlage ES 7b bei der Akte befindet. Nachfolgend eingeblendet sind Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform I, die teilweise von der Klägerin (Abbildung 3) und teilweise von der Beklagten zu 2) stammen (Abbildungen 1 und 2):

(…)

Die angegriffene Ausführungsform II, deren nähere technische Gestaltung aus den im Folgenden wiedergegebenen, von der Klägerin stammenden Bildern ersichtlich ist, wird von der Beklagten zu 3) hergestellt und an die Beklagte zu 1) geliefert.

(…)

Weiterhin bietet die Beklagte zu 3) die angegriffene Ausführungsform II auf ihrer Internetseite […] an, von der sich ein Auszug als Anlage ES 7c bei der Akte befindet.

Anders als bei der angegriffenen Ausführungsform II ist auf dem Handteil der angegriffenen Ausführungsform I an der zum Rasierkopf weisenden Seite ein stegförmiger Kranz ausgebildet. Zudem weist der Rasierkopf der angegriffenen Ausführungsform II an seiner für den Eingriff mit dem Federelement des Handteils vorgesehenen Nut – anders als derjenige der angegriffenen Ausführungsform I – keine durchgängige schräge Fläche auf. Vielmehr schließt sich an einen schrägen Abschnitt ein horizontaler Abschnitt an.

Die Klägerin sieht im Angebot und im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Verletzung von Patentanspruch 1 in der streitgegenständlichen Fassung.

Die Beklagten, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten haben, haben bereits erstinstanzlich eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt und eine Aussetzung des Rechtsstreits beantragt.

Mit Urteil vom 10. Dezember 2020 hat das Landgericht Düsseldorf eine Verletzung des Klagepatents durch beide angegriffenen Ausführungsformen bejaht und wie folgt erkannt:

I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meldung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Rasiervorrichtungen, umfassend eine Basisstruktur und eine Kopfstruktur,

wobei die Kopfstruktur eine Kopfstützstruktur umfasst, die konfiguriert ist, mindestens zwei rotierende Rasierköpfe zu stützen,

wobei die Basisstruktur frei von Stützelementen in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur ist, so dass die Kopfstruktur, wenn mit der Basisstruktur gekoppelt, nicht im Bereich ihres Außenumfangs gestützt ist, und wobei die Kopfstruktur ein Kopplungselement umfasst, das in einem Mittelbereich der Kopfstruktur in einer Mitte eines im Wesentlichen kreisförmigen Bereichs, der durch eine Drehwelle jedes rotierenden Rasierkopfes begrenzt ist, angeordnet ist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, wenn die Basisstruktur eine Rückhaltestruktur umfasst, die konfiguriert ist, das Kopplungselement zum Koppeln der Kopfstruktur an die Basisstruktur lösbar zurückzuhalten,

wobei die Kopfstruktur, wenn an die Basisstruktur gekoppelt, im Wesentlichen nur durch eine Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement ausgeübt wird, auf der Basisstruktur zurückgehalten wird,

wobei das Kopplungselement ein wellenähnliches Element ist, das vom Mittelbereich der Kopfstruktur hervorragt und an seinem distalen Ende eine schräge Fläche umfasst, die zur Kopfstützstruktur zeigt, und wobei die Rückhaltestruktur umfasst:

– eine Rückhaltevertiefung zum Aufnehmen des Kopplungselements;

und

– ein Federelement, das zumindest teilweise in der Rückhaltevertiefung bereitgestellt ist, wobei das Federelement zum Ineinandergreifen mit der schrägen Fläche des Kopplungselements angeordnet ist, so dass das Kopplungselement in der Rückhaltevertiefung zurückhaltbar ist.

II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung in elektronisch auswertbarer Form, hinsichtlich der Angaben a) und b) unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, weiter hilfsweise Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie die in vorstehender Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Juni 2012 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

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III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in vorstehender Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Juni 2012 entstanden ist und noch entstehen wird.

IV. Die Beklagten werden verurteilt, die in der vorstehenden Ziffer I. bezeichneten, im Besitz gewerblich handelnder Dritter befindlichen und nach dem 23. Juni 2012 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblich handelnden Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 2 … … B2 = DE 60 … … 881 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

V. Die Beklagten werden verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher).

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Der Begriff des Stützelementes beschreibe eine räumlich-körperliche Gestaltung der Basisstruktur, welche die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand stütze oder besser trage. Mit dem Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur sei im Wesentlichen der sich an den Raum zwischen Basis- und Kopfstruktur nach außen anschließende Bereich und mithin der Bereich gemeint, der sich von der Außenkontur der Kopfstruktur nach außen erstrecke. Dieser Bereich solle frei von Stützelementen sein. Die Kopfstruktur dürfe daher in diesem Bereich im gekoppelten Zustand nicht gestützt bzw. gehalten werden, wobei auch die Unterscheidung zwischen Basis- und Kopfstruktur grundsätzlich einen offenen Raum zwischen beiden Vorrichtungsteilen voraussetze. Allerdings seien Stützelemente in diesem Bereich nicht völlig ausgeschlossen.

Wirke eine äußere Kraft auf die Kopfstruktur des Rasierapparates, könne der Bereich des äußeren Umfangs der Kopfstruktur in Ermanglung von Stützelementen nicht zum Übertragen der äußeren Kraft auf die Basisstruktur beitragen. Stattdessen werde die Kraft auf das Kopplungselement übertragen, das wiederum einen substantiellen Teil der äußeren Kraft auf die Basisstruktur übertrage. Sei die äußere Kraft groß genug, werde das Kopplungselement von der Rückhaltestruktur freigegeben. Dadurch werde eine Überlast vermieden, die zu einer Beschädigung des Rasierkopfes oder der Kopfstruktur führen könne. Voraussetzung dafür sei auch, dass die Kopfstruktur nicht durch andere Mechanismen als die Rückhaltestruktur an der Basisstruktur befestigt sei. Daher werde die Kopfstruktur erfindungsgemäß im Wesentlichen nur durch die Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement ausgeübt werde, auf der Basisstruktur zurückgehalten. Da durch das Klagepatent allerdings Stützelemente nicht per se ausgeschlossen seien, komme es nicht darauf an, jegliche äußere Krafteinwirkung in das Kopplungselement einzuleiten. Vielmehr könnten äußere Krafteinwirkungen, etwa über Stützelemente, (teilweise) auch in die Kopf- und/oder Basisstruktur eingeleitet werden, welche die Kopfstruktur außerhalb des Bereichs des Außenumfangs der Kopfstruktur in Position halten.

Ausgehend von einem solchen Verständnis machten die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

In Bezug auf die angegriffene Ausführungsform I stehe zwischen den Parteien allein in Streit, ob die Basisstruktur in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen sei, sodass die Kopfstruktur, wenn sie mit der Basisstruktur gekoppelt sei, nicht im Bereich des Außenumfangs gestützt sei. Dies sei der Fall. Bei dem im Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur angeordneten Kranz handele es sich nicht um ein Stützelement im Sinne des Klagepatents. Es fehle bereits an der für ein Stützelement erforderlichen Funktion, die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand in ihrer Position zu stützen. Im gekoppelten Zustand berühre die Kopfstruktur nicht den auf der Basisstruktur ausgeformten Kranz. Auch wenn die Kopfstruktur mit der beim Rasieren üblichen Kraft ausgelenkt werde, bleibe ein geringfügiger Spalt zwischen Kopfstruktur und Kranz. Darüber hinaus befinde sich der auf der Basisstruktur ausgebildete Kranz nicht mehr in einem Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur, so dass die Kopfstruktur in dem Bereich nicht gestützt werde. Der Außenumfang der Kopfstruktur habe in einer Draufsicht im weitesten Sinne eine dreieckförmige Kontur mit abgerundeten Ecken. Der Raum, der an einer Seite durch die Kopfstruktur und an ihrer gegenüberliegenden Seite durch die Basisstruktur begrenzt sei, sei an seiner verbleibenden umgebenden Seite im Wesentlichen offen. Denn der auf der Basisstruktur ausgebildete Kranz befinde sich, vor allem im Bereich der abgerundeten Ecken der dreieckförmigen Kontur, innerhalb des Raumes zwischen Kopf- und Basisstruktur. Von einer gedachten Linie zwischen Kopf- und Basisstruktur in diesem Bereich springe der Kranz deutlich zurück. Aber auch entlang der Längsseiten dieser Kontur erreiche der auf der Basisstruktur ausgeformte Kranz nicht die Linie zwischen der Außenkontur der Kopfstruktur und der Basisstruktur. Da der Kranz auch nicht annähernd die Kopfstruktur berühre, sei der Raum zwischen Kopf- und Basisstruktur nach außen hin offen. Dass von außen auf die Kopfstruktur wirkende Kräfte unter Umständen nicht unmittelbar in das Kopplungselement eingeleitet würden, sei unschädlich.

Auch bei der angegriffenen Ausführungsform II sei die durch das Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre verwirklicht. Diese weise insbesondere ein erfindungsgemäßes Kopplungselement und eine erfindungsgemäße Rückhaltestruktur auf. Das schaftähnliche Kopplungselement der angegriffenen Ausführungsform II umfasse an seinem distalen Ende eine schräge, zur Kopfstützstruktur zeigende Fläche. Dass diese schräge Fläche zur Mittelachse des Kopplungselementes hin durch eine horizontale Fläche abgelöst werde, führe nicht aus dem Schutzbereich heraus. Darüber hinaus verfüge die angegriffene Ausführungsform II in ihrer Rückhaltestruktur auch über ein Federelement, das mit der schrägen Fläche des Kopplungselementes ineinandergreife, so dass das Kopplungselement in der Rückhaltevertiefung gehalten werde. Die Klägerin habe Muster der angegriffenen Ausführungsform II zweimal vermessen lassen. In beiden Fällen hätten die Messergebnisse für alle drei Modelle dieser Ausführungsform ergeben, dass der innere Abstand zwischen den gegenüberliegenden Drähten der Feder größer als der Durchmesser des schaftähnlichen Kopplungselementes, gemessen am Grund der mit den schrägen Flächen versehenen Nut, sei. Das Federelement könne mithin schon aufgrund seiner tatsächlichen Maße nicht am Nutgrund anliegen. Darüber hinaus sei der Abstand zwischen den Mittelpunkten der beiden gegenüberliegenden Federdrähte des Federelementes größer als der Durchmesser des schaftähnlichen Kopplungselementes, gemessen an den Punkten, in denen sich an die Schrägfläche die horizontale Fläche anschließe. Damit lägen die Mittelpunkte der Federdrähte oberhalb der Schrägfläche, so dass sich das Federelement im gekoppelten Zustand im Eingriff mit der Schrägfläche befinden müsse. Schließlich könne das Federelement auch deshalb nicht am horizontalen Abschnitt der Nut anliegen, weil der Durchmesser des Federdrahtes nach den von der Klägerin vorgelegten Messergebnissen größer als die Nut sei. Diesen Vortrag hätten die Beklagten zu 1) und 3), die insbesondere auch keine eigenen Messungen durchgeführt hätten, nicht erheblich bestritten.

Für eine Aussetzung bestehe kein Anlass. Nachdem das Einspruchsverfahren rechtskräftig abgeschlossen und das Klagepatent dort beschränkt aufrechterhalten worden sei, sei ein Erfolg der Nichtigkeitsklage unter Berücksichtigung der von den Beklagten zu 2) und 3) entgegengehaltenen Druckschriften nicht hinreichend wahrscheinlich.

Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten jeweils am 10. Dezember 2020 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Januar 2021 (Beklagte zu 1) und 2)) bzw. vom 11. Januar 2021 (Beklagte zu 3)) Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung und hilfsweise auf Aussetzung weiterverfolgen.

Sie wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen insbesondere geltend:

Der Kranz der angegriffenen Ausführungsform I sei ein Stützelement im Sinne des Klagepatents. Dieser stütze die Kopfstruktur im Fall eines Sturzes ab. Die Kopfstruktur komme bei einem Sturz mit dem Kranz in Kontakt, so dass ein wesentlicher Teil der externen Kraft auf den Kranz und nicht auf das Kopplungselement wirke. Dadurch könne sich die Kopfstruktur schlechter von der Basisstruktur lösen, weil die Rückhaltestruktur das Kopplungselement bei einem Sturz regelmäßig nicht freigegeben werde. Eine Beschädigung der Kopfstruktur sei daher wahrscheinlich. Ein Versuch der Beklagten zu 2) (Anlage KAP 3; Duplik v. 08.10.2020, Foto auf Seite 17) habe gezeigt, dass die Kopfstruktur der angegriffenen Ausführungsform I beim Aufprall zerschellen könne. Die angegriffene Ausführungsform I verhalte sich damit entsprechend dem Stand der Technik, wonach sich die Kopfstruktur bei einem Sturz schlechter löse. Darüber hinaus verhindere der Kranz der angegriffenen Ausführungsform I auch, dass sich die Kopfstruktur im Falle eines Sturzes aus der Rückhaltestruktur heraushebele. Im Vergleich zu einer Ausgestaltung ohne Kranz verschlechtere der Kranz die Hebelverhältnisse erheblich.

In Bezug auf die angegriffene Ausführungsform II habe die Kammer den Vortrag der Beklagten zu 3) zu Unrecht nicht für ein erhebliches Bestreiten ausreichen lassen. Die tatsächlichen Verhältnisse bei der angegriffenen Ausführungsform II ergäben sich aus den Anlagen CBH 3 und CBH 4, die der Beklagten zu 3), einem reinen Handelsunternehmen, vom Hersteller der angegriffenen Ausführungsform II zur Verfügung gestellt worden seien. Danach komme das Federelement im gekoppelten Zustand nicht mit der schrägen Fläche in Eingriff. Es sei nicht auszuschließen, dass das Federelement die schräge Fläche im Falle der Entkopplung berühre. Dies führe indes nicht zu einer Verwirklichung der beanspruchten technischen Lehre, denn in der angegriffenen Ausführungsform II werde die Rückhaltekraft, mittels derer die Kopfstruktur an die Basisstruktur gekoppelt sei, allein durch die Anlage des Federelements an der horizontalen Fläche ausgebildet. Die schräge Fläche wirke mit der Feder nicht derart zusammen, dass das Kopplungselement dadurch zurückgehalten werde. Die den durch die Klägerin als Anlage ES 10 vorgelegten Messergebnissen zugrundeliegenden Messmethoden seien mit – durch die Beklagte zu 3) im Einzelnen erläuterten – inhärenten Ungenauigkeiten und damit Messfehlern verbunden, die zur Unrichtigkeit der vorgetragenen Messergebnisse führen würden. Mit alldem habe sich die Kammer nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich und pauschalisierend gemeint, dem Bestreiten habe es an der notwendigen Substanz gemangelt, weil die Beklagte zu 3) keine eigenen Messungen durchgeführt habe. Die Beklagte zu 3) sei jedoch, wie die Anlagen CBH 3 und CBH 4 belegten, ihren Erkundigungspflichten beim Hersteller nachgekommen. Zu eigenen Untersuchungen sei sie demgegenüber nicht verpflichtet.

Abgesehen davon werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren sowohl unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Neuheit als auch der mangelnden erfinderischen Tätigkeit als nicht rechtsbeständig erweisen.

Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 2021, Az. 4b O 33/19, abzuändern und die Klage abzuweisen; hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen bzw. rechtskräftigen (nur die Beklagte zu 1)) Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 2020 zum Aktenzeichen 4b O 33/19 zurückzuweisen, jedoch mit der Maßgabe, dass sich die Verpflichtung zur Belegvorlage nur auf die Angaben gemäß Ziff. II. a) des erstinstanzlichen Urteils bezieht und es unter Ziff. V. des landgerichtlichen Tenors in Bezug auf den Vernichtungsanspruch nunmehr statt „an einen von ihr zu benennenden Treuhänder […] (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher)“ nunmehr heißt: „an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher“.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

Insbesondere gehe die Verteidigung im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform II auch in der Berufung nicht über ein pauschales Bestreiten hinaus. Es sei den Beklagten zu 1) und zu 3) ohne Weiteres möglich, die angegriffene Ausführungsform in gleicher oder ähnlicher Weise vermessen zu lassen wie die Klägerin und darzulegen, dass bei Vermeidung der vermeintlichen Mängel in der Untersuchung der Klägerin keine Verletzung vorliege. Dem seien die Beklagten bewusst nicht nachgekommen.

In Bezug auf die angegriffene Ausführungsform I fehle es schon an der notwendigen Stützfunktion im normalen gekoppelten Zustand. Wenn die Kopfstruktur an die Basisstruktur gekoppelt sei, trete die Kopfstruktur mit dem Kranz überhaupt nicht in Kontakt und könne insbesondere auch nicht durch diesen getragen (oder gestützt) werden. Es handele sich daher bei dem Kranz oder Rand schon nicht um ein Stützelement im Sinne des Klagepatents. Darüber hinaus sei der Kranz auch nicht in einem Bereich eines Außenumfangs in Richtung des Mittelbereichs weiter innenliegend. Dass der Kranz kein erfindungsgemäßes Stützelement sei, werde auch daran deutlich, dass er gerade nicht dafür sorge, dass die Kraft bei einem Sturz in die Basisstruktur eingeleitet werde, wodurch die Kopfstruktur auf der Basisstruktur verbleibe. Vielmehr führe ein Sturz des Rasierapparates dazu, dass ein wesentlicher Teil der auf die Kopfstruktur einwirkenden Kraft auf das Kopplungselement übertragen und dadurch die Kopfstruktur von der Basisstruktur gelöst werde. Dass sich die Kopfstruktur im Falle einer übermäßigen Krafteinwirkung von der Basisstruktur löse bzw. lösen könne, sei unstreitig.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gründe:

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache nur Erfolg, soweit sich die Beklagten zu 1) und zu 2) damit gegen eine Verurteilung in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform I wenden. Demgegenüber hat das Landgericht zu Recht in dem Angebot und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform II in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents gesehen und die Beklagten wegen unmittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, zum Rückruf, zur Vernichtung sowie zum Schadenersatz verurteilt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Insoweit war lediglich im Tenor klarzustellen, dass die alternative Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung an einen von der Klägerin benannten Gerichtsvollzieher zu erfolgen hat. Zudem besteht im Hinblick auf die Lieferungen (landgerichtlicher Tenor Ziff. II. b)) kein Anspruch auf eine Belegvorlage.

1. Das Klagepatent betrifft einen Rasierapparat.

Wie der Fachmann den einleitenden Bemerkungen in der Klagepatentschrift entnimmt, offenbaren die US 2,253,737 und die GB 965,791 jeweils einen Rasierapparat, der eine der Handhabung dienende und einen Antrieb der Rasierköpfe beinhaltende Basisstruktur umfasst, wie sie aus den lediglich zu Veranschaulichungszwecken eingeblendeten Figuren ersichtlich ist:

(…)

Figur 2 der GB 965,791 Weiterhin umfassen die Rasierapparate eine Kopfstruktur mit mindestens einem Rasierkopf. Die Kopf- und die Basisstruktur sind lösbar miteinander verbunden, sodass die Kopfstruktur – etwa zu Reinigungszwecken – vom Nutzer gezielt von der Basisstruktur entfernt werden kann. Fällt der Rasierapparat auf den Boden, bleibt die Kopfstruktur im Wesentlichen in Position, weshalb die auf die Kopfstruktur wirkende Kraft zu einer Beschädigung der Rasierköpfe und/oder der Kopfstruktur führen kann (Abs. [0003]).

Darüber hinaus ist aus der EP 1,616,676 A2 ein Rasierer mit einem entfernbaren Kopf bekannt, wie er aus der nachfolgend zu Veranschaulichungszwecken eingeblendeten Figur 8 der vorgenannten Schrift ersichtlich ist:

(…)

Der Rasierer verfügt über einen eine longitudionale Achse definierenden Griff, einen Rasierkopf, der eine Anzahl, eine transverse Achse definierender klingenförmiger Schneidelemente trägt, eine Verbindungseinheit und ein Vorspannelement („Biasing-Element“). Die Verbindungseinheit verbindet den Griff und den Kopf in einem zentralen Bereich des Kopfes, sodass sich der Kopf auf- und abwärts der Traverse über seine transverse Achse drehen und sich auf den Griff zu und von diesem wegbewegen kann. Das Vorspannelement ist separat und entfernt von dem Verbindungselement angeordnet und spannt den Kopf in eine Ruheposition (Abs. [0004]).

Die WO 2006/067710 A1 offenbart einen elektrischen Rasierer, der einen Griff und mindestens zwei rotierende Rasierköpfe umfasst, die von einem gemeinsamen Antriebsschaft angetrieben werden, der aus dem Griff hervorsteht, und eine Trägerstruktur zum Tragen der Rasierköpfe auf dem Griff. Die Trägerstruktur ist – wie die nachfolgend zu Veranschaulichungszwecken eingeblendete Figur 1 der vorgenannten Schrift verdeutlicht – so ausgeführt, dass ein Raum, der auf der einen Seite von den Rasierköpfen und auf der anderen Seite durch den Griff begrenzt wird, zu seiner verbleibenden umlaufenden Seite offen ist (Abs. [0005]).

Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, eine Kopfstruktur und einen Rasierapparat bereitzustellen, bei dem die Kopfstruktur und die Rasierköpfe im Fall einer Überlastkraft vor Beschädigungen geschützt werden (Abs. [0007]).

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 in der durch die Beschwerdekammer aufrechterhaltenen Fassung eine Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Rasiervorrichtung, umfassend eine Kopfstruktur (2) und eine Basisstruktur (4).

2. Die Kopfstruktur (2) umfasst eine Kopfstützstruktur (6) und ein Kopplungselement (8).

2.1. Die Kopfstützstruktur (6) ist konfiguriert, mindestens zwei rotierende Rasierköpfe (30A, 30B, 30C) zu stützen.

2.2. Das Kopplungselement (8)

2.2.1. ist ein wellenähnliches Element, das vom Mittelbereich (2A) der Kopfstruktur (2) hervorragt und bei seinem distalen Ende (20) eine schräge Fläche (12A, 16A) umfasst, die zur Kopfstützstruktur (6) zeigt;

2.2.2. ist in einem Mittelbereich (2A) der Kopfstruktur (2) in einer Mitte eines im Wesentlichen kreisförmigen Bereichs angeordnet.

a) Der kreisförmige Bereich ist durch eine Drehwelle jedes rotierenden Rasierkopfs (30A, 30B, 30C) begrenzt.

3. Die Basisstruktur (4)

3.1. ist frei von Stützelementen in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur (2), sodass die Kopfstruktur (2), wenn mit der Basisstruktur gekoppelt, nicht im Bereich ihres Außenumfangs gestützt ist;

3.2. umfasst eine Rückhaltestruktur.

3.2.1. Die Rückhaltestruktur ist konfiguriert, das Kopplungselement (8) zum Koppeln der Kopfstruktur (2) an die Basisstruktur (4) lösbar zurückzuhalten.

3.2.2. Die Rückhaltestruktur umfasst:

a) eine Rückhaltevertiefung (18) zum Aufnehmen des Kopplungselements (8)

und

b) ein Federelement (10, 10A, 10B, 10C, 10D), das zumindest teilweise in der Rückhaltevertiefung (18) bereitgestellt ist.

aa) Das Federelement (10, 10A, 10B, 10C, 10D) ist zum Ineinandergreifen mit der schrägen Fläche (12A, 16A) des Kopplungselements (8) angeordnet, sodass das Kopplungselement (8) in der Rückhaltevertiefung (18) zurückhaltbar ist.

4. Die Kopfstruktur (2) wird, wenn sie an die Basisstruktur (4) gekoppelt ist, im Wesentlichen nur durch eine Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement (8) ausgeübt wird, auf der Basisstruktur (4) zurückgehalten.

2. Soweit die Beklagten zu 1) und 2) mit ihrer Berufung beanstanden, die Kammer habe zu Unrecht eine Verwirklichung von Merkmal 3.1. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung durch die angegriffene Ausführungsform I bejaht, tritt der Senat dem bei.

a) Damit die Kopfstruktur und die Rasierköpfe auch im Fall einer Überlast vor Beschädigungen geschützt sind, müssen sie sich, etwa im Fall eines Sturzes des Rasierapparates, von der Basisstruktur lösen können, was eine entsprechend gestaltete Verbindung beider Strukturen voraussetzt. Patentanspruch 1 sieht daher eine Steckverbindung vor, bei der das wellenähnliche, vom Mittelbereich der Kopfstruktur hervorragende Kopplungselement (Merkmal 2.2.1.) in einer, in der Basisstruktur vorgesehenen Rückhaltevertiefung aufgenommen wird (Merkmal 3.2.1. a)). Dabei klemmt das zumindest teilweise in der Rückhaltevertiefung bereitgestellte Federelement das Kopplungselement ein, indem es in dessen schräge Fläche eingreift (Merkmale 2.2.2. und 3.2.1. b) aa); vgl. auch Abs. [0009]). Wird der Rasierapparat bestimmungsgemäß verwendet, stellen das so ausgestaltete Kopplungselement und die Rückhaltestruktur eine solide Verbindung zwischen der Kopf- und der Basisstruktur bereit, sodass eine auf den Rasierapparat wirkende Kraft nicht zu einer Freigabe des Kopplungselementes führt (Abs. [0012]). Mit anderen Worten wird die Kopfstruktur, wenn sie an die Basisstruktur gekoppelt ist, im Wesentlichen nur durch eine durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement ausgeübte Rückhaltekraft auf der Basisstruktur zurückgehalten (Merkmal 4.).

Um das Kopplungselement freizugeben, muss das Federelement von einer entsprechend großen Kraft, insbesondere einem Hebel, gezwungen werden, sich über die schräge Oberfläche zu schieben. Ist die Kraft – etwa bei einem Sturz oder einem Fehlgebrauch – hinreichend groß, schiebt sich das Federelement über die schräge Fläche und gibt das Kopplungselement dadurch frei (Abs. [0009], [0012] [0026]). Damit dies geschehen kann, muss sichergestellt sein, dass ein substantieller Teil der aus einem Sturz oder dergleichen resultierenden Kraft tatsächlich auf das Kopplungselement übertragen wird und dort wirken kann (Abs. [0009]). Anders gewendet darf die entsprechende Kraft nicht anderweitig auf die Basisstruktur übertragen werden, so dass sie für die Entkopplung der Kopplungs- und Rückhaltestruktur zur Verfügung steht. Dem trägt Merkmal 3.1. Rechnung, wonach die Basisstruktur in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen sein soll, sodass die Kopfstruktur, wenn sie mit der Basisstruktur gekoppelt ist, nicht im Bereich dieses Außenumfangs gestützt wird. Dadurch kann der Bereich des äußeren Umfangs nicht zum Übertragen der externen Kraft auf die Basisstruktur beitragen (Abs. [0009]).

Erfindungsgemäß ausgeschlossen sind damit indes nicht jegliche Stützelemente, die zu dem stets vorhandenen Kopplungselement hinzutreten. Eine Gestaltung, bei der die Kopfstruktur nur durch das Kopplungselement – und damit auch durch keinerlei weitere Halteelemente jenseits des Außenumfangsbereichs – gestützt wird, stellt erst Unteranspruch 2 unter Schutz. Unteransprüche können zwar zur Auslegung des Hauptanspruchs beitragen. Sie engen dessen Gegenstand jedoch nicht ein, sondern zeigen lediglich, gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene Möglichkeiten seiner Ausgestaltung auf. Es ist grundsätzlich unzulässig, den Hauptanspruch im Wege der Auslegung um Merkmale zu ergänzen, die nur in einem Unteranspruch enthalten sind, und ihn dadurch einzuschränken (BGH, GRUR 2016, 1031, 1033 – Wärmetauscher; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2017, Az.: I-15 U 88/16, GRUR-RS 2017, 147787, Rz. 35 – Flüssigkeitssprüheinrichtung; Urt. v. 30.09.2021, Az.: I-2 U 5/21, GRUR-RS 2021, 34296 – Laufsohle).

Vergleichbares gilt, soweit die Figuren 2A bis 2D eine Ausgestaltung zeigen, bei der die Kopfstruktur (2) – trotz des dort vorgesehenen und zur Befestigung beitragenden Kragens (14) – ausschließlich von dem Kopplungselement (8) gehalten und getragen wird (vgl. [0013], [0024] f.). Hierbei handelt es sich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, das eine mögliche Ausgestaltung der Erfindung erläutert, ohne den Schutzbereich hierauf zu beschränken (st. Rspr., vgl. exemplarisch: OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.2020, Az.: I-2 U 25/19, GRUR-RS 2020, 21040 – Schnellspannvorrichtung).

Wie der Fachmann dem für die Reichweite des Schutzbereichs maßgeblichen Patentanspruch 1 (Art. 69 EPÜ) entnimmt, ist die Basisstruktur in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen, sodass die Kopfstruktur im Fall ihrer Kopplung mit der Basisstruktur nicht im Bereich des Außenumfangs gestützt ist („the base structure (4) is free of support elements in an area of an outer circumference of the head structure (2) such that the head structure (2), when coupled to the base structure, is not supported in the area of its outer circumference“, Hervorhebung hinzugefügt). Sämtliche außerhalb des angesprochenen Bereichs zu findenden Stützelemente führen daher von vornherein nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus.

Nichts gesagt ist damit allerdings zu den Grenzen des stützmittelfreien Bereichs. Zwar deutet der Begriff „Außenumfang“ darauf hin, dass möglicherweise lediglich eine Abstützung am Außenumfang, d.h. am äußeren Rand, ausgeschlossen ist (so BPatG, Anlage ES 14, S. 6 oben). Jedoch spricht Patentanspruch 1 von einem „Bereich des Außenumfangs“. Das könnte dafür sprechen, dass es dem Klagepatent nicht nur um die Vermeidung von unmittelbar am Außenumfang befestigten Stützmitteln geht. Soweit die Beklagten zu 1) und 2) diesen Bereich jedoch bereits aus der Systematik des Patentanspruchs auf sämtliche Bereiche erstrecken wollen, die außerhalb des Mittelbereichs der Kopfstruktur liegen, vermag der Senat dem nicht beizutreten. Hierfür fehlt es in Patentanspruch 1 an Anhaltspunkten. Dieser verlangt gerade nicht, dass sich in der Umgebung des Mittelbereichs keine Stützelemente befinden, sondern knüpft bei seiner Forderung nach einer Stützmittelfreiheit an den „Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur“ an.

Letztlich bleibt der Fachmann bei seiner Suche nach den Grenzen des Schutzbereichs ohnehin nicht bei einer solchen, rein am Wortlaut des Patentanspruchs orientierten Betrachtung stehen. Ziel der Auslegung ist nicht ein bloß philologisches Verständnis. Zu ermitteln ist vielmehr der technische Sinngehalt des Patentanspruchs. Aus der Beschreibung und den Zeichnungen, die gemäß Art. 69 Abs. 2 EPÜ zur Auslegung heranzuziehen sind, kann sich ergeben, dass die Patentschrift Begriffe eigenständig definiert und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellt (BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; GRUR 2015, 875 Rz. 16 – Rotorelemente; GRUR 2021, 942 – Anhängerkupplung II).

Davon ausgehend führt sich der Fachmann den Hintergrund der verlangten Freiheit von Stützelementen in einem Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur vor Augen, den das Klagepatent in Abs. [0008] f. wie folgt erläutert (Wiedergabe anhand der als Anlage ES 9 vorgelegten deutschen Übersetzung):

„Da im verbundenen Zustand die Kopfstruktur im Bereich des äußeren Umfangs frei von Stützelementen ist, kann der Bereich des äußeren Umfangs nicht zum Übertragen der externen Kraft auf die Basisstruktur beitragen. Als Ergebnis muss das Kopplungselement einen substantiellen Teil der externen Kraft übertragen. Da das Kopplungselement zudem in einem zentralen Bereich der Kopfstruktur angeordnet ist, wird der mit der externen Kraft verbundene mechanische Hebel zu einer relativ hohen Kraft führen, die auf das Kopplungselement wirkt. Wenn die externe Kraft groß genug ist, wird das Kopplungselement von der Rückhaltestruktur freigegeben, wodurch eine Überlast, die zu einer Beschädigung des Rasierkopfes oder der Kopfstruktur führen würde, vermieden wird.

Wenn eine äußere Last auf die Kopfstruktur gemäß der vorliegenden Erfindung ausgeübt wird, wird die Last auf das Kopplungselement übertragen. Da im gekoppelten Zustand die Kopfstruktur im Bereich des Außenumfangs nicht abgestützt wird, kann der Bereich des Außenumfangs nicht zur Übertragung der Außenlast auf die Grundstruktur beitragen. Infolgedessen muss das Kopplungselement einen wesentlichen Teil der externen Last übertragen. Da zusätzlich das Kopplungselement im zentralen Bereich der Kopfstruktur angeordnet ist, führt das mit der äußeren Belastung verbundene mechanische Drehmoment zu einer relativ hohen Kraft auf das Kopplungselement. Wenn die externe Last groß genug ist, wird das Kopplungselement von der Haltestruktur gelöst, wodurch verhindert wird, dass eine Überlastung zu einer Beschädigung des Rasierkopfes oder der Kopfstruktur führen würde. […]“ (…)

Weil sich erfindungsgemäß im Bereich des Außenumfangs keine Stützelemente befinden, ist sichergestellt, dass ein substantieller Teil einer, etwa bei einem Sturz wirkenden externen Kraft auf das Kopplungselement übertragen und nicht anderweitig abgeleitet wird. Um das Kopplungselement freizugeben, muss das Federelement von einer großen Kraft, insbesondere einem Hebel, gezwungen werden, sich über die geneigte Oberfläche zu schieben. Ist die Kraft groß genug, schiebt sich das Federelement über die schräge Oberfläche und gibt das Kopplungselement frei, wodurch die Verbindung zwischen Kopf- und Basisstruktur gelöst wird (Abs. [0009] a.E.).

Damit ist klar, wie die Grenze des stützmittelfreien Bereichs des Außenumfangs zu ziehen ist: Erfindungsgemäß dürfen, ausgehend vom Außenumfang der Kopfstruktur, dort keine Stützelemente vorhanden sein, wo sie das vorstehend im Einzelnen erläuterte Zusammenspiel der Kräfte verhindern. Es handelt sich dementsprechend um keinen absoluten, von vornherein theoretisch bestimmbaren Wert. Vielmehr führen alle Stützelemente aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, die außerhalb des Mittelbereichs liegen und verhindern, dass im Falle einer (etwa durch einen Sturz verursachten) Überlastkraft eine solche Kraft auf das Kopplungselement wirkt, dass sich das Kopplungselement aus der Rückhaltestruktur löst. Welche Stützelemente zulässig sind und welche nicht, hängt dementsprechend nicht zuletzt auch von ihrer jeweiligen technischen Gestaltung ab, hinsichtlich derer das Klagepatent keinerlei Vorgaben enthält. Sie können dementsprechend dauerhaft die Kopf- und die Basisstruktur verbinden. Ebenso ist es denkbar, dass ein Stützelement beide Strukturen nur in bestimmten Einsatzszenarien des Rasierapparates berührt und seine stützende Wirkung entfaltet. In beiden Fällen handelt es sich um Stützelemente im Sinne des Klagepatents, die nur dann aus dem Schutzbereich des Klagepatents herausführen, wenn sie sich in dem vorstehend im Einzelnen erläuterten Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur befinden.

b) Ausgehend von einem solchen Verständnis macht die angegriffene Ausführungsform I von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Sie verfügt mit dem Kragen entgegen Merkmal 3.1. über ein Stützelement im Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur.

aa) Dass die Auslenkung des Kopfteils bei der angegriffenen Ausführungsform I im Fall einer hinreichenden Krafteinwirkung durch den Kragen begrenzt wird, steht zwischen den Parteien nicht in Streit und lässt sich auch ohne Weiteres anhand der zur Akte gereichten Muster nachvollziehen. Eine hinreichende Krafteinwirkung vorausgesetzt verbleibt kein Spalt zwischen Kragen und Kopfteil. Damit kann es sich bei dem Kragen um ein Stützelement im Sinne des Klagepatents handeln, soweit er die vorstehend im Einzelnen herausgearbeiteten weiteren Anforderungen an ein Solches erfüllt. Dass sich Kopfteil und Kragen im „Normalzustand“, d.h. ohne eine entsprechende Krafteinwirkung, nicht berühren, steht einer solchen Einordnung nicht per se entgegen. Der Fachmann entnimmt – wie ausgeführt – Patentanspruch 1 keinerlei Vorgaben zur technischen Ausgestaltung der Stützelemente. Da es dem Klagepatent zudem um einen Überlastschutz geht (vgl. Abs. [0006] a.E.), kommt es patentgemäß darauf an, dass die Kraft im Fall einer solchen Belastung auf das Kopplungselement wirkt. Sie darf daher nicht in einem solchen Maße über den Außenumfang auf die Grundstruktur abgeleitet werden, dass die zur Entkopplung der Rückhaltestruktur und des Kopplungselements erforderliche (Hebel-) Kraft nicht erreicht wird. Auf eine Verbindung zwischen Kopf- und Basisstruktur im „Normalzustand“ kommt es dafür ersichtlich nicht an. Für die Einordnung als „Stützelement“ im Sinne des Klagepatents ist die fehlende Berührung von Kragen und Kopfelement im „Normalbetrieb“ daher nicht von vornherein schädlich. Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer hiervon abweichenden Auffassung auf die Kopfstützstruktur und die dortige dauerhafte Abstützung der Rasierköpfe rekurriert, verbietet sich ein solcher Vergleich schon deshalb, weil die Kopfstützstruktur in keinerlei Zusammenhang zu dem mit den Stützelementen i.S.v. Merkmal 3.1. intendierten Überlastschutz steht. Aus der technischen Gestaltung der Kopfstützstruktur lassen sich daher für die hier in Rede stehende Ausformung der Stützelemente keinerlei Rückschlüsse ziehen.

bb) Dies vorausgeschickt haben die Beklagten zu 1) und 2) die bei der angegriffenen Ausführungsform I herrschenden Kräfteverhältnisse detailliert anhand der nachfolgend eingeblendeten Abbildung erläutert:

(…9

Danach befindet sich der Drehpunkt (blauer Punkt) auf dem Stützelement und daher verhältnismäßig weit von dem Kopplungselement (orangene Linie) entfernt. Dadurch ist der Hebel gering, wenn eine Kraft auf die Kopfstruktur wirkt. Da der linke Arm (gelber Balken) kürzer als der rechte Arm (grüner Balken) ist, muss die Kraft, die auf die Ecke der Kopfstruktur wirkt, erheblich größer als die Federkraft der Rückhaltestruktur sein. Die Kraft wirkt ebenfalls auf den Drehpunkt. Dadurch, dass das Kopplungselement und der Drehpunkt voneinander entfernt sind, wirkt zumindest der wesentliche Teil der Kraft nicht auf das Kopplungselement. Die externe Kraft wirkt über den Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur direkt auf das Stützelement, das zugleich der Drehpunkt ist. Durch den Kragen reduziert sich daher nicht nur die patentgemäße Hebelwirkung. Vielmehr schlägt die Kopfstruktur im Fall eines Sturzes auf das Stützelement auf, so dass der wesentliche Teil der Kraft auf das Stützelement wirkt. Dass sich das Kopfteil dadurch zumindest dann, wenn die Kopfstruktur derart montiert ist, dass auf der Vorderseite lediglich ein Scherkopf angeordnet ist, bei einem Sturz des Rasierapparates wenigstens in bestimmten Szenarien nicht löst, hat die Beklagte zu 2) anhand der als Anlage KAP 3 zur Akte gereichten Videos demonstriert.

Dem ist die Klägerin nicht erheblich entgegengetreten. Dass sie den Beklagtenvortrag nicht mit Nichtwissen bestreiten kann (§ 138 Abs. 4 ZPO), liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die angegriffene Ausführungsform I ist ihr zugänglich, so dass sie sich ohne Weiteres über die dort herrschenden Kräfteverhältnisse Klarkeit verschaffen kann. Abgesehen davon mag es sein, dass sich das Kopfelement dann, wenn der Scherkopf derart montiert ist, dass sich auf der Vorderseite zwei Scherköpfe befinden, im Fall eines Sturzes löst (vgl. Video Anlage ES 11). Auch kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass es auch im umgekehrten Montageszenario, wie in dem als Anlage ES 13 vorgelegten Video gezeigt, im Fall einer seitlichen Krafteinwirkung zu einem Lösen der Kopfstruktur kommt. Hierbei handelt es sich jedoch jeweils um gegenüber dem Beklagtenvortrag abweichende Szenarien, mit denen die Klägerin das Vorbringen der Beklagten nicht erheblich bestreiten kann. Erfindungsgemäß muss der Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen sein. Mit anderen Worten darf sich im gesamten Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur kein Stützelement befinden. Ist auch nur in einer Richtung ein Stützelement vorhanden, führt dies aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus. Auf die angegriffene Ausführungsform I übertragen folgt daraus, dass diese bereits dann außerhalb der Erfindung steht, wenn der Kragen das Kopfelement überhaupt – und sei es auch nur bei einer Krafteinwirkung in einer bestimmten Richtung – stützt. Das ist, wie die Beklagten im Einzelnen gezeigt haben, der Fall. Die durch die Klägerin zitierte Entscheidung „Rangierkatze“ (BGH, GRUR 2006, 399) hilft ihr an dieser Stelle nicht weiter. Diese setzt die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Patentanspruchs voraus. Ist eine Solche gegeben, steht es einer Patentverletzung nicht entgegen, dass eine Vorrichtung normalerweise anders bedient wird und die Abnehmer deshalb von der patentverletzenden Lehre regelmäßig keinen Gebrauch machen. Vorliegend lässt sich das Fehlen von Stützelementen im Sinne von Merkmal 3.1. jedoch gerade nicht feststellen, so dass es an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt.

3. Zu Recht hat das Landgericht die angegriffene Ausführungsform II als patentverletzend eingestuft. Auch im Berufungsverfahren haben die Beklagten zu 1) und 3) eine Verwirklichung der insoweit allein streitigen Merkmale 2.2.1. sowie 3.2.2. b) aa) nicht erheblich in Abrede gestellt.

a) In welchem Umfang der Bestreitende seinen Vortrag substantiieren muss, hängt davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat: Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen (BeckOK ZPO/Bacher, 40. Edition Stand: 1.3.2021, § 286 Rz. 18). Dabei obliegt es zunächst der darlegungsbelasteten Partei, ihr Vorbringen zu konkretisieren und zu detaillieren (BGH NJW 1999, 1404). Je detaillierter ihr Vorbringen ist, desto höher sind die Substantiierungsanforderungen gemäß § 138 Abs. 2 ZPO (st. Rspr.,vgl. BGH, NJW-RR 2020, 1320; BGH, NJW-RR 2018, 1089; BGH, NJW-RR 2015, 468; BGH, NJW-RR 2011, 1509, jew. m. w. N.; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 421, 426 – Montagegrube). Substantiiertes Vorbringen kann danach grundsätzlich nicht pauschal bestritten werden (BGH, NZG 2020, 1149; BGH, NZG 2018, 497; BGH, NJW 2010, 1357). Hat etwa die klagende Partei ihren Vortrag durch Vorlage von Unterlagen hinreichend konkretisiert, so muss die beklagte Partei dieses Vorbringen ebenso qualifiziert bestreiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, NJW-RR 2019, 1332; BGH, NJW 1983, 687; BGH, NJW 1987, 2008; BGH, NJW 2005, 2614). In diesen Fällen ist einfaches Bestreiten mit Nichtwissen nicht zulässig, sondern es kann von dem Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, NJW 2008, 982, 984). Dies erfordert eine konkrete Erwiderung, indem sich die beklagte Partei aktiv an der Sachverhaltsaufklärung beteiligt, zu den einzelnen relevanten Behauptungen der klagenden Partei Stellung nimmt und eine eigene Darstellung dazu liefert, dass und weshalb diese Behauptung unzutreffend ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 421, 426 – Montagegrube).

b) Dies vorausgeschickt, hat die Klägerin schlüssig dargelegt, weshalb das Federelement und die unstreitig vorhandene schräge Fläche des Kopplungselementes bei der angegriffenen Ausführungsform II ineinandergreifen müssen: Sie können schon deshalb nicht, wie von den Beklagten zu 1) und zu 3) behauptet, in den Ausnehmungen liegen, weil sie dort aufgrund ihrer Größe nicht hineinpassen. Zwar sind die Beklagten dem entgegengetreten. Ihr Vorbringen reicht für ein erhebliches Bestreiten jedoch nicht aus, weshalb der klägerische Vortrag als zugestanden anzusehen ist, § 138 Abs. 3 ZPO.

aa) Will der Beklagte in einem Patentverletzungsprozess geltend machen, die angegriffene Ausführungsform sei in ihren konstruktiven Einzelheiten oder ihrer Zusammensetzung unzutreffend beschrieben, darf er sich nicht darauf beschränken, den Sachvortrag des Klägers zur Ausgestaltung des vermeintlichen Verletzungsgegenstandes lediglich pauschal zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen in der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 ZPO). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Der Beklagte kann sich im Gegenteil auf das Bestreiten bestimmter, vom Kläger behaupteter technischer Merkmale beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss konkret und substantiiert sein (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. E, Rz. 50). Kein erhebliches Bestreiten stellt es dar, wenn sich der Beklagte darauf beschränkt, am Sachvortrag des Klägers lediglich zu bemängeln, dessen Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstantiiert. Ein derartiges Bestreiten geschieht in der Praxis – so auch hier – vor allem im Hinblick auf solche Merkmale, die im Wege des bloßen Augenscheins nicht feststellbar sind, sondern sich erst aufgrund von Analysen oder Messungen erschließen. Seiner Darlegungslast kommt der Kläger hier zunächst dadurch nach, dass er die konkrete Behauptung aufstellt, die angegriffene Ausführungsform mache von jedem Merkmal des Patentanspruchs Gebrauch. Irgendeines Nachweises hierzu bedarf es zunächst noch nicht. Die Notwendigkeit ergänzenden, weiter substantiierten Vortrages ergibt sich für den Kläger erst dann, wenn der Beklagte die Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale bestritten hat. Dem Beklagten obliegt es deshalb, sich – und zwar der Wahrheit gemäß (§ 138 Abs. 1 ZPO) – darüber zu erklären, ob und ggf. welches Anspruchsmerkmal von der angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht werden soll. Dies kann zunächst zwar ebenfalls pauschal erfolgen und braucht nicht weiter substantiiert zu werden als die gegenteilige (pauschale) Behauptung des Klägers. Nur wenn der Beklagte sich im genannten Sinne konkret geäußert hat, ist der betreffende Sachvortrag streitig, so dass der Kläger jetzt seine Verletzungsbehauptung weiter ausführen muss (OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2015, Az.: I-2 U 34/10; Urt. v. 20.01.2017, Az.: I-2 U 42/12, BeckRS 2017, 162308, Rz. 121; Kühnen, a.a.O., Rz. 150).

bb) Letzterem ist die Klägerin nachgekommen.

Nachdem die Beklagten zu 1) und 3) der in der Klageschrift lediglich pauschal unter Verweis auf einen nicht näher erläuterten Messreport (Anlage ES 8) aufgestellten Behauptung, die Federelemente der angegriffenen Ausführungsform II passten nicht in den Spalt zwischen den horizontalen Flächen und könnten daher auch nicht mit der der Kopfstruktur zugewandten horizontalen Fläche in Eingriff stehen, durch die Vorlage technischer Zeichnungen (Anlagen CBH 3 und CBH 4) entgegengetreten sind, hat die Klägerin ihr Vorbringen durch die Vorlage eines ausführlichen Messberichts (Anlage ES 10) konkretisiert. Die dort geschilderten optischen Messungen bestätigen die durch die Klägerin bereits in der Klageschrift aufgestellte Behauptung, wonach die Federelemente aufgrund ihres Durchmessers nicht in der Ausnehmung anliegen können und damit im Umkehrschluss an der schrägen Fläche anliegen müssen. Dass dem so ist, bestätigen die ergänzenden Überlegungen zu den Mittelpunkten der beiden Federelemente, die oberhalb der schrägen Fläche liegen (Anlage ES 10, S. 13 unten – S. 14 oben; S. 16, unten – S. 17 oben; S. 19 unten – S. 20 oben). Im Einklang damit zeigen die zusätzlich angefertigten CT-Scans, dass die Federelemente im gekoppelten Zustand an der schrägen Fläche (und nicht in der Ausnehmung) angeordnet sind (Anlage ES 10, S. 14, S. 17 und S. 20). Dies verdeutlicht die nachfolgend beispielhaft eingeblendete, S. 14 des Schriftsatzes der Klägerin vom 9. Juni 2020 entnommene Abbildung:

(…)

Damit hat die Klägerin unter Vorlage eines Privatgutachtens schlüssig und nachvollziehbar dargetan, dass die Federelemente und die schräge Fläche bei der angegriffenen Ausführungsform II, wie von Merkmal 3.2.2. b) aa) gefordert, ineinandergreifen, weshalb (auch) diese Ausgestaltung der streitgegenständlichen Rasierapparate in den Schutzbereich des Klagepatents fällt.

cc) Vor diesem Hintergrund reicht es für ein erhebliches Bestreiten nicht aus, dass die Beklagten zu 1) und 3) lediglich den Vortrag der Klägerin als unzureichend bezeichnen und Kritik an dem durch die Klägerin vorgelegten Privatgutachten üben. Es genügt nicht, dass die Beklagten zu 1) und 3) lediglich bemängeln, die in den von der Klägerin vorgelegten Messberichten eingesetzten Messmethoden seien mit inhärenten Ungenauigkeiten und damit Messfehlern verbunden, die zur Unrichtigkeit der vorgetragenen Messergebnisse führen. Die angegriffene Ausführungsform II wird ausweislich der Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) durch die Beklagte zu 3) hergestellt und an die Beklagte zu 1) geliefert, die sie über ihren Online-Shop vertreibt. Sie befindet sich somit in ihren Händen. Dass die Beklagten zu 1) und 3) gleichwohl nicht in der Lage wären, die angegriffene Ausführungsform II zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es wäre somit an ihnen gewesen, entsprechende Untersuchungen zu veranlassen und – soweit zutreffend – auf dieser Grundlage den durch die Klägerin vorgelegten Messergebnissen entgegenzutreten. Dem sind die Beklagten zu 1) und 3) jedoch nicht nachgekommen. Soweit sie stattdessen wiederholt und ohne Vertiefung ihres Vorbringens auf die als Anlagen CBH 3 und CBH 4 vorgelegten technischen Zeichnungen verweisen, mögen diese – was keiner abschließenden Bewertung bedarf – ausreichen, um den zunächst relativ pauschal gehaltenen Vortrag in der Klageschrift erheblich zu bestreiten. Für ein erhebliches Bestreiten des weiteren, durch einen detaillierten Messbericht ergänzten Vortrages der Klägerin reichen sie nicht aus.

4. Ausgehend von diesen Überlegungen hat das Landgericht im Angebot und im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland zutreffend eine unmittelbare wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents i.S.v. § 9 Nr. 1 PatG gesehen. Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung sowie zum Rückruf verpflichtet sind, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Ebenso richtig und mit tragfähiger Begründung ist die Kammer von einer Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz ausgegangen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.

5. Zu Recht hat das Landgericht von einer Aussetzung der Verhandlung abgesehen, § 148 ZPO. Die Voraussetzungen für ein Abwarten der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren liegen auch in zweiter Instanz nicht vor.

a) Wenn das Klagepatent – wie hier – mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, Rz. 4 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch bzw. der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten; st. Rspr. des Senats, vgl. Urt. v. 30.09.2021, Az.: I-2 U 5/21).

b) Wurde das Klagepatent – wie hier – bereits in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bestätigt, so hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Klagepatents hinzunehmen. Grund, die parallele Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einer Verurteilung vorerst abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der Angriff auf den Rechtsbestand nunmehr auf (z. B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (st. Rspr., vgl. OLG Düsseldorf, Urt. vom 06.12.2012, Az.: I – 2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Urt. v. 17.10.2019, Az.: I-2 U 11/18, BeckRS 2019, 31342; Urt. v. 30.09.2021, Az.: I-2 U 5/21; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. E, Rz. 869).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen bietet die durch die Beklagten zu 1) und zu 2) erhobene Nichtigkeitsklage keinen Anlass, die Verhandlung im Verletzungsverfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundespatentgerichts abzuwarten.

aa) Die dem Verletzungsverfahren zugrundeliegende Fassung des Klagepatents entspricht der durch die Technische Beschwerdekammer aufrechterhaltenen Fassung (vgl. Anlage ES 4c). Von deren Rechtsbeständigkeit geht auch das Bundespatentgericht in seinem qualifizierten Hinweis vom 14. Juni 2016 (vgl. Anlage ES 14, S. 7 oben) aus, wobei sich das Bundespatentgericht dort ausführlich mit den durch die Beklagten zu 2) und 3) erhobenen Einwänden beschäftigt und diese tendenziell für nicht durchgreifend erachtet. Diese fachkundigen Voten hat der Senat bei seiner Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigen.

bb) Abgesehen davon begründet das Vorbringen der Beklagten ohnehin keine hinreichenden Zweifel an der Neuheit der durch die streitgegenständlichen Patentansprüche unter Schutz gestellten Erfindung, Art. 54 EPÜ. Soweit sich die Beklagten zur Begründung ihres Neuheitsangriffs auf die DE 692 24 440 T3 (NK 14) und dort insbesondere auf die nachfolgend eingeblendete Figur 4 beziehen, kann dies von vornherein nicht zum Erfolg führen.

In diesem Zusammenhang führt das Bundespatentgericht folgendes aus (Anlage ES 14, S. 7 f.):

„Die DE 692 24 440 T3 (NK 14) betrifft einen Trockenrasierapparat mit mehreren Schereinheiten 13, 14, 15, umfassend äußere (16, 17, 20) und innere Schereinheiten (21, 22, 24), die innerhalb der jeweiligen äußeren Schneideeinheit linear hin und her bewegt werden. Dabei offenbart das Ausführungsbeispiel nach Figur 4 eine Rasiervorrichtung mit einer Basisstruktur 1 („Gehäuse“) und einer Kopfstruktur 23, 24, 13, 14, 15 […]; der Scherkopfrahmen (60) mit den Scherblättern 16, 17 wird hierbei nicht als zu(r) Kopfstruktur gehörig angesehen. Die Kopfstruktur umfasst eine Kopfstützstruktur 23 (in NK 14 „Kopplungselement“) genannt, die so konzipiert ist, dass sie die beiden Kurzhaarschneider-Schereinheiten 13, 14 und den Langhaarschneider 15 aufnehmen kann. Diese Einheiten sind allerdings im Wesentlichen linear gelagert und werden oszillierend angetrieben, so dass die Kopfstützstruktur somit nicht dafür geeignet und ausgelegt ist, um rotierend angetriebene Rasierköpfe aufzunehmen. Neben dem fehlenden Merkmal 1.2. (= Merkmale 2. und 2.1. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung) dürfte es auch an dem Merkmal 1.3. (= Merkmal 3.1. der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung) mangeln, da gemäß der Beschreibung zur Figur 4 die jeweiligen Enden der Schereinheit 15 in Führungsnuten, die an den Innenwänden 49 des Scherkopfrahmens ausgebildet sind, geführt sind und damit die Kopfstruktur im Bereich des Außenumfangs in bestimmten Richtungen gestützt ist (siehe Beschreibungsseite 9, zweiter Absatz). Schließlich dürfte auch das Merkmal 1.4. (= Merkmale 2. und 2.a) der vorstehend eingeblendeten Merkmalsgliederung) nicht vollständig erfüllt sein. Zwar umfasst die Kopfstruktur ein im Mittelbereich der Kopfstruktur angeordnetes Kopplungselement, nämlich den Führungsstift 44, jedoch ist die weitere Zuordnung in der Mitte eines kreisförmigen Bereichs, der durch die Drehwelle jedes rotierenden Rasierkopfes begrenzt ist, bereits wegen des Fehlens von rotierenden Rasierköpfen nicht gegeben.“ (…)

Dem ist nichts hinzuzufügen. Dass der Fachmann sämtliche dieser in der Entgegenhaltung nicht offenbarten Merkmale – entgegen dem fachkundigen Votum des Bundespatentgerichts – automatisch mitliest, ist nicht ersichtlich. Die NK 14 betrifft eine Lösung mit einem oszillierenden Antrieb und damit bereits per se ein anderes Grundprinzip. Dementsprechend hat der Fachmann überhaupt keinen Grund, die offenbarte Lösung gedanklich um Merkmale zu ergänzen, derer es bei dieser Lösung gar nicht bedarf. Dass die erfindungsgemäße Vorrichtung nach Abs. [0022] der Klagepatentbeschreibung für verschiedene Kopfstrukturen, beispielsweise Trimm-, Rasier-, Pflege- und Zahnbürsten-Kopfstrukturen, Verwendung finden kann, zwingt schon deshalb zu keinem anderen Verständnis, weil es sich bei der Heranziehung dieser Textpassage um nichts anderes als eine stets unzulässige rückschauende Betrachtung handelt. In der für die Beurteilung der Neuheit relevanten NK 14 findet sich ein entsprechender Hinweis gerade nicht. Abgesehen dazu äußert sich das Klagepatent in dem vorgenannten Absatz ohnehin auch nicht zur näheren technischen Gestaltung der dort pauschal aufgeführten Strukturen.

bb) Für eine Aussetzung der Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) besteht ebenfalls kein Grund. Nachfolgend einblendet finden sich Figuren aus den durch die Beklagten in diesem Zusammenhang herangezogenen Schriften (entnommen Anlage ES 14, S. 17):

(…)

Auch mit der Frage der Kombinierbarkeit der offenbarten Lösungen hat sich das Bundespatentgericht in seinem qualifizierten Hinweis ausführlich und nachvollziehbar beschäftigt und ausgeführt (Anlage ES 14, S. 17):

„Diesbezüglich erscheint es schon nicht naheliegend, dass der Fachmann den Scherkopf der NK 14, der für einen oszillierenden Antrieb ausgelegt ist (siehe S. 8, vorletzter Satz), ohne konkreten Anlass gegen eine Kopfstruktur mit rotierenden Rasierköpfen austauscht, der einen reinen Drehantrieb voraussetzt. In dieser Hinsicht ist überdies die Drehmomentübertragung über den Führungsstift nicht gewährleistet, da das Drehmoment offensichtlich nur über die Reibung der Feder übertragen werden kann. Für eine Übertragung der Rotationsrasierer-Kopfstruktur der US 3,844,033 (NK 11) müsste dieser erst einmal aus der geschlossenen Gehäusestruktur (siehe Figur 1, Gehäuse 1) „herausgelöst“ werden, da Figur 5 lediglich eine aufgebrochene Schnittdarstellung darstellt. Die Übertragung, welche die zuvor erwähnte Anpassung des Antriebs voraussetzt, würde schließlich dann dazu führen, dass das Merkmal 1.3. nicht gegeben ist, da das Gehäuseoberteil der NK 11, das die rotierenden Rasierköpfe trägt, sich an seinem Außenbereich an der Basisstruktur 1 der NK 14 abstützt.

Diese Argumentation lässt sich auch auf die Kombination mit der NK 7, erste Variante, übertragen.

Auf Grund der fehlenden Veranlassung in Verbindung mit den oben aufgeführten Hinderungsgründen ist es somit nicht nahegelegt, den Scherkopf der NK 14 durch eine Kopfstruktur mit rotierenden Rasierköpfen der NK 7 und der NK 11 zu ersetzen, wobei dies zudem nicht zu einem Gegenstand mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 führen würde.“

Zwingende Argumente, welche die auf einer Wertung aus fachmännischer Sicht beruhenden Erwägungen des Bundespatentgerichts als unvertretbar erscheinen lassen, haben die Beklagten nicht vorzutragen vermocht. Auch unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Erfindungshöhe ist daher nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit mit einer Vernichtung des Klagepatents zu rechnen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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